433 5. Abends freilich treibt er die Schafe zu dem „Kaben“, der mitten auf öder Heide steht und ein Gebäude ohne Fachwerk, also ur ein schützendes, strohbedecktes Dach darstellt. Er selbst aber kriecht in den Schäferkarren und ruht aus von den großen An— strengungen des Tages. — Das ist ein Bild aus dem Alltagsleben der „kleinen Leute auf der Heide“. Johannes Meyer. 281. Abseits. L.Es ist so still; die Heide liegt im warmen Mittagssonnenstrahle, ein rosenroter Schimmer fliegt um ihre alten Gräbermale; die Kräuter blühn; der Heideduft steigt in die blaue Sommerluft. 2. Caufkäfer hasten durch's Ge— sträuch in ihren goldnen Panzerröckchen, die Bienen hängen Zweig um Zweig sich an der Edelheide Glöckchen, die Vögel schwirren aus dem Kraut — die Cuft ist voller Lerchenlaut. 3. Ein halbverfallen niedrig Haus steht einsam hier und sonnbeschienen. Der Kätner lehnt zur Tür hinaus, behaglich blinzelnd nach den Bienen; sein Junge auf dem Stein davor schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr. 4. Kaum zittert durch die Mittags ruh ein Schlag der Dorfuhr, der ent— fernten; dem Alten fällt die Wimper zu, er träumt von seinen Honigernten. — Kein Klang der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit. Theodor Storm. 282. Wassersnot. 1Es ist kalt draußen, bitter kalt. Der scharfe, eisige Nordost dringt in alle Winkel und durch die dicksten Winterüberzieher. Dazu liegt Schnee, blendend weißer, fußhoher Schnee. Er klebt nicht, er stäubt beinahe und knirscht und knattert und knittert unter jedem Tritte. 2. Die Mutter ist in der Stube bei den Kindern. Sie hat das vierte, den kleinen Jann, auf dem Arme und haucht und haucht an die völlig zugefrorene Fensterscheibe, um ein kleines Guckloch zu erhalten. Die drei ältesten Kinder stehen um den breiten Kachelofen herum und sehen mit lüsternen Augen der Großmutter zu. Groß— mutter, die alte, taube Frau, die so herzensgut ist, hat Rheumatismus in den Beinen und Armen. Sie hat harte, gute Winteräpfel auf die Ofenplatte gelegt; da werden sie heiß und platzen und brutzeln und zischen und puffen und werden mit jedem Augenblick noch leckerer. Endlich sind sie gar. Großmutter rakt sie unbeholfen mit der Feuer— zange zu sich her und läßt sie in ihren Schoß kollern. Und die Kinder nehmen ihre Taschentücher, um sie anfassen zu können, und warten mundwässevig auf das Verteilen. LCuben-Nacke, Lesebuch 11. 28