175 2 Das Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung; den aber reute sein Versprechen und er sann aufs neue, wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte. Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst, sprach er zu ihm, mußt du noch eine Heldentat vollbringen. In dem Walde läuft ein Einhorn, das großen Schaden anrichtet; das mußt du erst einfangen. Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen; sieben auf einen Streich, das ist meine Sache. Er nahm sich einen Strick und eine Art mit, ging hinaus in den Wald und hieß aber— mals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen; das Einhorn kam bald daher und sprang ge⸗ radezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände auf— spießen. Sachte, sachte, sprach er, so geschwind geht das nicht, blieb stehen und wartete, bis das Tier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder herauszuziehen, und so war es gefangen. Jetzt hab ich das Vöglein, sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den Strick erst um den Hals, dann hieb er mit der Art das Horn aus dem Baum, und als alles in Ordnung war, führte er das Tier ab und brachte es dem König. Der König wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren und machte eine dritte Forderung. Der Schneider sollte ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in dem Wald großen Schaden tat; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. Gerne, sprach der Schneider, das ist ein Kinderspiel. Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald und sie waren's wohl zufrieden; denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen. Als das Schwein den Schneider erblickte, lief es mit schäumendem Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu und wollte ihn zur Erde werfen. Der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle, die in der Nähe war, und gleich oben zum Fenster in einem Satze wieder hinaus. Das Schwein war hinter ihm hergelaufen, er aber hüpfte außen herum und schlug die Türe hinter ihm zu; da war das wütende Tier ge⸗ fangen, das viel zu schwer und unbehilflich war um zu dem Fenster hinauszuspringen. Das Schneiderlein rief die Jäger herbei, die mußten den Gefangenen mit eigenen Augen sehen. Der Held aber begab sich zum Könige, der nun, er mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten mußte und ihm seine Tochter und das halbe Königreich über⸗