Üooo— 9 mich doch nur ausreden, die Hauptsache kommt erst noch. Was ich dir erzählte, sah ich freilich nur im Traum; aber plõtzlich war es mir, als zupfe mich etwas am Ohre. lch wachite auf, der Mond schien hell in die Kammer, und vor meinem Bette stand ein kleiner Mann, der hatte einen langen, grauen Bart und das Gesicht voller Runzeln. Der kleine Mann blin-elte mich mit hellen, klugen Augen an und legte den Finger auf den Mund, als wollt' er sagen: Nur stillel ganz stilll Dann fragte er mich flüsternd, ob mir der Traum gefallen habe, und ob ich Lust hãätte, ein König zu werden und mit dir in einem goldenen Schlosse zu vohnen. Als ich ihm zunickte, 10 fuhr er fort: Wenn alles geschehen soll, wie du es getrãumt hast, so komme heut abend, wenn der Mond aufgeht, mit deiner Schwester in den Vald und warte auf mich unter äe groben Tanne, die du kennst. Aber merke dir wohl, es ist eine Bedingung dabei ihr dürft in dem goldenen Schlosse keine Täne auf den Boden 15 fallen lassen, sonst ist es mit aller Herrlichkeit vorbei, und wir Wichtlein sind wieder ohne König. — Nicht wahr, Schwester, du versprichst mir, daß du in dem goldenen Schlosse nicht weinen willst? Du weinst immer gleich.“ Da gab ihm die Schwester die Hand darauf, dab sie nicht weinen wolle; denn sie wäre doch gar 20 zu gern eine Prinzessin geworden. 5 2. Wie dor Bruder ein König und die Schwester eine Prinzessin wurde. Nun wurden die Kinder darüber einig, dab sie gegen Abend miteinander in den VWald gehen und warten wollten, bis der Mond 25 aufginge. Bevor aber noch die Dãmmerung anbrach, schlichen sie sich unbemerkt in den Wald; denn sie befürchteten; ihre Eltern mõchten sie zu Hause zurũckhalten, venn sSie von der Arbeit heim- kehrten. Es war nämlich an einem Sonnabend, und da gab es im Hause allerlei zu tun. Sie gingen miteinander Hand in Hand bis zu der groben Tanne, setzten sich auf da weiche Moos und wollten warten, bis der Mond aufginge. Nach einer Weile sagte die Schwester: Ich mub immer an unsere Eltern denken; ach, mir ist s0 traurig zumute, dab ich weinen mõchte! Darf ich jetzt noch weinen?“ — „ki gewib,“ sagte der Bruder, „wir sind ja noch z5 nicht im goldenen Schlosse. Weine dich nur recht aus, solange wir noch im VWalde sind.“ Da weinte die Schwester so lange, bis sie mit feuchten Augen einschlief. Der Bruder sab daneben und hatte nur den einen Gedanken, wie schöõn es sein würde, wenn er erst König wäre. Endlich wurde er auch müde und schläfrig und nickte ein.