192 275. Des kleinen Volkes Hochzeitsfest. Eage — Brüder Grimm) Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal Hochze halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch und die Fenster— zritzen in den Saal, und sie sprangen hinab auf den glatten Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschütet werdenn Dabon erwachte der alte Graf, der im hohen Himmelbeklte in dem Saale schlief, und verwunderte sich üben die vielen kleinen Gesellen. Da lrat einer von ihnen, geschmückt, wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in geziemenden Worten dar höflich ein, 10 an ihrem Feste teilzunehmen. „Doch um eins bitten wir,“ setzte er hinzu, „Ihr allein sollt zugegen sein; keiner von Eurem Hofgesinde darf sich uͤnter— stehen, das Fest mit anzuschauen, auch nicht mit einem einzigen Blicke.“ Der alte Graf antwortete freundlich: „Weil ihr mich im Schlafe gestört, so will ich auch mit euch sein“ Nun ward ihm ein kleines Weiblein zugeführt, kleine Lampenträger ftellten sich auf, und eine Heimchenmusik hob an. Der Graf hatte Mühe, das Weiblein beim Tanze nicht zu verlieren, das ihm so leicht daher sprang und endlich so im Wibel sich drehte, daß er kaum zu Atem kommen konnte. Mitten in dem lustigen Tanz aber stand auf ein— mal alles still, die Musik hörte auf, und der ganze Haufen eilte nach den 20 Thürspalten, Mauselbchern, und wo sonst ein Schlupfwinkel war. Das Braut⸗ paar aber, die Herolde und Tänzer schauten aufwärts nach einer Offnung, die sich oben in der Decke des Saales befand, und entdeckten dort das Gesicht der alten Gräfin, welche vorwitzig nach der lustigen Wirtschaft herabschaute. Darauf neigten sie sich vor dem Grafen, und derselbe, der ihn eingeladen, S trat wieder hervor und dankte ihm für die erzeigte Gastfreundschaft. „Weil aber,“ sagte er dann, „unsere Freude und unsere Hochzeit also ist gestört worden, daß noch ein anderes menschliches Auge darauf geblickt, so soll fortan Euer Geschlecht nie mehr als sieben Eilenburger zählen Darauf drängten sie nach einander schnell hinaus; bald war es still und der alte Graf wieder zo allein im finstern Saale. Die Verwünschung ist bis auf die gegenwärtige Zeit eingetroffen und immer einer von den sechs lebenden Ritlern von Eilen— burg gestorben, ehe der siebente geboren war. 276. Kaiser Rudolt von Habsburg. 1. Der Kaiser als Richter, udra) In Nuürnberg trat ein Kaufmann mit einer Klage gegen einen Gast— wirt vor den Kaiser. „Ieh habe dem Mirte,“ sagte er, „einen ledernen Beutel mit Gold gefullt in Verwalr gegeben, und nun leugnet er freeh den Em- pfang des Goldes und will es niebt mehbr herausgeben.“ Als der Wirt, 10 ein angesehener Mann in Nürnberg, desselben Tages mit anderen Abge- ordneten der sStadt vor dem Raiser ersehien, unterhielt sieh Rudolf, leut- selig vie er var, mit einem jeden, und aueh don Win fragte er nach Namen, Gewerbe und Pamilie. Daun, wie von ungefähr, fuhr er fort: „Sdieh, du hast da ja einen prũcehtigen neuen Hut, vie ieb nie einen be- 15 gessen. Wie waär's, wenn vwir tauschten? Du erhaltst freilich nur einen