160 — Kopf ab und verschluckt sie dann. Auch Ratten sind für seinen Appetit nicht zu groß. Hübsch ist es, zu beobachten, wie die Jungen das Fliegen allmählich lernen. Zuerst springen sie im Neste stehend empor, täglich höher, und breiten dabei die Flügel aus. Befindet sich das Nest auf einem Dache, so werden die ersten Studien auf der Dachfirst gemacht, auf der die jungen Störche wie der Seiltänzer auf seinem Seile hin und her gehen und mit den Flügeln das Gleichgewicht halten. Endlich fassen sie ein Herz, verlassen die feste Stütze und fliegen im Kreise um ihre Wohnung, anfangs nicht weit, dann aber in immer weiteren Kreisen, immer höher in die Luft. Schwer aber wird es ihnen, dann mit ihren langen Beinen wieder auf das Nest zu gelangen; gar oft verfehlen sie es und können selbst auf die Erde fallen; doch das entmutigt sie nicht. Sie erheben sich wieder und ruhen und rasten nicht, bis sie ihre Aufgabe gelernt haben. Sind sie aber Meister geworden, dann ist auch die Zeit der großen Herbstwanderung gekommen. Noch sind die Schnäbel und Beine der Jungen schwarz oder doch dunkel und nicht rot, noch können sie nicht klappern, so müssen sie schon auf die Wanderschaft. Vor der weiten Reise halten sie Beratungen in großen Volksversammlungen; dann aber trennen sie sich wieder und begeben sich still und heimlich auf den Weg. Wer hat schon die Störche in solchen Scharen über unsere Gegenden ziehen sehen, wie diese bei Kranichen, Schneegänsen und manchen andern Zugvögeln so leicht beobachtet werden? Und wie sie unbemerkt abziehen, so kommen sie auch einzeln wieder zum Nest zurück, in Scharen sieht man sie bei uns nie ankommen. Warum aber verläßt uns der Storch so früh, schon im August, wenn er noch reichlich Frösche und anderes Futter finden kann? „Ein Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit,“ sagt der Prophet Jeremia; er weiß, wann er in seiner zweiten Heimat, in Ägypten, recht kommt zu den Überschwemmungen, welche der durch heftigen Regen angeschwollene Nil verursacht. Da findet er reichliche Nahrung. Dort brütet er nicht, dort jagt er nur und lebt herrlich und in Freuden, während es bei uns schneit und friert. Der Storch kennt aber auch seine Zeit, wenn es dort trocken und die Nahrung für ihn knapp wird. Er kommt zu uns zurück, und trifft er auch hier noch Schnee, leidet er auch noch kurze Zeit Not, so weiß er doch, daß der Frühling kommt, den er ankündigt. O. Buchner. 154. Storch und Mũdchen. 1. „Kaum wird es kalt, so ziehst du fort Herr Storch, mit deinen Kindern Könnt ich wie du von Ort zu Ort, Möcht' auch nicht überwintern.““