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Lipsins & TDischer, Kiel und Leipzig.
Von Rektor Heinrich Lund und Lehrer Wilhelm Suhr sind in unserem Verlage
erschienen:
Erstes Lesebuch
für die
Schnlen der dentschen Nordmarken.
Vorstufe zum „Vaterland“.
Das Vaterland.
Lesebuch für die deutschen Nordmarken.
Mittelstufe.
Das Vaterland.
W
Lesebuch für die deutschen Nordmarken.
Oberstufe.
Ausgabe für Mitlelschulen.
In zwei Teilen.
Das Vaterland.
Lesebuch für die deutschen Nordmarken.
Oberstufe.
Uusgabe für Volksschulen.
In einem Bande.
Verlag von Lipfins & Tischer in Kiel und Leipzig.
Naturgeschichte
von
Friedrieh funge, Hauptlehrer in Kiel.
63
2 2 5 9 2
Der Dorfteich als Lebensgemeinschaft Die Kultkurwesen der deuischen Heimat.
nebst-einer Abhaudlung über Zielu. Verfahren Eine Lebensgemeinschaft um den Menschen.
des naturgeschichtlichen Unterrichts. Erster Teil: Die Pflauzenwelt.
Zweite verbesserte und vermehrte Auslage. 378 Seiten gr. 80.
272 S. gr. 89. Geheftet M. 280, gut gebd. M. 3.60. Geheftet M. 8. gut gebunden M. 8,80.
Empfehlung des Herzoglichen Kreis-Schulamts Meiningen vom 14. August 1885 im Regierungsblatt
für das Herzogtum Sachsen-Meiningen 1885 Nr 128
In Gemäßheit eines hohen Ministerialrestripts vom 31. Juli d. J. empfehlen wir den Lehrern als wertvollen Beitrag
ju einer fruchtbaren Reform des naturgeschichlichen Unterrichts in den Volksschulen eine in diesen Jahre bei Lipsius & Tischer
in Kiel erschienene Schrift des Hauptlehrers Friedrich Junge daselbst, welche den Tilel führt Naturgeschichte in der Vons.
schule⸗ Die Schrift ist für jede Sue anzuschaffen.
Aus einer Besprechung des Herrn Dr. Schröder, Wernigerode, in „Frick und Richter, Lehrproben und
Lehrgänge aus der Praxis der Gymnasien und Realschulen“ 1885 Hest 5.
Es ist eine hochbeachtenswerte Publikation, welche uns in dem Junge'schen Werke vorliegt; sie ist vor allen ähnlichen
Produltionen dadurch auf das vorteilhafteste ausgezeichnet, daß auf einen erschöpfenden theoretischen Teil ein bis ins kleinste
Detail ausgearbeiteter praltischer Teil soldt, sodaß der Lehrer resp. Leser in der Lage ist, auf das Rechenexempel sogleich die
Probe zu machen. Aus dem Studium dieses Buches habe ih reichste Anregung empfangen und empfehle dasselbe allen Fach—
lollegen auf das Dringendste. Zugleich hoffe ich zuversichtlich, daß welleste Verbreitung und damit Segen für die deutschen
Schulen des Verfassers Lohn werde.
Aus dem „Sonntagsblatt der Preuß. Lehrer-geitung“ 1892 Nr. 16.
Doch haben uns die letzten Jahre einen Reformator gebracht, dessen Name in Kurzem in aller Mund war: Friedrich
Junge in Kiel. Sein „Dorfteich“ ist ein Werk, das den Anfang einer neuen Epoche auf dem Gebiete des naturkundlichen
uien . . dJa, die deutsche Vollsschullehrerschaft darf stolz darauf sein, daß Friedrich Junge in hren
Aus einer Besprechung der „Allgemeinen deutschen Schulzeitung“ 1890 Nr. 21.
Das Junge'sche Buch hat eine lebhafte Besprechung auf dem naturgeschichtlichen Unterrichtsfelde hervorgebracht und es
sind durch dasselbe nene Prinzipien, neue Ideen, neue Methoden wachgerufen worden. Ohne auf eine nhere Kritit der
Junge schen Reformpläne einzugehen, müssen wir gestehen, daß der „Dorfteich als Lebensgemeinschaft“ sehr interessant ist; des
halb sollte kein Lehrer der VNaturgeschichte das Junge sche Buch neeen lassen; für seinen Unterricht wird er vieles darans
hexwerten können; vor allen Dingen wird er an der Hand des Buches lernen, wie er die Kinder zu aufmerksamer Beob⸗
achtung der Natur anleiten uuß.
Aus einer Besprechung in der „Pädagogischen Zeitung“ 1891 Nr. 18.
Ich will mich deshalb auf die Bemerkung beschränken, daß ich bei der Lektüre dieses Buches die Ueberzeugung
ewonnen habe, daß dasselbe ebensowenig wie der „Dorfteich im Bücherschrantk eines Lehrers fehlen sollte — der Schule zum
Gewinn, dem Lehrer zur Freude, unserm Stande ber zum Stolz!
ein Handbuch für Lehrer und Lernende und ein Lesebuch für Naturfreunde
von
H. Peters,
Rektor der J. Knaben⸗Volksschule in Kiel und Lehrer an der Präparanden-Anstalt daselbst.
Preis geheftet Mk. 2.80; eleg. gebunden Mk. 3.60
Aus einem Schreiben von Dr. Puil. Schmidt, Lehrer für Naturwissenschaften am Seminar zu Plauen bei Dresden,
14. Januar 1893: Das Buch bedeutet wirtlich einen großen Forsschrit auf dem Gebiete der Lehrbücherfrage für diese Fächer
und werde ich nicht verfehlen, auf dasselbe Ners empfehlend hinzuweisen.
Aus der „Kath. Schulzeitung für Norddeutschland Breslam) 1898 Nr. 42: Ich nehme keinen Anstand, das
Peters sche Buch als die herborragendste Leistung auf dem Gebiet der methodischen Litleratur über Mineralogie zu be—
zeichnen. Alle Präparandien und Seminare solten dieses Buch ihrem mineralogischen Unterricht zu Grunde legen: dann
bürden bald die Klagen über die Ergebnielosigten dieses Unterrichtszweiges verschwinden. E. R.
Aus der „Pädagog. Reform Gamburg) 1898 Nr. 8 Nach meiner Meinung hat der Verfasser mit der Herausgabe
seines Werkes uns Lehrern einen großen Dienst erwiesen.. .. Ein Unterricht, der nach diefem Buche, unter Bennhung des
erfordexlichen Anschauungsmaterials, erteilt wird, wird sicher zum Heile der uns anvertrauten ur ausschlagen. Ich
empfehle daher das Buch jedem Kollegen zur gesalligen Benutzung, nicht bloß denjenigen, die mit den bezüglichen Unterrichts
zweigen zu thun haben, und habe die feste Üeberenaung. daß das Studium vdesselbel jedem große Freude machen wird.
Justus Schmidt.
Aus der „Elsaß-Lothring. Lehrerzeitung“ 1898 Nr. 358. Dieses Werk möchte ich jedem Lehrer empfehlen, sei es zur
Erweiterung des aus dem Semmar mitgebrachten verhältnismäßig recht minimalen Wissens auf diesem Gebiete — oder
sei es, um die den herdorragenden Schulmann verratende are und anziehende Darstellung kennen und anwenden zu
lernen — oder sei es endlich auch nur, um sich ein⸗ genußreiche und sehr anregende Lektüre zu gewähren, wohl geeignet, auch
den nicht ausgesprochenen Naturfreund zu einem solchen zu maͤchen. J
Aus der „Deutschen Schule Ceipzig) 1kine Empfehlung des Buches habe ich nach dem Gesagten nicht mehr
nötig, und es i miir zweifellos. daß es bald die Beachtung finden wird, die es berdient.
Maadebura. J. Schmoil.
Verlag von Liplius & Tischer in Kiel und Fripzig.
m 2122 2
Grundriß der Blüten-Biologie.
Zur Belebung des botanischen Unterrichts, sowle zur Förderung des Verstündnisses für unsere
Blumenwelt zusainmengestellt
oon
Dr. Paul Kunuith,
Professor an der Ober-Realschule zu Kiel.
111 S. gr. 80. Mit 36 Holzschnitten in 143 Einzelabbildungen. Elegant gebunden Mk. 1.50.
„Man muß die Natur auf der That zu ertappen suchen“ — diese Worte Chr. K. Sprengels, die Knuth seiner Arbeit
als Motto voranstellt, sie werden leider im naturkundlichen Unterricht immer noch zu wenig beachtet. Die trockene Be—
schreibung aber, das weiß jeder Lehrer der Botanit aus eigener Erfahrung, kann das Gemu des Schülers nicht anregen, sie
macht vielmehr den Unterricht zu einer langweiligen Sache. Tritt dagegen die Erforschung und Kenntus der Lebensverrichtungen
hinzu, so wird der botanische Unterricht für Lehrer und Schüler anregend und belebende Nin wenige von den bisher er—
schienenen botanischen Büchern enthalten hin und wieder eingestreute bidlogische Mitteilungen, und die wissenschaftlichen biolo⸗
zischen Werke sind für den Schulgebrauch zu umfangreich; so stellt sich denn in der Dat das Bedürfnis nach einem gut ge—
schriebenen, nicht zu reichhaltigen biologischen Werke heraus. Daß es dem Verfasser thatsächlich gelungen ist, diese Qde in
befriedigender Weise auszufüllen, beweist allein der Umstand, daß das Buch bald nach Erscheinen schon in vielen Schulen,
hauptsächlich Seminaren und Präparanden-Anslalten, eingeführt wurde, und das beweisen auch die vielen günstigen Besprech⸗
uͤngen in Zeitschriften.
Aus einer Besprechung in der „Natur“ 1895 Nr. 49.
So ist es dem Verfasser nach allen Richtungen hin gelungen, seine eigene Begelssterung für die Sache auf seine Schrift
zu übextragen, womit dieselbe unseren Wesern um so wärmer empfohlen sein möge, als sie auch jedem Blumenfreunde ein ganz
leunes Gebiet eröffnet, auf welchem er im Stande sein ann sich noch ganz andere Genüsse zu verschaffen, als uh den Genuß
an Form, Farbe und Duft.
Ein Urteil aus Lehrerkreisen.
Besten Dank für Uebersendung der Schrift: Dr. P. Kunuth, Grundriß der Blüten-Biologien Ich habe dieselbe mit
großem Jutexesse und Verguügen gelesen, der Herr Verfasser hat mit wahrem Bienen Eifer Ms gesammelt, was über die
dermittelnde der Inseklen deröffentlicht vurde und zugleich mit seinen eigenen vielseitigen e ee, mit größtem
Geschick in ein sehr passendes System geordnen die Zeichnungen sind sehr klar und berständüch m unterstüßgen das
Studium der Botanik überhaupt in jeder Beziehung.
Ansbach Gahern), 10. Juni 1894. H. Hornung, k. Reallehrer.
Rechenaufgaben
jur Vorbereikung auf die pPoltgehülfen -Prüfung
zusammengestellt von J. M. Rroeker, Hauptlehrer in Gaarden.
Preis gebunden M. 1.80. n
Der Verfasser hat in dieser Aufgabensammlung das Rechenmaterial geboten, welches Postschüler bewãltigen müssen,
um die Postgehülfen-Prüfung bestehen zu können und un den Anforderungen, welche in Bezug guf Rechnen während ihret
Dienstzeit als Postgehuͤlfen an sie gestelll werden, gewachsen zu sein. Da die vorhandenen Nechenbücher andern Zwecken dienen
sollen, eignet sich das in ihnen gebotene Mafgiaf blerfüt weligene Dis bortegende Sammlung ist einem enstandenen Bedürfnis
angepaßt und bereits mit Erfolg an cinigen Fachan alten eingeführt. Das in derselben enthaltene Material ist auf das sorg
fältigste ausgewählt worden und ist die Ausstattung die beste. 9
Aus einer Besprechung im „Pädagogischen Litteraturblatt“, Monatsbeilage der Preußischen Lehrer⸗
zeitung 1891, Nr.3.
Broekers Postrechenbuch kann ich allen Kollegen, welche Knaben zur Postgehilfenvrüfung vorbereiten oder an Post
schulen arbeiten, als sicheren Führer empfehlen.
Thorgesaugichul
Chorgesangschule.
Ein methodisch-praktisches Uebungs- und Liederbuch für den Gesangunterricht in
Bürger- u. Volksschulen, sowie zum Gebrauche in Präparandenanstalten, höheren
7 61 34
Töchterschulen und in den Vorklassen der Kirchenchöre.
In drei Hefsten.
Herausgegeben von bB. O. Först. m—
Lehrer an der 1. Knaben-Volksschule und Dirigent des St. Nicolai-Chors in Kiel
Heft L Unterstuse, 31 S., steif brochiert Mmann veften Mittelstufe 2. Aufl, 7S sieif brochiert M. 240.
Heft III: Oberstufe, 208 S., gebd. M. . vBeft Uib. bberftufe der Volksschulen, 2. Aufl., 128 Sa, lleif broch. Mk. 0.50.
Der Gesangfreund.
Eine Sammlung der schönsten ein-, zwei- ünd dreistimmigen Lieder für Schule,
Haus und Leben.
Herausgegeben im Auftrage des Kieler Lehrervereins von
A. Stolley,
Hauptlehrer an der ersten Mädchenbürgerschule in Kiel. Ac—s
Ausgabe 4. in drei Heften: Heft J euthaltend 2 nstimmige Lieder für die Unterstufe. 10. Auflage. Preis 25 Pfg
Heft I. Einstimmige und zweistimmige Vieder nebst vorbereitenden Tonübüngen und Kanons.
. Auflage. Preis 35 Pfg. Heft UI. Zwei- und dreistimmige Lieder nebst vorbereitenben
Tonübungen. i9. Auflage. Preis 10 Fige g
Ausgabe B. in zwei Heften: Heft 1. Neder für die Unten und Mittelstufe. 3. Auflage. Preis 25 Pfg. Heft 11.
Lieder für die Oberstufe. 3 Auflage. Preis 30 Pfg.
Gesamtheft für Unter-, Mittel— und Oberstufe. 2 Auflage. Preis 45 Pfa.
Methodisches heft für die Hand des Lehrers. Ein Führer für den Gesangunterricht in der
Volksschule. 7. Auflage. Preis 40 Pfg.
2
Erztes esebuch
für die
vchulen der deutzchen Nordmarken.
Vorstufe zum „Vaterland.
herausgegeben von
heinrich Lund una Wilhelm Suhr.
Georg· Eclkert·lnstitut
fuͤr jnternationala deluuehforsehung
Bramaore
2 Biblictot
—
Graunschweio
6 D heak e lnwentarisiert unter
Riel und Leipzig isbl·s t
Uerlag von Lipsius s Tischer.
1001.
1
Inhaltsverzeichnis.
Die Gedichte sind mit einem Stern bezeichnet.
I. Im Tageslaufe. vn
1. Die Sonnenstrahlen. . . Wilhelm Curtmann —w
2. Der Wecker eriedrich uree —
* 3. Der Landmann am Morgen. Widmann . —
egee Zlse Frapan
. Plaßregen Juse Frapan
6. Was ich habe Wilhelm Hey
* 7. Die beiden Fensterlein Casterträ
8 Der süße Breililiie Brüder Griimm
9. Vom Essen und Trinken Volksmund
*10. Natsern .Christian Dieffenbach
11 Raisenn Boltsmund
12. Der Geburtstag der Mutter Christian Dieffenbach —
13. Der Abenn Wilhelm Curtmanne.
14. Der Laternenanzünder łlle grapaen
*1t. dm Abend Wilhem gey ——
*16. Der Sandmann Hermann Kletke —
7. Wiegenlied Robert Reinterer
*18. Schlafslide Gräfingg
*19. Gute Nachtht Agnes Franz
*20. Schlafliedchen Karl Bulfee 0
*21. Gute Nacht Boltsmund 4
*22. Das Lied vom Monde Heinrich Hoffmann von Fallersleben 11
II. Die vier Jahreszeiten.
*23. Die Jahreszeiten Hermann Klefteeee 12
*24. Winters Abschied. Heinrich Hoffmann von Fallersleben 13
*25. Das arme Vögleinn Heinrich Hoffmann von Fallersleben 13
*26. Spiellust im Frühlinge.. Heinrich Hoffmann von Fallersleben 14
*97. An den Malxtx Christian Adolf Overbeftft 65
28. Der Maiai Wilhelm Curtmann 5
29. Der Sommer A sKippenberg 26 5
*30. Es regnet! Karl Ensline. 16
Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Der Herbir A. Kippenberg 16
n Herbi Robert Renicke 17
33. Der Vöglein Abschied Rudolf Löwenstein 18
34 Der Winter A ippenberg 9
*35. Die Blumen im Winter Wilhelm ßey 20
*36. Der ersie Schne Franz Kngaur 20
*37. Der Schneemannn Rudolf Löwenstein 20
38. Der schmelzende Koch Mobert neinitt 21
*39. Das Büblein auf dem Eise Friedrich üt 22
40. Der Grimm des Winters . Wilhelm Curtmann 23
41. Die kleinen Tierfreunde Heinemann 24
III. In Haus, Hof und Garten.
42. Das Haus IGras oectedeee — 9
43. Der Wolf u. d. sieben jung. Geißlein Brüder Grimm 286
44 Ralel epp Feriedrich Gttttt 119
45 Das Fünkchen Wilheim Curtmann —— 29
*46. Vom Hundeee Friedrich Gülll —30
*47. Hund und Katze —6360
*48. Vom brummenden Kater Joachim Heinrich Campen 31
49. Der große Hund Hans Christian Andersen. 3
50. Vom Hunde im Wasser. . Martin dutherr 3
*51. Katze und Schwalbe .. ————— —32
*52. Mäuschen in der Speisekammer Elisabeth Ebelin g 332
53. Die kluge Maus. Albert Grimm . 335
*54. Vom Mäusleiain griedrich Gull — 33
65. Das Kind im Hofe Mach dring 35
66. Der Huhnerh Wilhelm Curtmann 36
*57. Fragefritze und die Plappertasche Richard Dehmel .. 37
*8. Rätsel E), 38
*59. Merk' einmal, was ich vom Hahn
alles dir erzählen kann. . Friedrich Güll . 38
60. Der Han Seei 69
61. Vom Hühnchen und Hähnchen Ludwig Bechstein 309
*62. Der Spitz und die Gänse. Robert Reinicke. 40
63. Pferd und Sperlinng Wilhelm Hey 41
*64. Das Böcklein u. sein Zottelröcklein Friedrich Güll 41
65. Eine Schwalbengeschichte August Hummel 42
66. Storch und Spaʒʒß Karl Enslin 43
67. Meister Syaßß Gart Paleee 43
68. Der Sperling im Winter. Johannes Trojan. 44
69. Das Nest des Rotschwänzchenßs Wilhelm Curtmann Eo— 44
*70. Der NRab Wilhelm ey — 45
*71. Hans und die Spatzen. Rudolf Löwenstein E.— 45
*72. Die Storcheee Wilhelm Hey 46
*73. Der Storch und die Kinder Rudolf Löwenstein. 6
74. Bienchen im Frühlinge.. . Wilhelm Curtmann 47
*756. Einteße LQLudwig Uhland 14698
*76. Vom Spinnlein und Mücklein Friedrich Güll 48
IV
Inhaltsverzeichnis.
Seite
77. Ver Apfelbaumnm Friedrich Nolle. 49
*78. Vom schlafenden Apfel Robert Reinick — 3
*79. Mulsel Rirsche)j Volksmund 0
80. Das Nelkenbeet Friedrich Krummacher — 50
*81. Der Hase im Kohl Heinrich Seidel. 50
IV. In Feld und Wald.
82. Die Hecke Zlse Frapan 2
83. Die Singvögel Christoph v. Schmid 64
84. Der Grabenn slsfe Frapan 54
85. Das Veilchen Friedrich Voll 56
86. Die Wiese Flse Frapan 56
87 Die ernte Nach Ernst Lausche. —
88. Der wolfx Christophev. Schmid 58
89. Die beiden Ziegen Albert Grimm. 58
*90. Marienwürmchen Vollsmunde 58
91. Goldtöchterchen. Richard Volkmann. —0
9. Der Teih Wilhelm Curtmann 62
ößDie Krte Johannes Trojan. —68
*94. Wandersmann und Lerche. Wilhelm Hey 632
*95. Die grüne Stadt Ernst Ortlepb 63
*96. Vom Bäumlein, das and. Blätter Friedrich Ruͤckert —6
*o7. Gefunen Wolfgang Goethe .. 65
v Das Fuchslein Heinrich Hoffmann von Fallersleben 65
99. Die dasen Friedrich olt 66
100. Vom Hasen Nach Hermann Wagner 687
lh eleinnnn rriedrih Gatcc 627
*102. Jäger und Hasfe Bolksmund 68
ß Matten Hafß selus eroe 68
104. Das Eichhörnchen u. die Knaben Hermann Wagner 69
*105. Knabe und Eichhörnchen Rudolf Löwenstein . 1790—
*106. Hirschlen Wackernagels Goldene Fibel —1—
*107. Der werhe Hirsaàdj Lubwig Uhland 1—
106. Junker Prahlhaagnßs Otto Sutermeister —44
109. Der Wolf und der Mensch Brͤder Grimm —3
110. Rotkäppchen.. . . Brüder Grimm ... 4
111. Das Leben der Singvögel. Wilhelm Jubi 66
*112. Wer hat sie so schön gemacht? Wwilherm seyy 177
*113. Das Vöglein in der Wiege Christian Dieffenbach 77
*114. Vom listigen Grasmücklein Friedrich Gutttt 8
1ß. Der Stieglizßzß Wilhelm Curtmann .
116. Der Rabe A. Kippenberg nach Alfred Brehm 79
117. Der durstige Star.. Nach Äfop. .. 179
*118. Der Bär und die Bienen Christian Friedrich Dintern 9690
119. Die Sternthaler Bruüder Grimimimnn ——
120. Das Bächlein. Christian Dieffenbach —1
*191. Heldenrüslein Wolfgang Goethe .. tre 2
*122. Im Lande der Zwerge u. Riesen 22
*123. Rätsel (Storch . „Heinrich Hoffmann von Fallersleben 83
Inhaltsverzeichnis.
Seite
V. In Dorf und Stadt.
124. Wie die Menschen einander helfen Ilse Frapan. . 64
125. Wie ein Haus gebaut wird. — — 3
126. Die Feuerwerr iesrapan 8
127. Jahrmarkt in der Stadt mMach 8 Nissen 1
128. Des kranken Kindes Blume. . Nach Hans Christian Andersen 10—
129. Von der Stadtmaus und der
Feldmaus WWartin uther — — —————
130. Ein Besuch im Dorfe·. * ————— ———
131. Der Schmied e Wilhelm Curtmann ————ß
132. Der Schfer Wilhelm Curtmann 1
133. Die Muühle e Fohann Christian Anschüß 6
134 Der Radfahre Jlse Frapan ——— — —
135. Höflichkeit und Bescheidenheit Volksmund . . . ——666
136. Vom Lügen und Stehlen. Volksmund — —307
VI. Arbeit und Spiel.
*137. Was die Tiere alles lernen. Rudolf Löwenstein
138. Arbeit und Müßiggang. .. Volksmund . 468
g. Versueheng AMobert Reinie —— 98
*140. Der Faule Robert Reinick ————————— 99
Die urrrrerr eeeiedeich iitt s —aeeeeeee 100
*laa. Der tleine Studen voltamund —oo—— 100
443 Budbe und Boeede ermann wagner 100
*144. Lied vom feinen Mädchen ZFriedrich Gülit 101
140. Vom dernen 2 Bolksmund 101
*146. Was fang' ich an?. Heinrich Hoffmann von Fallersleben 102
*147. Hanselein Heinrich Hoffmann von Fallersleben 102
*148. Der kleine Reiter T Zohannes TSröjan
*149. Der Retxruftf Friedrich ullll 16
*150. Kriegsrüstung in der Küche Nudolf Löwenstennn 1104
*151. Der kleine Kaufmann. Foiedrich Glltltlt 104
5152 goeke —— Boltsntum nndndnndnd pp 105
*153. Schlittenfahrt. GeorgeScherer — 0
154 Aussahrerer ustar gallee 66
*155. Allerlei Kinderreimne Volksmund 160
46. Gin Raͤtsfel Karl Hessel nach Amalie Schoppe . . 110
*157. Allerlei Rätsel (zuckerhut — Kohle 1. 6. Volksmund; 6. A. Hagenbach;
— Müller — Wo es nicht tief 7. Georg Scherer. 10
ist — Uhr — Schatten — Weih—
nachtsbaum)
*158. Die Laterne . HVWVolksmund 2
VII. Sonn- und Festtage.
*169. Sonntaa Heinrich Hoffmann von Fallersleben 113
*160. Die drei Festeß Johannes Falf —
*161. Das Christuskind Wilhelm Hey. . 11
VI
11
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
*162. Christkind Robert Reinick.. 114
*163. Weihnachten Wilhelm denn 115
164 Weihnachten Wilhelm Curtmann. 116
*165. Lied vom Weihnachtsmann Bolksmund 117
*166. Wihnachnaben Volksmund 118
*167. Die Kinder an der Krippe Christoph von Schmide. 118
*168. Die Christbescherung... . Adalbert von Chamisso 118
169. Wie der Kaiser einmal Weihnachtsmann war.. 119
170. Zum Geburstage unsers Kaisers. 120
VIII. Der Vater im Himmel.
*171 In Golles Hut Wilheim seyy —* —
*172 Gott weißßßß wilheln hdey — — 3
173. Brüderchen und Schwesterchen Heinrich Caspari.. — ——— 122
*174. Der Himmel.. Rudolf Löwenstein . .. 123
*175. Gebete. Wwilhelm Hey, Christian Dieffenbach, Friedrich Güll u. a. 124
L.
Im Tageslaufe.
1. Die Sonnenstrahlen.
Die Sonne war aufgegangen und stand mit ihrer schönen, glän—
zenden Scheibe am Himmel. Da schickte sie ihre Strahlen
aus, um die Schläfer in dem ganzen Lande zu wecken. Da kam
ein Strahl zu der Lerche. Die schlüpfte aus ihrem Neste, flog in
die Luft hinauf und sang: „Liri⸗lirili! schön ist's in der Früh'!“
2. Der zweite Strahl kam zu dem Häschen und weckte es auf.
Das rieb sich die Augen nicht lange, sondern sprang aus dem
Walde in die Wiese und suchte sich zartes Gras und saftige Kräuter
zu seinem Frühstück.
3. Und ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. Da rief
der Hahn: „Kikeriki!“ und die Hühner flogen von ihrer Stange
herab und gackerten in dem Hofe, suchten sich Futter und legten
Eier in das Nest.
4. Und ein vierter Strahl kam an den Taubenschlag zu den
Täubchen. Die riefen: „Ruckediku! die Thür ist noch zu.“ Und
als die Thür aufgemacht war, da flogen sie alle in das Feld, liefen
über den Erbsenacker und lasen sich die runden Körner auf.
5. Und ein fünfter Strahl kam zu dem Bienchen. Das kroch
aus seinem Bienenkorbe hervor, wischte sich die Flügel ab und
summte dann über die Blumen und den blühenden Baum hin und
trug den Honig nach Hause.
Vorstufe zum „Vaterland“.
L. Im Tageslause.
6. Da kam der letzte Strahl an das Bett des Faulenzers und
wollte ihn wecken. Allein der stand nicht auf, sondern legte sich
auf die andere Seite und schnarchte, während die andern arbeiteten.
Wilhelm Curtmann.
2. Der Mechker.
Wenn die Sonn' mit hellem Schein
schaut so in dein Bett hinein,
Bũblein, spring' geschwind heraus!
sticht dir sonst die Augen aus! Priedric Gull.
3. Der Landmann am Morgen.
L. Heraus aus dem Lager, der Hahn hat gekräht!
Schon singen die Vögel, und Morgenluft weht.
Seht, wie uns so freundlich das Morgenrot winkt,
und rings in den Bächen der Sonnenstrahl blinkt!
2. Das Mieder vom Nagel, den Hut von der Wand!
Greift flänk nach der Harke, den Spaten zur Hand!
Ihr Mädchen zum Garten, ihr Knechte aufs Peld,
und hurtig den Garten, den Acker bestellt! Widmann.
4. Nebel.
Heu morgen wachte ich früh auf. Ich guckte aus dem Fenster,
weil ich sehen wollte, ob schönes Wetter sei. Aber was ist das?
Ich sehe fast nichts! Wo ist der Turm unserer Kirche geblieben mit
seinem schönen grünen Dache? Ist er heute nacht umgefallen? Ich
rufe: „Mutter! Mutter! der Kirchturm ist weg! der Turm ist um—
gefallen!“ Mutter kommt nicht, sie wäscht schon in der Küche auf.
Ich sehe nach den Häusern gegenüber: sie sind ganz undeutlich, wie
unter einem Schleier. Ich sehe auf die Straße hinunter, da gehen
Leute zur Arbeit, aber ich kann sie nicht erkennen. Die Straße ist
wie voll von grauem Rauch. Endlich lief ich zu Mutter in die Küche.
Ich war ganz ängstlich. „Ja, das ist Nebel!“ sagte Mutter und
lachte. Ilse Frapan.
2
L Im Tageslaufe. 3
5. Platzregen.
On der Schulstube war es in der letzten Stunde sehr dunkel. Der
X Himmel guckte durch die Fenster wie eine schwarzgraue Wand.
Kaum waren wir entlassen worden, so liefen wir auf die Straße, denn
unser Lehrer hatte gesagt: „Macht, daß ihr nach Hause kommt!“ Aber
da — mitten im besten Laufen über den Markt bekomme ich zwei
dicke Tropfen gerade auf die Nase! Ich mußte laut lachen. Aber
das waren nur die ersten Tropfen gewesen. Plötzlich fielen eine
Menge, alle groß und dick und warm über meinen Kopf, meine Arme,
meine Kleider. Alle Leute fingen an zu laufen, und ich lief mit.
Aber ich mußte fortwährend lachen, denn die Tropfen sprangen vom
Bürgersteig in die Höhe wie kleine durchsichtige Gummibälle. Es
rauschte und prasselte, und die Luft wurde fast undurchsichtig. Ich
wußte nicht, wo ich unterstehen sollte, ich sah keinen Laden und keinen
Thorweg. Plötzlich kam ein heller gelber Sonnenstrahl zwischen den
schwarzen Wolken hervor, blinkte über das nasse Pflaster und —
lachte die nassen Leute aus. Ilse Frapan.
6. Mas ich habe.
1. Zwei MAugen hab' ich, klar und hell,
die drehn sich nach allen Seiten schnell,
die sehn alle Blumchen, Baum und Strauch
und den hohen blauen Himmel auch.
Die setzte der liebe Gott mir ein,
und was ich kann sehen, ist alles sein.
2. Zwei Ohlren sind mir gewachsen an,
damit ich alles hören kann;
wenn meine liebe Mutter spricht:
„Kind, folge mir, und thu das nicht!“
wenn der Vater ruft: „Komm her geschwind!
ich habe dich lieb, mein gutes Kind.“
3. Einen Mund, einen Mund hab' ich auch,
davon weiss ich gar guten Gebrauch:
kann nach so vielen Dingen fragen,
kann alle meine Gedanken sagen,
8
I. Im Tageslaufe.
kann lachen und singen, kann beten und loben
den lieben Gott im Himmel droben.
4. Hier eine Hand und da eine Hand,
die rechte und die linke sind sie genannt;
fünf Finger an jeder, die greifen und fassen.
Jetzt will ich sie nur noch spielen lassen;
doch wenn ich erst gross bin und was lerne,
dann arbeiten sie alle auch gar gerne.
5. FVüsse hab' ich, die können stehn,
Kkönnen zu Vater und Mutter gehn,
und will es mit dem Laufen und Springen
nicht immer so gut, wie ich's möchte, gelingen;
Thut nichts; wenn sie nur erst grölser sind,
dann geht es noch einmal so geschwind.
6. Ein Herz, ein Herz hab' ich in der Brust,
so klein und Klopft doch so voller Lust,
und liebt doch den Vater, die Mutter so sehr;
und wilst ihr, wo ich das Herz hab' her?
Das hat mir der liebe Gott gegeben,
das Herz und die Läebe und auch das Leben!
Wilhelm Hey.
7. Die beiden PFensterlein.
L. Es sind zwei kleine Pensterlein
in einem grossen Haus,
da schaut die ganze Woelt hinein,
die ganze Wolt heraus.
2. Und freut der Herr im Hause sich,
und nimmt der Schmerz ihn ein,
dann zeigen öfters Perlen sich
an beiden Pensterlein.
3. Ist's schönes Wetter, gute Zeit,
da sind sie hell und lieb;
wenn's aber fröstelt, stürmt und schneit,
dann werden sie gar trüb'.
4. Und geht des Hauses Herr zur Rub',
nicht braucht er dann ein Licht;
dann schlägt der Tod die Läden zu,
und ach! das Penster bricht. Ignaz Franz Castelli.
J. Im Tageslaufe.
8. Der süße Brei.
E⸗ war einmal ein armes, frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter
allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus
in den Wald, und ihm begegnete da eine alte Frau, die wußte seinen Jammer
schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollte es sagen: „Töpfchen, koche!“
so kochte es guten, süßen Hirsebrei, und wenn es sagte: „Töpfchen, steh!“‘ so
hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter
heim, und nun waren sie ihrer Armut und ihres Hungers ledig und aßen
süßen Brei, so oft sie wollten. Einst war das Mädchen ausgegangen, da sprach
die Mutter: „Töpfchen, koche!“ da kochte es, und sie aß sich satt. Nun wollte
sie, daß das Töpfchen wieder aufhören sollte, aber sie wußte das Wort nicht.
Also kochte es fort, und der Brei stieg über den Rand hinaus und kochte
immer zu, die Küche und das ganze Haus voll und das zweite Haus und
dann die Straße, als wollt's die ganze Welt satt machen. Nun war die Not
groß, und kein Mensch wußte sich da zu helfen. Endlich, als nur ein einziges
Haus übrig war, da kam das Kind heim und sprach nur: „Töpfchen, steh!“
da stand es und hörte auf zu kochen; und wer wieder in die Stadt wollte,
der mußte sich durchessen. Brüder Grimm.
9. Vom Esssen und Lrinken.
WV nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. — Hunger ist
der beste Koch. — Salz und Brot macht Wangen rot. — Naschen
macht leere Taschen. — Allzuviel ist ungesund. — Trink' und iss,
Gott nicht vergils. Volksmund.
10. Rätsel.
Ein Wagen kommt gefahren
ins kleine Scheuerlein;
drin stehen wackre Drescher,
die dreschen alles klein.
Und sind sie all' beisammen,
sind's zweiunddreißig Mann.
Herbei, wer in der Scheuer
die Drescher nennen kann! Christian Dieffenbach.
11. Rätsel.
Oben spitz und unten breit,
durch und durch voll Süßigkeit. Volksmund.
*
I. Im Tageslaufe.
12. Der Geburtstag der MNutter.
1. „Was strickst du da, liebes Schwesterchen?“ fragte das Kleine
Gretchen seine Schwester anna. „Ein Paar Strümpfe“, antwortete
Anna; „sie sind für unsere liebe Mutter zum Geburtstage.“ — „Ach“,
sagte Gretchen, „kannst du mir nicht Unterricht geben, damit ich ihr
auch ein Paar Strümpfe stricken Kann?“ — „Unterricht will ich dür
gern geben“, antworteteé Anna; „aber Strümpfe stricken, das Kannst,
du so geschwind nicht lernen. Ein Paar schöne Strumpfbänder zu diesen
Strümpfen könntest du wohl noch fertig bekommen; du mulst aber sehr
fleissig sein, denn Mütterchens Geburtstag ist schon in acht Tagen.“
2. Schnell holten nun die Kinder im nahen Kaufladen Garn, und
der Unterricht begann. Anna zeigte dem Schwesterchen mit grosßser
Geduld, wie man strickt, und Gretehen war eine sehr aufmerksame und
fleissige Schülerin. Sie mochte gar nicht mehr hinausgehen und spielen.
Damit die Mutter nichts merken sollte, schlossen sich die Kinder in
einem kleinen Kämmerlein ein und arbeiteten ganz eifrig. Die Strumpf-
bänder wurden alle Tage ein Stücklein länger, am Tage vor dem Ge—
burtstage waren sie fertig, und Anna konnte die Bänder darannähen.
3. Am nächsten Morgen waren beide Mädchen sehr geschäftig.
Sie deckten über einen kleinen Tisch ein weisses Tuch und stellten
mitten darauf einen schönen Blumenstock, den Anna selbst gezogen
hatte. Davor kam ein Kuchen, den der Vater hatte backen lassen;
rechts wurden die Strümpfe und links die Strumpfbänder hingelegt, und
rings herum kamen grüne Zweige und bunte Blumen. Es sah sehr
nett aus, und die Kinder hatten grosse Freude an ihrem Aufbau.
4. Als alles fertig war, wurde die Mutter feierlich hereingeführt.
Sie war sehr erfreut über den schönen Geburtstagstisch. „Sieh da,
sagte sie, „die schönen Strümpfe! Die hat gewiss meine liebe Anna
gestrickt. Und was seh' ich, auch noch Strumpfbänder dazu! Wie
fleilsig bist du gewesen, mein liebes Kind!“ Klein Gretchen wurde
ganz rot, fiel der Mutter um den Hals und sagte: „Die Strumpfbänder
hab' ich dir gestrickt, liobe Mutter!“ — „Was“, rief die Mutter voll
Erstaunen aus, „du hast mit deinen kleinen Fingerchen die schönen
Strumpfbänder gestrickt? Das ist ja herrlich; ich danke dir tausend-
mal, mein liebes Kind!“ Dabei küsste sie Gretchen, und diese war sehr
stolz und glücklich.
5. Am Nachmittage wurde der Kaffeetisch im Garten in der Laube
gedeckt und dabei der Geburtstagskuchen verzehrt. Alle waren sehr
fröhlich, am meisten aber Gretchen. Als die Kinder sich abends zu
Bett legten, sagte sieé: „Linen so schönen, fröhlichen Geburtstag haben
wir noch gar nicht gefeiert. Ich bin sehr froh, dass ich der Leben
3
L. Im Tageslaufe.
Mutter etwas habe arbeiten können. Habe Dank, liebes Schwesterchen,
dass du mir so guten Unterricht gegeben hast! Nun will ich aber auch
fortfahren und immer mehr lernen, damit die Mutter sich freut. Es
ist gar zu schön, wenn sie uns lobt und lieb hat. Gute Nacht!“ —
Und damit sprang Gretchen ins Bett, betete ibhr Abendgebet und schlief
bald ein. Nach Ohristian Dieffenbach.
13. Der Abend.
E⸗ wird Abend. Die Sonne sinkt an den Rand des Himmels. Die Wolken
in ihrer Nähe färben sich rot. Die Hitze hat aufgehört. Es weht ein
kühles Lüftchen. Über dem Wasser erhebt sich Rebel. Das Gras wird von
dem Tau befeuchtet. In der Luft spielen Mücken in zahllosen Schwärmen.
Die Vögel in den Büschen singen ihr letztes Lied. Die Bienen kehren zu
ihren Stöcken zurück, und alle schicken sich an zu schlafen. Desto munterer
quaken die Frösche in den Pfützen. Die Maikäfer schwirren. Fledermäuse
flattern umher, und Glühwürmchen leuchten in der Dämmerung. Die Arbeiter
sind vom Felde zurückgekehrt und die Viehherden von der Weide. Alles ist
müde und sehnt sich nach Ruhe. Aber Menschen und Tiere sind auch hungrig
und warten auf ihr Abendbrot. Die rauchenden Schornsteine und die heim—
kehrenden Wagen mit Futter zeigen, daß dafür gesorgt wird. Bald werden
alle satt sein und sich dem Schlafe überlassen. Wilhelm Curtmann.
14. Der Laternenanzünder.
1. Die Straße ist schon dämmerig, es wird früh dunkel heute. Der
Tag ist trübe gewesen, der Himmel war grau, die Sonne blieb hinter den
Wolken versteckt. Die Straßenecke, an der unser Krämer wohnt, ist kaum mehr
zu sehen, und es sind doch nur fünf oder sechs Häuser bis dahin.
2. Ol plötzlich flammt da unten ein Licht auf! Noch eins! Wieder
eins! Eine kleine Reihe ist es schon! Sechs gelbe Gasflammen brennen. Und
da kommt der Laternenanzünder selbst! Wir wollen ihm guten Abend sagen.
Er ist ein freundlicher Mann, und das Licht, das er anzündet, ist auch freund—
lich! Die Straße ist auf einmal ganz anders geworden, ganz gemütlich und
sicher. Nun geh' ich gern zum Kaufmann an der Ecke!
3. Jetzt will er die Laterne vor unserm Hause anstecken. Er reicht
mit dem langen Stocke hinauf. An dem Stocke ist ein Haken, und außerdem
brennt eine kleine Flamme darauf. Mit dem Haken dreht er den Gashahn
auf und hält nun die Flamme an den Brenner. Da! blau flackert es auf!
die Laterne brennt. Am Tage ist der Laternenanzünder auch schon da gewesen.
Er hat eine Leiter gehabt. Bedächtig hat er sie angelegt, bedächtig ist er eine
I. Im Tageslaufe.
Stufe nach der andern hinaufgestiegen und hat die Laterne geputzt. Dann
hat er das Glasthürchen zugeworfen und ist bedächtig wieder heruntergeklettert.
4. Und heute nacht, um Mitternacht, wenn wir ruhig schlafen, muß er
noch einmal denselben Gang machen und jede zweite Straßenlaterne ausdrehen.
Über Nacht brauchen sie nicht alle zu brennen. Und morgen früh wird er
kommen und die übrigen auslöschen, der fleißige Laternenmann! Ilse Frapan.
15. Am Abend.
Wenn am Abend Mann und Kind,
Tier und Vogel müde sind,
Gott der Herr hat's schon gesehen,
Sonne heisst er untergehen,
schickt die stille Nacht hernieder,
spricht zu ihr: „Nun decke du
alle meine Rinder zu,
bring' zur Ruh die müden Glieder!“
Sieh, da Kommt die liebe Nacht,
wieget uns in Schlaf ganz sacht;
nur der liebe Vater wacht. Wilhelm Hey.
16. Der Sandmann.
1. Zwei weiche Stieflein hab' ich an
mit wunderweichen söhlchen dran,
ein Säcklein hab' ich hinten auf,
husch! trippl' ich rasch die Drepp' hinauf.
Und wenn ich in die Stube tret',
die Kinder beten das Abendgebet;
von meinem Sand zwei Rörnelein
streu' ich auf ihre Augelein:
Da schlafen sie die ganze Nacht
in Gottes und der Englein Wacht.
2. Von meinem Sand zwei Rörnelein
streut' ich auf ihre Lugelein:
Den frommen Kindern soll gar schön
ein froher Draum vorübergehn!
Nun risch und rasch mit Sack und Stab
nur wieder jetzt die Drepp hinab!
Ich kann nicht länger müssig stehn,
ich muss noch heut zu vielen gehn.
Nun seht, mein säcklein öffnet' ich kaum,
da nickt ihr schon und lächelt im Praum!
Hermann Kletke.
8
I. Im Tageslaufe.
17. Wiegenlied.
1. Vom Berg hinabgestiegen
ist nun des Tages Rest;
mein Kind liegt in der Wiegen,
die Vöglein all' im Nest;
nur ein ganz klein Singvögelein
ruft weit daher im Dämmerschein:
„Gut' Nacht! gut' Nacht!
Lieb Kindlein, gute Nacht!“
2. Das Spielzeug ruht im Schreine,
die Kleider auf der Bank,
ein Mäuschen ganz alleine,
es raschelt noch im Schrank,
und draußen steht der Abendstern
und winkt dem Kind aus weiter Fern':
„Gut' Nacht! gut' Nacht!
Lieb Kindlein, gute Nacht!“
3. Die Wiege geht im Gleise,
die Uhr pickt hin und her,
die Fliegen nur ganz leise,
sie summen noch daher.
Ihr Fliegen, laßt mein Kind in Ruh'!
Was summt ihr ihm so heimlich zu:
„Gut' Nacht! gut' Nacht!
Lieb Kindlein, gute Nacht!“
4. Der Vogel und die Sterne,
die fliegen rings umher;
sie haben mein Kind schon gerne,
die Engel noch viel mehr.
Sie decken's mit den Flügeln zu
und singen leise: „Schlaf in Ruh'!
„Gut' Nacht! gut' Nacht!
Lieb Kindlein, gute Nacht!“ Robert Reinick
18. Schlaflied.
1. Schlafe, mein Kindchen, balde,
schliesse die Suglein zu;
Võöglein schlafen im Walde,
nun schlafe auch du.
10
IJ. Im Tageslaufe.
2. Blümlein schlafen im Grase,
Kaufer im blühenden Strauch;
im HVeld schläft Rehlein und Hase,
nun schlafe du auch!
3. Schlafen im Wasser die Fische,
im Stall schläft Kuh und Schatf,
Hündchen schläft unter dem Lische;
schlafe, mein Kindchen, schlaf'! Grüfin L.
19. Gute Nacht.
1. Schon glänzt der goldne Abendstern!
Gut' Nacht, ihr Lieben nah und fern,
schlaft ein in Gottes Frieden!
Die Blume schließt das Auglein zu,
der kleine Vogel geht zur Ruh,
bald schlummern alle Müden.
2. Du aber schläfst und schlummerst nicht,
du treuer Gott im Sternenlicht,
dir will ich mich vertrauen!
O, gieb auf mich, dein Kindlein, acht,
und laß nach einer sanften Nacht
mich froh die Sonne schauen! Agnes Franz.
20. Schlafliedchen.
1. Summ, summ, der Sandmann geht!
Ach wie dunkel, ach wie spät!
Tritt zu jedem Kind ins Haus,
streut die stillen Körner aus.
2. Summ, summ, der Sandmann geht!
Komm, nun sprich dein Nachtgebet:
Lieber Gott, mach' du mich fromm,
daß ich in den Himmel komm'!
3. Falt' die Händchen, schlaf' in Ruh!
Deine Mutter deckt dich zu.
Wird ein Engel wunderschön
Heut' an deinem Bette stehn. Karl Busse.
I. Im Tageslaufe.
21. Gute Nacht!
Guten Abend, gute Nacht! schlüpf' unter die Deck!
mit Rosen bedacht, morgen früh, wenn's Gott will,
mit Näglein besteckt, wirst du wieder geweckt. Volksmund.
22. Das Lied vom Monde.
1. Wer hat die schönsten Schäfchen? Die hat der goldne Mond,
der hinter unsern Bäumen am Himmel drüben wohnt.
2. Er kommt am späten Abend, wenn alles schlafen will,
hervor aus seinem Hause zum Himmel leis' und still.
3. Dann weidet er die Schäfchen auf seiner blauen Flur;
denn all die weißen Sterne sind seine Schäschen nur.
4. Sie thun sich nichts zuleide, hat eins das andre gern,
und Schwestern sind und Brüder da droben Stern an Stern.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
—
II.
Die vier Jahreszeiten.
23. Die Jahreszeiten.
1. O Frühlingszeit, o Frühlingszeit,
du kannst mir sehr gefallen!
Das klare Bächlein rinnet frei,
mit Blüten kommt der grüne Mai:
O Frühlingszeit, o Frühlingszeit,
du kannst mir sehr gefallen!
2. O Sommerzeit, o Sommerzeit,
du kannst mir sehr gefallen!
Das goldne Korn so wogt und weht,
das Bäumlein voller Früchte steht.
O Sommerzeit, o Sommerzeit,
du kannst mir sehr gefallen!
3. O brauner Herbst, o brauner Herbst,
du kannst mir sehr gefallen!
In buntem Laube glänzt der Wald,
die Traube winkt, das Jagdhorn schallt:
O brauner Herbst, o brauner Herbst,
du kannst mir sehr gefallen!
4. O Winterzeit, o Winterzeit,
du kannst mir sehr gefallen!
Mit blankem Eis und weißem Schnee,
Weihnachten kommt, juchhe, juchhe!
O Winterzeit, o Winterzeit,
du kannst mir sehr gefallen! Hermann Kletke.
II. Die vier Jahreszeiten. 3
24. Minters Abschied.
1. Minter ade! 2. MNinter ade!
Scheiden thut weh. Scheiden thut weh.
Aber dein Scheiden macht, Gerne vergess' ich dein,
dass mir das Herze lacht. Kkannst immer ferne sein.
Winter ade! Winter ade!
Scheiden thut weh. Scheiden thut weh.
3. Minter adoe!
Scheiden thut weh.
Gehst du nicht bald nach Haus,
lacht dich der Kuckuck aus.
Winter ade!
Scheiden thut weh. Heinrieh Hoffmann von Pallersleben.
25. Das arme Vöglein.
1. Ein Vogel ruft im Walde,
ich weiß es wohl, wonach!
Er will ein Häuslein haben,
ein grünes, laubig Dach.
2. Er rufet alle Tage
und flattert hin und her,
und in dem ganzen Walde
hört keiner sein Begehr.
3. Und endlich hört's der Frühling,
der Freund der ganzen Welt;
der giebt dem armen Vöglein
ein schattig Laubgezelt. —
4. Wer singt im hohen Baume
so froh vom grünen Ast?
Das thut das arme Vöglein
aus seinem Laubpalast.
5. Er singet Dank dem Frühling
für das, was er beschied,
und singt, so lang er weilet
ihm jeden Tag ein Lied. geinrich Hoffmann von Fallersleben.
1
IL. Die vier Jahreszeiten.
26. Spiellust im Frühlinge.
L. Der VNinter ist wieder vergangen,
es grünet und blühet das Peld;
im MWalde da singen die Vögel,
es freut sich die ganze Welt.
2. Was macht nun ein rüstiger Bube?
Er bleibet nicht länger zu Haus,
er ziehet gar lustig und munter
mit uns in das Preie hinaus.
3. Undl sind wir ins Freie gekommen,
beginnen wir mancherlei Spiel;
wir spielen Soldaten und Jäger
und laufen vereint nach dem Ziel.
4. MNir spielen dann immer was Neues;
jetzt schlagen wir Ball und den Reif,
dann lassen wir steigen den Drachen
mit seinem gewaltigen Schweif.
5. Dann drehn wir uns lustig im Rreise
und tanzen auf einem Bein, —
das ist ein Leben und Dreiben! —
wir trommeln und singen und schrein.
6. Und ist dann der Abend gekommen,
dann gehen wir fröhlich nach Haus,
dann sinnen wir andere Spiele
auf morgen uns wiederum aus.
Heinrich Hoffmann von Pallersleben.
27. An den Mai.
1. Komm, lieber Mai, und mache
die Bãume wieder grün
und lass mir an dem Bache
die Kleinen Veilchen blühn!
14
II. Die vier Jahreszeiten.
Wie möcht' ich doch so gerne
ein Blümchen wieder sehn,
ach, lieber Mai, wie gerne
einmal spazieren gehn!
2. Ach, wenn's doch erst gelinder
und grüner draussen wär'!
Komm, lieber Mai, wir Kinder,
wir bitten gar zu sehr!
O komm und bring vor allem
uns viele Rosen mit!
Bring' auch viel Nachtigallen
und schöne Kuckuck mit. Ohristian Adolf Overbeck
28. Der Mai.
Lange genug hat uns der April geneckt; bald wehte der Wind, bald war es
gelinde; soeben schien noch die Sonne heiter, dann ward der Himmel trübe,
Schnee und Regen wechselten häufig. Nun ist der Mai gekommen, und alles
ist schön, heiter und fröhlich durch ihn. Die Wiese zieht ihr frisches, grünes
Kleid an, der Garten schmückt sich mit Blumen. Die Knospen thun sich auf,
die Blätter brechen hervor an allen Zweigen. Die Bäume blühen in Fülle,
weiß und rötlich, und zwischen den Blüten steht das frische Grün. Die Blumen
der Flur zeigen mancherlei Farben. Kaum kannst du dich satt sehen an der
Pracht der Wiesen, Wälder und Felder. Auch auf den Äckern fangen alle
Arten von Pflanzen an zu wachsen. Es wird eine reiche Ernte geben. Darum
siehst du dort den Landmann auf seinem Acker und seinen Wiesen, hier den
Gärtner durch seinen Garten mit Freuden schreiten. Im Wasser schwimmt
munter die Schar der Fische. Die Luft ist heiter und rein, die Vögel hüpfen
und fliegen von Zweig zu Zweig. Es ist ihnen wohl; sie singen und zwitschern
gar lustig zwischen den Blättern im grünen Walde und auf den fruchtbaren
Bäumen ihr Lied. Auch uns Kindern ist es wohl, weil wir ins Freie hinaus—
eilen können. Mit frohem Herzen spielen wir unsere munteren Spiele. Nun
laßt uns fröhlich sein und dankbar der Gaben Gottes uns erfreuen!
Wilhelm Curtmann.
29. Der Sommer.
1. Im Monat Juni beginnt der Sommer. Jetzt sind die Tage länger
und die Nächte kürzer als zu allen andern Zeiten. Nach und nach geht aber
die Sonne wieder später auf und früher unter, und wir merken abends recht
wohl, daß die Tage abnehmen. Im Sommer ist die Hitze oft sehr groß. Nun
15
II. Die vier Jahreszeiten.
reift das Korn auf dem Felde. Die Halme werden goldgelb, und die Ähren
sind von Körnern schwer und neigen sich. Bald wird das Getreide von den
fleißigen Schnittern abgemäht und eingeerntet. Unzählige Blumen schmücken
Gärten, Wiesen und Felder, unter ihnen die Rose, die Königin der Blumen.
An den Obstbäumen schwellen die Früchte, und die Stachel-, Johannis- und
Himbeersträucher geben uns ihre süßen, wohlschmeckenden Beeren.
2. An schwülen Tagen, wo der Schweiß uns von der Stirne rinnt,
schickt der liebe Gott manchmal ein Gewitter. Dann ziehen schwarze Wolken
am Himmel herauf, die Blitze zucken und die Donner rollen. Der Regen
rauscht vom Himmel hernieder, und die Bäume schütteln sich im Winde und
Regen. Nach dem Gewitter ist die Luft abgekühlt, und Menschen und Tiere
sind erquickt. Die Sonne lächelt wieder durch die Wolken auf die Sträucher
und Blumen herab, die ganz erfrischt aussehen. Bisweilen sieht man auch in
den Wolken den prächtigen Regenbogen mit seinen sieben leuchtenden Farben.
A. Kippenberg.
30. Es regnet.
1. Es regnet! Gott segnet 3. Es regnet! Gott segnet,
die Erde, die so durstig ist, was lebt und webt in weiter Welt:
daß ihren Durst sie bald vergißt. für jedes Tier ein Tröpflein fällt.
O frischer Regen, du Gottessegen! O frischer Regen, du Gottessegen!
2. Es regnet! Gott segnet 4. Es regnet! Gott segnet
den hohen Baum, den kleinen Strauch die Menschen alle väterlich;
und all die tausend Blumen auch. sein Himmelstau erquickt auch mich.
O frischer Regen, du Gottessegen! O frischer Regen, du Gottessegen!
Karl Enslin.
31. Der Herbst.
1. Der Sommer mit seinen langen und heissen Tagen geht all-
mählich zu Ende. Die Tage nehmen mehr und mehr ab; endlich sind
Tag und Nacht gleich lang. Nun beginnt der Herbst. Er währt von
geptember bis wenige Tage vor Weihnachten. Die Tage werden noch
immer kürzer, bis die Nacht fast doppelt so lang ist als der Tag. Im
Anfange des Herbstes haben wir manchmal noch recht schöne Tage, und
wir freuen uns, wenn die goldenen Strahlen der Sonne durch die reine,
klare Luft auf die rotwangigen Ipfoel, die glünzenden Prauben und das
bunte Laub der Bäume fallen. Der Obstgarten ist gar schön anzuschauen.
Alles Obsst hat der Herbst gereift, die süssen Lpfel und Birnen wie die
saftigen Pflaumen und Zwetschen. Wenn wir es abwarten, wirtt er sie
alle herunter. Das wollen wir aber nicht, darum Kommen wir ihm zuvor,
setzen die Leiter an die Apfel- und Birnbäume, steigen hinauf und
16
II. Die vier Jahreszeiten. 17
pflücken ihre Früchte ab; das Steinobst und die Walnüsse dagegen
schütteln wir von den Bäumen.
2. Nicht lange aber dauert es, so wird die Luft Kühl, und ein
scharfer Wind bläst über das Stoppelfeld. Kartoffeln und andre Feld-
früchte sind eingeerntet; nur der Kohl mit seinen hübschen, krausen
Blãttern steht noch auf den Gemüsebeeten. Im Garten verblũühen dlie
letzten Georginen und Astern. Bald stehen die Bäume völlig kahl; ihr
buntes Laub ist zur Erde gefallen. Nur die Tanne, die Fichte und
andre Nadelbäume behalten ihr grünes Kleid. Aber auch in ihron
Zweigen singt kein munterer Vogel mehr. Die meisten Singvögel sind
weit weg in wärmere Länder gezogen, und die wenigen, die bei uns
geblieben sind, lassen kein fröhliches Lied mehr hören. Die Blumen
im Garten und auf Wiese und Feld sehlafen still in der Erde und
merken nichts von den dichten Nebeln und rauhen Sturmwinden, mit
denen der Herbst über die Erde hinfährt. Endlich kommt der Winter,
vertreibt den Herbst und deckt die Blümchen sanft und warm mit seiner
weichen Schneedecke zu, bis der Frühling sie zu neuem Leben erweckt.
A. Rippenberg.
32. Im Herbst.
1. Sonne hat sich müd' gelaufen, spricht: „Nun laß ich's sein!“
geht zu Bett und schließt die Augen und schläft ruhig ein.
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es ebenso,
mein Kindchen ist nicht dumm!
2. Bäumchen, das noch eben rauschte, spricht: „Was soll das sein?
Will die Sonne nicht mehr scheinen, schlaf' ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es ebenso,
mein Kindchen ist nicht dumm!
3. Vogel, der im Baum gesungen, spricht: „Was soll das sein?
Will das Bäumchen nicht mehr rauschen, schlaf' ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es ebenso,
mein Kindchen ist nicht dumm!
4. Häschen spitzt die langen Ohren, spricht: „Was soll das sein?
Hör' ich keinen Vogel singen, schlaf ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es ebenso,
mein Kindchen ist nicht dumm!
Vorstufe zum „Vaterland“
9
9
18
II. Die vier Jahreszeiten.
5. Jäger höret auf zu blasen, spricht: Was soll das sein?
Seh' ich keinen Hasen laufen, schlaf ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es ebenso,
mein Kindchen ist nicht dumm!
6. Kommt der Mond und guckt herunter, spricht: „Was soll das sein?
Kein Jäger lauscht?
Kein Häschen springt?
Kein Vogel singt?
Kein Bäumchen rauscht?
Kein Sonnenschein?
Und 's Kind allein
sollt' wach noch sein?“ —
Nein! nein! nein!
Lieb Kindchen macht die Augen zu,
lieb Kindchen schläft schon ein. Robert Reinick.
33. Der Vöglein Abschied.
1. Wer klappert am Dache, mein Rindlein? horch, horch
Ade, lieber Bauer! so rufet der Storch.
Nun ade denn, du Dorf und ihr fleissigen Leut,
ihr Wiesen, ihr Sümpfe, wir scheiden ja heut.
Gott segne das Hüttchen, auf dem wir gewobnt,
er lass' es von Feuer und Stürmen verschont!
Wenn lauer im Frühling die Lüfte dann wehn,
dann giebt es ein freudiges Wiedersehn.
Ade! Ade!
2. Vom Bache noch einmal trinkt Nachtigall schnell;
Ade, liebe Fluren! so singet sie hell,
ihr habt mich erquicket mit Speise und Drank,
ich hab's euch gedanket mit schmetterndem Sang;
nun seid ihr ermüdet, wollt schlafen auch gehn; —
o, möget im Lenze ihr wonnig erstehn!
Wir Vöglein, wir können so lange nicht warten.
Gott schirme indessen den schlummernden Gartem!
Ade! Ade!
3. Zum Fenster noch einmal blickt Schwälbehen hinein;
ade, liebe Kinder, geschieden muss sein!
Ich hatte mein Nest an dem Penster gebaut,
ihr habet mit Freuden die Kleinen geschaut
II. Die vier Jahreszeiten.
und gern auf mein Zwitschern des Morgens gehört
und habet mir niemals den Frieden- gestört;
drum möge auch euch in Freud' und Gefahren
der Himmel die liebenden Eltern bewahren!
Ade! Ade! —
Rudolf Löwenstein.
34. Der Minter.
1. Moenige Tage vor Weihnachten beginnt der Winter. Die Tage
sind nun recht kurz, und die Sonne steht selbst um Mittag nur tief am
Himmel. Ihre Strahlen fallen sehr schräg zur Erde und geben wenig
Wärme. Die Luft ist kalt, und nicht selten gefriert das Wasser zu
Eis. Wenn es stark friert, überziehen sich die Seeen und Flüsse mit
einer so dicken Eisdecke, dass man mit den schwersten Wagen hinüber-
fahren kann. Die Häuser der Menschen und das freie Feld mit seinen
Büschen und Bäumen liegen in einem schimmernden Schneemantel
eingehüllt.
2. Nun bringt uns der Winter seine besonderen Freuden. Rasch.
lassen wir unsere Füsse über die spiegelblanke Bisfläche dahingleiten,
oder wir laufen Schlittschuh oder fahren im Schlitten. Das iet eine
Lust, so auf der Eisbahln dahinzufsiegen! Ist das Wetter nicht zu kalt,
so wird auch wohl ein Schneemann zusammengeballt, dem wir einen
Stock in die Hand geben und ein paar Stücke schwarzer Rohle als
Augen einsetzen. Gegen den EFrost schützen wir uns durch warme
Kleider, und wird es uns draussen gar zu Kalt, so eilen wir in das be—
haglich durchwärmte Zimmer daheim. So können wir den Winter wohbl
ertragen.
3. Auch die Tiere, die draussen leben, sind im kalten Winter oft
übel dran. Nicht bloss die Sperlinge, sondern auch manche andre Võgel
suchen in der Nähe der menschlichen Wohnungen ihre Nahrung. Das
Häslein steigt den Leuten dreist in die Kohlgärten hinter ihren Häusern,
und den Hirschen und Rehen bindet der Jäger an bestimmten Stellen
im Walde Futter an die Bäume. Je länger der Winter dauert, desto
weniger gefällt er uns. Lange will er nicht weichen, aber endlich muss
seine strenge Herrschaft doch zu Ende gehen. Die Tage nehmen wieder
zu, die Sonne steigt höher am Himmel, und bald schmelzen ihre Strahlen
mittags am Dache und auf den Wegen den Schnee hinweg. An manchen
Bäumen und Büschen zeigen sieh schon Blätterknospen oder feine
Kãtæchen, und im Garten sehen wir gar an einigen Sträuchern schon
gelbe oder rote Blüten. Der Frühling naht. A. Rippenberg.
L
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20
II. Die vier Jahreszeiten.
35. Die Blumen im Winter.
Wo sind alle die Blumen hin?
Schlafen in der Erde drin,
weich vom Schneebettchen zugedeckt.
Stille nur, daß sie niemand weckt!
Ubers Jahr mit dem Sonnenschein
tritt der liebe Gott herein,
nimmt die Decke hinweg ganz sacht,
ruft: „Ihr Kinder, nun all erwacht!“
Da kommen die Köpfchen schnell herauf,
da thun sie die hellen Augen auf. Wilhelm Hey.
36. Der erste Schnee.
1. Ei, ei! Wer hätte das gedacht, 3. O sagt: „Wer hat dies Kleid gemacht?
daß in der einz'gen, stillen Nacht Wer hat die Erde so bedacht?“
sich unsre gute, liebe Erde Das hat der liebe Gott gethan,
so ganz und gar verändern werde? der zog das Winterkleid ihr an.
2. Noch gestern sah sie kohlschwarz aus, 4. Das hält sie warm, und ganz getrost
und heut schon putzt sie sich heraus: erwartet sie des Winters Frost;
sie hat ein schneeweiß Kleidchen an, der kann nun noch so grimmig sein,
und tausend Sterne funkeln dran. er dringt ihr nicht ins Herz hinein.
5. Und unterm Schnee da liegt so warm
wie's Kindlein in der Mutter Arm
das Saatkorn dort und wartet still,
ob's wieder Frühling werden will. Franz Knauth.
37. Der Schneemann.
1. Heut soll ein Schneemann werden, 4. Ein Kopf, wie einem Becken,
kommt her, ihr Rinder all'! wird ihm dann angesetzt,
Es macht nicht viel Beschwerden, und in die Rechte stecken
kommt her und rollt den Ball! — wir ihm ein Schwert zuletzt.
2. Hei, wie der Ball sieh ründet 5. Vom Kopf bis zu den Sohlen
als wie ein Riesenrumpf! wirst du gleich fertig sein;
Nun schafft mit mir verbündet ich setz' nur ein paar Kohlen
und meistert an dem Stumpfl! — dür noch als Augen ein.
3. Erst muls er Beine haben 6. Wer weils, was jetzt noch fehle?
und dann den vollen Bauch, Die Nase selbst sitzt dran.
die Schultern dann begaben Es fehlt ihm nur die Seele,
wir mit zwei Armen auch. danmn wär's ein ganzer Mann.
Rudolf Löwenstein.
II. Die vier Jahreszeiten. 1
38. Der schmelzende Koch.
1. Es war im Monat Januar; tagelang war dichter Schnee gefallen
und lag nun fast eéllenboch im Hofe und auf den Dächern, so weils und
rein, so zart und glänzend, dass, wenn man darauf hinsah, einem die
grösste Lust ankam, sich hineinzulegen, hätte man nicht gewulst, dass
es sich eben nicht sehr behaglich drin liege. Endlich teilten sich die
Wolken, der blaue Himmel schaute freundlich wieder hervor und lockte
auch gleich drei lustige Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen, aus
der engen Stube in den Hof hinaus. Die wateten nun munter in dem
täefen Schnee, warfen sich mit Schneebällen, fuhren einander auf dem
Schlitten und bekamen vor Vergnügen und Rälte die frischesten roten
Backen und fast ebenso rote Hände.
2. „Seht,“ rief der älteste, „der Schnee lässt sich herrlich Kneten;
jetzt iĩst gérade die rechte Zeit, einen Schneemann zu machen.“ — „Ja,
ja, einen Schneeémann!“ riefen die andern und machten sich sogleich
daran, einen aufzubauen. „Soll's ein Koch oder eine Köchin werden?“
fragte das Uädehen. „Ein Koch, ein Koch!“ war die Antwort; „ein
Schneemann ist viel hübscher als eine Schneefrau, die ist plump und
hat keine zwei Beine!‘“ So ward denn das Standbild eines Koches auf—-
gerichtet und stand in wenigen Stunden da, weiss und stattlich. Seine
Beine bestandén aus zwei plumpen Säulen, dié eher einem Paar Ele—
fantenbeinen als menschlichen Gliedmassen ähnlich sahen. Darauf ruhte
der Leib, ein grossser dicker Schneeklumpen. Wo seine Brust aufhörte
und der Baueh anfing, väre schwer zu erkennen gewesen, hätte nicht
das Mädchen ihm ihre Schürze umgebunden; denn ein Koch ohne
Schũrze ist kein rechter Koch. Nun sollte er aber auch noch ein paar
alte hölzerne Löffel im Gürtel haben. Doch weil diese ihm immer wieder
herunterfielen, wurden sie ihm unbarmherzig in die Brust hineingebobrt,
wo sie denn auch recht fest steckten. Ganz vorzüglich war der Kopf
des Schneemannes geraten, obgleich man die Nase nicht wohl erkennen
konnte, weil sie nicht hatte ankleben wollen. Dafür aber hatte der
Mann grosse kohlpechrabenschwarze Augen — denn es waren wirkliche
Kohlen — und schöne ziegelrote Läppen — denn sie waren aus ein
paar wirklichen Ziegelscheibechen zusammengesetzt. In diesen Läppen
gteckte eine wirkliche, schwarzgerauchte, irdene Pfeife, die der Haus-
knecht erst vor einer Stunde auf den Kehricht geworfen hatte. Endlich
ward dem Manne noch als Mütze ein alter Kochtopf gerade auf den Kopf
gestülpt, der ühm ein äusserst ehrwürdiges Ansehen gab. Über die Arme
und Hände wollen wir aber nicht viel sprechen, die waren weniger ge—
lungen und bröckelten immer ab. Das gab einen prächtigen Aublick.
9
2
2 II. Die vier Jahreszeiten.
wie der dicke weisse Kerl fix und fertig in dem hellen Sonnenscheine
glänzend dastand.
3. Aber trotz seiner kohlschwarzen Augen, trotz seiner ziegelroten
Lippen, trotz Pfeifé und Kochtopf machte der Schneemann noch immer
ein sehr unzufriedenes Gesicht, so viel die Kinder auch daran herum-
geknetet hatten. „Schneemann, bist du denn nicht zufrieden?“ rief
das Mädehen, nachdem sie sein Gesicht längere Zeit betrachtet hatte.
Der Schneemann schwieg und sah nach wie vor verdriesslich aus. „Ich
weiss, was ihm feblt,“ sprach der älteste Knabe; „er ist ein Koch und
hat Keinen Herd. Kommt her, den müssen wir noch bauen!“ Und
rasch trugen sie Steine zusammen und bauten vor dem Schneemann
einen Herd. „Schneemann, bist du nun zufrieden?“ riefen die Rinder,
aber der schwieg und sabh brummig aus, wie zuvor. „Aha, auf den
Herd gehören Töpfe, die sollst du haben,“ sprach das Mädchen, und
holte rasch einige Scherben vom Kebrichthaufen und stellte sie auf die
Steine, aber der Schneemann saln unzufrieden aus, wie zuvor. „Jetzt
wWill ich euch sagen, was ihm feblt,“ sprach der jüngere Knabe; „er
will kochen und hat kein Feuer, und dazu friert ihn auch. Kommt,
lasst uns FPeuer holen!“ Rasch brachten sie nun Späne aus der Küche
herbei, steckten sie an, und bald brannte ein grossmächtiges FPeuer vor
dem Schneemann auf dem Herde.
4. „Nun, Alter,“ riefen die Kinder, „ist dir doch endlich wobl,
nicht wahr?“ Und sieh da, die Gesichtszüge des Schneemanns ver—
änderten sich wirklich, seiné Mienen wurden milde und weich, die Läppen
gingen ihm aus einander, die Pfeifé fiel ihm aus dem Munde. „Seht,
seht, endlich ist er zufrieden,“ jubelten dié Kinder. „Seht, wie
ilim die Thränen über dieé Backen laufen!“ Und so war es auch
wirklich. Nicht nur die Thränen liefen ihm über die Backen, er triefte
auch am ganzen Leibe, dieé Augen fielen ihm aus dem Kopfe, die Läppen
aus dem Gesichte, die Kochlöffel aus der Brust, mit einem Wort —
der ganze Koch zerschmolz zu Wasser. In kurzer Zeit war von ihm
nichts übrig als ein nasser Fleck, zwei schwarze Kohlen, einige Scherben
und die alte schmutzige Tabakspfeife. Das war das Ende des Schnee—
mannus! Ob die Kinder wohl Thränen darüber vergossen haben? Nein,
auch nicht eine einzige! Im Gegenteil, sie lachten aus vollem Halse
darüber, denn sie hatten sich einen lustigen Spass gemacht und sich
königlich daran vergnũgt. Robert Reinick.
39. Das Büblein auf dem Eise.
1. Gefroren hat es heuer noch gar kein festes Eis.
Das Büblein steht am Weiher und spricht so zu sich leis':
39
II. Die vier Jahreszeiten. 3
„Ich will es einmal wagen,
das Eis, es muß doch tragen“ —
Wer weiß?
2. Das Büblein stampft und hacket mit seinem Stiefelein.
Das Eis auf einmal knacket, und krach! schon bricht's hinein.
Das Büblein platscht und krabbelt
als wie ein Krebs und zappelt
mit Schrein.
3. „O helft, ich muß versinken in lauter Eis und Schnee!
O helft, ich muß ertrinken im tiefen, tiefen See!“
Wär' nicht ein Mann gekommen,
der sich ein Herz genommen,
o weh!
4. Der packt es an beim Schopfe und zieht es dann heraus,
vom Fuße bis zum Kopfe wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet,
der Vater hat's geklopfet
zu Haus. Friedrich Güll.
40. Der Grimm des Winters.
1. Der Winter hatte sich einmal vorgenommen, alle Menschen und alle
Tiere auf der Erde auszurotten. Deshalb kam er mit einer so grimmigen
Kälte, daß alle Flüsse und alle Seeen mit dickem Eise belegt wurden. Das
Feld war von tiefem Schnee bedeckt, und die Fensterscheiben waren jeden
Morgen mit so dicken Eisblumen überzogen, daß sie den ganzen Tag nicht
auftauen konnten.
2. Allein der Winter hatte sich doch ein wenig verrechnet. Zwar ging
es den armen Vögelchen übel, weil sie wegen des hohen Schnees draußen
nichts zu fressen fanden; allein sie kamen in die Städte und Dörfer, und es
streute ihnen gar manches mitleidige Kind einige Körnchen und Brotkrümchen
hin, so daß die meisten leben blieben. Auch waren schon vorher große Scharen
von Zugvögeln in wärmere Länder gewandert, wo der Winter nicht viel aus—
richten kann. Auch die übrigen Tiere erfroren nicht. Der liebe Gott hatte
ihnen einen dickeren Pelz wachsen lassen, und die Hasen und Rehe scharrten
sich einiges Kraut und einige Knospen unter dem Schnee heraus, so daß sie
zwar ein wenig Hunger litten, aber doch nicht umkamen. Die Haustiere aber
standen in warmen Ställen, deren Thüren und Fenster mit Stroh verwahrt
waren. Und da ihnen alle Tage Heu und Hafer in die Krippe gebracht wurde,
so hielten sie es aus und erfroren nicht. Die Menschen aber hatten sich Ofen
verfertigt und legten Feuer hinein. Je ärger es der Winter mit seinem Froste
2
24 II. Die vier Jahreszeiten.
machte, desto mehr Holz und Torf und Steinkohlen brannten sie in den Ofen.
Und wenn schon das Trinkwasser in die Wohnstube gebracht werden mußte,
damit es nicht zu einem Eisklumpen gefror, und obgleich hier und da einem
ein Finger oder gar die Nase erfror, so blieben doch die Menschen am Leben
und holten sich aus dem Keller ihre Nahrung wie zuvor.
3. Da merkte der Winter, daß er nicht Kraft genug besaß, die Tiere zu
vertilgen, weil der liebe Gott für sie gesorgt hatte, und ebensowenig die Men—
schen, weil diese Vernunft genug haben, um sich vor dem Grimme des Winters
zu schützen. Da ließ er nach, und die Sonne besiegte ihn alle Tage mehr,
und bald sangen die Vögel wieder, und die Wiesen wurden grün, und die
Menschen brauchten sogar den Ofen nicht mehr zu heizen. Wilhelm Curtman.
41. Die sleinen Tierfreunde.
L. Es war um die liebe Weihnachtszeit. Die Kinder sassen an
einem Sonntage im Zimmer still beisammen und freuten sich auf das
nahe Fest. Im Ofen knisterte das Feuer; aber draussen war es grimmig
kalt. Die Schneeflocken fielen immer dichter und dichter und bedeckten
den Hof mit einer weissen Decke. Die kleinen Sperlinge aber sassen
traurig auf dem grossen Apfelbaume vor dem Fenster und schüttelten
ihr graues Gefiedeèr. Vür sie gab es Keine schöne Weihnachtszeit und
keine Freude, sondern nur Hunger und Frost. Das that den Rindern
weh, und sie sprachen zum Vater: „Uns dauern diess armen Tierchen.
Erlaubst du, dass wir ihnen eine kleine Weihnachtsfreude bereiten
dürfen?“ Der Vater erlaubte es gern.
2. Nun sprangen die Kinder über den Hof zur Scheune und holten
daraus eine volle Hafergarbe und stellten sie mitten auf den Hof. Da
wurden die Rleinen Sperlinge bald lebendig. Sie flogen herab vom Baume
und pickten eifrig die Körnchen aus der Garbe. Es wurden aber der
Vögel immer mehr. Bald sah man unter ihnen die zutraulichen Gold-
ammern, und selbst die Kleinen, bunten Meisen aus dem Obstgarten
waren herzugekommen. Das war ein fröhliches Gewimmel. Sie wurden
alle satt und piepten und zwitscherten aus Dankbarkeit. Aber der
Vorrat war noch nicht ganz aufgezehrt, sondern es blieb auch noch
etwas übrig für den andern Morgen. Die Kinder sassen in der Stube
und sahen alles mit an. Am Abend sprangen sie freudig zum Vater
und sprachen: „Das war ein schöner Tag und eine gar herrliche Weihb-—
nachtsfreude.“ Heinemann.
4
III.
In Haus, Hof und Garten.
42. Das Haus.
De Kinder hatten lange im Preien gespielt. Da kam der
Herr Wind dahergebraust und jagte das kleine Volk aus—
einander. Wie gut war es da, dass jedes Kind ein Plätzchen
wusste, wohin der Wind nicht Kommen Konnte. Nun stürme nur,
du luͤftiger Geselle! Vir sitzen im Stübchen daheim bei Vater
und Mutter und schauen durch die Pensterscheiben und sehen
deinem tollen Preiben auf der Gasse zu. Rüttele nur wacker an
Thür und Fenster! Die bleiben solchen Gästen verschlossen, und
dass du nicht mit Gewalt öffnest, dafür haben Schreiner und
Schlosser schon gesorgt.
2. Als nun der Herr VWind merkte, dass er da drinnen in den
Stuben und Kammern mit Tischen und Stühlen sein Wesen nicht
treiben Konnte, da fuhr er hinauf auf das Dach, riss die Wetter-
fahne hin und her, polterte zwischen den Dachziegeln herum, sah
durch die Dachfenster auf den Speicher und schnob dann im
Schornstein auf und nieder. Das war eine prächtige Musik.
Wäre der Schornstein nicht so lang gewesen, so hätte der Herr
Wind gern der Küche einen Besuch gemacht. Was gab es da
alles zum Zerbrechen! Schüsseln und Teller, Töpfe und Näpfe,
Kannen und Tassen. Und was für schöne Musik hätten die
Kessel und Pfannen, die Deckel und Trichter gemacht!
3. Nirgends konnte der Herr Wind dem starken Hause etwas
anthun. In den Reller unten mochte er nicht hinein: denn als
III. In Haus, Hof und Garten.
er zum Rellerloche hineinschaute, da sah es so finster drinnen
aus. Grossse Tonnen und Pässer standen in einer Ecke, und in
einer andern lagen Haufen von Rartoffeln und Rüben. Damit
spielte es sich schlecht. Weit besser gefiel es ihm auf dem Hofe.
Da tanzte er mit dem Strohbälmchen einen Walzer, fuhr durch
das offene Thor in die Scheune hinein, blies durch das Gebälk
und die Sparren im Dache und besuchte die Sperlinge in ihren
Nestern.
4. Aber in die Ställe konnte er nicht hinein. In dem einen
Stalle standen die schmucken Rösslein und frassen den gelben
Hafer und das Heu aus hölzernen Krippen. In dem andern lagen
auf frischem Stroh wohlgenährte Kühe und wiederkäuten träge.
Nebenan befanden sich die fetten Schweine, und dann kam ein
grosser Stall voll schöner, weilsser Schäfehen, die eben erst von
der Weide gekommen waren und sich nun ebensowenig um den
WVind bekümmerten wie die anderen Tiere. Da hat sich der
Wind geärgert und ist nach Hause geflogen. Wo sein Haus
steht, das weiss ich nicht; ich freue mich aber, dass ich in einem
Hause wohne, das mich vor VWind und Wetter schützt, und dals
ich Eltern habe, die mir zu essen und zu trinken geben und ein
Bett, worin ich schlafe. Graf Pocci. ()
43. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein.
1. Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein
und hatte sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages
wollte sie in den Wald gehen und Futter holen; da rief sie alle sieben
herbei und sprach: „Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald; seid
auf eurer Hut vor dem Wolfe! Wenn er hereinkommt, so frißt er
euch alle mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft; aber
an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr
ihn gleich erkennen.“ Die Geißlein sagten: „Liebe Mutter, wir wollen
uns schon in acht nehmen; Ihr könnt ohne Sorge fortgehen!“ Da
meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg.
2. Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Hausthür
und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder! Eure Mutter ist da und
III. In Haus, Hof und Garten. 7
hat jedem von euch etwas mitgebracht.“ Aber die Geißerchen hörten
an der rauhen Stimme, daß es der Wolf war. „Wir machen nicht
auf,“ riefen sie, „du bist unsere Mutter nicht; die hat eine feine,
liebliche Stimme, aber deine Stimme ist rauh; du bist der Wolf.“
Da ging der Wolf fort zu einem Krämer und kaufte sich ein großes
Stück Kreide; die aß er und machte damit seine Stimme fein. Dann
kam er zurück, klopfte an die Hausthür und rief: „Macht auf, ihr
lieben Kinder! Eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas
mitgebracht.“ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das
Fenster gelegt; das sahen die Kinder und riefen: „Wir machen nicht
auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß wie du: du bist der
Wolf.“ Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: „Ich habe
mich an den Fuß gestoßen, streich' mir Teig darüber!“ Und als ihm
der Bäcker die Pfote bestrichen hatte, lief er zum Müller und
sprach: „Streu' mir weißes Mehl auf meine Pfote!“ Der Müller
dachte: Der Wolf will einen betrügen und weigerte sich, aber der Wolf
sprach: „Wenn du es nicht thust, so fresse ich dich.“ Da fürchtete
sich der Müller und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die
Menschen!
3. Nun ging der Bösewicht zum dritten Male zu der Hausthür,
klopfte an und sprach: „Macht mir auf, Kinder! Euer liebes Mütterchen
ist heimgekommen und hat jedem von eüch etwas aus dem Walde mit—
gebracht.“ Die Geißerchen riefen: „Zeig' uns erst deine Pfote, damit
wir wissen, daß du unser liebes Mütterchen bist!“ Da legte er die
Pfote ins Fenster, und als sie sahen, daß sie weiß war, glaubten
sie, es wäre alles wahr, was er sagte, und machten die Thür auf.
Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten
sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett,
das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den
Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten
der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle und machte nicht langes
Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen; nur
das jüngste in dem Uhrkasten, das fand er nicht. Als der Wolf seine
Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf der grünen
Wiese unter einen Baum und fing an zu schlafen.
4. Nicht lange danach kam die alte Geiß aus dem Walde
III. In Haus, Hof und Garten.
wieder heim. Ach, was mußte sie da erblicken! Die Hausthür stand
sperrweit offen: Tisch, Stühle und Bänke waren umgeworfen, die
Waschschüssel lag in Scherben, Decke und Kissen waren aus dem Bette
gezogen. Sie suchte ihre Kinder, aber nirgends waren sie zu finden.
Sie rief sie nacheinander bei Namen, aber niemand antwortete. End—
lich als sie an das jüngste kam, da rief eine feine Stimme: „Liebe
Mutter, ich stecke im Uhrkasten.“ Sie holte es heraus, und es erzählte
ihr, daß der Wolf gekommen wäre und die andern alle gefressen hätte.
Da könnt ihr denken, wie sie über ihre armen Kinder geweint hat.
5. Endlich ging sie in ihrem Jammer hinaus, und das jüngste
Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so lag da der Wolf an
dem Baum und schnarchte, daß die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn
von allen Seiten und sah, daß in seinem angefüllten Bauche sich etwas
regte und zappelte. „Ach, Gott!“ dachte sie, „sollten meine armen
Kinder, die er zum Abendbrot hinuntergewürgt hat, noch am Leben
sein?“ Da mußte das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel
und Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm den Wanst auf,
und kaum hatte sie einen Schnitt gethan, so streckte schon ein Geißlein
den Kopf heraus, und als sie weiter schnitt, so sprangen nacheinander
alle sechse heraus, und waren noch alle am Leben und hatten nicht—
einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier
ganz hinuntergeschluckt. Da herzten sie ihre liebe Mutter und hüpften
vor Freude. Die Alte aber sagte: „Jetzt geht und sucht Wacker—
steine! Damit wollen wir dem gottlosen Tiere den Bauch füllen, so
lange es noch im Schlafe liegt.“ Da schleppten die sieben Geißerchen
in aller Eile die Steine herbei und steckten sie ihm in den Bauch, so
viel sie hineinbringen konnten. Dann nähte ihn die Alte in aller
Geschwindigkeit wieder zu, daß er nichts merkte und sich nicht einmal regte.
6. Als der Wolf endlich ausgeschlafen hatte, machte er sich auf
die Beine, und weil ihm die Steine im Magen so großen Durst er—
regten, so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als er
aber anfing zu gehen und sich hin und her zu bewegen, stießen die
Steine in seinem Bauch aneinander und rappelten. Da rief er:
„Was rumpelt und pumpelt
in meinem Bauch herum?
Ich meinte, es wären sechs Geißlein,
so sind's lauter Wackerstein'.“
—38
III. In Haus, Hof und Garten. 29
Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bückte
und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein, und er
mußte jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, da
kamen sie herbeigelaufen, riefen laut: „Der Wolf ist tot! der Wolf
ist tot!“ und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen
herum. Brüder Grimm.
44. Rũtsel.
1. Sid pleibt das ganze Jahr zu Haus'
und geht doch alle Tage aus.
2. Es rührt sich hinten was im Eck',
geht Tag und Nacht, kommt nicht vom Hleck.
Priedrich Güll.
45. Das Fünkchen.
1. Das Kind hatte mit dem Fünkchen gespielt, obgleich seine
Mutter es schon oft verboten hatte. Da war das Fünkchen fortgeflogen
und hatte sich ins Stroh versteckt. Aber das Stroh fing an zu hrennen,
und es entstand eine Flamme, ehe das Kind daran dachte. Da wurde
es dem Kinde bange, und es lief fort, ohne jemand etwas von der
Flamme zu sagen.
2. Und da niemand Wasser darauf schüttete, ging die Flamme
nicht aus, sondern breitete sich im ganzen Hause aus. Als sie an die
Fenstervorhbänge Kam, wurde sie noch grösser, und das Bett brannte
hell auf, und die Tische und die Stühle und die Schränke und alles,
was der Vater und die Nutter hatten, das wurde vom Feuer erfalst.
und die Flamme wurde so hoch wie der Kirchturm.
3. Da schrieen die Leute vor Schrecken, die Glocken lãuteten und
die Feuerwehr rasselte heran; es var fürchterlich zu hören, und die
Flamme war schrecklich zu seben. Nun fing man an zu löschen mit
Wasser, das man in das Feuer spritzte; aber es half nicht eher, als bis
das Haus zusammengebrannt war und nur noch ein wenig Kohlen und
und ein bisschen Asche übrig waren.
4. Da hatten nun die Eltern des Kindes kein Haus mehr und
kein Plätzehen, wo sie wohnen und schlafen Konnten, und auch Kkein
Geld, um sich ein neues Haus und neue Betten und Tische und Stühle
zu kaufen. Ach, wie weinten da die armen Eltern! Und das Rind.
das mit dem Fünkchen gespielt hatte, war schuld daran.
Wilhelm Curtman.
III. In Haus, Hof und Garten.
46. Vom Hunde.
1. Der Hund an seiner Kette 6. Und steigt gar auf die Mauer
liegt da die ganze Nacht; verstohlen so ein Dieb,
ihm ist kein warmes Bette, da spricht er ohne Schauer:
wie euch zurecht gemacht; „Ist dir dein Leben lieb,
2. Hat keinen Schlaf und Schlummer 7. So mach nicht auf den Riegel
und drückt kein Auge zu, und thu nicht auf das Thor;
wenn ohne Leid und Kummer sonst pack' ich dich beim Flügel
der Müller schläft in Ruh'. und schüttle dich beim Ohr.“
3. So ist er auf der Lauer, 8. Und ruht nicht eher wieder,
ein Wächter, brav und treu; bis sauber ist der Ort;
ihn schreckt kein Regenschauer, dann reckt er seine Glieder
ihn macht kein Wetter scheu. und murrt in einem fort.
4. Und während ohne Sorgen 9. Doch morgens in der Frühe
sein Herr, der strenge, ruht, stellt sich der Hunger ein;
da wacht er bis zum Morgen da soll für seine Mühe
und hält sein Gut in Hut. ihm auch ein Frühstück sein.
5. Er bellt und rührt sich wacker, 10. Drum springt die Magd zum Keller,
hört er nur einen Laut, bringt Brot und Milch heraus
und bleckt die scharfen Hacker, und brockt es in den Teller
wenn einer her sich traut. und stellt's ihm hin zum Schmaus.
11. Und wie sie ihn so streichelt,
das freut den wackern Hans;
er schmunzelt und er schmeichelt
und wedelt mit dem Schwanz. Friedrich Güll.
47. Hund und Latze.
1. Zum Herrn kam Hund und Ratze herein,
verklagten einander mit Heulen und Schrei'n:
„Hund hat mich so sehr ins Bein gebissen!“ —
„Und mir, hat Kätzchen die Nase zerrissen!“
„Hund hat in der Küche genascht den Braten!“ —
„Die Katze ist über die Milch geraten!“
2. Was sagte der Herr zu ihrem Streit?
Er holte den Stock, der war nicht weit.
„Ihr habt euch beide einander nicht lieb,
und eins wie das andere ist ein Dieb!
Drum mögt ihr beide euch nur bekehren,
sonst soll der Stock euch Besseres lehren!“
30
III. In Haus, Hof und Garten. 1
3. Wenn sich nun zwei nicht können vertragen,
so heisst es von ihnen bis zur jetzigen Stund':
„Sie leben zusammen wie Katze und Hund.“
48. Vom brummenden Later.
Es war einmal ein Rater,
der brummte täglich sehr;
da sprach zu ihm sein Vater:
„Komm, Söhnchen, einmal her!“
Und als das Söhnchen zu ihm kam,
der Vater einen Maulkorb nahm
und steckt' ihm Maul und Nas' hinein,
damit er lerne freundlich sein
und knurre künftig nicht so sehr.
Da ging er sehr betrübt einher
und knurrte ferner gar nicht mehr.
Ein jeder merke sich die Lehr',
sonst kommt des Katers Väterchen
und thut ihm wie dem Käterchen.
Joachim Heinrich Campe.
49. Der große Hund.
1. In der Wirtsstube einer kleinen Stadt saß der Bärenführer und
verzehrte sein Abendbrot; der Bär stand draußen hinter dem Holzstoße ange—
bunden, der arme Petz, der keiner Seele etwas zuleide that, wenn er auch grimmig
genug aussah. Oben im Eckzimmer spielten drei kleine Kinder im Monden—
scheine; das älteste mochte sechs Jahre alt sein, das jüngste nicht mehr als zwei.
„Klatsch! Klatsch!“ kam es die Treppe herauf; wer konnte das wohl sein?
Die Thür sprang auf — es war der Petz, der große, zottige Bär. Er hatte
Langeweile gehabt unten im Hofe, hatte die Kette zerrissen und nun den Weg
zur Treppe hinauf gefunden. Die Kinder erschraken sehr über das große,
zottige Tier. Jedes kroch in seinen Winkel; aber der Bär fand sie alle drei
und beschnüffelte sie, that ihnen aber nichts.
2. „Das ist gewiß ein großer Hund,“ dachten sie, und dann streichelten
sie ihn. Der Bär legte sich auf den Fußboden; der kleinste Junge kletterte
auf ihn hinauf und spielte mit seinem goldlockigen Köpfchen Verstecken in dem
dichten, schwarzen Pelze. Jetzt nahm der älteste Knabe seine Trommel und
schlug darauf, daß es dröhnte. Der Bär erhob sich auf seine beiden Hinter—
füße und fing an zu tanzen; es war allerliebst anzusehen. Jeder Knabe nahm
jetzt sein Gewehr; auch der Bär mußte eins haben, und er hielt es recht
ordentlich fest. Es war ein prächtiger Kamerad, den sie gefunden hatten, und
dann marschierten sie: Eins, zwei! Eins, zwei!
3
III. In Haus, Hof und Garten.
3. Da griff jemand an die Thür; sie ging auf: es war die Mutter der
Kinder. Ihr hättet sie sehen sollen, ihren lautlosen Schreck, das kreideweiße
Gesicht, den halbgeöffneten Mund, die starren Augen! Aber der kleinste Junge
nickte seelenvergnügt und rief ganz laut in seiner Sprache: „Wir spielen nur
Soldaten!“ —
Und dann kam der Bärenführer. Hans Christian Andersen.
50. Vom Hunde im Wasser.
E⸗ lief ein Hund durch einen Wasserstrom und hatte ein Stück Fleisch im
Maule. Als er aber den Schatten des Fleisches im Wasser sah, meinte
er, es sei auch Fleisch, und schnappte gierig danach. Da er aber das Maul
aufthat, entfiel ihm das Stück Fleisch, und das Wasser führte es hinweg. Also
verlor er beides, das Fleisch und den Schatten. Martin Luther.
51. Katze und Schwalbe.
1. Kätzchen schlich auf einem Dach
einer Kleinen Schwalbe nach,
Võglein schmeckt zum Frühstücksschmaus
besser als die graus Maus.
2. Doch als Kätzchen näher kam,
schnell die Schwalbe Abschied nahm,
schwang sich in der Lüfte Raum
hoch hinauf, man sah sie Kaum,
3. Und rief nun zum Dach hernieder:
„Kätzchen, morgen komm' ich wieder!
Schaff' bis dahin Flügel dir,
dass du dann Kannst folgen mir!“
4. Kätzehen denkt: „Könnt ieh nur fliegen,
wollte, Schwälbehen, bald dieh kriegen!“
Ist dann in den Hof gegangen,
um sich eine Maus zu fangen.
52. Muuschen in der Speisekammer.
Mãauschen poltert tripp und trapp
in der Kammer auf und ab,
prüft, ob auch die Wurst geraten,
knabbert an dem fetten Braten,
leckt am sũüsssen Milchgericht
und vergisst den Käse nicht.
32
III. In Haus, Hof und Garten. 3
Sieh, da Kommt mit leisen Vritten
Miezekätzchen angeschritten.
„Mäuschen, sei auf deiner Hut,
Kãtzchen meint es gar nicht gut,
schaut dich an mit bösen Blicken,
macht schon einen krummen Rücken.
Lass nur schnell das Naschen sein,
und entflieh ins Loch hinein!
Kätzchen packt dich sonst am RKragen
und verspeist dich mit Behagen.“ ULlisabeth Ebeling.
53. Die luge Maus.
1. Eine Maus Lam aus ihrem Loche und sah eine Falle. „Aha!“
sagte sie, „da sssteht eine Falle. Die klugen Menschen! da stellen sie
mit drei Hölzeben einen schweren Ziegel aufrecht, und an eines der
Hõlzchen stecken sie ein Stückchen Speck. Das nennen sie dann eine
Mausefalle. Ja, wenn wir Mäuschen nicht Klüger wären! Wir wissen
wohl: wenn man den Speck fressen will, Klapps! fällt der Ziegel um
und schlägt den Näscher tot. Nein, nein, ich kenne eure List!“
2. „Aber,“ fuhr das Mäuschen fort, „riechen darf man schon daran;
vom blossen Riechen kann die Falle nicht zufallen, und ieh rieche den
Speck doch für mein Leben gern. Ein bisschen riechen muss ich daran.“
3. Es lief unter die Falle und roch an dem Speck. Die Halle
aber war ganz lose gestellt, und kaum berührte es mit dem Näschen
den Speck, lapps! so fiel sie zusammen, und das lüsterne Mäuschen
war zerquetscht. Abert Grimm.
54. Vom Mäuslein.
Die Köchin spricht zum Koch:
„Fang' mir das Mäuslein doch!
Es ist nichts sicher in Küch' und Keller,
nicht in der Schüssel, nicht auf dem Teller.
Wo's was riecht,
da ist es gleich;
wo's was kriegt,
da frißt es gleich;
wo ein Braten dampft,
kommt das Mäuslein und mampft.
Unter der Bank
in den Küchenschrank
hat es gebissen ein Loch.
Vorstufe zum „Vaterland“.
3
34
III. In Haus, Hof und Garten.
Koch, fang' mir das Mäuslein doch,
und jag' es wieder aus dem Haus
in das freie Feld hinaus!“
Da macht der Koch ein Gesicht
und spricht:
„Mäuslein, Mäuslein,
bleib in deinem Häuslein!
Nimm dich in acht
heut Nacht;
mach' auch kein Geräusch,
und stiehl nicht mehr das Fleisch!
Sonst wirst du gefangen
und aufgehangen!“
Der Koch aber deckt zu alle
Schüsseln und stellt auf die Falle
hinten im Eck
und thut hinein den Speck,
sperrt die Küche zu,
geht und legt sich zur Ruh.
Das Mäuslein aber ist ruhig
und wispert leis': „Das thu' ich!“
Aber — es hat nicht lang' gedauert,
so kommt schon das Mäuslein und lauert
und sagt: „Wie riecht der Speck so gut!
Wer weiß, ob's was thut?
Nur ein wenig möcht' ich beißen,
nur ein wenig möcht' ich speisen.
Einmal
ist keinmal!“
So spricht fein Mäuslein und schleicht,
bis es die Falle erreicht.
Duckt sich
und buckt sich,
schmiegt sich
und biegt sich,
ringelt das Schwänzlein
wie ein Kränzlein,
setzt sich
ins Eck
und ergötzt sich
am Speck.
III. In Haus, Hof und Garten. 5
Reißt,
beißt
und speist.
Platsch, thut's einen Knall,
und — zu ist die Fall'!
Das Mäuslein zittert vor Schrecken
und möcht sich verstecken;
aber wo es will hinaus,
ist zugesperrt das Haus.
Es pfeift
und zappelt,
es kneift
und krabbelt:
überall ist ein Gitter,
und das ist bitter;
überall ist ein Draht,
und das ist schad'.
Leider, Leider
kann's Mäuslein nimmer weiter;
wär's nur gewesen gescheiter!
Unterdessen wird es Morgen;
da kommt die Köchin und will besorgen
den Kaffee
und den Thee.
Da sieht sie denn, was vorgegangen,
und wie das Mäuslein ist gefangen.
Ganz sacht
schleicht sie hin und lacht:
„Haben wir endlich doch erhascht
das Mäuslein, das immer von allem genascht!
Siehst du: einmal
ist nicht keinmal.
Wärst du geblieben in deinem Loch,
gefangen hätte dich nicht der Koch!“ Friedrich Güll.
55. Das Kind im Hofe.
um Hofe uns die Küchenthür führt,
3 wo unser Hahn mit den Hennen spaziert.
Da kommt vom Nest mit lautem Schrei
die Henne herab; sie legte ein Ei.
3.
III. In Haus, Hof und Garten.
Dort girret die Taube, da brüllet die Kuh,
der Hofhund bellt an der Kette dazu.
Die Enten kommen beim Hund zum Schmaus
und fressen schnatternd den Trog ihm aus.
Die Katze putzt sich im Sonnenschein,
dann lauscht sie, wenn Sperlinge hinter ihr schreiün.
Dort flattern auch Gänse mit vielem Geschrei
zum hingeworfenen Futter herbei.
Da meckert die Ziege, dort wiehert im Stall
und stampfet das Pferd mit lautem Schall.
Und tack, tick, tack, bumm, bumm, klapp, klapp, klapp,
tönt's unten im Hofe die Tenne herab.
Dort geht unser Vieh, das den Stall uns ziert,
zur Herde hinaus, vom Hirten geführt.
Die Schafe ziehen auch munter herbei;
der Schäferhund kläfft und bewachet sie treu.
Ich liebe Hof, Garten, Wald, Wiesen und Feld;
denn was ich dort sehe, mir alles gefällt. Nach Krug.
56. Der Hühnerhof.
A n einem hellen Bächlein liegt eine Mühle, die älappert Tag und
Nacht. In der Mühle wohnt ein Müller. Was aber den Kindern am
besten in deèr Mühble gefällt, das ist der Hof: da watscheln Enten, da
schwimmen Gänse, da rennen Hühner, da flöögen Tauben, alle in grosser
Menge und in buntem Getümmel. Im Hühnerstalle sind viele Nester.
In einigen liegen wenige Eier, in andern ein ganzes Dutzend zusammen.
Doch lässt die Müllerin gewöhnlich nicht so viele beisammen liegen,
wenn das Huhn nicht brüten soll. VWenn die Hühner gelegt haben und
gackernd aus dem Stalle fliégen, dann schickt sie eins von den Kindern
mit einem Körbehen hin, um die Eier zu sammeln. Und wenn sie
Pfannkuchen backen will, so sind ihr die frischen Bier die liebsten.
Auf dem Hofe gewähren die Hühner mit ihren weissen, schwarzen, röt-
lichen und bunten Federn, mit ihren Hauben und Kämmen, einen unter—
haltenden Anblick. die sind selten ruhig; bald scharren und picken sie,
bald laufen sie einandeèr nach und suchen siech einen Wurm oder ein
Bröckchen Brot abrunehmen. Doch ducken sie sich auch manchmal in
den Staub und sonnen sich. Der Hahn mit seinem roten Kamm und
seinem sichelförmigen Schwanze schreitet gar stol- unter den Hühnern
einher. Bald ruft er sie und lässt ihnen etwas zu fressen zukommen,
bald beisst er sie weg. Dann stellt er sich auf einen Misthaufen, schlägt
mit den Flügeln, krümmt den Hals, als wenn er sich entsetzlieb an—
36
III. In Haus, Hof und Garten.
strengen müsste, und kikeriki! Kräht er, dass es in dem ganzen Hofe
erschallt. Sind mehrere Hähne auf einem Hofe, so vertragen sie sich
nicht; selbst die jungen, die noch von ihrer MNutter geführt werden,
kämpfen schon miteinander. Das Bliegen ist nicht dĩe Sache der Hühner.
Nur wenn sie über den Gartenzaun wollen, um die Beete zu verkratzen,
fliegen sie in die Höhe. Aber der Müller duldet es nicht, sondern schickt
sogleich seinen Hund hinter sie, venn er sie im Garten bemerkt.
Wilhlelm Qurtmann.
57. Fragefritze und die Plappertasche.
1. Eritz, ich möcht' den Spaten haben!
Mütterchen, warum?
Möchte eine Grube graben!
Muütterchen, warum?
2. Möchte drin ein Bäumchen pflanzen!
Mütterchen, warum?
Wird mein Fritze drunter tanzen!
Mütterchen, warum?
3. VWird das Bäumchen Kirschen tragen!
Mütterchen, warum?
Ei, du musst die Spatzen fragen,
die sind nicht so dumm!
4. Kommt die Kleine Plappertasche:
Mütterchen, nicht wahr?
ich bin klüger als der Eritze,
bin schon bald sechs Jahr.
5. Mütterchen, nicht wahr, der EFritze
ist ein Schat, o je!
Ich Kann schon bis zwanzig zählen
und das ABO.
6. Ih, du Kleine Plappertasche,
lass den Eritz in Ruh!
Plappertasche, wische wasche,
halt' das Mäulchen zu!
7. Übermorgen in acht Wochen
Kkommt der Weihnachtsmann;
wenn du dann noch immer plapperst,
was bekommst du dann?
(qaoꝝlneg uaul)
Richard Dehmwel.
III. In Haus, Hof und Garten.
58. Rãtsel.
Ich weiss ein Tönnchen, wohlbekannt,
hat keinen Reifen und kein Band;
es ist Kein Zapf- und Spundloch drin,
und doch ist's voll von Anbeginn.
Man braucht es mehr als einmal nicht,
denn leer wird's nur, venn man's zerbricht.
Sagt mir, ihr lieben Rinderlein,
was für ein Tönnchen mag das sein?
59. Mert' einmal, was ich vom Hahn
alles dir erzählen kann.
1. Der Hahn in seiner Tennen 6. Und schlachtet mit dem Schnabel
thut herzhaft einen Schrei; den Käfer wie ein Kalb
da kommen alle Hennen und teilt ihn ohne Gabel
geschwind, geschwind herbei. und Messer halb und halb.
2. Dann nennt er sie bei ihren 7. Dann ruft er alle Hennen
Rufnamen allzumal mit tuck, tuck, tuck zuhauf
und führet sie spazieren die wackeln und die rennen
hinunter in das Thal. daher im schnellsten Lauf.
3. Führt sie zu einem frischen 8. Und nach dem Braten recken
Schlücklein am Wiesenborn, sie den gestreckten Hals
giebt ihnen aufzutischen und schlecken ihn und schmecken
gar manches Gerstenkorn. ihn ohne Salz und Schmalz.
4. Und daß auch nicht der Braten 9. Und wenn das Schnabulieren
abgehe bei dem Schmaus, hierauf ein Ende hat,
so ist er gleich beraten dann führt er sie mit ihren
und geht aufs Jagen aus. Küchlein zur Ruhestatt.
5. Ein Käfer kommt gewackelt, 10. Er aber vor dem Stalle
schön dunkelgrün und rot; singt noch sein Kikriki
da wird nicht lang gefackelt, und rastet nicht, bis alle
Herr Hahn, der schießt ihn tot. auch eingeschlafen hie.
11. Dann legt er auf die Seiten
den zunderroten Kamm,
daß morgen er beizeiten
den Bauer wecken kann. Friedrich Güll.
38
III. In Haus, Hof und Garten. *
60. Der Hahn.
1. Horch, horch! der Hahn ist auch schon wach.
80 früh, Herr Hahn! Kaum graut der Tag,
da Kommt mit stolzen Schritten
der Hahn einhergeschritten.
2. Und kikriki! Hof ein, Hof aus,
da muss der höchste Ton heraus.
Er kann sich nicht bezwingen,
sein Morgenlied zu singen.
3. Ja, ja, ich hör' es, wackrer Hahn!
du Lündest uns den Morgen an
uncd mahnst uns durch dein Krähen,
fein zeitig aufzustehen.
4. Du rufst uns zu: „Die Morgenstuncdh',
ihr Leute, dié hat Gold im Mund!
Steht auf, ihr fleiss'gen Rinder,
jetzt lernt sich's viel geschwinder!“
5. Drum kräh' nur fort durch Hof und Haus,
in einem Nu bin ich heraus;
magst nun dieé Faulen wecken.
die sich erst lange streeken. Theel.
61. Vom Hühnchen und Hähnchen.
E⸗ war einmal ein Hühnchen und ein Hähnchen, die gingen mit einander
auf den Nußberg und suchten sich Nüßchen. Das Hähnchen sprach zum
Hühnchen: „Wenn du ein Nüßchen findest, iß es ja nicht allein; gieb mir die Hälfte
davon, sonst erstickst du.“ Aber das Hühnchen hatte ein Nüßchen gefunden
und es allein gegessen, und der Kern war in seinem Hälschen stecken geblieben,
daß es im Ersticken war und ängstlich rief: „Hähnchen, Hähnchen, hol' mir
geschwind ein wenig Wasser, ich ersticke sonst!“ Da lief das Hähnchen flugs
zum Brunnen und sprach: „Brunn, Brunn, gieb mir Wasser, daß ich es
meinem Hühnchen geb'; es liegt oben auf dem Nußberg und will ersticken!“
Und der Brunnen sprach: „Erst geh' hin zur Braut, und hole mir den Kranz!“
Da lief das Hähnchen hin zur Braut und sprach: „Braut, Braut, gieb mir
den Kranz, daß ich den Kranz dem Brunnen geb', daß mir der Brunnen
Wasser giebt, daß ich das Wasser meinem Hühnchen geb'; es liegt oben auf
dem Nußberge und will ersticken“ Aber die Braut sprach: „Erst geh' hin
zum Schuster, und hole mir meine Schuhe!“ Und wie das Hähnchen zum
Schuster kam, sprach dieser: „Erst geh' hin zur Sau, und hole mir Fett!“
2
III. In Haus, Hof und Garten.
Und die Sau sprach: „Erst geh' hin zur Kuh, und hole mir Milch!“ Und
die Küh sprach: „Erst geh' hin zur Wiese, und hole mir Gras!“ — Wie
nun das Hähnchen zur Wiese kam und sie um Gras bat, war diese gütig und
gab ihm viele Blumen und Gras; diese gab geschwinde das Hähnchen der
Kuh und erhielt Milch dafür, und für die Milch gab auch das Schwein von
seinem Fett her, und damit schmierte der Schuster sein Leder und machte flugs
die Schuhe der Braut, und gegen die Schuhe gab freundlich die Braut den
Kranz her, und das Hähnchen reichte ihn dem Brunnen, und dieser sprudelte
sogleich sein klares Wasser heraus und in das Gefäßchen, das das Hähnchen
unterhielt. Im schnellen Laufe kehrte nun das Hähnchen zurück zum Nußberge;
aber wie es zum Hühnchen kam, war es unterdessen erstickt. Da schrie das
Hähnchen vor Schmerz hell auf; das hörten alle Tiere in der Nachbarschaft,
die liefen herbei und weinten um das Hühnchen. Und da bauten sechs Mäuse—
lein einen Trauerwagen, darauf legten sie das tote Hühnchen und spannten
sich davor und zogen den Wagen fort. Wie sie nun, das Hähnchen, das tote
Hühnchen, die Mäuslein und der Trauerwagen, so auf dem Wege waren, da
kam der Fuchs hinterdrein und fragte: „Wo willst du hin, Hähnchen?“ —
„Ich will mein Hühnchen begraben!“ — „Das will ich thun, du Narr!“ rief
der Fuchs, fraß das Hühnchen, weil es noch nicht lange tot war, und begrub's
in seinem Magen. Da trauerte das Hähnchen und rief: „So wünsch' ich mir
den Tod, um bei meinem Hühnchen zu sein.“ — „So soll es sein!“ sprach
der Fuchs und fraß das Hähnchen, daß es zu seinem Hühnchen kam. Da
weinten die Mäuselein um das Hähnchen, und da dachte der Fuchs, sie wollten
auch tot sein, und schlang sie hinunter. Weil aber die Mäuselein an den
Wagen gespannt waren, so schlang er auch den Wagen mit hinunter, und da
stieß ihm die Deichsel das Herz ab, daß er längelang hinfiel und alle viere
von sich strecke. Da flog ein Vöglein auf einen Lindenzweig und sang:
„Fuchs ist mausetot! Fuchs ist mausetot!“ Ludwig Bechstein.
62. Der Spitz und die Gunse.
war einmal ein hleiner Spitz,
4der glaubt', er vär' zu allem nütz';
und kam ihm etwas in die Quer',
da knurrt' und brummt' und bellt' er sebr. —
Nun wackelt einst von ungefähr
Frau Gans mit ihrem Mann dabher,
und vor den lieben Mtern wandern
die Kinderchen eins nach dem andern.
Und wie sie um die Ecke biegen,
da schreien alle vor Vergnügen:;
„Seht doch die Pfütze da; Kommt hin!
wie herrlich muls sich's schwimmen drin!“
10
III. In Haus, Hof und Garten.
Das sielit Herr Spitz und bellt sie an;
„Weg da, weg da! Nun seht doch an!
Wie könnt ihr euch nur unterstehn,
ins Wasser so hineinzugehn?
Wenn ich nicht wär' dazugelaufen,
ihr müsstet jämmerlich ersaufen!“
Das macht der alten Gans nicht bange;
sie zischt ihn an wie eine Schlange.
Da zieht mein Spitz sein Schwänzchen ein
und lässt die Gänse Gänse sein;
doch knurrt er noch im vollen Lauf:
„Nun, wer versaufen will, versauf'!“ —
Die Ganschen aber trotz dem Spitze,
sis schwelgen recht in ihrer Pfütze;
und immer noch aus weiter Fern'
hört bellen man den weisen Herrn.
Bell' er, so viel er bellen kKann!
Was gehn den Spitz die Gänse an? Robert Reinick.
63. Pferd und Sperling.
„Pferdchen, du hast die Krippe voll;
giebst mir wohl auch einen kleinen Zoll,
ein einziges Körnlein oder zwei?
Du wirst noch immer satt dabei!“ —
„Nimm, kecker Vogel, nur immer hin,
genug ist für mich und dich darin!“ Wilhelm Hey.
64. Das Böcklein und sein Zottelröcklein.
1. Du Schäkerer, 3. Er reisst mir nicht
du Meckerer und schleisst mir nicht
hast gar ein zottlich Kleid; und kommt nicht aus der Mode;
nicht neu, nicht alt, ich trag' ihn von
nicht warm, nicht Lalt, Geburt an schon
nicht eng und auch nicht weit! und trag' ihn bis zum Tode.
2. Da spricht der Bock: 4. Ob ihr auch lacht,
„Mein Zottelrock, er ist gemacht
der ist mir zehnmal lieber mir doch zu einem Putze.
als ein Gewand Ieh schäm' mich nieht
von allerhand und gräm' mich nicht
Tuch, Sammet oder Biber. und trag' ihn euch zum Prutze.“
Priedrieb Gil.
4
III. In Haus, Hof und Garten.
65. Eine Schwalbengeschichte.
1. Unter den Vögeln giebt es einen kleinen Baumeister, das ist die
Schwalbe. Wenn sie am Dache ihr Nest baut, so ist niemand fleißiger als sie.
Der erste Sonnenstrahl ruft sie zur Arbeit. Am Ufer des Teiches oder an
einer Regenpfütze holt sie in ihrem breiten Schnabel Schlamm, knetet ein
Hälmchen hinein und fliegt zum Neste. Mit großem Geschick führt sie dessen
Mauer in die Höhe, immer nur ein ganz kleines Stück, so daß sie manchmal
zwölf Tage lang baut, ehe das Nest ganz fertig ist.
2. Bei dem Nestbau hat es die Schwalbe manchmal auf diesen oder
jenen Ort ganz besonders abgesehen. So hatten einst im Frühlinge zwei
Schwalben durch ein Schiebfensterchen den Weg in eine Schulstube gefunden.
Als am Morgen die Kinder in die Stube traten, da verwunderten sie sich,
daß die behenden Tierchen in der Ecke zu bauen begannen. Und als der Lehrer
hereintrat, freute er sich der kleinen Gäste und legte es den Kindern warm ans
Herz, sie nicht zu stören. Eine Woche und darüber waren es aber die Schwalben,
die da störten. Denn so oft sie zum Schiebfensterchen hereinflogen, um am
Neste weiter zu bauen, fuhren die Köpfe der Kleinen von Lesebuch und Schiefer—
tafel in die Höhe, und die Augen leuchteten vor Freude, wenn sie die muntern
Tierchen so fleißig am Werk sahen. Und als nun die Tage wärmer wurden,
da flog auf einmal nur noch eine Schwalbe ab und zu. „O weh!“ klagten
da die Kinder, „unser eines Schwälblein lebt nicht mehr; gewiß hat es ein
Raubvogel gefangen und zerrissen.“ Da lächelte aber der Lehrer und sagte:
„Nicht also; sondern unser Schwälblein sitzt im Neste; wartet nur geduldig,
und stört das Vöglein nicht, so sollt ihr eure Freude an ihm haben!“ Und
es war, wie der Lehrer gesagt hatte. Etwa zwei Wochen mochten vergangen
sein, da flogen wieder alle zwei Schwalben aus und ein. Hatten sie sich aber
früher fast den ganzen Tag im Freien getummelt, so flogen sie jetzt eins um
das andere ab und zu. „Sie haben Junge im Neste,“ sagte der Lehrer zu
den Kindern, „die haben stets Hunger, und da müssen ihnen die Alten Mücken
und Fliegen zutragen.“ Und oft hörte man auch das leise, fröhliche Piepen
der Jungen.
3. Wieder nach einigen Wochen waren den jungen Schwälblein die Federn
gewachsen, und sie wurden flügge. Da litt es sie nicht mehr im Neste, und sie
kamen hervor eins nach dem andern und regten die Flügel. Anfangs ging es
noch schlecht; eins flatterte auf den Schrank, das andere setzte sich auf den
Ofen, das dritte gar kehrte ängstlich wieder in das sichere Nest zurück. Aber
da waren auch die Alten zur Hand. Die machten ihnen mit frohem Gezwitscher
Mut und zeigten, wie man es machen müsse beim Fliegen, und das ging dann
bald so gut, daß die Jungen so geschickt flogen, wie die Alten. Einige Tage
sind dann die Jungen noch in der Schulstube umhergeflogen und haben die
Fliegen weggefangen; dann aber, als sie durch das Schiebfensterchen einmal
42
III. In Haus, Hof und Garten. 133
einen Ausflug gemacht hatten in die große, weite Welt, sind sie eins nach dem
andern weggeblieben. Die Alten aber legten noch einmal Eier, brüteten die
Jungen aus und lehrten sie fliegen, bis im Herbst alle zusammen mit ihnen
die große Reise über das Meer antraten. August Hummel.
66. Storch und Spatz.
Es hat der Storch sein Nest gebaut,
und als er froh umber nun schaut,
hoch über allen Häusern,
da sitzt vor ihm ein kleiner Spatz
und bittet um ein wenig Platz
zum Nestchen in den Reisern.
Da spricht der Storch: „Mein Nest ist grols,
du bist ein Kleines Vöglein blols,
ich thu' dir nichts zuleide.
Du bist in gutem Schutz bei mir;
aueh nehm' kein Mietgeld ich von dir;
Platz ist ja für uns beide!“
Das Spatzlein dankt und baut sich an.
Der Storch hat ihm kein Leid gethan
und hat ihn nicht verstossen.
Sie wohlnten beide lange Zeit
in Frieden und in Einigkeit,
der Kleine bei dem Grossen. Karl Enslin.
67. Meister Spatz.
1. Wenn die Rirschen reif sind, so finden sich bald ungebetene
Gaste ein; das sind die Spatzen. Sie verzehren die süsssen Früchute ohne
weiteres und machen dabei ein so furchtbares Geschrei, wie die wildesten
Gassenbuben. Manche sind sogar so Keck, dals sie sich auf die Vogel-
scheuche setzen, die man ihrethalben auf die Bäume gestellt hat.
2. Vertragen können sich die Raufbolde freilich nicht. die zanken
vom frühen Morgen bis zum späten Abend, und selbst vor dem Schlafen-
gehen giebt es immer noch einen grossen Lärm. Dabei sind es rechte
Leckermäuler und Näscher. Von einem RKirschbaume fliegen sie zum
andern; an dieser Kirsche und an jener wird gepickt und gekostet.
Wo der Spatz nur etwas finden kann, beim Gaärtner oder beim Drescher,
im Hühnerhofe oder in der Pferdekrippe, da stellt er sich ein. Verjagt
man ihn aber, so lässt er noch lange sein „Schelm! Schèlm!“ hören.
3. Weil der Spatz zu träge ist, sich selbst ein Nest zu bauen, so
4 III. In Haus, Hof und Garten.
zieht er gern in die Nester anderer Vögel und setzt sich darin fest,
als wäre er der Hausherr. Da giebt es denn oft Zank und Krieg, dals
die Federn nur so fliegen. Aber wir wollen dem kecken Burschen doch
nicht gram sein. Wenn er nicht die Maikäfer, Raupen und manche
andre schädliche Tiere vertilgen hülfe, so würde manches Bäumchen
von ihnen zerstört werden, undd wir würden LKeine Kirschen, Pflaumen
und Apfel mehr zu essen bekommen. Nach Karl Pilz.
683. Der Sperling im Winter.
1. Wovon lebt der Sperling im Winter? Er geht nicht im Herbst in
südliche Länder wie andere Vögel, sondern bleibt daheim, wenn auch der
Winter noch so arg ist. Er sammelt nicht Vorräte, sondern wenn das Korn
eingefahren und auf den Stoppeln nichts zu finden ist, dann hat er nichts.
Es giebt keinen so armen Mann im ganzen Lande wie den Sperling, wenn
der erste Schnee draußen gefallen ist. In seiner Wohnung ist nichts zu finden,
und verdienen kann er sich auch nichts. Er kann weder Holz hacken, noch
Kartoffeln schälen, auch nicht fegen und kehren oder Wasser tragen. Nicht
einmal singen kann er.
2. Doch findet er den ganzen Winter hindurch sein Brot. Auf dem
Dorfe geht er zu den Bauern und sieht zu, wie gedroschen wird. Dabei fällt
manches Körnlein für ihn ab. In der Stadt ladet er sich bei armen, wie bei
reichen Leuten zu Gaste. Wo Pferde ihren Hafer bekommen, ist er da und
sagt: „Ich darf doch mitessen? Das wenige, was ich mir nehme, macht ja
nichts aus.“ Und wo einem Huhn das Futter gestreut wird, fliegt er auch
herbei und spricht: „Du erlaubst doch? Ich werde es dir wiedergeben im
Sommer, wenn die Erbsen reif sind.“ Überall ist er da, wo es etwas zu
picken giebt.
3. Draußen ist ein kalter Wintertag. Auf dem Fenstersimse liegt Schnee.
Da kommt er angeflogen, reckt seinen Hals und ruft in das Zimmer hinein:
„Ist nicht vom Mittag etwas übrig geblieben?“ — Gehst du dann nicht hurtig
in die Küche und holst ihm etwas? Johannes Trojan.
69. Das Nest des Rotschwänzchens.
1. Das Rotschwänzchen wollte gern ein Nest bauen und konnte
keinen Platz finden. Es flog in dem ganzen Garten umhber und um das
ganze Haus herum und konnte nichts entdecken, was ihm passte. End-
lich sah es eine Ritze in der Mauer, und da es fand, dass sie weit ge—
nug war zum Hinein- und Herausschlüpfen, sagte es zu seinem Männ-
chen: „Komm, wir wollen uns Heu suchen und hier unser Nestchen
bauen!“ Und sie suchten Heu und Grashälmchen, machten ein rundes
III. In Haus, Hof und Garten. 45
Nestchen und thaten weiche Federn hinein, und es war gross genug für
das Männchen und das V eibehen und weich und warm für die Jungen.
Dann legte das Rotschwänzchen fünf Bierchen in das Nest, so grols
wie eine Haselnuss und bläulich von Farbe. Und nun brüteten sie
abwechselnd auf den Eiern. Wenn das Weibchen ausflog, brütete das
Männchen, und wenn das Männchen Futter holte, brütete das Weibchen.
2. Nach einigen Wochen krochen fünf viedliche Jungen aus den
Eiern, die waren noch nackt und ohne Federn. Aber die Alten wärmten
und fütterten sie, bis sie grösser waren und ihnen Federn wuchsen.
Sie hatten ihre Freude an den Jungen und hatten sie sehr lieb, und
die Jungen zwitscherten, venn sie die Mutter sahen, und sperrten die
Schnäbel auf, weil sie wulsten, dass sie ihnen allemal etwas zu essen
mithrachte. Willelm Qurtmann.
70. Der Rabe.
1. Was ist das für ein Bettelmann?
Er hat ein kohlschwarz Röcklein an
und läuft in dieser Winterszeit
vor alle Thüren weit und breit,
ruft mit betrübtem Ton: „Rab! rab!
Gebt mir doch auch einen Knochen ab!“
2. Da kam der liebe Frühling an:
gar wohl gefiel's dem Bettelmann.
Er breitete seine Flügel aus
und flog dahin weit übers Haus;
hoch aus der Luft so frisch und munter:
„Hab' Dank! hab' Dank!“ rief er herunter. Wilhelm Hey.
71. Hans und die Spatzen.
1. „Ach, Vater, sprich, wie fang' ichss an,
daß ich die Spatzen fangen kann?
Die Spatzen!“
2. Der Vater spricht: „So streu', mein Hans,
hübsch Salz den Spatzen auf den Schwanz,
den Spatzen!“
3. Drauf nimmt er eine Hand voll Salz
und lauert mit gestrecktem Hals
auf Spatzen.
4. Und als der erste sich gesetzt,
schleicht er heran: „Dich krieg' ich jetzt,
dich Spatzen.“
—46
III. In Haus, Hof und Garten.
5. Das Spätzlein aber flog husch husch
hinweg zum nächsten Fliederbusch.
Ach, Spatzen!
6. „Sie halten, Vater, ja nicht still,
wenn ich das Salz hinstreuen will, —
die Spatzen!“
7. So laß die Spatzen, Hans, in Ruh'!
Sie sind halt klüger doch als du,
die Spatzen!“ Rudolf Löwenstein.
72. Die Stõrche.
1. „Ihr lieben Störche, was habt ihr im Sinn,
warum fliegt ihr alle zur Sonne hin?“
„Es wird so kalt und schaurig hier;
uns friert; drum ziehen von dannen wir.“
„Hliegt hin denn mit eurem leichten Gefieder;
doch, Störche, das bitt' ich, Kommt recht bald wieder!“
2. Und wie sie waren fortgeflogen,
da kam der Winter hergezogen.
Das leere Nest auf dem Dache droben,
das streut' êr mit Federn voll bis oben.
Doch mocht' es ein kaltes Lager sein,
da Konnte sich wohl kein Storch dran freu'n.
3. „Die Sonne scheint, der Sommer ist nahb';
nun sind auch wir Störche wieder da.
Wir haben im fernen Land unterdessen
micht unser liebes Nest vergessen.
Da steht's noch; nun wollen wir's putzen und hüten
und still drin wohnen und fröhlich brüten.“
4. Sie bauten es aus mit Holz und Strob.
sis waren so eifrig dabei, so frob.
Frau Störchin sals drauf drei Wochen lang,
da hörte man bald gar mancherlei Klang.
Fünf Störchlein reckten die Köpfehen herauf
und sperrten die hungrigen Schnäbel auf. Wilhelm Hey.
73. Der Storch und die Linder.
Der Storch liess auf dem Dach sich nieder
und sprach: „Da., Kinder, bin ich wieder!
III. In Haus, Hof und Garten. 7
Nun saget mir: Was ist geschehn,
seit ich das Dörfehen nicht gesehn?“
„Ei,“ sprach der Hans, „in diesen Tagen
da hat sich vieles zugetragen!
Mein Vater kaufte eineé Kuh
und meiner Schwester neue Schuhb'.
Ich hab' an Grösse zugenommen
und jetzt auch Stiefel und Hosen bekommen;
Weilnachten kriegte ich ein Schwert
und ein sehr wildes Wiegenpferd.
Und in die Schule geht, mein Bester,
jetzt auech die Suse, meine Schwester,
und weil sie neulich nichts gewulst,
hat sie nachbleiben schön gemulst!“
„Pfui, Hans,“ begann der Storch zu klappern,
„man darf nicht aus der Schule plappern!“ Rudolt Lõwenstein.
74. Bienchen im Frühlinge.
1. Frühling war's geworden; die Sonne hatte den Schnee von den
Bergen weggeschienen, die grünen Grasspitzen kamen aus den welken Halmen
hervor, die Knospen der Bäume brachen auf und ließen schon die jungen
Blättchen durchscheinen: da wachte das Bienchen aus seinem tiefen Schlafe
auf, worin es den ganzen Winter gelegen hatte. Es rieb sich die Augen und
weckte seine Kameraden, und sie öffneten die Thür und sahen, ob das Eis und
der Schnee und der Nordwind fortgegangen wären. Und sieh, es war überall
heller und warmer Sonnenschein.
2. Da schlüpften sie heraus aus dem Bienenkorbe, putzten ihre Flügel
ab und probierten, ob sie noch fliegen könnten. Sie kamen zum Apfelbaum
und fragten: „Hast du nichts für die hungrigen Bienchen? Wir haben den
ganzen Winter nichts gegessen.“ Der Apfelbaum sagte: „Nein, ihr kommt zu
früh zu mir; meine Blüten stecken noch in der Knospe, und sonst habe ich
nichts. Geht hin zu der Kirsche!“ Da flogen sie zu dem Kirschbaum und
sagten: „Lieber Kirschbaum, hast du keine Blüten für uns hungrige Bienen?“
Der Kirschbaum antwortete: „Kommt morgen wieder; heute sind meine Blüten
noch alle geschlossen! Wenn sie offen sind, so sollt ihr willkommen sein.“ Da
flogen sie zu der Tulpe; die hatte zwar eine große farbige Blume, aber es
war weder Wohlgeruch noch Süßigkeit darin; die Bienchen konnten keinen
Honig darin finden. Da wollten sie schon wieder traurig und hungrig nach
Hause zurückkehren, als sie ein dunkelblaues Blümchen an der Hecke stehen
sahen. Es war das Veilchen, das wartete ganz bescheiden, bis die Bienchen
4
18 III. In Haus, Hof und Garten.
kamen; dann aber öffnete es ihnen seinen Kelch, der war voll Wohlgeruch und
voll Süßigkeit, und die Bienchen sättigten sich und brachten noch Honig mit
nach Hause. Wilhelm Curtman.
75. Einkehr.
1. Bei einem Wirte wundermild,
da war ich jüngst zu Gaste;
ein gold'ner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.
2. Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret;
mit süßer Kost und frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.
3. Es kamen in sein grünes Haus
viel leichtbeschwingte Gäste;
sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das beste.
4. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
auf weichen, grünen Matten;
der Wirt, er deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.
5. Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel! Ludwig Uhland.
76. Vom Spinnlein und Mücklein
ein trauriges Stücklein.
1. Die Spinne hat gesponnen
den Silberfaden zart und fein.
Du Mücklein in der Sonnen,
nimm wohl in acht die Flügelein!
2. Die Spinne hat gewebet
ihr seid'nes Netz mit kluger Hand.
Wer weiß, wie lang noch lebet
fein Mücklein, das die Flügel spannt!
3. Fein Mücklein, — horch! — wie denkt es?
„Durchs Netz zu fliegen ist ein Spiel.“
Frau Spinne aber fängt es
und speist es auf mit Stumpf und Stiel. Friedrich Güll.
III. In Haus, Hof und Garten.
77. Der Apfelbaum.
L. Dicht vor dem Hause steht ein Apfelbaum. Von seinem niederen
Stamme breiten sieh Aste und Zweige weit hinaus. Im Frũhlinge sind
sie von den grossen, rötlich weilsen Blumen bedeckt, zwischen denen
auch die grünen Blätter schon hervorspriessen. In dem lieblichen Dufte
der Blüten summen fleissige Bienen; Vögel singen voller Lust auf den
Zweigen.
2. Bald fallen die zarten Blumenblätter zu Boden; aber an ihrer
Stelle schwellen Lleine, grüne Knöpfehen heran, die jungen Apfel. Die
Blätter des Baumes erreichen jetzt ihre volle Grösse und werden von
den Strahlen der Sommersonne bald dunkel gefärbt. In ihrem Schatten
sitzt dis Mutter auf der Gartenbank; um diese her am warmen Boden
spielen die RKinder.
3. Wenn nun der Herbst Kommt, dann giebt es ein grosses Pest.
Die Kinder bringen Körbe herbei, der Vater stellt die grosse Leiter an
den Baum, steigt hinauf und bricht die reifen Apfel mit den roten
Backen ab. Im Reller werden sie aufbewahrt; sie werden im Winter
gegessen und prangen zu Weihnachten am Christbaume. Priedrich Noll.
78. Vom schlafenden Apfel.
1. Im Baum, im grünen Bettchen, hoch oben sich ein Apfel wiegt;
der hat so rote Bäckchen, man sieht's, daß er im Schlafe liegt.
2. Ein Kind steht unterm Baume, das schaut und schaut und ruft hinauf:
„Ach; Apfel, komm herunter! hör' endlich doch mit Schlafen auf!“
3. Es hat ihn so gebeten: glaubt ihr, der wäre aufgewacht?
Er rührt sich nicht im Bette, sieht aus, als ob im Schlaf er lacht.
4. Da kommt die liebe Sonne am Himmel hoch daherspaziert.
„Ach, Sonne, liebe Sonne, mach' du, daß sich der Apfel rührt!“
5. Die Sonne spricht: „Warum nicht?“ und wirft ihm Strahlen ins Gesicht,
küßt ihn dazu so freundlich; der Apfel aber rührt sich nicht.
6. Nun schau'! da kommt ein Vogel und setzt sich auf den Baum hinauf.
„Ei, Vogel, du mußt singen; gewiß, gewiß, das weckt ihn auf!“
7. Der Vogel wetzt den Schnabel und singt ein Lied so wundernett,
und singt aus voller Kehle; der Apfel rührt sich nicht im Bett.
8. Und wer kam nun gegangen? Es war der Wind, den kenn' ich schon;
der küßt nicht und der singt nicht, der pfeift aus einem andern Ton.
9. Er stemmt in beide Seiten die Arme, bläst die Backen auf,
und bläst und bläst, und richtig: der Apfel wacht erschrocken auf
Vorstufe zum „Vaterland“.
III. In Haus, Hof und Garten.
10. Und springt vom Baum herunter grad in die Schürze von dem Kind;
das hebt ihn auf und freut sich und ruft: „Ich danke schön, Herr Wind!“
Robert Reinick.
79. Ràtsoel.
Erst weiss wie Schnee,
dann grün wie Rlee,
dann rot wie Blut:
schmeckt allen Kindern gut. Volsund.
80. Das Nelkenbeet.
1. „O Nütterchen, gieb uns jedem ein Blumenbeetchen, das uns
æugehõre, mir eins, Gustav eins und Alwinen eins, und jedes pflege dann
das seinige.“ dSo sprach der kleine Eritz zu seiner NMutter, und die
Mutter gewährte ihm seine Bitte und gab jedem ein Blumenbeet voll
schöner Nelken. Da freuten sich die Kinder gar sehr und sprachen:
„Wenn erst die Nelken blühen, das wird eine Herrlichkeit sein!“ Denn
es war noch nicht die Zeit der Nelken, sondern sie hatten erst Knospen
bekommen.
2. Aber der kleine Eritz war ungeduldig; er konnte die Zeit der
Blũüte nicht éerwarten und wünschte, dass seine Blumen zuerst blühen
möchten. Da trat er hinzu und nahm die Knospen in seine Hand, be—
schaute sie und freute sich sehr, wenn aus der grünen Hülle schon ein
Blũtenblättehen hervorschimmerte. Aber es währte ihm zu lange. Er
brach die Knospen auf und löste die Blätter alle aus einander. Nun
rief er mit lauter Stimme: „Seht, meine Nelken blühen!“ Allein als
die Sonne darauf schien, neigten die Blumen ihre Köpfehen und trauerten.
Sie standen zerzaust und welk, eh' es Mittag war, und der Knabe weinte
um sie. Aber die Mutter sprach: „Ungeduldiges Kind! Du hast dir
dureh eigene Schuld deine Freude verdorben. Lerne warten, damit dir
das in Zukunft nicht wieder geschehe!“ Priedrich Krummacher.
81. Der Hase im Kohl.
1. Auf dem Dach viel blanke Zapfen,
in dem Schnee viel kleine Tapfen, —
alle laufen nach dem Kohl!
Häschen, das gefällt dir wohl?
2. Nächtlich, bei des Mondes Schimmer,
sitzt es dort zu schmausen immer;
Knusperknäuschen, gar nicht faul:
ei, du kleines Leckermaul!
50
III. In Haus, Hof und Garten. 1
3. Häschen ist es schlecht bekommen;
Vater hat's Gewehr genommen;
eines Abends ging es: bumm!
Bautz! da fiel das Häschen um!
4. Kannst du wohl das Ende raten? —
Heute giebt es Hasenbraten,
Apfelmus mit Zimt dazu.
Ach, du armes Hüschen du! Heinrich Seidel.
IV.
—
In Feld und Wald.
82. Die LHechke.
/ater ging an einem Sonntagmorgen mit mir aufs Land hinaus.
Es war im Mai. Wir kamen an vielen Gärten vorüber.
Sie hatten Gitter von Disen, schwarz mit goldenen Spitzen. Einige
hatten grün bemalte Holzgtakete. Dann kamen wir an einen Garten,
der nur mit einer geraden Reihe von Sträuchern eingefalst war.
„Siehst du,“ sagte Vater, „das ist einmal eine lebendige
Hecke.“
Ich musste lachen, denn die Hecke war nicht lebendig; sie
stand ganz still.
„Dummer Junge,“ sagte Vater, „ich meine nicht, dass die
Hecke tanzen kann! Aber lebendig ist sie doch; denn Gitter von
Eisèn oder Holz sind tot, aber Sträucher sind lebendĩg, so gut
wie Bäume und Blumen.“
„Die Hecke ist schön,“ sagte ich. Und sie war virklich
schön. Hübsch gezackte Blätter, einige grün, die andern rötlich
braun, sassen an den Zweigen. Ich bemerkte bald, dals die roten
Blãtter die jungen waren, denn sie sassen zu oberst an den Lrieben.
„Die Hecke ist auch dicht und dauerhaft,“ sagte Vater und
zeigte unten hinein zwischen die Zweige. Sie waren kraus und
knorrig und ineinander geflochten wie ein Netz. Als ich sie ein
bisschen zu bewegen versuchte, flog schnell ein Vogel auf und
schrie laut, vährend er seine braunen Flügel ausbreitete.
„Vielleicht hat er ein Nest hier. Wir wollen ihn nicht
stören, wir wollen weitergehen,“ sagte Vater.
IV. In Feld und Wald 53
Aber da hing ich mit dem Irmel fest an einem Dorn. Es
gab ein dreieckiges Loch in dem neuen blauen RKittel, und Vater
schalt.
„Ach so, däes ist eine Dornenhecke,“ sagte ich Kleinlaut; das
Wort kannte ich schon lange, aber gesehen hatte ich solche Hecke
noch nicht.
Plötzlich schrie ich vor Verwunderung auf! Die Hecke
blühte ja! Sie blühte mit hübschen weilsen Blumen, die rote
Knötchen auf langen Stielen hatten, inwendig, eine ganze Menge.
Viele Blumen standen immer dicht neben einander, wie fertige
Cleine Sträusse. Ich steckte mir einen an, Vater vwollte keinen.
Der Stengel war aber zäh, man mulste ihn mit dem Messer ab—
schneiden.
„Sie riechen so schön!“ rief ich erfreut. Ich pflückte eine
Menge blühender Weissdornzweige. Als ich sie eine halbe Stunde
getragen hatte; liessen sie schon die Köpfe hängen. Zu Hause,
im Wasser, erholten sie sich nicht wieder, und der schöne Geruch
blieb verschwunden. —
„O Mutter, wärest du mit gewesen heut morgen und hättest
die hübsche Hecke gesehen, und wie da die weilsen Blüten
zwischen dem saftigen Grün und Rot der Blätter standen, und
wie sie im Sonnenschein dufteten und wie die Bienen um sie
herumflogen!“ rief ich, als wir heimkamen.
Mutter seufzte.
„Ja, wenn ich nicht immer für euch flicken mülste, dann
könnte ich auch mal mitgehen.“ —
Gestern nun ist Mutter mit uns gegangen. Es war solch
ein schöner Oktobertag. Vir kamen wieder in dieselbe Gegend.
„diehst du, da ist die Hecke!“ sagte ich. Sie sah aber doch
ganz anders aus. Zwar hatte sie noch viele, viele Blätter, aber
sie waren braun und blank und hart wie Leder. „Ich sehe Keine
Blumen mehr!“ rief ich traurig. „Aber ich sehe Mebhlbeeren!
Rote Mehlbeeren in Hülle und Fülle,“ sagte Mutter. Und wir
asssen davon und nahmen noch viele mit nach Hause für unsere
grösste Blumenvase. Sie gaben einen schönen Herbststrauss, die
braunen Blätter mit den roten Beeren. LUao Trapan.
IV. In Feld und Wald.
833. Die Singvögel.
Ein freundliches Dörflein war von einem ganzen Walde fruchtbarer
Bäume umgeben. Die Bäume blühten und dufteten im Frühling
auf das lieblichste. Auf ihren Asten und in den Hecken umher sangen
und nisteten allerlei muntere Vögel. Im Herbste aber waren alle
Zweige reichlich mit Äpfeln, Birnen und Zwetschen beladen.
Da fingen einmal einige böse Buben an, die Nester auszunehmen
und zu zerstören. Die Vögel wurden dadurch verscheucht und zogen
nach und nach ganz aus der Gegend weg. Man hörte in den Gärten
und auf der Flur kein Vöglein mehr singen. Alles war ganz still
und traurig. Die schädlichen Raupen aber, die sonst von den Vögeln
weggefangen wurden, nahmen überhand und fraßen Blätter und Blüten
ab. Die Bäume standen kahl da wie mitten im Winter, und die
bösen Buben, die sonst köstliches Obst im Überflusse zu verzehren hatten,
bekamen nicht einen Apfel mehr zu essen. Christoph v. Schmid.
34. Der Graben.
E⸗ giebt Straßen und Wege, an denen auf einer Seite, manchmal
auch auf beiden, ein Graben hinläuft. Da wuchert es von allerlei
Pflanzen, da springen Grashüpfer, da laufen braune oder blaue blanke
Käfer, da ist es viel lustiger zu gehen, als auf der geraden lang—
weiligen Straße. Wenn ich solch einen Graben sehe, gucke ich erst
hinein, ob unten darin Wasser ist. Hat der Graben Wasser, so stecke
ich einen Stock hinein, um zu sehen, wie tief es ist. Ich möchte zwar
auch sehr gern im tieferen Graben patschen, aber Vater sagt, das ver—
dirbt die Stiefel, und Stiefel kosten viel Geld. Es ist auch un—
angenehm, die Stiefel zu putzen, wenn sie voll von Schlamm oder
nassem Lehm sind. Ist aber der Graben nicht sehr naß, dann springe
ich getrost hinein, und nun geht der Spaß an! Man kommt nicht
schnell vorwärts hier unten, wie auf der Straße, nein, man muß die
Beine ordentlich heben und schwingen, so dicht stehen die Kräuter.
Quer über den Weg legt sich die hinterlistige Brombeerranke und möchte
wohl gern, daß ich hinfiele! Ja, hinterlistig ist sie mit ihren Stacheln,
aber hübsch ist sie doch! Ihre rötlichweißen Blumen drängen sich dicht
aneinander, wie kleine wilde Rosen, und ich habe auch schon manchmal
54
IV. In Feld und Wald. 55
schwarze Brombeeren gefunden. Die sehen aus, wie aus lauter blanken
schwarzen Perlen zusammengesetzt. Sie haben mir ausgezeichnet ge—
schmeckt! Im Frühlinge finde ich gewöhnlich zwei niedliche blaue Blumen
im Graben. Die eine ist wirklich himmelblau mit weißen Adern, aber
leider fällt sie bald ab; man kann sie fast fortblasen. Man nennt sie
Ehrenpreis. Die zweite Blume, mit mehr lila Blüten, heißt Gunder—
mann. Ihre Blüten sehen aus wie kleine aufgerissene Mäuler. Sie
hat hübsche rundliche Blätter, die einen starken gewürzhaften Duft haben.
Vorsichtig steige ich weiter, um nicht zu viele Pflanzen zu zer—
treten. Ha, was war das? Ein dicker brauner Frosch ist vor mir
aufgehüpft; da sitzt er ja auf einem grünen Klettenblatt und guckt mich
an mit seinen goldgelben Augen. Er atmet schwer, wie ein Mensch,
der zu viel gegessen hat. Und das ist wahrscheinlich auch dem Gras—
frosch passiert, denn Fliegen giebt es hier genug zu essen. Nein aber!
der Vielfraß! Er schnappt schon wieder nach einer. Ganz weit hat
er sein breites Maul aufgerissen, aber die Fliege ist vorbeigeschwirrt.
Nun atmet er noch schwerer, wohl vor Ärger!
Da hängen Büsche über den Graben herein, Büsche von der Hecke
oben. Man muß sich ducken. Die breiten Blätter streifen mir kühl
übers Gesicht. Wollt ihr meinen Hut mitnehmen, ihr Haselnußzweige?
Aha, es soll wohl ein Sperling oder ein Star sein Nest darin bauen?
Das möchtet ihr wohl, ihr schelmischen Haselnußzweige; ich weiß, ihr
schützt ja gern die lieben Vögel! Aber was würde Mutter sagen,
wenn ich ohne Hut nach Hause käme! Ist das nicht eine grüne Hasel—
nuß hinter den Blättern? Sieh, das war freundlich, lieber Strauch!
Die Schale ist noch weich und grün, die Nuß ist noch nicht ganz reif!
Ich habe mich zu früh gefreut!
Aber was ist das? Diese schönen, länglichen, gelbweißen Blüten
mit dem starken Duft? Woher kommen sie nur? Ach, dort vom
Graben her ranken sich die schlanken Zweige über die Hecke. Die
bring' ich Mutter mit!
Da, wie ich sie pflücken will, ruft eine helle Stimme: „Warte,
du Junge, das ist unser Jelängerjelieber!“ Ein kleines Mädchen
steht hinter der Hecke und lacht. Plötzlich wirft sie mir eine ganze
Handvoll zu! „Nimm sie nur, und pflück' dir, so viel du willst; wir
haben genug Jelängerjelieber im Garten!“ Ilse Frapan.
IV. In Feld und Wald.
835. Das Veilchen.
1. Lange genug hat uns der Winter geplagt. Die warme Frühlings—
sonne trocknet die feuchte Erde, und schon zeigt sich neues Leben im Garten.
Die Knospen an der Hecke platzen auf, und darunter am Boden zeigen sich
frischglänzende, grüne Blättchen. Zwischen ihnen stehen auf kurzen Stielen
die lieblichen, blauen Veilchen. Sie öffnen ihre fünf Blättchen der warmen
Sonne entgegen und verbreiten köstlichen Duft. Der lockt die Bienen an, die
von ihrem Winterschlafe auch wieder erwacht sind. Sie schlüpfen in die hüb—
schen Blümchen und holen mitten aus ihnen heraus ein Tröpfchen Honig,
ihren Frühlingstrank.
2. Auch die Schwester besucht die Veilchen. Sie pflückt ein Sträußchen
und bringt es der Mutter, die es in ein Glas mit frischem Wasser stellt.
Wer die Blümchen im Zimmer sieht, freut sich ihrer Schönheit und ihres
Wohlgeruchs. Friedrich Noll.
86. Die Miese.
i vor der Stadt liegen grüne Wiesen. Wie schön ist es, hinüber—
zugehen! Durch die Stiefel füllt man, dass man nicht auf harte
Strasssensteine tritt, sondern auf weiches Gras. Im EFrühlinge geh' ich
besonders gern auf dieé Wiese. Die jungen Gräschen sind hellgrün, sie
stehen gerade aufrecht. Das lange Gras ist dunkelgrün, die Halme sind
umgebogen. Wenn der Wind darüber weht, zittert jeder Halm. Bald
finde ich auf der Wiese auch die hübschen weissen Blumen mit dem
gelben Kreis in der Mitte. Diese Blumen sind rotgestreift, wenn sie
noch Knospen sind. Es sind Gänseblümchen oder Marlblumen. Ich
pflũcke sie oft. Im Mai blühen grosse goldgelbe Blumen in Menge auf
der Wiese. Mutter nennt sie Löwenzahn. Sie leuchten von ferne. dSie
blühen nur auf, wenn die Sonne scheint; bei Regen oder des Nachts
schliessen sie sich zu. Sie schlafen, ebenso wie die Marlblumen. Wenn
der gelbe Löwenzahn verblüht ist, sieht. man auf der Wiese viele weilse
Hederkugeln, das sind seine Früchte. Der VWind spielt gern mit ihnen,
reisst die Pederkugeln auseinander und lässt die FPederchen durch die
Luft fliegen. Nir sassen neulich lange auf der Wiese. VWir machten
Ketten aus den hohlen Stengeln des Löwenzahns. Um uns herum flogen
weisse Schmetterlinge und blanke blaue FHliegen. Die Sonne schien so
wWarm. Das Gras duftete. Ieh legte mich auf den Rücken ins Gras, —
o wie gross war der blaue Himmel mit den weissen Wolken!
2. Als ich neulich morgens über die Wiese ging, sah sie von weitem
nicht grün aus. Die ganze Wiese war grau. Woher kam das? In der
Nähe war die Wiese wunderschön. An jedem Grashalme hingen ein
56
IV. In Feld und Wald. 57
oder zwei Wassertropfen wie Glasperlen. Plötzlich Kam der Sonnen-
schein, und alle Perlen fingen an zu funkeln. Ich sah Gelb, Grün, Rot,
Blau und noch mehr Farben, und doch war es Klaress Wasser. Mutter
sagte, es wäre Tau. Ich wollte einen bunten Dropfen auf den Finger
nehmen, aber da waren die bunten Farben fort. — Gestern ging ich
wieder über das Gras. Da war es noch sonderbarer. Es sah aus, wie
mit Zucker bestreut. Ich pflückte einen Grashalm. Lauter weilse,
glitzernde Körnehen sassen darauf. Sie zerschmolzen zwischen meinen
warmen Fingern. „Das ist Reif.“ sagte meine Mutter. Ise Erapan.
87. Die Ernte.
1. O seht das fröhliche Leben auf dem Felde! — Der Landmann hat
zwar schwere Arbeit; aber er streicht sich den Schweiß aus dem Gesichte, blickt
heiter und singt ein munteres Lied. Hei! wie die blanken Sensen rauschen
und die langen, schweren Halme zu Boden sinken! — Der eine Schnitter da
streicht seine Sense; denn sie muß scharf sein, wenn sie viele Halme auf einen
Hieb durchschneiden soll.
2. Das Roggenfeld ist bald abgemäht; es steht nur noch eine kleine
Ecke. Da hinein hat sich das Häschen verborgen. Jetzt springt es heraus.
Seht nur, wie schnell es laufen kann! — Den Mähern folgen fleißige Mägde,
die das in Reihen liegende Getreide aufnehmen und zu Garben binden. Die
Garben werden dann in Haufen zusammengestellt, die der Landmann Hocken
nennt.
3. Auf dem Felde daneben haben die Schnitter ihre Arbeit schon beendet.
Der Erntewagen steht hoch beladen auf dem Acker. Noch eine Garbe und
noch eine wird hinaufgegeben; jetzt istss genug. Nun wird ein glatter, runder
Baumstamm, der Windelbaum, der Länge nach auf das volle Fuder gelegt
und mit Stricken vorne und hinten befestigt. Er soll das Korn fest zusammen⸗
drücken, daß die Garben beim Fahren nicht herabspringen können. Dann
läßt der Knecht die Peitsche knallen, und nun ziehen die Pferde das schwere
Fuder mühsam über den lockern Boden des Feldes, bis sie auf den Weg
kommen, wo es leichter geht.
4. Bald schwankt der Wagen durch das weite Thor in den Hof und in
die geöffnete Scheune. Da giebt es Arbeit für den Winter. Denn wenn der
Schnee die Felder deckt, so geht es in den Scheunen: klipp klapp klipp! klipp
klapp klipp! Die Drescher schlagen mit schweren Flegeln die Körner aus den
Ähren, und ganze Säcke voll Korn wandern auf den Getreideboden und dann
nach der Mühle oder auf den Markt. Nach Ernst Lausch.
IV. In Feld und Wald.
38. Der Wolf.
1. Hans hütete nicht weit von einem großen Walde die Schafe. Eines
Tages schrie er, um sich einen Spaß zu machen, aus allen Kräften: „Der
Wolf kommt! Der Wolf kommt!“ Die Bauern kamen sogleich mit Äxten und
Prügeln in Scharen aus dem nahen Dorfe gelaufen und wollten den Wolf
totschlagen. Da sie jedoch nichts von einem Wolfe sahen, gingen sie wieder
heim, und Hans lachte sie heimlich aus.
2. Am andern Tage schrie Hans wieder: „Der Wolf! Der Wolf!“
Die Bauern kamen wieder heraus, wiewohl nicht mehr so zahlreich als gestern.
Da sie aber keine Spur von einem Wolf erblickten, schüttelten sie die Köpfe
und gingen voll Verdruß nach Hause.
3. Am dritten Tage kam der Wolf wirklich. Hans schrie ganz erbärm—
lich: „Zu Hülfe! Zu Hülfe! Der Wolf! Der Wolf!“ Allein diesmal kam
ihm kein einziger Bauer zu Hülfe. Der Wolf brach in die Herde ein, erwürgte
mehrere Schafe und darunter das schönste Lümmchen, das dem Knaben selbst
gehörte, und das er ungemein lieb hatte. Christoph v. Schmid.
89. Die beiden Ziegen.
7 Ziegen begegneten sich einst auf einem schmalen Stege. Die
eine wollte hinüber, die andere herüber.
„Geh mir aus dem Wege!“ sagte die eine, „ich war zuerst auf
der Brücke!‘ — „Was fällt dir ein?“ versetzte die andere, ich bin
viel älter als du und soll dir weichen? Nimmermehr!“
RKeine wollte nachgeben, jede wollte zuerst hinüber. Da gerieten
gie in Zorn, hielten ihre Hörner vorwärts und rannten gegen einander.
Durch den heftigen Stoss aber verloren sie das Gleichgewicht, und
plumps! da lagen sie beide in dem Bache. Nur mit grosser Mühe
retteten sie sich ans Ufer. Albert Grimm.
90. Marienwürmchen.
1. Marienwürmchen, setze dich
auf meine Hand, auf meine Hand;
ich thu' dir nichts zuleide!
Es soll dir nichts zuleid' geschehn,
will nur deine bunten Flügel sehn,
Bunte Flügel, meine Freude!
58
IV. In Feld und Wald.
2. Marienwürmchen, fliege hin
zu Nachbars Kind, zu Nachbars Kind;
sie thun dir nichts zuleide!
Es soll dir da kein Leid geschehn;
sie wollen deine bunten Flügel sehn,
und grüß' sie alle beide. Volksmund.
91. Goldtöchterchen.
1. Vor dem Thore, gleich an der Wiese, stand ein Haus; darin wohnten
zwei Leute, die hatten nur ein einziges Kind, ein ganz kleines Mädchen. Das
nannten sie Goldtöchterchen. Es war ein liebes kleines Ding, flink wie ein Wiesel.
Eines Morgens geht die Mutter früh in die Küche, Milch zu holen; da steigt
das Ding aus dem Bett und stellt sich im Hemdchen in die Hausthür. Nun
war ein wunderherrlicher Sommermorgen, und wie es so in der Hausthür steht,
denkt es: „Vielleicht regnet's morgen; da ist's besser, du gehst heute spazieren.“
Wie's so denkt, geht's auch schon, läuft hinters Haus auf die Wiese und von
der Wiese bis an den Busch. Wie's an den Busch kommt, wackeln die Hasel—
büsche ganz ernsthaft mit den Zweigen und rufen:
„Nacktfrosch im Hemde,
was willst du in der Fremde?
Hast kein Schuh' und hast kein' Hos,
hast ein einzig Strümpfel bloß;
wirst du noch den Strumpf verlier'n,
mußt du dir ein Bein erfrier'n.
Geh nur wieder heime;
mach' dich auf die Beine!“
2. Wer Goldtöchterchen hört nicht, sondern läuft in den Busch, und
wie es durch den Busch ist, kommt es an den Teich. Da steht die Ente am
Ufer mit vielen Jungen, alle goldgelb wie die Eidotter, und fängt entsetzlich
an zu schnattern. Dann läuft sie Goldtöchterchen entgegen, sperrt den Schnabel
weit auf und thut, als wenn sie es frefsen wollte. Aber das Kind fürchtet
sich nicht, geht gerade darauf los und sagt:
„Ente, du Schnatterlieschen,
halt doch den Schnabel und schweig' ein bißchen!“
„Ach,“ sagte die Ente, „du bist's, Goldtöchterchen! Ich hatte dich ja gar nicht
erkannt; nimm's nur nicht übel! Nein, du thust uns nichts. Wie geht es dir
denn? Wie geht es denn deinem Herrn Vater und deiner Frau Mutter? Das
ist ja recht schön, daß du uns einmal besuchst. Das ist ja eine große Ehre
für uns. Da bist du wohl recht früh aufgestanden? Also, du willst dir wohl
auch einmal unsern Teich besehen? Eine recht schöne Gegend! Nicht wahr?“
59
LV. In Feld und Wald.
3. Wie sie ausgeschnattert hat, fragt Goldtöchterchen: „Sag' einmal,
Ente, wo hast du denn die vielen kleinen Kanarienvögel her 2
„Kanarienvögel?“ wiederholt die Ente, „ich bitte dich, es sind ja bloß
meine Jungen.“
„Aber sie singen ja so fein und haben keine Federn, sondern bloß Haare!
Was bekommen denn deine kleinen Kanarienvögel zu essen?“
„Die trinken klares Wasser und essen feinen Sand.“
„Davon können sie ja aber unmöglich wachsen.“
„Doch, doch,“ sagt die Ente; „der liebe Gott segnet's ihnen, und dann
ist auch zuweilen im Sand ein Würzelchen und im Wasser ein Wurm oder
eine Schnecke.“
„Habt ihr denn keine Brücke?“ fragt. dann weiter Goldtöchterchen.
„Nein,“ sagt die Ente, „eine Brücke haben wir nun allerdings leider
nicht. Wenn du aber über den Teich willst, will ich dich gern hinüberfahren.“
Darauf geht die Ente ins Wasser, bricht ein großes Wasserrosenblatt
ab, setzt Goldtöchterchen darauf, nimmt den langen Stengel in den Schnabel
und fährt Goldtöchterchen hinüber. Und die kleinen Entchen schwimmen munter
nebenher.
„Schönen Dank, Ente!“ sagt Goldtöchterchen, als es drüben angekommen ist.
„Keine Ursache,“ sagt die Ente. „Wenn du mich 'mal wieder brauchst,
steh' ich gern zu Diensten. Empfiehl mich deinen Eltern. Schön adje!“
4. Auf der andern Seite des Teiches ist wieder eine große grüne Wiese,
auf der geht Goldtöchterchen weiter spazieren. Nicht lange, so sieht es einen
Storch, auf den läuft's gerade zu. „Guten Morgen, Storch,“ sagt's; „was
ißt du denn, was so grünscheckig aussieht und dabei quakt?“
„Zappelsalat,“ antwortet der Storch, „Zappelsalat, Goldtöchterchen!“
„Gieb mir auch etwas, ich bin hungrig!“
„Zappelsalat ist nichts für dich,“ sagt der Storch, geht an den Bach,
taucht mit seinem langen Schnabel tief unter und holt erst einen goldenen
Becher mit Milch und dann eine Wecke heraus. Darauf hebt er den einen
Flügel und läßt eine Zuckertüte herunterfallen. Goldtöchterchen läßt sich's
nicht zweimal sagen, sondern setzt sich hin und ißt und trinkt. Wie's satt ist,
agt's:
„Einen schönen Dank
und gute Gesundheit dein Leben lang!“
5. Darauf läuft's weiter. Nicht lange, so kommt ein kleiner blauer
Schmetterling geflogen. „Kleines Blaues,“ sagt Goldtöchterchen, „wollen wir
uns ein wenig haschen?“ „Ich bin's zufrieden,“ antwortet der Schmetterling;
„aber du darfst mich nicht angreifen, damit nichts abgeht.“
Nun haschen sie sich lustig auf der Wiese herum, bis es Abend wird.
Wie es anfängt zu dämmern, setzt sich Goldtöchterchen hin und denkt: „Jetzt
willst du dich ausruhen; dann gehst du nach Hause.“ Wie's so sitzt, merkl's,
60
IV. In Feld und Wald. 61
daß die Blumen im Grase auch schon alle müde sind und einschlafen wollen.
Das Gänseblümchen nickt ganz schläfrig mit dem Kopfe, richtet sich dann auf,
sieht sich mit gläsernen Augen um, und dann nickt's noch einmal. Da steht
eine weiße Aster daneben und sagt:
„Gänseblümchen, mein Engelchen,
fall' nicht vom Stengelchen!
Geh' zu Bett, mein Kind!“
Und das Gänseblümchen duckt sich hin und schläft ein. Dabei verschiebt sich's
das weiße Mützchen, daß ihm die Spitzen gerade übers Gesicht fallen. Darauf
schläft die Aster auch ein.
6. Wie Goldtöchterchen sieht, daß alles schläft, fallen ihm die Augen
auch zu. Da liegt es nun auf der Wiese und schläft, und mittlerweile läuft
seine Mutter immer noch im ganzen Hause umher und sucht's und weint. Sie
geht in alle Kammern und sieht in alle Winkel, unter alle Betten und unter
die Treppe. Dann geht sie auf die Wiese bis an den Busch und durch den
Busch bis an den Teich. Über den Teich kann es nicht gekommen sein, denkt
sie, und geht wieder zurück und durchsucht noch einmal alle Winkel und Ecken
und sieht unter alle Betten und unter die Treppe. Wie sie damit fertig ist,
geht sie wieder auf die Wiese und wieder in den Busch und wieder bis an den
Teich. Das thut sie den ganzen Tag, und je länger sie es thut, desto mehr
weint sie. Der Mann aber läuft unterdes in der ganzen Stadt umher und
fragt, ob niemand Goldtöchterchen gesehen habe.
7. Als es aber ganz dunkel geworden war, kam ein Engel auf die Wiese.
Als der Goldtöchterchen liegen und schlafen sah, hob er es behutsam auf, ohne
es zu wecken, flog bis über die Stadt und sah nach, in welchem Hause noch
Licht war. „Das wird wohl das Haus sein, wo's hingehört,“ sagte er, als
er das Haus von Goldtöchterchens Eltern sah; denn das Licht im Wohnzimmer
brannte immer noch. Heimlich sah er zum Fenster hinein. Da saßen Vater
und Mutter sich an dem kleinen Tische gegenüber und weinten, und unter dem
Tische hielten sie sich die Hände. Da öffnete er ganz leise die Hausthür, legte
das Kind unter die Treppe und flog fort.
8. Und die Eltern saßen immer noch am Tische. Da stand die Frau
auf, zündete noch ein Licht an und leuchtete noch einmal in alle Winkel und
Ecken und unter die Betten. „Frau,“ sagte der Mann traurig, „du hast ja
schon so oft vergeblich in alle Winkel und Ecken und unter die Treppe gesehen.
Geh zu Bett! Unser Goldtöchterchen wird wohl in den Teich gefallen und
ertrunken sein.“
Doch die Frau hörte nicht, sondern ging weiter, und wie sie unter die
Treppe leuchtete, lag das Kind da und schlief. Da schrie sie vor Freude so
laut auf, daß der Mann eilends die Treppe herabgesprungen kam. Mit dem
Kinde auf dem Arme kam sie ihm freudestrahlend entgegen. Es schlief ganz
fest, so müde hatte es sich gelaufen.
IV. In Feld und Wald.
„Wo war es denn? Wo war es denn?“ rief er. „Unter der Treppe
lag's und schlief,“ erwiderte die Frau, „und ich habe doch heute schon so oft
unter die Treppe gesehen.“ Da schüttelte der Mann mit dem Kopfe und
sagte: „Mit rechten Dingen geht's nicht zu, Mutter; wir wollen nur Gott
danken, daß wir unser Goldtöchterchen wieder haben!“ Richard Volkmann.
92. Der Teich.
1. Neht weit von der Mühle ist ein Teich, dessen Wasser s0
breit ist, dass man keinen Steg darüber legen, nicht einmal mit einem
Steine hinüberwerfen Kann. In diesem TDeiche sind Fische, grosse und
leine, bräunliche und gräuliche, die schwimmen hin und Ber und sind
bald oben auf der Fläche, bald unten auf dem Grunde. Wirft man
ihnen ein Bröckchen Brot ins Wasser, so schwimmt eine ganze Schar
herbei und schnappt danach. Anfangs sind es nur kleine Fischehen,
die sich sammeln; hernach kommen aber auch grössere, Karpfen, so
breit wie meine Hand, und Hechte, so lang wie mein Arm.
2. Die andern Fische fürchten sich vor den Hechten, denn sie
sind arge Räuber; sie haben scharfe Zähne und beissen die Keinen
Fischehen tot und fressen sie. Und ihr könnt euch auch hüten, dals
euch kein Hecht in die Finger beilst. Der Müller will auci nicht, dalss
die Kleinen Fischchen alle gefressen werden und läsfst deshalb nicht
viele Hechte in dem Leiche.
3. Mollt ihr wissen, wie er sie fängt? Ich habe ihm einmal zu—
gesehen. Da nahm er einen Angelhaken von Stahl, der war sehr spitz,
band eine lange Schnur daran und befestigte sie an einen Stock; das
Ganze nannte er seine Angel. Nun nahm er einen Regenwurm unter
einem Steine hervor, steckte ihn so an den Haken, dass man die Spitze
nicht sah und dass man meinte, der Wurm schwimme im Wasser.
Hierauf setzte er sich ruhig an das Ufer und liess die Angel in das
Wasser hängen.
4. Über eine Weile kam ein grosser Hecht, betrachtete den Wurm
und dachte: „Ei, der soll mir gut schmecken!“ Geschwind fuhr er
drauf los, sperrte sein Maul weit auf und biss hinein. Aber wie war
er angeführt! Er hatte sich den spitzen Haken in den Gaumen ge—
bissen und konnte ihn nicht wieder losmachen. Zwar rils er gewaltig
an der Angelschnur und tobte hin und her; als aber der Müller merkte,
dass etwas an der Angel zuckte, zog er sie in die Höhe, und der Herr
Hecht musste daran hangen bleiben, bis der Müller ihn schlachtete.
Die Müllerin nahm ihn in die Küche und Kochte ihn in heilsem Wasser,
und abends liesssen sie sich den Hecht gut schmecken.
WVilhelm Qurtman.
62
V. In Feld und Wald.
93. Die Kröte.
Giftig bin ich nicht,
Kinder beiß ich nicht,
Wurzeln nag' ich nicht,
nach Blumen frag' ich nicht;
Würmlein und Schnecken,
die lass' ich mir schmecken.
Ich sitz' in dunkeln Ecken
und bin so gar bescheiden,
doch keiner kann mich leiden.
Das betrübt mich in meinem Sinn —;
kann ich dafür, daß ich häßlich bin? Johannes Trojan.
94. Wandersmann und Lerche.
1. „Lerche, wie früh schon fliegest du
jauchzend der Morgensonne zu?“ —
„Will dem lieben Gott mit Singen
Dank für Leben und Nahrung bringen!
Das ist von alters her mein Brauch,
Wandersmann, deiner doch wohl auch?“
2. Und wie so laut in der Luft sie sang,
und wie er schritt mit munterm Gang,
war es so froh, so hell den zwei'n
im lieben, klaren Sonnenschein;
und Gott, der Herr, im Himmel droben
hörte gar gern ihr Danken und Loben. Wilhelm Hey.
95. Die grüne Stadt.
1. Ich weiß euch eine grüne Stadt, 3. Die Wege, die sind weit und breit
die lauter grüne Häuser hat; mit bunten Blumen überstreut;
die Häuser, die sind groß und klein, das Pflaster, das ist sanft und weich
und wer nur will, der darf hinein. und seine Farb' den Häusern gleich.
2. Die Straßen, die sind freilich keumm, 4. Es wohnen viele Leute dort,
sie führen hier und dort herum; und alle lieben ihren Ort;
doch stets gerade fortzugehn, ganz deutlich sieht man dies daraus,
wer findet das wohl allzuschön? daß jeder singt in seinem Haus.
5. Die Leute sind da alle klein,
denn es sind lauter Vögelein;
und meine ganze grüne Stadt
ist, was den Namen „Wald“ sonst hat. Ernst Ortlepp.
63
IV. In ZFeld und Wald
96. Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt.
1. Es ist ein Bäumlein gestanden im 7. Da kam ein großer Wirbelwind
Wald mit einem argen Wetter;
in gutem und schlechtem Wetter; der fährt durch alle Bäume geschwind
das hat von unten bis oben und kommt an die glasenen Blätter;
nur Nadeln gehabt statt Blätter; da lagen die Blätter von Glase
die Nadeln, die haben gestochen, zerbrochen in dem Grase.
das Bäumlein, das hat gesprochen: 8. Das Bäumlein spricht mit Trauern:
2. „Alle meine Kameraden „Mein Glas liegt in dem Staub,
haben schöne Blätter an, die andern Bäume dauern
und ich habe nur Nadeln, mit ihrem grünen Laub;
niemand rührt mich an; wenn ich mir noch was wünschen soll,
dürft' ich wünschen, wie ich wollt, wünsch' ich mir grüne Blätter wohl.“
wünscht ich mir Blätter von lauter Gold.“ 9. Da schlief das Bäumlein wieder ein,
3. Wie's Nacht ist, schläft das Bäum- und wieder früh ists aufgewacht;
lein ein, da hatt' es grüne Blätter fein.
und früh ist's aufgewacht; Das Bäumlein lacht
da hatt' es goldene Blätter fein, und spricht: „Nun hab' ich doch Blätter
das war eine Pracht! auch,
das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz; daß ich mich nicht zu schämen brauch.“
goldene Blätter hat kein Baum im Holz.“ 10. Da kommt mit vollem Euter
4. Aber wie es Abend ward, die alte Geiß gesprungen;
ging der Jude durch den Wald, sie sucht sich Gras und Kräuter
mit großem Sack und großem Bart, für ihre Jungen;
der sieht die goldenen Blätter bald; sie sieht das Laub und fragt nicht viel,
er steckt sie ein, geht eilends fort, sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel.
und läßt das leere Bäumlein dort. 11. Da war das Bäumlein wieder
5. Das Bäumlein spricht mit Grämen: leer;
„Die goldnen Blätter dauern mich; es sprach nun zu sich selber:
ich muß vor den andern mich schümen, „Ich begehre nun keiner Blätter mehr,
sie tragen so schönes Laub an sich; weder grüner, noch roter, noch gelber!
dürft' ich mir wünschen noch etwas, Häütt ich nur meine Nadeln,
so wünscht' ich mir Blätter von hellem ich wollte sie nicht tadeln.“
Glas 12. Und traurig schlief das Bäumlein
6. Da schlief das Bäumlein wieder ein, ein,
und früh ist's wieder aufgewacht; und traurig ist es aufgewacht;
da hatt' es glasene Blätter fein, da besieht es sich im Sonnenschein,
das war eine Pracht! und lacht, und lacht!
Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich froh, Alle Bäume lachen's aus;
kein Baum im Walde glitzert so.“ das Bäumlein macht sich aber nichts draus.
34
LV. In Feld und Wald.
13. Warum hat's Bäumlein denn gelacht,
und warum denn seine Kameraden?
Es hat bekommen in einer Nacht
wieder alle seine Nadeln,
daß jedermann es sehen kann:
geh' 'naus, sieh's selbst, doch rühr's nicht an.
Warum denn nicht?
Weil's sticht. Friedrich Rückert.
97. Gefunden.
1. Ich ging im Walde „Soll ich zum Welken
so für mich hin, gebrochen sein?“
und nichts zu suchen, 4. Ich grub's mit allen
das war mein Sinn. den Würzlein aus,
2. Im Schatten sah ich zum Garten trug ich's
ein Blümchen stehn, am hübschen Haus.
wie Sterne leuchtend, 5. Und pflanzt' es wieder
wie Auglein schön. am stillen Ort,
3. Ich wollt' es brechen, nun zweigt es immer
da sagt es fein: und blüht so fort. Wolfgang Goethe.
98. Das Püchslein.
1. Wer ist in unser Hühnerhbaus 2. Das Füchslein aber bleibet da
eben doch gegangen? ohne Furcht und Bangen;
Wer will sich dort zu einem Schmaus doch eh' er's selber sich versah,
eine Henne fangen? ward mein Fuchs gefangen.
Fũchslein, Fũuchslein, mach' dich fort! Füchslein, Füchslein, bangt dir nicht?
Füchslein, sag', was willst du dort Füchslein, jetzo vors Gericht!
doch bei unsern Hühnern? denn du bist gefangen.
3. Dem Fuchse ward zur Stelle dort
gleich sein Recht verliehen;
er mulste nach des Richters Wort
seinen Pelz ausziehen.
Füchslein, Füchslein, wohlgemut!
Fũchslein, traun, es ruht sich gut
auf des Kürschners Stange?
Heinrich Hoffmann von PVallersleben.
Vorstufe zum „Vaterland“.
65
IV. In Feld und Wald.
99. Die Hasen.
1. Ineiner Vertiefung am Abhange des Waldrandes Liegen fünf junge
Häslein. Wie gern möchten sie aus dem engen Loche in den hellen
Sonnenschein; aber nur abends dürfen sie auf der Wiese im hohben
Grase spielen und die schmackhaften Kräuter suchen.
2. So spielten sie auch eines Abends; die Mutter war noch immer
bei ihnen. Da stölst diese plötzlich einen Angstschrei aus. Alle suchen
so schnell wie möglich ihren Schlupfwinkel zu erreichen; aber ein
jammervoller Von kommt vom jüngsten Brüderchen. Eine grausame
Nachteule hat es erfasst und mitgenommen. Der Schreck macht de
andern ausserordentlich vorsichtig.
3. Bei dem guten Futter werden sie stark und gross, und ein jedes
sucht sich jetzt eine eigens Wohnung, da sie in der alten nicht mehr
Platz zusammen haben. Eines Morgens aber beim Erwachen blicken
sie erstaunt um sieh; so etwas haben sie noch nicht gesehen. Das
ganze Feld umher ist weiss zugedeckt. Der Winter ist da. Anfänglich
haben die Häslein ihren Spass dabei; aber bald Kommt der bittere Ernst.
Alle Gräschen und Blätter sind im Schnee begraben; wovon sollen sie
nun leben? Da ist oft die rauhe Rinde von jungen Bäumen die einzige,
kärgliche Nahrung.
4. Dabei ist der arme Hase allen möglichen Verfolgungen ausgesetzt.
Seine FPeinde sind zahllos. Raubtiere und Raubvögel stellen ihm nach.
Menschen, Hunde, Wölfe, Luchse,
Katzen, Marder, Wiesel, FPüchse,
Adler, Uhu, Raben, Krähen,
jeder Habicht, den wir sehen,
Elstern auch nicht zu vergessen,
alles, alles will ihn fressen.
Grausam ist oft das Schicksal der Hasen. Da hat sich einer kaum
wenige Schritte vom Lager entfernt, da springt ibhm ein Feind auf den
Rücken und falst ihn im Genick. Ein Wiesel ist es, weiss wie der
Schnee. Der arme Hase macht weite Sätze ins Feld; aber er kann
den bösen Feind nicht abschütteln. Endlich bricht er ermüdet zusammen
und steht nicht wieder auf.
5. Der allerschlimmste Feind des Hasen aber ist der Mensch. Der
stellt ihm Fallen und Schlingen; der jagt ihn allein, mit dem Hunde
oder in Gesellschaft anderer Jäger. Priedrich Noll.
66
IV. In Feld und Wald.
100. Vom Hasen.
Ein Häschen hüpfte in Wald und Feld umher und schmauste, wo es ihm
gerade gefiel. Wenn es sich mit den Kräutern und Gräsern, die im Felde
von selbst wachsen, begnügt hätte, so wäre alles gut gewesen. Der Hase mochte
aber am liebsten den Kohl und das Kraut in des Bauern Garten. Der Bauer
aber hat den Kohl und das Kraut für sich und seine Familie gebaut, nicht
für den Hasen, und als er sieht, daß eines Morgens die schönsten Kohlköpfe
angebissen sind, spricht er: „Das kann nicht so fortgehen!“ und ruft den Jäger.
Dieser ladet die Flinte und geht am Abend in den Kohlgarten. Dort steht
er unbeweglich und paßt auf. Häschen kommt wieder, denn der Kohl hat ihm
geschmeckt. Keck setzt es sich auf die Hinterbeine, macht ein Männchen, spitzt
die Ohren und trommelt mit den Pfoten. Paff! knallt der Schuß, und Häschen
ist tot. Nach Hermann Wagner.
101. Häslein.
1. Unterm Tannenbaum im Gras
gravitätisch sitzt der Has',
wichst den Bart und spitzt das Ohr,
duckt sich nieder, guckt hervor,
zupft
und leckt sich,
rupft
und reckt sich;
endlich macht er einen Sprung:
„Hei, was bin ich für ein Jung'!
Schneller noch als Hirsch und Reh
spring' ich auf und ab die Höh',
wer ist's, der mich fangen kann?
Tausend Hund' und hundert Mann,
gleich will ich's mit ihnen wagen,
soll mich keiner doch erjagen.
Und der Graf auf seinem Schloß
hat im ganzen Stall kein Roß
und auch keinen Reitersknecht,
der mir nachgaloppen möcht'.“
„Häslein, nimm dich doch in acht,
Hund und Jäger schleichen sacht!
Eh' du's denkst, da zuckt es rot,
und die Kugel schießt dich tot.“
67
3*
68
IV. In Feld und Wald.
2. Aber's Häslein hat sich jetzt
wie ein Männlein hingesetzt,
schaut nicht auf und schaut nicht um. —
„Bst, wer kommt so still und stumm
dort durch Busch und Dorn und Korn
mit dem Stutz' und Pulverhorn?
Hu! der Jäger ist es schon!
Häslein, Häslein, spring davon!“
's ist zu spät; es blitzt und pufft,
und der Rauch steigt in die Luft,
und das Häslein liegt, o weh!
totgeschossen in dem Klee. Friedrich Güll.
102. Jäger und Hase.
1. Jãger: „Gestern Abend ging ich aus,
ging wohl in den Wald hinaus;
sasls ein Häslein in dem Strauch.
guckt mit seinen Auglein aus;
Kkommt das Häslein dicht heran,
dals mir's was erzahlen Lann.“
2. Hase: „Bist du nicht der Jägersmann,
hetzt auf mich die Hunde an?
Wenn dein Windspiel mich ertappt,
hast du, Jäger, mich erschnappt.
Wenn ich an mein Schicksal denk,
ich mich recht von Herzen kränk'!“
3. Jãger: „Armes Häslein, bist so blass!
Geh dem Bauern nicht mehr ins Gras,
geh dem Bauern nicht mehr ins RKraut,
sonst bezahlst's mit deiner Haut,
sparst dir manche Not und Pein,
Kkannst mit Last ein Häslein sein.“ Volksmund.
103. Matten Has'.
1. Lütt Matten de Has
de mak sik en Spaß,
he weer bit Studeern
dat Danzen to lehrn,
un danz ganz alleen
op de achtersten Been.
IV. In Feld und Wald.
2. Keem Reinke de Voß
un dach: das en Kost!
Un seggt: Lüttje Matten,
so flink op de Padden?
un danzst hier alleen
op de achtersten Been?
3. Kumm, lat uns tosam!
Ik kann as de Dam!
De Krei, de spelt Fitel,
denn geit dat kanditel,
denn geit dat mal schön
op de achtersten Been!
4. Lütt Matten gev Pot.
De Voß beet em dot
un sett sik in Schatten,
verspis' de lütt Matten:
De Krei de kreeg een
vun de achtersten Been. Klaus Groth.
104. Das Eichhörnchen und die Knaben.
1. Das Eichhörnchen war erst wenige Tage alt und hatte eben zum ersten⸗
mal neugierig zur Thür des Nestchens hinausgeschaut, da hörte es von unten
herauf das Rufen mutwilliger Knaben. Diese versuchten, auf den Eichbaum zu
immen. Sie hatten das Eichhörnchennest mit den Jungen entdeckt und wollten
diese fangen. Zwar gelangten sie diesmal nicht bis zum Wipfel; der Baum war
ihnen doch etwas zu hoch. Das alte Eichhörnchen aber meinte, die Bürschchen
möchten vielleicht wiederkommen und etwa Kameraden mitbringen, die das
Klettern besser verständen. Es wanderte daher aus; denn es hatte mehrere
Nester an verschiedenen Stellen des Waldes. Es faßte ein Junges nach dem
andern am Pelzkragen im Genick, ohne ihm weh zu thun, und sprang mit
seiner Last behutsam von einem Aste zum andern, bis es das entlegene Ver⸗
steck erreichte.
2. Das war des jungen Eichhörnchens erste Reise durch die Wipfel der
Bäume. Bald ward es größer, und dann turnte es den lieben langen Tag
in einem fort, kletterte jetzt den glatten Stamm flink hinauf, schwang sich dann
auf den Ast und lief schnell wie der Wind auf ihm entlang bis ins dünne
Gezweig. Hier schaukelte es sich wie auf dem Schwungbrette und hops! ging
es in kühnem Satze hinüber zum Nachbarbaume.
3. Jetzt kommen die Knaben richtig wieder und meinen, sie würden es fassen;
69
IV. In Feld und Wald.
denn der Baum, auf den es geklettert ist, stehtseinsam auf einer Lichtung. Sie
klimmen von allen Seiten empor und versperren ihm die Flucht. So kann es,
denken sie, nirgends hin als nach dem Wipfel; dort muß es sich gefangen geben.
Sie wollen ein Tuch darüber werfen, damit es nicht beiße, und zanken schon
darum, wem es gehören solle. Das Eichhorn keunt aber den Wald besser
als die Knaben und versteht alle Wege auf den Baumzweigen. Es steigt nicht
zur Spitze hinauf, sondern an dem schräg hüngenden Aste entlang. Jetzt thut's
einen weiten Satz in die Tiefe. Beine und Schwanz breitet es aus, so daß
sie als Fallschirm dienen, und ohne Schaden kommt es unten am Boden an.
Seine Verfolger haben noch kaum Zeit gehabt, nach ihm umzuschauen, da läuft's
schon über den kahlen Plan nach dem Walddickicht. Jetzt hat's die alte Buche
erreicht, jetzt schau's schon vom ersten Aste herab, jetzt vom zweiten. — Glück
auf, ihr Kletterer; beeilt euch, wenn ihr es einholen wollt!
Hermann Wagner.
105. Knabe und Lichhörnchen.
Ich weiss, dass du Nüsse gern hast;
so Komm, Eichhörnchen, bei mir zu Gast!
Eichhörnchen spricht:
Das mag ich nicht!
Denn, käm' ich einmal in dein Haus,
ich käm' wohl vimmermehr binaus.
Der Knabe spricht:
O fürcht' dich nicht!
Mit allem, was nur gut dir schmeckt.
wird täglich dir der Visch gedeckt!
Eichhörnchen spricht:
Das brauch' ich nicht!
Gefangen sein bei Leckerbissen,
davon will ich, mein Kind, nichts wissen
Viel lieber bleib' im Wald ich hier
und such' die Nüsse selber mir.
Von Ast zu Aste hüpf' ich frisch
und deck' im Freien mir den Tisch!
Mehr als ich brauche find' ich noch,
wenn ich nur suche spät und früh,
und was man selbst mit Fleiss und Muh
verdient, das schmeckt am besten doch!
Rudolfk Löwenstein.
70
IV. In Feld und Wald. 71
106. Lirschlein.
1. Hirschlein ging im Wald spazieren. 2. Aber hinter einer Lände
trieb allda sein artig Spiel, hielt der Jäger und sein Hund,
dass es allen andern Tieren und der Jäger mit der Hinte
als ein lust'ger Freund gefiel. schoss das arme Tierlein wund.
3. Hirschlein kann nun nicht mehr springen,
denn sein wundes Bein thut weh;
aber wenn die Vöglein singen,
legt sich's weinend in den Rlee.
107. Der weiße Hirsch.
Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch;
sie wollten erjagen den weißen Hirsch.
Sie legten sich unter den Tannenbaum,
da hatten die drei einen seltsamen Traum.
Der erste—
„Mir hat geträumt, ich klopf'/ auf den Busch,
da rauschte der Hirsch heraus, husch husch!“
Der zwelte
„Und als er sprang mit der Hunde Geklaff,
da brannt' ich ihn auf das Fell, piff paff!“
Der dritte
„Und als ich den Hirsch an der Erde sah,
da stieß ich lustig ins Horn, trara!“
So lagen sie da und sprachen, die drei,
da rannte der weiße Hirsch vorbei.
Und eh' die drei Jäger ihn recht geseh'n,
so war er davon über Tiefen und Höh'n.
Husch husch! piff paff! trara! Ludwig Uhland.
108. Junker Prahlhans.
1. Ein König hatte einen jungen Edelknecht, den man Junker
Prahlhans nannte, weil er immer viel versprach und wenig hielt. Es
lebte aber auch am Hofe des Königs ein Spassmacher, und dieser wollte
den Prahlhans bessern. Das ging aber auf folgende Weise zu:
Eines Dages hätte der König gern gebratene Vögel gegessen und
sprach zum Junker: „Hans, gehe hinaus in den Wald, und schiesse mir
72 IV. In Feld und Wald.
zehn Vögel für meinen Tisch!‘“ Der Junker aber sprach: „Nicht nur
zehn, sondern hundert Vögel will ich dir gehielsen!“ — „Gub!“ sprach
der König, „wenn du ein so guter Schütze bist, so bringst du mir
hundert; sollst für jeden einen Thaler haben!“ Der alte Spassmacher
hörte das und ging dem Junker voraus in den Wald, wo die meisten
Vögel waren, und rief ihnen zu und sprach:
„Ihr Vöglein, flieget alle fort!
Hans Grossmaul Kommt an diesen Ort,
will hundert Vögel schiessen.“
Als Junker Hans in den Wald kam, da konnte er äeinen Vogel
erschauen, denn sie hatten sich alle in ihren Nestern versteckt. Und
als eêr mit leeren Taschen zurück zum Könige kam, wurde er hundert
Tage lang ins Gefängnis gesperrt, weil er sein Wort nicht gehalten hatte.
2. Als er wieder frei war, sagte eines Tages der König: „Ich
möchte heute wohl fünf Fische für meinen Tisch haben!“ Da gedachte
Junker Hans an seine hundert Tage Gefängnis und that seinem Munde
ein wenig den Zaum an: „Ieh will dir fünfzig Fische fangen statt fünf,“
sagte er zum Könige. Sprach der König: „Wenn du ein so guter
Fischer bist, so fange mir fünfzig; sollst für jeden ein Goldstück haben!“
Da ging der Spassmacher hinaus an den See, rief den Fischen zu und
sprach:
„Ihr Fischlein, schwimmet alle fort!
Hans Grossmaul kommt an diesen Ort,
mõcht' fünfzig Fische fangen.“
Und als der Junker an den See Kam, da Konnte er kein Vischlein
fangen. Sie waren alle ans andere Ufer hinübergeschwommen. Und
da er mit leeren Taschen heimkam, liels ihn der König fünfzig Dage
lang einsperren, weil er sein Wort nicht gehalten hatte.
3. Und da die fünfzig Page um waren, sprach der König: „Ich
möchte wohl einen Hasen für meinen Tisch haben!“ Junker Hans ge
dachte seines Gefängnisses und sagte „Herr, ich will dir wenigstens
zehn Hasen bringen.“ — „Wenn du ein so guter Jäger bist, so jage
mir zehn; sollst für jedlen zwei Goldstücke haben!“ Da ging der Spals-
macher hinaus in den Wald, rief die Hasen und sprach:
„Ihr Häslein, springet alle fort!
Hans Grossmaul kommt an diesen Ort,
mõcht' zehen Hasen jagen.“
VUnd als der Junker kam, konnte er den ganzen Tag keinen Hasen
jagen. Der Bönig liess ihn wieder zehn Tage lang einsperren, weil er
sein Wort nicht gehalten hatte.
7
IV. In Feld und Wald. 73
4. Und als er wieder frei war, sprach der König: „Ieh möchte
wohl einen Hirsch für meinen Tisch haben!“ Der Junker gedachte
seines Leidens, das seine Prahlerei ihm schon verursacht hatte, und
sagte bescheiden: „Ich will hingehen und schauen, ob ich einen Hirsch
erlegen Kann.“ Und als er hinging, Konnte er wirklich einen schiessen
und brachte ihn mit Freuden dem Könige. Der lachte und sprach:
„Schau, wenn man nichts Unmögliches verspricht, so ist das Worthalten
leicht.“ Und der Spassmacher lachte ins Fäustehen, denn der Junker
war von jetzt an bescheiden. Otto Sutermeister.
109. Der Wolf und der Mensch.
3 Fuchs erzahlte einmal dem Wolfe von der Stärke des Menschen:
Kein Tier Könnte ihm widerstehen, und sie müssten Läst gebrauchen,
um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: „Wenn ich nur
einmal einen Menschen zu sehen bekäme! ich wollte doch auf ihn losgehen.“
— „Dazu kann ich dir helfen,“ sprach der Fuchs, „Romm nur morgen
früln zu mir, so will ich dir einen zeigen!“ Der Molt stellte sich früh—
zeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der
Jãger alle Tage ging.
2. Zuerst Kam ein alter, abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?“
fragte der Wolt. „Nein,“ antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen.“
Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein
Mensch?“ — „Nein, das will erst einer werden.“ Endlich kam der
Jãger, dis Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der,
geite. Sprach der Fuehs zum Wolfe: „Siehst du, dort Kommt ein Mensch;
auf den musst du losgehen. Ieh aber will mich fort in meine Höhle
machen.“
3. Der Wolft ging nun auf den Menschen los. Der Jäger, als er
ihn erblickte, sprach: „Es ist schade, dass ich keine Kugel geladen
habe,“ legte an und schoss dem Wolfe das Schrot ins Gesicht. Der Wolf
verzog das Gesicht gewaltig, doch liess er sich nicht schrecken und
ging vorwärts. Da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Woltf
verbiss den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da zog dieser
seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar
Hiebe, dass er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchse
zurũcklietf.
4. ‚Nun, Bruder Wolt“ sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem
Menschen fertig geworden? — „Ach,“ antwortete der Wolt, „so hab' ich
mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt; erst nahm er einen Stock
von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das
hat mich ganz entsetzlich gekitzelt; danach pustete er noch einmal in
74 IV. In Feld und Wald.
den Stock, da flog mir's um die Nase wie Blitz und Hagelwetter, und
wie ich ganz nahe war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leibe,
damit hat er so auf mich losgeschlagen, dass ich beinabe tot liegen
geblieben wäre.“ — „Siebst du,“ sprach der Fuchs, „was du für ein
Prahblhans bist!“ Brüder Grimm.
110. Notkãäppchen.
1. Es war einmal eine kleine, süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der
sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter; die wußte gar nicht,
was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen
von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anderes
mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine
Mutter zu ihm: „Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine
Flasche Wein; bring' das der Großmutter hinaus! Sie ist krank und schwach
und wird sich daran laben. Mach' dich auf, bevor es heiß wird, und wenn
du hinauskommst, so geh hübsch sittsam, und lauf' nicht vom Wege ab, sonst
fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn
du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck
nicht erst in alle Ecken herum!“
2. „Ich will schon alles gut machen,“ sagte Rotkäppchen zur Mutter
und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im
Walde, eine halbe Stunde vom Dorfe. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam,
begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht, was das für ein böses
Tier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rotkäppchen!“
sprach er. „Schönen Dank, Wolf!“ — „Wo hinaus so früh, Rotkäppchen?“
— „Zur Großmutter.“ — „Was trägst du unter der Schürze?“ — „Kuchen
und Wein: gestern haben wir gebacken; da soll sich die kranke und schwache
Großmutter etwas zu gute thun und sich damit stärken.“ — „Rotkäppchen, wo
wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertelstunde weiter im Walde,
unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus; unten sind die Nuß—
hecken, das wirst du ja wissen,“ sagte Rotkäppchen. Der Wolf dachte bei sich:
„Das junge, zarte Ding, das ist ein fetter Bissen; der wird noch besser schmecken
als die Alte: du mußt es listig anfangen, damit du beide erschnappst.“ Da
ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen her; dann sprach er: „Rotkäppchen,
sieh einmal die schönen Blumen, die rings umher stehen! Warum guckst du
dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich
singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und es ist
so lustig draußen im Walde.“
3. Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnen—
strahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen
stand, dachte es: „Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe,
IV. In Feld und Wald.
der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tage, daß ich doch zu
rechter Zeit ankomme,“ lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte
Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände
eine schönere, und lief danach und geriet immer tiefer in den Wald hinein.
Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Hause der Großmutter und klopfte
an die Thür. „Wer ist draußen?“ — „Rotkäppchen, das bringt Kuchen und
Wein, mach' auf!“ — „Drück nur auf die Klinke!“ rief die Großmutter, „ich
bin zu schwach und kann nicht aufstehen“ Der Wolf drückte auf die Klinke,
die Thür sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bette
der Großmutter und verschluckte sie. Dann that er ihre Kleider an, setzte ihre
Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.
4. Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es
soviel zusammen hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Groß—
mutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich,
daß die Thür offen stand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so
seltsam darin vor, daß es dachte: „Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir's
heute zu Mut, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!“ Es rief: „Guten
Morgen!“ bekam aber keine Antwort. Darauf ging es zum Bett und zog die
Vorhänge zurück: da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht
gesetzt und sah so wunderlich aus. „Ei, Großmutter, was hast du für große
Ohren!“ — „Daß ich dich besser hören kann.“ — „Ei, Großmutter, was hast
du für große Augen!“ — „Daß ich dich besser sehen kann.“ — „Ei, Groß—
mutter, was hast du für große Hände!“ — „Daß ich dich besser packen kann.“
— „Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!“ —
„Daß ich dich besser fressen kann.“ Kaum hatte der Wolf das gesagt, so that
er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.
5. Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins
Bett, schlief ein und fing an, überlaut zu schnarchen. Der Jäger ging eben
an dem Hause vorbei und dachte: „Wie die alte Frau schnarcht! Du mußt
doch sehen, ob ihr etwas fehlt.“ Da trat er in die Stube, und wie er vor
das Bett kam, so sah er, daß der Wolf darin lag. „Finde ich dich hier, du
alter Sünder!“ sagte er, „ich habe dich lange gesucht.“ Nun wollte er seine
Büchse anlegen; da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen
haben, und sie wäre noch zu retten, schoß nicht, sondern nahm eine Schere und
fing an, dem schlafenden Wolfe den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar
Schnitte gethan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein
paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: „Ach, wie war ich
erschrocken, wie war's so dunkel in des Wolfes Leib!‘ Und dann kam die
alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen. Rot—
käppchen aber holte geschwind große Steine; damit füllten sie dem Wolfe den
Leib. Wie er aufwachte, wollte er fortspringen; aber die Steine waren so
schwer, daß er gleich niedersank und sich tot fiel.
7
IV. In Feld und Wald.
6. Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolfe den Pelz ab
und ging damit heim; die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein,
den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder; Rotkäppchen aber
dachte: „Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald
laufen, wenn dir's die Mutter verboten hat.“ Brüder Grimm.
111. Das Leben der Singvögel.
1. Die Singvögel führen allem Anscheine nach ein sehr vergnügtes Leben
Ehe sie noch aus dem Ei schlüpfen, ist ihnen schon die Wiege bereitet, in der
sie großgezogen werden sollen. Denn wenn sie aus dem Ei kommen, sind sie
entweder ganz nackt oder nur mit einem grauen Flaum bedeckt und können sich
gar nicht helfen. Doch werden sie dann von den Alten mit großer Sorgfalt
gefüttert. Wenn der Vater oder die Mutter kommt, so brauchen sie weiter
nichts zu thun, als ihre gelben Schnäblein aufzusperren und zu zwitschern.
Dazu deckt sie die sorgsame Mutter des Nachts mit ihren Flügeln zu, daß sie
nicht naß werden und nicht zu frieren brauchen.
2. Sind sie flügge geworden, d. h. sind ihnen die Federn soweit gewachsen,
daß sie fliegen können, so verlassen sie das Nest und setzen sich auf einen
Strauch oder Baum, freuen sich im Sonnenschein und warten, bis ihnen der
Vater oder die Mutter ein Würmlein, Mücklein oder Käferlein bringt und in
den Schnabel steckt; denn sich ihre Nahrung selber zu suchen, dazu sind sie
noch zu einfältig. Haben sie endlich auch das gelernt, und es kommt der
Winter herbei, so ziehen viele von ihnen in zahlreicher Gesellschaft und auch
einzeln fort, um wärmere Gegenden aufzusuchen und da zu warten, bis der
Winter vorbei ist.
3. Wenn dann die Knospen der Bäume schwellen, wenn die Büsche und
Hecken grün werden, ziehen sie wieder in ihre Heimat. Sie verkündigen uns
dann durch ihre Wiederkunft den Frühling. Da trifft sie indessen freilich
manchmal ein Unglück. Sie lassen sich nämlich bisweilen von warmer Witte—
rung verleiten, zu bald auf die Reise zu gehen. Kommen dann im März oder
April noch kalte Tage mit Schnee und Frost, so müssen gar manche von den armen
Wanderern erfrieren oder verhungern. Bleibt aber das Wetter warm, so
schlagen sie in einem grünen Busche oder in einem blühenden Baume ihre Woh—
nung auf, springen, singen und spielen mit einander nach Herzenslust. Auch fangen
sie an, Grashalme, Stroh, Moos, Federn und dergleichen herbeizutragen, um
ihren künftigen Jungen im verborgenen ein warmes und weiches Nest zu bereiten.
4. Darauf legt das Weibchen Eier und brütet sie aus, während ihm das
Männchen etwas vorsingt. Sind die Jungen ausgekrochen, so hören die Alten
auf zu singen, weil sie nun alle Zeit auf die Versorgung ihrer kleinen Nest—
hockerlein verwenden müssen. Wenn sie nun alle diese Arbeit treulich gethan
haben, so steht ihnen noch eine schlimme Zeit bevor, nämlich die Zeit, in der
76
IV. In Feld und Wald
sie ihre alten Federn verlieren und neue bekommen. Während dieser Zeit sind
sie kränklich, hören ganz auf zu singen und verkriechen sich in die dichtesten
Gebüsche, bis ihnen ihr neuer Federrock ganz wieder gewachsen ist.
Wilhelm Jubitz.
112. Mer hat sie so schön gemacht?
1. Vöglein im hohen Baum, 3. Mässerlein fliesst so fort,
Klein ist's, ihr seht es kaum, immer von Ort au Ort
singt doch so schön; nieder ins LThal.
dass wohl von nah und fern Dürstet nun Menseh und Vieh,
alle dis Leute gern kommen zum Bächlein sie,
horchen und stehn. trinken zumal.
2. Blümlein im Wiesengrund 4. Habt ihr es auch bedacht,
blühen so lieb und bunt, wer hat so schön gemacht
tausend zugleich. alle, die drei?
Wenn ihr vorübergeht, Gott der Herr machte sie,
wenn ihr die Farben seht, dass sich nun spät und früh
freuet ihr euch. jedes dran freu'.
Wilhelm Hey.
113. Das Vöglein in der Wiege.
1. In der Wiegen 3. Unter Zweigen,
seh' ich liegen die sich neigen,
dort ein kleines Vögelein, schlummert still das Kindlein traut;
und es streckt sich, durch die grünen
und es reckt sich Laubgardinen
in dem Nestchen warm und klein. Sonne nach der Wiege schaut.
2 Leise geher 4. Und zur Seiten
leise wehet singt voll Freuden
durch die Zweige hin der Wind; Mütterlein ein Wiegenlied;
auf und nieder, und ihr Singen
hin und wieder und ihr Klingen
schaukelt er das Vogelkind. durch den stillen Abend zieht.
5. Vöglein reget
und beweget
leis im Schlaf die Flügelein,
träumt vom Fliegen
in der Wiegen
und von Duft und Sonnenschein. Christian Dieffenbach.
IV. In Feld und Wald.
114. Vom listigen Grasmücklein
ein lustiges Stücklein.
Klaus ist in den Wald gegangen,
weil er will die Vöglein fangen;
auf den Busch ist er gestiegen,
weil er will die Vöglein kriegen.
Doch im Nestchen sitzt das alte
Vögelein just vor der Spalte,
schaut und zwitschert: „Ei, der Daus!
Kinderlein, es kommt der Klaus!
hu, mit einem großen Prügel!
Kinderlein, wohl auf die Flügel!“
Prr, da flattert's: husch, husch, husch!“
Leer das Nest und leer der Busch.
Und die Vöglein lachen Klaus
mit dem großen Prügel aus;
daß er wieder heimgegangen,
zornig, weil er nichts gefangen,
daß er wieder heimgestiegen,
weil er konnt' kein Vöglein kriegen. Friedrich Güll.
115. Der Stieglitz.
Ab der liebe Gott die Vöglein machte, da gab er ihnen Beine zum
Hüpfen und Flügel zum Fliegen und Schnäbel zum Fressen, aber auch zum
Singen. Und als sie alle fertig waren und um ihn her standen, da nahm
er einen großen Farbenkasten und malte ihnen bunte Federn. Da kam die
Taube an die Reihe und erhielt einen blauen Hals und rötliche Flügel, und
der Kanarienvogel wurde so gelb wie eine Zitrone, und die Bachstelze wurde
grau und bekam einen schwarzen Strich und einen weißen Fleck daneben, und
alle Vögel wurden prächtig gefärbt, wie es sich für jeden schickt. Nur einer
war übriggeblieben, weil er hinter den andern stand und sich nicht vordrängen
wollte; das war der Stieglitz. Als er endlich auch herbeikam, da hatte der liebe
Gott alle Farben verbraucht, und es war nichts mehr übrig als die leeren
Schälchen. Da weinte das arme Vöglein, daß es nicht auch ein so buntes
Federkleid haben sollte wie die andern. Der liebe Gott aber redete ihm zu
und sprach: „Sei ruhig! Es ist noch in jedem Schälchen ein klein wenig Farbe
zurückgeblieben; das will ich mit dem Pinsel austupfen und auf deine Federn
streichen.“ Und er that es und malte den Stieglitz ein bißchen rot und ein
bißchen blau und ein bißchen schwarz und ein bißchen grün, aus allen Schälchen
ein wenig, so daß er der bunteste unter allen Vöogeln wurde und dem lieben
Gott dankte, daß er ihn so schön gemacht hatte. Wilhelm Curtmann.
78
IV. In Feld und Wald.
116. Der Rabe.
We ist denn das für ein großer, schwarzer Vogel, der dort hinter dem
Landmanne herschreitet, der sein Feld pflügt? Es ist der Rabe. Stolz geht
er einher auf seinen kräftigen Beinen und trägt den Kopf hoch aufgerichtet.
Sieh nur, wie genau er achtgiebt, ob er in dem aufgewühlten Boden etwas
für seinen Schnabel findet! Bald dreht er den Kopf rechts, bald links, und
dann guckt er wieder in die Furchen. Begierig pickt er die Käfer und Würmer
auf, die der Pflug aus der Erde herausgeworfen hat. Dann fliegt er fort,
um sich noch mehr Nahrung zu suchen. Ein rechter Nimmersatt ist der Rabe,
der nie genug bekommen kann. Hier erwischt er ein Mäuslein, das über das
Feld huscht, dort verspeist er einen Frosch, der gerade aus dem Sumpfe steigt,
und dort zerhackt er ein armes Vöglein, das den bösen Räuber nicht gesehen
hat. Selbst das flinke Häslein ist vor ihm nicht sicher. Nun fliegt er mit
einem Regenwurm im Schnabel seinem Neste zu. Hoch oben im Wipfel
einer Tanne hat er es aus dürren Zweigen gebaut und mit Haaren, Federn
und Heu weich ausgefüttert. Wie freuen sich die Jungen, daß der Vater ihnen
Nahrung bringt! Alle strecken ihm verlangend die Köpfchen entgegen.
Im Sommer geht's dem Raben nun freilich gut; da kann er Tiere genug
finden und zu solchen Braten auch Gemüse, denn er frißt auch Kohl, Körner
und Früchte aller Art. Wenn aber der Winter kommt, so ist es mit dem Nimmer—
satt oft herzlich schlecht bestellt. Hungrig fliegt er den Wohnungen der Menschen
zu. Aber vorsichtig bleibt er immer; ehe er sich in dem Hofe niederläßt, sieht
er sich sorgsam nach allen Seiten um. Wie freut er sich, wenn er hier etwas
findet! Nun fliegt er fort und ruft den Menschen mit seiner heiseren, krächzen—
den Stimme sein Rab! Rab! zu.
Junge Raben, die eben dem Neste entnommen sind, lassen sich leicht
zähmen. Gar drollig sieht es aus, wenn der zahme Rabe auf dem Hofe
zwischen den Hunden einherspaziert und ihnen gar das Bellen nachmachen will,
oder wenn er vom Dache herab „Jakob, Jakob!“ ruft, oder was man ihn sonst
gelehrt hat. Aber trauen darf man dem Schelme nie ganz. Gar zu gern
stiehlt er seinem Herrn heimlich junge Hühner und Gänschen und verzehrt sie
in einem Verstecke, wo niemand ihn sieht. Ein Diebsgeselle ist und bleibt er
nun einmal sein Leben lang. A. Kippenberg nach Brehm.
117. Der durstige Star.
En durstiger Star fand eine Wasserflasche und wollte daraus trinken.
Er konnte aber das Wasser mit seinem Schnabel nicht erreichen.
Da versuchte er, die Flasche umzustossen. aber sie war ihm zu schwer.
Dann meinte er, er könnte wohl das Glas entzweihacken; aber auch
das gelang ihim nicht, denn es war zu dick. Endlich fiel ihm ein besseres
490
80 IV. In Feld und Wald
Mittel ein. Er sammelte kleine Steine zusammen und warf sie in die
Flasche. Je mehr er hineinwarf, desto höher stieg das Wasser, und
endlich Konnte er es mit seinem Schnabel erreichen und seinen Durst
löschen.
113. Der Bär und die Bienen.
1. In Polen brummt ein wilder Bär:
„Ihr Bienen, gebt mir den Honig her!
Ich bin so groß und ihr so klein,
ihr sollt mir wahrhaftig nicht hinderlich sein!“
2. Und eh' die Bienchen sich's versahn,
so klettert er den Baum hinan.
Er klammert sich fest und brummt und brummt;
das Bienlein summt, das Bienlein summt.
3. „Ihr Bienen, gebt mir den Honig her!“ —
„Es wird nichts, Herr Bär! es wird nichts, Herr Bär!“
Der Bär steckt schon die Nase hinein:
„Weg da, ihr Bienen, der Honig ist mein!“
4. Die Bienlein stechen frisch drauf los:
„Sind wir gleich klein, und du bist groß,
doch solls deiner Nase gar schlimm ergehn,
läßt du nicht gleich den Bienenstock stehn!“
5. Der Bär wird bös: es hilft alles nicht.
Er knurrt und brummt: das Bienlein sticht.
Wie juckt's ihn auf Zunge, auf Nase und Ohr!
Er muß entlaufen, der arme Thor.
6. Die Bienlein jubelten: summ, summ, summ
Der Bär, der knurrte: brumm, brumm, brumm!
Und als er floh, riefs Bienchen ihm zu:
„Soll's dich nicht jucken, laß andre in Ruh'!“
Christian Friedrich Dinter.
119. Die Sternthaler.
1 war einmal ein äleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter
gestorben, und es war so arm, dass es äein Kämmerchen mehr
hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und
endlich gar nichts mehr, als die Kleider auf dem Leibe und ein Stückehen
Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es
war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen
war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld; da
V. In Feld und Wald 81
begegnete ihm ein alter Uann, der sprach: „Ach, gieb mir etwas zu
essen, ieh bin so hungrig!“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot
und sagte: „Gott segne dir's!“ und ging weiter. Da kam ein Kind,
das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe; schenk
mir etwas, womit ich ihn bedecken kann!“ Da that es seine Mütze
ab und gab sie ibm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kKam
wieder ein Kind und hatte Lein Leibchen an und fror; da gab es ihm
seins. Und noch weiter, da bat eins um ein BRöcklein; das gab es auch
von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon
dunkel Reworden; da Kam noch eins und bat um ein Hemdlein. Und
das fromme Mädchen dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht dich
niemand; du kannst wohl dein Hemd weggeben;“ und gab es auch
noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf
einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler;
und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben hatte, so hatte es ein
neues an, und das war vom allerfeinsten Lännen. Da sammelte es sich
die Thaler hinein und war reich für sein Lebtag. Brüder Grimm.
120. Das Bächlein.
1. Mitten im Walde ist eine helle, klare Quelle. Da sprudelt das Wasser
aus der Erde heraus und eilt munter in die weite Welt. Es läuft bergunter
ins Wiesenthal. Hier fließt es etwas langsamer dahin. Viel schöne Blumen
stehen rechts und links; sie gefallen dem Bächlein, und im Vorbeilaufen möchte
es sie grüßen. „Gieb mir von deinem Wasser, daß ich meine Blumen begießen
kann!“ sagt die Gärtnerin, und das Bächlein füllt ihr die Gießkanne. „Ich
brauche auch Wasser,“ ruft die Bleicherin; „ich muß meine Leinwand und meine
Wäsche begießen, und du hast ja so viel.“ Das Bächlein giebt ihr auch und
läuft dann munter weiter. Gern möchte es wohl mit den Kindern spielen, die
neben ihm sitzen, Blumen pflücken und Kränze winden, oder Schuhe und
Strümpfe ausziehen und hindurchwaten; aber das geht nicht, es muß immer
weiter eilen.
2. Große Freude hat es an den kleinen Fischlein, die sich fröhlich in
ihm tummeln. Und freundlich ist es gegen alle, die von ihm Wasser haben
wollen. Auch den großen Kühen giebt es zu trinken, wenn sie durstig herbei—
kommen von der grünen Weide.
3. Bald aber ist des Bächleins gute Zeit vorbei. Je größer es wird,
desto mehr muß es arbeiten. Dort unten steht der Wassermüller und ruft ihm
zu: „Halt, halt! komm her und drehe mir mein Mühlrad herum, daß ich Mehl
mahlen kann für die Leute, die Brot und Kuchen backen wollen!“ Da hilft
nichts, es muß sich an die Arbeit machen. Und der Müller giebt ihm nicht
einmal Lohn dafür.
Vorstufe zum „Vaterland“
6
IV. In Feld und Wald.
4. Alle Tage wird das Bächlein größer und stärker. „Ei,“ spricht da
der Schiffer zu ihm, „du bist ein kräftiger Bursche und brauchst nicht so faul
dahin zu laufen; du kannst mir mein Boot tragen. Bring' mir's sicher hinab
zur nächsten Stadt!“
5. Und wenn's nun noch immer größer wird, dann wird's Fluß genannt,
und immer schwerere Arbeit wird von ihm verlangt, und immer größere Schiffe
muß es tragen. Da denkt es oft: „Wäre ich doch im grünen Walde geblieben!
Da durfte ich doch fröhlich spielen und brauchte nicht so schwer zu arbeiten!“
Aber zurück kann es nicht mehr; es muß weiter und immer weiter, bis es
im großen Meere ankommt. Hier darf es endlich ruhen von seinem weiten
Wege. Nach Christian Dieffenbach.
121. Heidenröslein.
1. Sah ein Knab' ein Röslein stehn, 2. Knabe sprach: „Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden. Röslein auf der Heiden!“
War so jung und morgenschön; Röslein sprach: „Ich steche dich,
lief er schnell, es nah zu sehn, daß du ewig denkst an mich,
sah's mit vielen Freuden. und ich will's nicht leiden!“
Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden. Röslein auf der Heiden.
3. Und der wilde Knabe brach
s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,.
half ihm doch kein Weh und Ach,
mußt' es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden. Wolfgang Goethe.
122. Im Lande der Zwerge und Riesen.
1. So ist es im Lande der Zwerge:
Ameisenhaufen sind die Berge,
das Sandkorn ist ein Pelsenstück,
der Seidenfaden ist ein Strick,
die Nadel da ist eine Stange,
ein Würmchen ist da eine Schlange,
als Blefant gilt da die NMaus,
der Fingerhut ist da ein Haus,
die Fenster sind wie Nadelöhre,
ein Glas voll Wasser wird zum Meere,
der dickste Baum ist dünn wie ein Haar,
ein Augenblick ist da ein Jahr.
35—
IV. In Feld und Wald. —33
2. So ist es im Lande der Riesen:
Da nahen die Schneider mit Spielsen,
da stricken die Madehen mit Stangen,
da füttert man Meisen mit Schlangen,
da malen mit Besen dĩe Ualer,
da macht man wie Kuchen die Maler,
da schiesst man die Nũcken mit Pfeilen.
da webt man die Leinwand aus Seilen.
123. Rũtsel.
Auf unsern Wiesen gehet was,
watet dureh die Sũmpte;
es hat ein schwarzweiss Jäckchen an,
trägt auch rote Strümpfe;
fängt die Frösche schnapp, wapp, wapp,
klappert lusstig Klapper di Klapp —
Wer kann das erraten? Heiunrich Hoffmann von Pallersleben
J — —
*
6*
In Stadt und Dorf.
124. Wie die Menschen einander helfen.
Neben uns wohnt ein Schuster. Er macht neue Stiefel und
flickt die alten. Aber wenn er einen Rock oder eine Hose
braucht, muß er zum Schneider gehen. Der Schneider will neue
Hemden haben, ja — da muß ihm die Nüherin helfen, die für
den Weißwarenladen arbeitet. Die Näherin kann ihre Wäsche
nicht selber waschen; sie hat dazu keine Zeit und versteht es auch
nicht so gut wie das Nähen an der Nähmaschine. Aber die
Wäscherin kann gut waschen, und so säubert sie die schmutzige
Wäsche. Die Wäscherin braucht einen neuen Plättofen. Ja, aber
sie kann keinen Ofen machen, da muß ihr der Schlosser helfen.
Der Schlosser will eine größere Werkstelle haben, da muß er den
Maurer bitten. Der Maurer kann wohl die Mauern machen,
aber erst muß der Bauplan gezeichnet sein. Der Baumeister will
Kaffee trinken. Aber er kann nicht erst darum nach Amerika reisen
und den Kaffee im Schiffe herüberholen, das thut für ihn der Schiffs⸗
kapitän. Der Schiffskapitän kann den Kaffee nicht selber verkaufen,
das thut der Kaufmann in seinem Laden. Der Kaufmann will
Rundstücke zum Kaffee essen, da kommt der Brotträger und bringt
sie ihm ins Haus. Hat der Brotträger die Rundstücke gebacken?
Nein, das hat der Bäcker gethan. Der Bäcker will Wuist haben,
aber im Backofen giebt es keine Wurst. Er schickt aber zum
Wurstmacher. Der Wurstmacher bekommt das Fleisch vom Schlachter.
V. In Stadt und Dorf.
Der Schlachter kauft die Ochsen, Kälber und Schweine, die ge—
schlachtet werden müssen, beim Bauern, der sie aufgezogen hat.
Der Bauer braucht eiserne Werkzeuge, um die Erde locker zu
machen, Pflug und Egge. Er kann diese Werkzeuge nicht selber
machen; er muß deshalb zum Schmied gehen. Der Schmied, der
Bauer, der Kaufmann und alle andern Leute haben Kinder. Die
Kinder müssen unterrichtet werden; die Eltern verstehen es nicht
so gut und haben auch keine Zeit dazu. Aber Zeit haben der Lehrer
und die Lehrerin. So kommen die Kinder in die Schule.
Alle, alle Menschen helfen einander. Dazu sind sie da.
Alle, alle sind Brüder und Schwestern, die einander helfen und
lieben sollen. Ilse Frapan.
125. Wie ein Haus gebaut wird.
1. Draußen vor unserm Hause lag ein Grasplatz. Darauf
weideten Schafe; aber auch wir Kinder konnten auf ihm spielen und
Gänseblümchen und weißen Klee pflücken. Eines Tages aber sagte
der Vater: „Nun ist es vorbei mit eurem Spielen; morgen fangen die
Mauerleute an, auf dem Grasplatz ein Haus zu bauen.“ Da wurden
wir traurig.
2. Aber wir bekamen doch nun viel zu sehen. Als wir am
Morgen eben aufgestanden waren, guckten wir rasch zum Fenster hinaus.
Da sahen wir, wie die Leute ein großes Loch gruben, ganz lang und
breit. Wir fragten die Mutter, warum sie das thäten. „Das soll
der Keller werden,“ sagte sie, „der geht doch tief in die Erde hinein.“
Daran gruben sie den ganzen Tag und noch einen mehr, und die Erde
ließen sie von einem Fuhrmann wegfahren. Darauf kamen auch Wagen,
die etwas brachten, nämlich weiße und rote Steine, und viele lange
Stangen und Bretter, die waren alle weiß bespritzt. Und dann kam
noch etwas, das kannten wir gar nicht. Steine waren es auch; aber
sie waren nicht glatt und schön wie die andern, sondern ganz rauh
und uneben, bald groß und bald klein. Sie sahen ganz grau aus, und
als die Leute sie hinwarfen, stieg viel Staub auf. „Das ist Kalk,“
sagte die Mutter; „paßt nur recht auf, was sie damit machen.“
3. Da gingen wir hinaus und sahen, wie die Mauerleute noch
85. V. In Stadt und Dorf.
ein Loch gruben, etwas tiefer als das andere, aber lange nicht so groß.
Dann stellten sie an der Kante einen großen vierkantigen Kasten auf,
in den warfen sie viele Kalksteine. Nun gossen sie Wasser darüber,
und jetzt fing der Kalk an zu dampfen, und als wir hineinsahen, da
meinten wir, daß alles koche, und es war doch gar kein Feuer dar—
unter. Aber die Steine fielen alle auseinander; zuletzt war kein
einziger mehr darin. Und als der Mann nun immer mit einer großen
Hacke im Kasten umherrührte, da war bald alles wie ein weißer Brei.
Dann machte er einen kleinen Schieber auf, und nun lief alles in die
tiefe Grube hinein. Das that er am Tage noch mehrmals, bis aller
Kalk fort und die ganze Grube gefüllt war. „Nun haben sie den
Kalk gelöscht,“ sagte die Mutter; „kommt mir aber ja nicht zu nahe
heran, daß ihr nicht hineinfallt!“ —
4. Am nächsten Tage holten die Mauerleute sich etwas Kalk
aus der Grube, warfen ihn wieder in den Kasten und mischten nun
Sand dazwischen. Dann fing das Mauern an. Sie legten einen—
Stein neben den andern und eine Reihe auf die andere, und überall
strichen sie von dem Kalk dazwischen. Wir fragten sie, warum sie
das thäten. Da lachten sie und sagten: „Sonst sitzen die Steine ja
nicht fest, und die ganze Wand fällt wieder um!“ Aber wir sagten:
„Der Kalk ist ja so weich; der kann die Steine doch nicht zusammen⸗
halten.“ Da sagte einer: „Der wird schon hart werden. Warte
nur ein paar Stunden, dann kannst du die Steine nicht mehr aus—
einander reißen.“
5. Nun wurde die Wand immer höher. Zuletzt konnten die
Mauerleute nicht mehr hinaufreichen, wenn sie eine neue Reihe von
Steinen hinlegen wollten. Da gruben sie die langen Stangen in die
Erde, nagelten Querstangen daran, legten kleine Balken darüber nach
der Mauer hin, und nun wurden Bretter darauf gelegt. Dann stiegen
sie mit einer Leiter hinauf und gingen nun auf den Brettern hin und
her und mauerten weiter. Wo Fenster und Thüren sein sollten, da
ließen sie Löcher. Dann kamen aber bald wieder große Wagen mit
schweren Balken, und Zimmerleute kamen und luden sie ab. Sie
mußten nach oben hinaufgebracht werden, denn sie sollten den Fuß—
boden des obersten Stockwerks tragen. Das ging aber schwer. Man
brauchte allerlei Seile und Rollen dabei; einige Leute standen oben
m
V. In Stadt und Dorf. 87
auf dem Gerüst und andere unten, und dann mußten sie ziehen, schieben
und heben. Sie wurden alle naß von Schweiß dabei und mußten
oft ausruhen.
6. So arbeiteten die Leute mehrere Wochen lang. Zuletzt war
die ganze Mauer rund umher fertig. Da wurden noch einmal viele
Balken und Latten hinaufgewunden, daraus sollte das Dach gemacht
werden. Zuletzt hatten sie alles oben, und nun richteten sie alle
Balken auf und stellten sie schräge an einander. Als sie das gethan
hatten, da nagelte einer ganz oben eine lange Stange an und hängte
an ihr eine bunte Krone aus Blumen, Blättern und Papier
auf. Da liefen viele Kinder vor dem Hause zusammen und riefen:
„Heute ist Richtfest!“ Nun stellte sich einer von den Leuten ganz
oben auf das Gerüst und hielt eine lange Rede. Dann trank er aus
einem Glase und rief dreimal: „Hoch!“ Und die Leute, die unten
standen, riefen alle mit, und wir Kinder auch. Dann gingen alle
Maurer und Zimmerleute ins Haus hinein, und wir hörten sie noch
den ganzen Abend singen.
7. In den nächsten Wochen mußten aber noch viele, viele Leute
fleißig arbeiten, ehe das Haus fertig war. Oben auf dem Dache
saßen die Dachdecker und legten schwarze Schieferplatten darauf; die
Maurer putzten an den Wänden draußen und drinnen; die Zimmer—
leute machten Treppen und Fußböden, die Tischler setzten Fenster und
Thüren ein, die Maler kamen und malten alles braun und die Glaser
machten die Fenster durch Glasscheiben dicht. Da gab's viel zu sehen,
und wir haben oft in dem neuen Hause gespielt, besonders am Sonn—
tage, wenn keine Leute drin arbeiteten. Aber Mutter mochte es nicht
haben, denn manchmal machten wir unsere Kleider sehr schmutzig an
der frischen Farbe oder am Kalk, und oft rissen wir uns an einem
Nagel ein Loch in die Jacke oder die Hose. Darum freute sie sich,
als erst die Thüren fertig waren; da konnten wir nicht mehr hineinkommen.
8. Als der Herbst kam, da war das Haus fertig. Es sah
blank aus von außen und von innen, und es dauerte nicht lange, da
hielten Möbelwagen vor der Thür und Sachen wurden abgeladen, und
als wir dann am nächsten Morgen aufwachten, da hingen vor den
Fenstern schon Gardinen, und ein paar kleine Knaben guckten heraus
und nickten uns zu.
V. In Stadt und Dorf.
126. Die Feuerwehr.
1. Hurra! hurra! die Feuerwehr! Eben war es noch so lang—
weilig und still auf der Straße; kein Wagen fuhr, wenige Menschen
gingen, und nun auf einmal rasselt und klingelt und pfeift es daher,
und alle Häuser werden lebendig. Aus den Fenstern strecken sich neu—
gierige Gesichter, und aus den Läden laufen die Leute schnell vor die
Thür, um zu sehen, was da los ist. Ha, da kommt ein langer
niedriger Wagen angerasselt. Blanke Helme seh' ich blitzen, die Glocke
klingelt heftig — rrr! ist der Wagen schon vorüber. Schwarz von
Menschen ist die stille Straße. Woher kommen all' die vielen Leute
auf einmal? Woher kommen all' die Jungen, die hinter dem Feuerwehr—
wagen herlaufen?
„Wonehm is dat Füer?“
It weer ob nich!⸗
Alle Leute sehen sich um, drehen die Köpfe, recken die Hälse,
sprechen miteinander. Sogar die Leute, die einander gar nicht kennen,
fragen sich, wo das Feuer ist.
2. Rrrr! wieder ein Wagen! Unter den blanken Helmen seh'
ich mutige Gesichter. Auf der Schulter trägt jeder Feuerwehrmann ein
blankes Beil. Rrrr! ein Wagen mit lauter Spritzenschläuchen; aber
es geht so schnell, ich kann nichts recht erkennen. Die Leute laufen
alle, als ob jemand hinter ihnen her wäre! Sieh! ist nicht dort unten
der Himmel rot? O, vielleicht ist das Feuer ganz nahe. Wirklich,
dort seh' ich auch dicken schwarzen Rauch aufsteigen über den Häusern
und rote Funken dazwischen! Jetzt bleib' ich nicht länger hier stehen,
jetzt lauf' ich auch mit! Nein, Mutter, sei nicht bange, es ist ja Tag,
und ich geh' nicht ins dichteste Gedränge, ich verspreche es dir.
Ilse Frapan.
127. Jahrmarkt in der Stadt.
1. „Morgen darfst du mit zur Stadt, fahren; wir wollen den
Markt besuchen,“ sagte der Vater zu seinem Sohne Pritz. Vor
EFreude jubelte der Knabe laut und konnte kaum den Morgen
erwarten. Er hatte noch nie eine Stadt gesehen, und was ein
88
V. In Stadt und Dorf. 89
Jahrmarkt sei, wusste er auch nicht. Am Morgen standen alle
früh auf und machten sich zurecht. PFritz setzte sich neben den
Knecht, der fahren sollte, und die Eltern sassen hinten. Die
donne war eben aufgegangen, als sie abfuhren, und auf der Land-
strasse war noch alles still. Bald aber kamen viele Wagen hinter
ihnen her, und auch Fussgänger gingen rechts und links auf dem
Fusssteige. Je näher sie der Stadt Kamen, desto lebendiger ward
es auf dem Mege.
2. Endlich lag die Stadt mit ihren roten Häusern und ihren
hohen Türmen vor ihnen. Es ward dem Knaben enge um die
Brust, als der Wagen in die Strasse hineinrollte, und er sich auf
einmal zwischen hohen Häusern befand, von denen er Kaum das
Dach sehen konnte. „Sind wir nun in der Stadt, Vater?“ fragte
er; „wie werden die Leute dort dem Wagen ausweichen können?“
Und nun fragte er bald nach diesem, bald nach jenem. Jetzt
wollte er wissen, was die Schilder zu bedeuten hätten, die an
den Häusern befestigt waren; dann sollte ihm der Vater sagen,
was für Leute in den grossen Häusern wohnten. So fragte er
immer weiter, so dass es ganz unmöglich war, alle seine Fragen
zu beantworten. Auf einmal hielt der Wagen vor einem Hause
still, und man stieg aus. Vor der Hausthür standen Onkel und
Tante, dié man besuchen wollte; dieé Kannte Fritz schon, und
auch seinen Vetter, der herzugelaufen Kam und ihn begrülste.
3. Nun gingen alle ins Haus, und die Tante deckte den
Tisch. Als sie gegessen und getrunken hatten, gingen sie wieder
auf die Strasse. Das Wetter war schön; auf der Strasse war es
daher sehr lebhaft, und je näher man dem Markte kam, desto
zahlreicher wurden die Menschen, so dass man sich oft durch—
drängen musste. Und als sie erst auf den Marktplatz Kamen,
da Lonnte Fritz sich gar nicht satt sehen. Der grosse Platz war
mit vielen, vielen Buden besetzt, die fast alle mit Leinewand
überzogen waren, und in allen sah er so viele bunte und glänzende
Sachen, dass er gar nicht begreifen Konnte, wo sie herkämen.
Hier waren DTrommeln und Pfeifen, Soldaten aus Blei, Puppen
und Puppenköpfe und allerlei sonstige Spielsachen, dort Kleine
Spiegel, Messer, Scheren und Schnallen, in andern Zelten Kuchen,
V. In Stadt und Dorf.
Pfeffernũsse und Sũssigkeiten; an einér Stelle sahen sie, wie die
Landleute nũützliche Sachen ankauften: Sensen, Gefässe für die Milch,
Teller und Töpfe; vor einem andern Zelte standen Frauen und
befühlten die Leinewand oder die seidenen Tücher; dann kamen
sie in eine Reihe, in der rechts und links Schuster ibhre Waren
feilboten. Und überall wurden sie angerufen, und jeder Handels—
mann sagte, bei ihm seien die Sachen am schönsten und am aller-
billigsten. Zuletzt kamen sie noch an einen Platz, auf dem
Karusselle und Schaukeln standen; da wurde soviel Musik ge—
macht, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Eritz
bekam einen Groschen und durfte dafür auf einem bunt angemalten
Pferde einige Male herumreiten, und nachher kaufte ihm seine
Mutter ein Paar neue Schuhe, einen Federkasten und ein grofses
Kuchenherz.
4. Ein paar Stunden waren sie auf dem Markte gewesen,
da waren sie müde und hungrig geworden. Sie gingen wieder nach
dem Hause des Onkels, rubten sich aus und assen und tranken.
Dann spannte Hans. der Knecht, die Pferde wieder vor den
Wagen, und nun ging's nach dem Dorfe zurück. Hritz sprach
auf dem ganzen Wege nur von allen schönen Sachen, die er auf
dem Markte gesehen hatte. Zuletzt wurde er aber müde, und
als der Wagen vor des Vaters Hause still hielt, schlief er beinahe.
Nach L. Nissen.
128. Des kranken Kindes Blume.
sn einer engen Strasse, in einem niedrigen Keller, wohnte ein armer,
kranker Knabe. Von der Geburt an hatte er fast immer im Bette
liegen müssen. Manchmal fühlte er sich ein wenig besser, dann durfte
er ein paarmal mit Krücken in der kleinen Stube auf- und abgehen;
hinaus Kam er niemals. DVin Sonnenstrahl fiel selten in seinen Reller
hinein, und den Wald kannte er nur dadurch, dass ihm des Nachbars
Sohm im EFrühling einmal einen Buchenzweig brachte. Den hielt er
über den Kopf, und träumte, er liege unter den Bäumen, wo die Sonne
schiene und die Vögel sängen. Einmal brachte ihm der Sohn des Nach-
bars auch Feldblumen, darunter war eine, die noch eine Wurzel hatte.
Die wurde in einen Blumentopf gepflanzt und vor das Penster dicht
neben seinem Bette gestellt. Die Blume wuchs. und trug jedes Jahr
4
V. In Stadt und Dorf. 91
jhre Blüten. Er begoss und pflegte sie, und wenn die Sonne einmal
durchs Fenster hineinglänzte, so stellte er sis so, dals sie jeden Strahl
bis auf den letzten erhielt. Sie war seine Freude und tröstete ihn, wenn
er Schmerzen litt; sie hat er noch angeblickt, als Gott der Herr seine
Seele zum Himmel abrief. Nach Hans Christian Andersen.
129. Von der Stadtmaus und der Feldmaus.
1. EVine Stadtmaus ging spazieéren und kam zu einer Feldmaus, die
that ihr gütlich mit Eicheln, Gerste, Nüssen und womit sie konnte.
Aber die Stadtmaus sprach: „Du bist eine arme Maus, was willst du
hier in Armut leben, Komm mit mir; ieh will dir und mir genug schaffen
Von lerlei köstlicher Speises!“ Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein
herrliches, schönes Haus, darinnen die Stadtmaus wohnte, und sie gingen
in die Speisekammer; da war vollauf Brot, Hleisch, Speck, Würste, Käse
und alles. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iss und sei guter Dinge!
Solehe Speise hab' ich täglich im berfluss.“ Indes kam der Koch und
rasselte mit den Sehlüsseln an der Thür; die Mäuse erschraken und
liefen davon. Die Stadtmaus fand bald ihr Loch; aber die Feldmaus
wulste nirgendhin, lief die Wand auf und ab und war in Todesãngsten.
2. Da der Koch wieder hinaus war, sprach die Stadtmaus: „Es
hat nun keine Not, lass uns guter Dinge sein!“ Die Feldmaus ant-
wortete: „Du hast gut reden; du wulstest dein Loch fein zu treffen,
dieweil ich schier vor Angst gestorben bin. Ieh will dir sagen, vas
meine Meinung ist: Bleibe du eine reiche Stadtmaus und friss Würste
und Speck; ich will ein armes Feldmäuslein bleiben und meine Eicheln
éssen. Du bist keinen Augenblick sicher vor dem Koch, vor den Katzen,
vor so viel Mäusefallen, und das ganze Haus ist dir feind; davor bin
ieh sicher in meinem armen Feldlöchlein.“ Martin Luther.
130. Ein Besuch im Dorfe.
1. Gestern bin ich mit meiner Mutter zu meinen Großeltern gegangen,
die draußen im Dorfe wohnen. Es war heiß, und ich war beinahe müde, als
wir die ersten Häuser erreichten. Bald wurde ich aber wieder munter, denn
ich bekam viel Neues zu sehen.
2. Als wir ins Dorf hineingingen, wunderte ich mich sehr. Denn hier
waren keine Straßen von Steinen, wie in der Stadt, und die Häuser lagen
nicht dicht neben einander, sondern weit zerstreut, hier eins und dort eins. Sie
waren auch ganz niedrig; nur das Dach war manchmal hoch, und dann war's
ganz aus Stroh gemacht. Und überall standen Apfelbäume, Birnbäume und
E V. In Stadt und Dorf.
Kirschbäume, und wenn ich durch die Büsche in einen Garten guckte, dann sah
ich auch Johannisbeeren, Stachelbeeren und viele bunte Blumen.
3. Da kam uns ein Wagen nachgefahren, der war ganz hoch und breit
mit Heu beladen. Wir mußten ganz dicht an den Graben gehen, sonst hätte
er gar nicht an uns vorbeikommen können. Es dauerte nicht lange, da fuhr
er vom Wege ab auf einen Bauernhof. Ich dachte, sie wollten ihn da abladen,
wie man es in der Stadt mit den Möbelwagen macht. Aber das thaten sie
gar nicht. Der ganze Wagen führ mit allem Heu durch eine große Thür ins
Haus hinein. Wir konnten noch sehen, wie der Knecht oben aufs Heu stieg
und mit einer großen Heugabel einen Haufen nach dem andern auf den Boden
hinaufwarf. Dann gingen wir weiter.
4. Bald sagte Mutter: „Da wohnt Großvater!“ und zeigte mir ein Haus,
das sah beinahe so aus, wie das große Bauernhaus, aber es war viel kleiner
und hatte gar keinen Schornstein. Der Rauch zog zur großen Thür hinaus.
Wir gingen hinein, und ich konnte zuerst vor Rauch gar nichts sehen. Aber
bald ging es besser, und ich sah gerade vor mir den Feuerherd. Aber der
war nicht von Eisen wie unser Herd in der Stadt; er war von Steinen auf—
gemauert und das Feuer brannte oben drauf. An einer Kette hing der Thee—
kessel herab, der summte tüchtig; der Dampf stieg aus der Pfeife, und der
Deckel klapperte. „Und nun sieh 'mal nach oben!“ sagte Mutter. Da sah ich,
wie unter dem Boden Schinken und Würste hingen, eine ganze Menge. „Die
müssen da geräuchert werden,“ sagte Mutter, „sonst verderben sie, daß man
sie gar nicht mehr essen kann.“ — „Wollen Großvater und Großmutter die
alle allein aufessen“, sagte ich. — „Nein, mein Junge, hier lassen auch andere
Leute räuchern; dafür bekommt Großvater dann Geld.“ —
5. Auf einmal fing drinnen in der Stube ein Hund an zu bellen, und
gleich ging links vom Feuerherd eine Thür auf. Da kam Großmutter heraus
und freute sich, daß wir gekommen waren. Nun gingen wir hinein. Großvater
saß hinter dem Ofen und rauchte, und wir sagten ihm guten Tag. Er ruhte
sich aus, denn er hatte vorher tüchtig beim Heu gearbeitet. Nun setten wir uns
hinter den langen Tisch auf eine hölzerne Bank, die unter den Fenstern stand,
und Großmutter brachte uns Kaffee und Feinbrot. Die Stube war ganz anders
als ünsere. Der Fußboden war von Ziegelsteinen, und Großmutter hatte ihn
hübsch mit weißem Sande bestreut. An der einen Wand standen zwei große
Betten; ich wußte aber zuerst gar nicht, daß es Betten waren, denn es waren
bunte Vorhänge davor.
6. Als ich mich ausgeruht hatte, fragte Großmutter, ob ich nicht in den
Garten gehen wollte, da wären Johannisbeeren, Stachelbeeren und Kirschen.
O das wollte ich gerne. Da lief ich rasch hinaus und aß so viele, wie ich
noch nimmer gegessen habe. Manchmal klopfte Mutter ans Fenster und
rief mir zu, ich sollte nur nicht zu viel essen. Dann hörte ich eine Zeitlang
auf, aber nachher fing ich doch wieder an.
V. In Stadt und Dorf. 93
7. Zuletzt rief Mutter mich hinein, denn wir sollten mit Großmutter
zum Melken gehen. Wir gingen auf einem schmalen Wege ins Feld hinein.
Großmutter hatte eine Tracht auf der Schulter, daran hingen zwei Milcheimer,
die waren außen grün und innen rot. Bald kamen wir an eine Koppel, auf
der zwei rote Kühe weideten. Wir machten das Thor auf und gingen hin—
durch. Großmutter rief die Kühe, und sie kamen langsam heran. Dann nahm
sie einen kleinen niedrigen Stuhl und setzte sich zu der einen Kuh. Nun fing
sie an zu melken, und als sie mit der ersten Kuh fertig war, fing sie bei der
andern an. Dann hängte sie die beiden vollen Eimer an ihre Tracht, und nun
gingen wir wieder nach Hause. Dort habe ich noch gesehen, wie Großmutter
die Milch durch ein Sieb in braune Gefäße hineingoß und diese in ihren
Keller stellee. „Da kommt nun bald fetter Rahm darauf,“ sagte sie, „den
nehme ich dann ab und mache Butter daraus.“
8. Nun setzten wir uns wieder an den Tisch. Ich bekam rote Grütze
mit schöner süßer Milch und nachher noch ein Stück Feinbrot. Dann sagte
die Mutter: „So, mein Junge, nun gehen wir wieder nach Hause; sonst kommen
wir zu spät und die Hausthür wird abgeschlossen, ehe wir da sind!“ Da ward
ich ganz traurig, denn ich mochte hier so gerne sein. Aber Großmutter sagte:
„Du kannst ja nun bald 'mal wieder kommen; dann giebt's reife Birnen, Äpfel
und Pflaumen.“ Da ging ich fröhlich mit Mutter nach Hause.
131. Der Schmied.
1. Neben dem Hause meiner Eltern wohnte ein alter Schmied,
ein gar guter Mann, obgleich er schwarz im Gesicht aussah, so dalss
manche Rinder sich vor ihm fürchteten. Ich fürchtete mich aber nicht,
sondern ging alle Tage zu ihm und sah ihmn zu, wie er in seiner Werk-
statt arbeitate. Da zog er einen grossen Blasebalg, der sauste und blies
das Feuer an. In dieses helle Feuer legte er Eisen und liess es darin
liegen, bis es glühend wurde; dann packte er es mit einer grossen
eisernen Zange an und legte es auf einen grossen, eisernen Klotz, den
er einen Amboss nannte. Nun nahm er den Hammer in die andere
Hand und schlug damit auf das glühende Eisen, dass die Funken umhber—
fuhren. Da mulsste ich ein wenig zurückgehen, weil die Funken mir
sonst die Kleider verbrannt hätten. Bald schmiedete er grosse Nägel
auf dem Amboss, bald Hufeisen für die Pferde, bald Reifen um die
Wagenrãder.
2. Wenn er fertig war, liess er mich auch manchmal ein wenig
hämmern. Da mir aber sein gewöhnlicher Hammer zu schwer var,
schmiedete er mir ein Lleines Hämmerchen, das ich noch lange nachher
aufbewahrt habe. Meiner Mutter holte ich oft bei dem alten Schmied
Aammerschlag; das sind Kleine, schwarze Schuppen, die beim Schmieden
94 V. In Stadt und Dorf.
von dem Eisen abfallen. Mit diesgem Hammerschlag wurde das eiserne
Geschirr in der Küche gerieben, worauf es wieder glänzte wie neu.
Auch machte der alte Schmied uns einmal eine neue Kette an den
Ziehbrunnen, als die alte zerrissen und der Eimer in den Brunnen
gefallen war. Ich mulste ihn rufen, und da Kam er mit seinem ledernen
Schurzfell und mit einem eisernen Haken, um den Eimer aus dem Brunnen
zu fischen. — Jetzt ist aber der Mann schon lange tot.
Wilhelm Qurtmann.
132. Der Schäfer.
1. Was ist das für ein Mann mit der hohen Pelzmütze, in dem groben
Rocke, der sich auf seinen langen Stab lehnt? Es ist der Schäfer. Man
sieht es an der Schafherde, die vor ihm weidet, und an dem schwarzen Hunde,
der neben ihm sitzt. Die Schafe fressen ruhig das kurze Gras von der Weide.
Ziemlich dicht stehen sie an einander, und nicht leicht entfernt sich eins von der
Herde. Nur die kleinen, weißen Lämmchen hüpfen bisweilen weiter, als sie
sollen, und blöken dann nach ihrer Mutter. Sobald aber der Schäfer gewahr
wird, daß ein Lämmchen oder ein Schaf sich zu weit von den andern entfernt
oder gar nach einem Acker mit Klee oder Frucht hinläuft, schickt er seinen
Mohr und läßt das ungehorsame oder vorwitzige Tierchen wieder herbeiholen.
Der Mohr versteht dies auch so klug zu machen, als wenn der Schäfer selbst
ginge. Er läuft nicht durch die Herde und nicht gerade auf das verirrte Schaf
zu, sondern im Kreise um alle herum; auch bellt er nicht eher, bis er hinter
dem Schaf ist, sonst würde es vielleicht weiter fortrennen, statt nach der Herde
zu laufen. Auch ohne Befehl giebt der Mohr auf die Herde acht und
läßt kein dazu gehöriges Tier auf einen verbotenen Platz gehen. Er setzt sich
bisweilen seinem Herrn gerade gegenüber, damit die Herde von zwei Seiten
bewacht ist.
2. Doch es geht gegen Abend zu, und der Schäfer muß daran denken,
wo er die Nacht seine Herde unterbringt. Er ruft seinen Mohr und treibt
langsam die Schafe nach einem sonderbaren Kasten zu, der auf einem Karren
steht. Es ist die Schäferhütte, in der sich das Bett des Schäfers befindet;
denn die Schafe müssen im Sommer unter freiem Himmel übernachten, und
der Schäfer muß sie bewachen. Ohne den Hund würde ihm dies schwer werden,
auch jetzt, wo es doch bei uns keine Wölfe mehr giebt. Während der Schäfer
noch einiges an den Pfählen der Hürde bessert, ist seine Frau mit dem Henkel—
topfe gekommen. Sie bringt ihm sein Nachtessen. Viel Kostbares scheint nicht
in dem Topfe zu sein; gleichwohl schmeckt es dem Schäfer, der sich aus der
Hütte einen Laib Brot geholt hat, ganz vortrefflich. Wilhelm Curtmann.
V. In Stadt und Dorf.
133. Die Mühle.
1. Es Xlappert die Muhle am rauschenden Bach: Klipp, Klapp!
Bei Tag und bei Nacht ist der MNüller stets wach: Klipp, Klapp!
Pr mablet uns Korn zu dem kräftigen Brot,
und haben wir solches, so hat's keine Not!
Klipp, Xlapp! Kläpp, Klapp! Klipp, Klapp!
2. Flink laufen die Räder und drehen den Stein: Kläpp, Klapp!
und mahlen den Weizen zu Mehl uns so fein: klipp, klapp!
Der Bäcker dann Kuchen und Zwieback draus bäckt,
der immer den Rindern besonders gut schmeckt!
Klipp, klapp! Kläpp, Klapp! Klipp, Klapp!
3. Wenn reichliche Körner das Ackerfeld trägt: Klipp, Klapp!
die Mühle dann flink ihre Räder bewegt: Rlüpp, klapp!
Und schenkt uns der Himmel nur immerdar Brot,
so sind wir geborgen und leiden nicht Not!
Klĩpp, Xlapp! Klöpp, Klapp! klüpp, klapp! Johann Ohristian Anschütz.
134. Der Radfahrer.
1. Hui, was fliegt da die Strasse entlang? Ich sehe zwei Bäder,
die sich schnell drehen und oben darauf hockt ein Mensch, und seine
Beine heben und senken sich, als trüte er eine Nähmaschine. „Lustig
ist's, so dahin zu sausen auf der ebenen Strasse,“ das steht auf des
Radfahrers Gesicht geschrieben. Sieh, wie gewandt er sich mit dem
schkmalen Rade zwischen zwei Wagen hindurchschlängelt, nirgends an-
gtösst, höflich den Fussgängern ausweicht. Das ist einer, der das Fahren
auf dem Zweirade gut versteht. Auch vorsichtig ist er. Immer hat er
die Hand an dem Glöckchen, und wenn jemand seinen Weg kreuzt, so
Xxlingelt er. Er warnt uns. Er fürchtet sich, jemand zu verletzen oder
gar zu überfahren. Ja, nun wird das Menschengedränge zu dicht, nun
muss der Radfahrer absteigen. Nun führt er sein Zweirad mit der
Hand neben sich her. Er lacht dabei und denkt: Mulss ich dĩch auch
führen, mein läebes Zweirad, so brauche ich dich doch nicht zu füttern,
wie der Kutscher dort auf dem Platze seine Pferde füttert. Jetzt ist
Raum geworden. Schnell schwingt sich der Radfahrer wieder auf sein
Rad, ergreift die Lenkstange und rollt schnell dahin. Es geht weich
und santft.
2. Die Räder sind mit einem Gummischlauch eingefasst. Im
gchlauch ist Luft. Nein, ich freue mich, dass ich Kein Fussgänger bin,
denkt der Radfahrer. P—ff! macht es plötzlich! O weh!l o weh!
Was ist geschehen? Der Gummischlauch ist geplatzt, die Luft ist aus
95
93 V. In Stadt und Dorf.
dem Schlauch entwichen! Das Lommt von der alten Glasscherbe her,
die auf dem Fahrwege liegt. Die Scherbe hat den Schlauch zerschnitten.
Armer Radfahrer, was machst du jetzt? Wieder ist er abgestiegen,
wieder führt er sein stählernes Pferd am Zügel. Aber das Pferd ist
jetzt Krank, und der Radfahrer macht ein langes Gesicht. Er wollte
so schnell zum nächsten Dorfe radeln; nun muls er sich eine rubige
Strasse suchen und sein Zweirad flicken. „Siehst du,“ sagt der Puls-
gãnger, „jetzt lachst du mich nicht mehr aus! Jetzt lauf' ich an dir vorbei!“
3. „Klinglingling!“ tönt es hinter dem Fussgänger. „Schon wieder
ein Radfahrer?“ Ja, aber diesmal ist's ein Dreirad, das daher kLommt,
und darauf sitzt ein Hausknecht mit einem schweren Koffer. Dem
gefällt das Dreirad sehr, das nicht nur den schweren Koffer, sondern
noch ihn selber schleppt! Wem sollte es nicht gefallen? IUse Prapan.
135. Höflichkeit und Bescheidenheit.
1. Mit dem Hute in der Hand
kommt man durch das ganze Land.
2. Bescheidenheit,
das schönste Kleid. Volksmund.
136. Vom Lügen und Stehlen.
Lügen haben kurze Beine. — Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
und wenn er auch die Wahrheit spricht. — Junger Lügner, alter Dieb. —
Ehrlich währt am längsten. Volksmund.
3
VI.
Arbeit und Spiel.
137. Was die Tiere alles lernen.
1. Die Enten lernen schnattern,
die Fledermäuse flattern,
die Hähne lernen krähen,
die Schafe lernen bäen,
die Tauben lernen fliegen
und meckern alle Ziegen,
die Stare lernen plappern,
die jungen Störche klappern,
das Mausen und Haschen lernt das Kätzchen,
das Schmausen und Naschen lernt das Spätzchen.
Die Alten zeigen, wie sie's gemacht,
die Jungen folgen und geben acht
und machen es dann selber.
2. Die Bienen lernen sparen,
arbeiten sund bewahren,
die Spinne lernet weben,
der Schmetterling lernt schweben,
die Fischlein lernen schwimmen,
Eichhörnchen lernet klimmen,
das Brüllen lernt das Kälbchen,
und bauen lernt das Schwälbchen,
Vorstufe zum „Vaterland“
VI. Arbeit und Spiel.
und Fink und Lerch' und Nachtigall,
der Stieglitz und die Vöglein all',
die lernen süßer Lieder Schall.
Die Alten zeigen, wie sie's gemacht,
die Jungen folgen und geben acht
und machen es dann selber. Rudolf Löwenstein.
138. Arbeit und Müssiggang.
er Anfang ist schwer. — Bete und arbeite. — Müsssiggang
ist aller Laster Anfang. — Morgen, morgen, nur nicht heute!
sprechen alle trägen Leute. — Erst die Arbeit, dann das Spiel.
— Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen. Volkamund.
139. Versuchung.
1. Gar emsig bei den Büchern
ein Knabe sitzt im Kämmerlein;
da lacht herein durchs Fenster
der lust'ge, blanke Sonnenschein
und spricht: „Lieb Kind, du sitzest hier?
Komm doch heraus und spiel' bei mir!“
Den Knaben stört es nicht;
zum Sonnenschein er spricht:
„Erst laß mich fertig sein!“ —
2. Der Knabe schreibet weiter;
da kommt ein lustig Vögelein,
das picket an die Scheiben
und schaut so schlau zu ihm herein.
Es ruft: „Komm mit! Der Wald ist grün,
der Himmel ist blau, die Blumen blühn!“
Den Knaben stört es nicht;
zum Vogel kurz er spricht:
„Erst laß mich fertig sein!“
VI. Arbeit und Spiel.
3. Der Knabe schreibt und schreibet;
da guckt der Apfelbaum herein
und rauscht mit seinen Blättern
und spricht: „Wer wird so fleißig sein?
Schau' meine Äpfel! Diese Nacht
hab' ich für dich sie reif gemacht!“ —
Den Knaben stört es nicht;
zum Apfelbaum er spricht:
„Erst laß mich serlig sein!“
4. Da endlich ist er fertig;
schnell packt er seine Bücher ein
und läuft hinaus zum Garten.
Juchhe! Wie lacht der Sonnenschein!
Das Bäumchen wirft ihm Äpfel zu,
der Vogel singt und nickt ihm zu.
Der Knabe springt vor Lust
und jauchzt aus voller Brust; —
jetzt kann er lustig sein! Robert Reinick
140. Der Paule.
1. „Heute nach der Schule gehen,
da so schönes Wetter ist?
Nein! wozu denn immer lernen,
was man später doch vergilst!
2. Doch die Zeit wird lang mir werden,
und wie bring' ich sie herum?
Spitz! komm her! dich will ich lehren.
Hund, du bist mir viel zu dumm!
3. Andre Hund' in deinem Alter
können dienen, Schildwach' stehn,
können tanzen, apportieren,
auf Befehl ins VWasser gehn.
4. Ja, du denkst, es geht so weiter,
wie du's sonst getrieben hast.
99
100
VI. Arbeit und Spiel.
Nein, mein Spitz, jetzt heisstes lernen!
Hier! Komm her! Und aufgepalst!
. o —nuo lell dien in die Deke
horch! den Kopf zu mir gericht't —
Pfötchen geben! — So! — noch einmal!
sonst giebt's Schläge! Willst du nicht?
6. Was, du knurrst? du willst nicht lernen?
geht mir doch den faulen Wicht!
Wer nicht lernt, verdienet Strafe;
kennst du diess Regel nicht?“ —
7. Horch! Wer kommt? — Es ist der Vater!
Streng ruft er dem Knaben zu:
„Wer nichts lernt, verdienet Strafe;
sprich, und was verdienest du?“ Robert Reiniek.
141. Die Uhr.
1. Es schlägt die Glocke: Kling und Klang!
Du Knab', die Stunden sind nicht lang;
du Knab', die Stunden fliehen schnell:
sei du ein fleißiger Gesell.
2. Wer träg und faul die Zeit verthut,
der borgt zuletzt sich Schuh und Hut,
und hat er Hunger, hat er Durst:
ihm fehlen Bier und Brot und Wurst. Friedrich Güll.
142. Der kleine Student.
Hans, mein Sohn, was machst du da?
„Vater, ich studiere!“
Hans, mein Sohn, das kannst du nicht!
„Vater, ich probiere!“ Volksmund.
143. Bube und Vock.
1. Es war einmal ein Bube, der wollte lieber essen als lesen, hielt mehr
von Nüssen als vom Wissen, mehr von Kernen als vom Lernen; darum nannten
ihn die Leute den Faulen.
2. Das verdroß ihn sehr und er dachte: „Wart', ich wills euch allen
VI. Arbeit und Spiel. 101
zeigen, wie ich fleißig bin!“ Er nahm ein Lesebuch und ging hinunter auf
die Straße. Auf der Straße lag ein dicker Baumstamm; auf den setzte sich
der Knabe. Dort mußten die Leute alle vorbei. Er nimmt das Buch auf den
Schoß, hält's aber verkehrt, so daß die Buchstaben alle auf dem Kopfe stehen.
Da fitzt er, guckt hinein und baumelt mit den Beinen; bald nickt er aber mit
dem Kopfe, denn er ist eingeschlafen.
z Wer kommt um die Ecke am Gartenzaun? — Der Ziegenbock ist's,
ein munterer Geselle, der seine Kopfarbeit wohl gelernt hat und es mit jedem
darin aufnimmt, denn seine Hörner sind groß, und seine Stirn ist hart. Der
tritt zu dem schnarchenden Buben und sieht ihn nicken. „Hei,“ denkt er,
„meinst du mich? Ich bin schon dabei!“ Er stampft mit den Vorderbeinen
und geht einige Schritt zurück. Der Junge nickt wieder. „Gleich!“ meint der
Bock, nimmt einen Anlauf, bäumt sich auf den Hinterfüßen empor und puff!
giebl's einen Stoß: der Bock an des Buben Kopf, der Bub' rückwärts hinunter
bom Baumstamm, das Buch empor, hoch in die Luft! Heulend rafft sich der
Junge auf und eilt in das Haus. Hat er keinen Buchstaben im Kopfe, hat
er doch eine Beule daran.
1. Der Bock steht aber verwundert über den leichten Sieg wieder am
Wege und wartet, ob wieder ein Bub kommt, der nichts gelernt hat und auf
der Straße dann einschläft. Hermann Wagner.
144. Lied vom feinen Mädchen.
Ich bin ein feines Mädchen,
kann drehen das Rädchen,
kann stricken
die Maschen
und flicken
die Taschen,
kann nädeln
und putzen
und fädeln
und stutzen,
kann singen
und springen
und braten und kochen
das Fleisch und die Knochen. Friedrich Güll.
145. Vom Lernen.
Lerne was, so kKannst du was! — übung macht den Meister. —
Wer nicht hören will, muss fühlen. — Durch Schaden wird man Klusg.
Volksmund.
102
VI. Mbeit und Spiel.
146. WVas fang' iceh an?
1. Ach, wo ich gerne bin,
da soll ich nimmer hin,
und wo ich bleiben muls,
da hab' ich nur Verdruls.
Nach dem Walde soll ich nicht,
in den Garten mag ich nicht,
in der Stube bleib' ich nicht —
was fang' ich an?
2. Ach, in dem Wald allein
da Kann man lustig sein;
da grünt es überall,
da singt die Nachtigall.
Mutter, lass mich gehn hinaus
in den grünen Wald hinaus.
Einen schönen Blumenstrauls,
den bring' ich dir.
3. Könnt' ich ein Vogel sein,
flög' ich in Wald hinein
zur reinen Naienluft,
zum frischen Laubesduft.
Nach dem Walde soll ich nicht,
in den Garten mag ich nicht,
in der Stube bleib' ich nicht —
was fang' ich an?
Heinrich Hoffmann von Pallersleben.
147. Hänselein.
1. Hänselein, willst du tanzen?
Ich geb' dir auch ein Ei.
„O nein, ich kann nicht tanzen,
und gäbst du mir auch drei.
In unserm Hause geht das nicht,
die kleinen Kinder tanzen nicht,
und tanzen kann ich nicht.“
2. Hänselein, willst du tanzen?
Ein Vöglein geb' ich dir.
„O nein, ich kann nicht tanzen,
und gäbst du mir auch vier.
VI. Arbeit und Spiel. 103
In unserm Hause geht das nicht,
die kleinen Kinder tanzen nicht,
und tanzen kann ich nicht.“
3. Hänselein, willst du tanzen?
Ich geb' dir einen Stock.
„O nein, ich kann nicht tanzen,
und gäbst du mir ein Schock.
In unserm Hause geht das nicht,
die kleinen Kinder tanzen nicht,
und tanzen kann ich nicht.“
4. Hänselein, willst du tanzen?
Ein Tänzlein geig' ich dir.
„O ja, ich kann schon tanzen,
jetzt geig' ein Stücklein mir!
In unserm Hause gilt der Brauch,
sobald man geiget, tanzt man auch,
und tanzen kann ich auch.“
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
143. Der kleine Reiter.
1. Hänschen ist ein Reitersmann, 4. Reit' mir auch nicht übers Beet,
will von dannen jagen; in die Rosen und Nelken!
Mutter sieht ihn ernsthaft an, Wenn dein Pferdchen darüber geht,
hat ihm viel zu sagen. müssen sie ja verwelken.
2., Nicht zu wild, ich bit dich sehr, 5. Reit behutsam, reit' im Schritt
liebes Hänschen, reite! über Treppen und Brücken!
Springt dein Pferd so wild umher, Bring' mir auch was Hübsches mit,
fürchten sich die Leute. kannst ein Blümchen pflücken!
3. Reit' mir auch im Haus nichts um, 6. Und um zwölf, beim Glockenschall —
keine Töpfchen und Teller! mußt es nicht vergessen —
In der Küche reit' nicht herum, führ' dein Pferdchen in den Stall
reit' nicht in den Keller! und komm selber zum Essen!“
Johannes Trojan.
149. Der Rekrut.
1. Wer will unter die Soldaten, 2. Der muss an der linken Seiten
der muss haben ein Gewehr; einen scharfen Säbel han,
das muss er mit Pulver laden dass ex, wenn die Peinde streiten,
und mit einer Kugel schwer. schiessen und auch fechten Kann;
Lve
4 VI. Abeit und Spiel.
3. Einen Gaul zum Galoppieren 4. Rinen Schnurrbart an der Nasen,
und von dilber auch zwei Spor'n, auf dem Kopfe einen Helm —
Zaum und Zügel zum Regieren, sonst, wenn die Trompeter blasen,
wenn er Sprünge macht im Zorn; ist er nur ein armer Schelm.
PFriedrich Gull.
150. LKriegsrüstung in der Lüche.
1. Wer Hosen und Stiefel schon tragen kann,
der schliesse sich unserm Zuge mit an!
2. Ich werd' euch die allerschönsten Waffen
aus meiner Mutter Küche schaffen.
3. Der Borstwisch hier ist unsre Fahn',
damit will ich zeigen im Kampfe die Bahn.
4. Nun, Michel und Peter und Hans und Töffel,
hier nehmt als Pistolen die Kochelöffel.
5. Und dass ihr auch alle habt einen Sabel —
hier liegen noch drei Paar Messer und Gabel.
6. Der Gänseflügel ist zu Federhüten gut —
jetzt seid ihr gerüstet vom Fuss bis zum Hut.
7. Blast auf nun dĩe Backen und schneidet Gesichter,
ihr Herren Trompeter, hier habet ihr Urichter.
8. Die Töpfe sind Trommeln, frisch, Pambour, herbei,
schlagt tüchtig drauf los, doch Leinen entzwei!
9. Für die Reiter stehn hier die schönsten Besen,
die sind zum Reiten wie auserlesen. —
10. So sind wir ein Heer von bester Art; —
es fehlt uns allen nur noch der Bart.
11. Den woll'n wir uns gleich aus der Küche bolen,
auf dem Herde liegen ja prächtige Kohlen.
12. Sieht jetzt uns der HPeind, so kriegt er einen Schreck
und schreiet vor Angst und läuft gleich weg. Rudolf Löwenstein.
151. Der kleine Kaufmann.
1. Kommt, ihr Leute, schnell herbei,
wer nur will was kaufen!
Gute Sachen allerlei
hab' ich hier in Haufen.
0
VI. Arbeit und Spiel.
2. Seht, wie reichlich ausgeschmückt
ist mein ganzer Laden;
wie sind fest und vollgedrückt
Kisten und Schubladen!
3. Wie bis obenan gestopft
All' die großen Fässer!
Ei, so kommt herbei und klopft!
Nirgends kauft ihr besser.
4. Pfeffer, Ingwer, Nelken, Zimt
und Muskatenblüte
hab' ich hier; sie sind bestimmt
von besondrer Güte.
5. Gerste, Sago, Nudeln, Reis,
Senf und Ol und Essig
geb' ich auch um mindern Preis,
und recht reichlich mess' ich.
6. Außerdem empfehl' ich euch
die Gewürzlebkuchen
und dergleichen süßes Zeug;
wollt ihr nicht versuchen?
7. Nur soll mir zum Schabernack
von den losen Schlingeln
keiner ohne Geld im Sack
an dem Laden klingeln.
8. Denn für solche Schelmenleut
die nur alles borgen,
hab' ich keine Ohren heut,
keine Waren morgen. Friedrich Güll.
152. Jockel.
1. Der Herr, der schickt den Jockel aus,
er soll den Hafer schneiden.
Der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
2. Da schickt der Herr den Pudel aus,
er soll den Jockel beißen.
Der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
105
106
VI. Arbeit und Spiel.
3. Da schickt der Herr den- Prügel aus,
er soll den Pudel schlagen.
Der Prügel schlägt den Pudel nicht,
der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
4. Da schickt der Herr das Feuer aus,
es soll den Prügel brennen.
Das Feuer brennt den Prügel nicht,
der Prügel schlägt den Pudel nicht,
der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
5. Da schickt der Herr das Wasser aus,
es soll das Feuer löschen.
Das Wasser löscht das Feuer nicht,
das Feuer brennt den Prügel nicht,
der Prügel schlägt den Pudel nicht,
der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
6. Da schickt der Herr den Ochsen aus,
er soll das Wasser saufen.
Der Ochse säuft das Wasser nicht,
das Wasser löscht das Feuer nicht,
das Feuer brennt den Prügel nicht,
der Prügel schlägt den Pudel nicht,
der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneid't den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
7. Da schickt der Herr den Schlachter aus,
er soll den Ochsen schlachten.
Der Schlächter schlacht' den Ochsen nicht,
der Ochse säuft das Wasser nicht,
das Wasser löscht das Feuer nicht,
das Feuer brennt den Prügel nicht,
der Prügel schlägt den Pudel nicht,
der Pudel beißt den Jockel nicht,
der Jockel schneidet den Hafer nicht
und kommt auch nicht nach Haus.
VI. Arbeit und Spiel. 2
8. Da geht der Herr selbst hinaus
und macht gar bald ein End daraus.
Der Schlachter will den Ochsen schlachten,
der Ochse will das Wasser saufen,
das Wasser will das Feuer löschen,
das Feuer will den Prügel brennen
der Prügel will den Pudel schlagen,
der Pudel will den Jockel beißen;
der Jockel schneid't den Hafer nun
und kommt auch gleich nach Haus. Volksmund.
153. Schlittenfahrt.
1. Da fällt nun vom Himmel
mit krausem Gewimmel
in dichten Flocken der Schnee
auf Häuser und Bäume,
auf Garten und Zäune
und decket den Fluß und den See;
selbst jeder Pfahl thalab thalauf
hat sein schneeweißes Käpplein auf.
2. Nun holet den Schlitten
mit emsigen Schritten
und setzt mir hinein das Kind!
Das Glöckchen soll schellen,
das Hündchen mag bellen!
Fahrt lustig dahin durch den Wind!
Das frischt das Herz und stärkt den Mut
und giebt euch Backen wie Milch und Blut!
3. Und kommt fast erfroren
an Händen und Ohren
des Abends ihr müde nach Haus,
dann thut man sich gütlich
und ruht ganz gemütlich
am warmen Ofen sich aus.
Wie gut der gebratene Apfel nun riecht
und besser noch schmeckt, wenn man ihn erst kriegt!
Georg Scherer.
1
108
VI. Arbeit und Spiel.
154. Ausfahrt.
1. Schlitten vorm Haus,
steig' ein, Kleine Maus!
Zwei Katzchen davor,
so geht's durchs Thor;
zwei Katzchen dabinter,
so geht's durech den Winter.
2. Hinein ins Peld,
wie weiss ist die Welt!
Auf einmal, o weh,
kleine Maus liegt im Schnee,
Lleine Maus liegt im Graben.
Wer will sie haben?
3. Schlitten vorm Haus, —
wo blieb Rleine Maus?
Die Kätzchen, miau,
die wissen's genau:
„Hat nicht still gesessen,
da haben wir sie gefressen.“ Gustav PValke.
155. Allerlei Kinderreime.
4.
Tuck, tuck, tuck, min Höhneken,
wat makst in unsen Hof?
Du plückst mi all de Blomen af,
du makst dat gar to groff.
Mudder schall di halen,
un Vadder schall di slan!
Tuck, tuck, tuck, min Höhneken,
Wo schall di dat noch gan! Volksmund.
2.
Muh, muh, muh!
so ruft die bunte Kuh.
Wir geben ihr das Futter;
sie giebt uns Milch und Butter.
Muh, muh, muh!
so ruft die bunte Kuh. Volksmund.
VI. Arbeit und Spiel. )
Eia popeia!
Was raschelt im Stroh?
Das sind die kleinen Gänschen,
die haben keine Schuh'.
der Schuster hat's Leder,
kein'n Leisten dazu. Volksmund.
4
Regen, Regen, rusch!
De König sitt in Busch.
Lat den Regen ewergahn
Lat de Süunn wedderkam!
Regen, Regen, rusch!
De König sitt in Busch. Volksmund.
Schlaf, Kindchen, schlaf'!
Dein Vater hütet die Schaf;
deine Mutter geht im Rosengarten
und will der schönen Blümchen warten.
Schlaf, Kindchen, schlaf! Volksmund.
G.
Slap, Kindken, slap!
Din Vadder hödd de Schap;
din Mudder sitt in'n Rosengaarn
un spinnt ehr Spool mit Flessengaarn.
Slap, Kindken, slap!
7.
Vögel, die nicht singen,
Glocken, die nicht klingen,
Pferde, die nicht springen,
Pistolen, die nicht krachen,
Kinder, die nicht lachen —
Was find das für Sachen? Volksmund.
10
VL. Abeit und Spiel.
156. Ein Räãtsel.
„Röschen,“ sagte Georg zu seinem Schwesterchen, „ich will dir ein Rätsel
aufgeben, und wenn du es rätst, dann schenke ich dir das Ding, das ich meine.“
— „Dann sage einmal dein Rätsel!“ bat Röschen. „Ich kenne einen runden
Berg,“ sagte Georg, „der ist grün, aber im Herbst wird er gelb und rot.
Inwendig ist der Berg weiß. Ganz tief drinnen im Berge steht ein kleines
Zwerghäuschen mit Wänden, so dünn und zart wie ein Blatt Papier. In
dem Häuschen sind vier Kämmerchen, und in jedem Kämmerchen wohnen zwei
Brüder. Sie wohnen so eng, daß sie immer aufrecht stehen müssen; sie können
sich weder setzen, noch sich hinlegen, sie können auch nicht sprechen, aber trotz
alledem wachsen sie lustig weiter. Zum Glück wächst das ganze Häuschen
mit, ja auch der ganze Berg. Wenn das nicht wäre, dann wären sie schlimm
dran. So lange die acht Brüder klein sind, sind sie weiß; später werden sie
braun und endlich ganz schwarze Mohren. Sie sind aber nicht von der Sonne
so verbrannt worden, denn in ihr Häuschen kommt gar keine Sonne; das steht
ja inwendig im Berge. So, das ist mein Rätsel; nun rate einmal, Röschen,
was das ist!“
„Du willst mich nur necken,“ sagte Röschen; „es giebt gar kein solches
papierenes Häuschen in einem grünen, roten und gelben Berg und giebt auch
keine solchen Mohren.“ — „Nein, Röschen,“ erwiderte Georg, „ich necke dich
nicht, es ist alles wirklich wahr, und den ganzen Berg kann man essen; rate
doch nur! Mit diesen Worten holte er etwas Rundes aus der Tasche; das
sah rot und gelb aus und so verlockend, daß Röschen es gar zu gerne gehabt
hätte und schon die Hand danach ausstreckte. „Erst raten!“ sagte der Bruder.
„O, ich weiß es jetzt, Georg,“ rief sie voller Freude, „der Berg ist ein Apfel,
das Häuschen ist das Kernhäuschen, und die Brüder, die erst weiß sind und
dann Mohren werden, das sind die Kerne!“ — „Das hast du gut geraten,“
sagte Georg. Da bekam das Schwesterchen den Apfel und aß ihn auf; aber
wie sie an das Häuschen kam, besah sie sich genau die Wände und die
Kämmerchen mit den schwarzen Mohrenkinderchen und zählte sorgfältig, wie
viel es waren. Karl Hessel nach Amalie Schoppe.
157. Allerlei Rutsel.
4
Oben spitz und unten breit,
durch und durch voll Süssigkeit;
weiss am Leibe, blau am Rleide,
kleiner Kinder grosse Preude.
110
VI. Arbeit und Spiel. 111
Kohlpechschwarz bin ich tot,
lebendig feuerrot.
Nun sag' geschwind:
Wer lebt vom Wind?
Sag' mir, wenn du's sehon geseb'n,
wo die Gäns' im Wasser geh'n!
Es rührt, sich hinten was im Eck,
geht Tag und Nacht, kKommt nicht vom Hleck.
Nun, RKinder, könnt ihr raten
auf einen Kaméeraden,
der, wo ihr geht und wo ihr steht,
getreulich immer mit euch geht,
bald lang und schmal, bald Kurz und dick,
doch bei euch jeden Augenblick,
so lang' die Sonn' am Himmel scheint.
Denn nur s0, Kinder, ist's gemeint;
wo weder Sonne scheint noch Licht,
ist auch der Kamerade nicht. Hagenbach.
Ich kenn' ein Bäumchen gar fein und zart,
das trägt euch Früchte seltener Art.
Es funkelt und leuchtet mit hellem Schein
tief in des Winters Nacht hinein.
Das sehen die Kinder und freuen sich sehr
und pflücken vom Bäumchen und pflücken es leer.
Georg Scherer.
4.
5.
5
7.
112
VI. Arbeit und Spiel.
153. Die Laͤterne.
1. Lieber Nachbar, ach leiht mir
doch eure Latern'!
Es ist ja so finster
und scheint nicht ein Stern.
Mein Schäflein verlor heut
im Felde der Hirt;
drum muß ich doch sehen,
wo sich's hat verirrt.
2. Lieber Nachbar, ach leiht mir
doch eure Latern'!
Sind die Gläser auch schmutzig,
ich putz' sie mir gern.
Und fehlt eine Scheibe,
so schadet das nicht;
ich halte den Hut vor,
dann brennt doch mein Licht. Volksmund.
VII.
Sonn und Festtage.
159. Sonntag.
1. Der Sonntag istgekommen. ein Sträusschen auf dem Hut;
sein Aug' ist mild und heiter, er meint's mit allen gut.
2. Er steiget auf die Berge, er wandelt dureh das Thal.
er ladet zum Gebete die Menschen allzumal.
3. Und wie in schönen Kleidern nun pranget jung undlalt.
hat er für sie geschmücket die Elur und auch den Wald.
4. Undl wie er allen Freude und Prieden bringt und Rub.
so ruf'aueh du nun jedem Gott grüss' dichl freundlich zu!
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
160. Die drei Feste.
1. O du fröhliche, 2. O du fröhliche,
o du selige, o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit! gnadenbringende Osterzeit!
Welt ging verloren, Welt lag in Banden,
Christ ist geboren! Christ ist erstanden!
Freue, freue dich, o Christenheit! Freue, freue dich, o Christenheit!
3. D du srohliche
o du selige,
gnadenbringende Pfingstenzeit!
Christ, unser Meister,
heiligt die Geister!
Freue, freue dich, o Christenheit! Johannes Falk.
Vorstufe zum „Vaterland“.
VII. Sonn- und Festtage.
161. Das Ohristuslind.
1. Alle Jahre wieder 2. Kehrt mit seinem degen
kommt das Ohristuskind ein in jedes Haus,
auf die Erde nieder, geht auf allen VWegen
wo wir Menschen sind. mit uns ein und aus.
3. Iet aueh mir zur deite
still und unerkannt,
dass es treu mich leite
an der lieben Handl. Wilnelm Hey.
162. Christkind.
. Die Nacht vor dem Heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum;
sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.
2. Und während sie schlafen und träumen,
wird es am Himmel klar,
und durch den Himmel fliegen
drei Engel wunderbar.
3. Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der heil'ge Christ;
es ist so fromm und freundlich,
wie keins auf Erden ist.
4. Und wie es durch den Himmel
still über die Häuser fliegt,
schaut es in jedes Bettchen,
wo nur ein Kindlein liegt.
5. Und freut sich über alle,
die fromm und freundlich sind;
denn solche liebt von Herzen
das liebe Himmelskind.
VI Sonn- und Festtage. 5
6. Wird sie auch reich bedenken
mit Lust aufs allerbest',
und wird sie schön beschenken
zum morgenden Weihnachtsfest.
7. Heut schlafen noch die Kinder
und sehn es nur im Traum;
doch morgen tanzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum. Robert Reinick.
163. Weihnachten.
1. Die schönste Zeit, die liebste Zeit,
sagt's allen Leuten weit und breit,
damit sich jedes freuen mag:
das ist der liebe Weihnachtstag.
2. Den hat uns Gott der Herr bestellt,
den herrlichsten in aller Welt,
daß jung und alt, daß groß und klein
so recht von Herzen froh soll sein.
3. Das beste Kind, das liebste Kind,
so viele rings auf Erden sind, —
kommt her und hört's, damit ihr's wißt —
das ist der liebe Jesus Christ.
4. Wie der sich freundlich zu uns neigt,
mit seinen Händen nach uns reicht;
und wer sein Auge nur gesehn,
will nimmer wieder von ihm gehn.
5. Zur Weihnachtszeit, zur Weihnachtszeit,
da kam er von dem Himmel weit
zu seinen armen Menschen her;
in einer Krippe schlummert er.
6. Das Christuskind in einem Stall!
Und ist doch von den Kindern all'
kein andres diesem einen gleich
auf Erden und im Himmelreich.
7. Vom Himmel hoch, vom Himmel hell,
da gehet auf ein Glanz gar schnell,
der scheinet in der Mitternacht
viel heller als der Sonne Pracht.
14
Q*
116
VII. Sonn- und Festtage.
8. Und in den Lüften überall
ertönt ein lauter Freudenschall;
da hören sie's wohl fern und nah
„Das liebe Christuskind ist da!“
9. Die Engelein, die Engelein,
die singen alle froh darein
den Hirten zu, herab aufs Feld:
„Geboren ist der Herr der Welt!“
10. Das hören froh, das hören gern
die Menschen alle nah und fern
und denken nicht an Weh und Leid
und freuen sich der schönen Zeit. Wilhelm Hey.
164. Meihnachten.
L. Wie trüb sind die Tage des Dezembers, wie lang die Nächte!
Es will gar nicht hell werden. Man muss des Morgens bei Licht auf-
stehen, und die Schule beginnt eine halbe Stunde später als sonst. Den-
noch ist diese Zeit voll Freuden für die Kinder, denn das Ohrisstkindchen
wird bald bescheren. Daran denkt jetzt das ganze Haus; die Mutter
sucht die Gaben im stillen aus, und die Kinder raten,. was sie wohl
empfangen werden.
2. Endlich ist der Weihnachtsabend gekommen. Es wird dunkel;
die Etern sind allein in der Wohnstube; die Kinder müssen in der
Kammer das Zeichen erwarten. Da Klingelt es, und die Thür wird
geöffnet. Welche Freude! Welches Erstaunen! Da steht ein Tannen-
baum mit strahlenden Lichtern auf jedem Zweige, mit vergoldeten
Nüssen, mit braunen und bunten Kuchen und mit rotbackigen Ipfelehen.
Unten herum aber stehen und liegen noch Spielsachen in Menge. Jedes
einzelne Kind hat seinen Teller. Da liegen Puppen für die Mädchen
und Peitschen für die Knaben, darunter Pfeffernüsse, Nüsse und Kuchen.
Auch die grösseren haben ihre Teller. Auf dem einen liegt ein Buch in
schönem Einbande. Was wird es nur sein? Auf dem andern ist ein
zusammengerolltes Tuch zu sehen. Vielleicht ist es eine Schürze oder
ein Halstuch oder noch etwas Besseres. Nun greift jedes zu; jedes
betrachtet seine Geschenke; es bewundert sie und ruft die Geschwister
herbei. um sie ihnen zu zeigen.
3. Doch nun fällt den Kindern auch ein, dass sie den Eltern dies
alles zu verdanken haben, und sie gehen hin und danken ihnen freundlich.
Einige Kinder haben aber auch daran gedacht, den Eltern eine Freude
zu machen. Sie schleichen sich fort und bringen ihnen ihre Gaben.
VIL. Sonn- und Festtage. 117—
Ein Mädchen hat dem Vater ein Paar Strümpfe gestrickt; ein Knabe
hat ein Pappkästchen für die Mutter verfertigt. Die Eltern küssen
die Kinder dafür, und diess haben nun ebensoviel Freude an dem Ge—
schenk, das sie gegeben, als an denen, die sie empfangen haben.
4. Aber auch an den Herrn Christus denken wir, dessen Geburts—
tag zu Weihnachten von allen Christen gefeiert wird. Weil er die
Kinder so lieb hatte, so geben alle Leute nôch heute am Peste seiner
Geburt den Kindern Geschenke. Auch arme RKinder, denen ihre Eltern
nichts bescheren können, soll man nicht vergessen. NMorgen, am ersten
Peiertage, gebt ihnen auch eêtwas von eurem UÜberflusse!
Wilhbelm Curtwann.
165. Lĩed vom Meihnachtsmann.
Vater.
„Der Weihnachtsmann ist auf der Fabrt,
zu besuchen die Schuljugend zart,
zu sehn, was die Kleinen Mägdlein und Knaben
in diesem Jahre gelernet haben
im Beten, Schreiben, Singen und Lesen,
auch ob sie sind hübsch fromm gewesen.
Er hat auch in seinem Sack verschlossen
schöõne Puppen, aus Zucker gegossen;
den Kindern, welche höbsch fromm wären,
will er solche schönen Sachen verehren.“
ind
„Weihnachtsmann, ich bitt' dich sehr,
in meiném Hause auch einkehr'!
Bring' Bũücher, Kleider und auch Schuh'
und auch viel schöne, gute Sachen dazu,
so will ich lernen wohl
und fromm sein, wie ich soll!“
Weihnachtsmann:
„Gott grüss' euch, liebe RKinderlein!
Ihr sollt Vater und Mutter gehorsam sein,
so soll euch was Schönes bescheret sein;
wenn ihr aber dasselbige nicht thut,
so bring' ich euch den Stecken und die Rut'.“ Volksmund.
VII. Sonn- und Festtage.
166. Wihnachnabend.
Wihnachnabend,
denn geit dat vun baben,
denn klingt de Klocken,
denn danst de Poppen,
denn piept de Müs
in alle Hüs'. Volksmund.
167. Die Kinder bei der Krippe.
1. Ihr Kinderlein, kommet! o kommet doch all!
Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall,
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht!
2. O seht in der Krippe, im nächtlichen Stall,
seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl
in reinlichen Windeln das himmlische Kind,
viel schöner und holder, als Engel es sind.
3. Da liegt es — ach, Kinder! auf Heu und auf Stroh;
Maria und Joseph betrachten es froh;
die redlichen Hirten knie'n betend davor,
hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.
4. O beugt, wie die Hirten, anbetend die Knie',
erhebet die Händlein, und danket wie sie!
Stimmt freudig, ihr Kinder, — wer soll sich nicht freu'n? —
stimmt freudig zum Jubel der Engel mit ein! Christoph von Schmid.
168. Die Ohristbescherung.
Was klingelt im Hause so laut? Bst, bst!
Ich glaube, dass es das Ohristkind ist.
Das Ohristkind war's. Seid, Kinder, nur still
und hört, was ich jetzt euch erzählen will.
Es hat euch gebracht einen Tannenbaum
voll goldner Apfel und Püppchen mit Schaum,
voll Zuckerwerk; doch, Kinderchen, denkt,
hoch oben eine Rute hängt.
Das Ohrisstkind hat an alles gedacht
und Nützliches und Schönes gebracht.
Da seht ihr Trommeln, Soldaten von Blei,
auch eine Fahne hängt nebenbei,
118
VII. Sonn- und Festtage. 119
seht Häuser von Pappe mit rotem Dach
und drin ein zierliches, Kleines Gemach;
seht Schuhe und RKleider und Tücher und Hut,
gewiss, das steht zu dem heste gut;
aueh Teller und Töpfe von blankem Zinn
und Pfefferkuchen und Mandeln darin.
Hier Peitschen und Wagen, ein Pferdchen gar wild,
dort zum Zusammensetzen ein Bild,
hier Schreibebücher; ein Püppchen, ganz Klein,
wird dort gewiss in der Wiege sein.
Auch herrliche Bücher sind aufgestellt;
von tausend Lichtern ist alles erhellt.
Doch nur von den schönen Sachen bekommt,
wer artig war, verträglich und fromm;
wer folgsam den guten Eltern war
und fleissig gelernt hat in diesem Jahr.
Unartige Kinder dürfen nicht rein,
für sie wird wohl nur die Rute sein.
Drum wollt ihr am Heiligen Abend euch freu'n,
so rat ich eueh, Kinder, stets artig zu sein.
Adalbert von Qhamisso.
169. Wie der Kaiser einmal Weihnachtsmann war.
I. Als unser Kaiser noch jung war, da hiess er Prinz Wilhelm.
Da wohnte er in einer Stadt, die heisst Potsdam. Als es einmal wieder
Weihnachten geworden war, ging er ganz allein durch die Strassen.
Da stand er vor einem Penster still, hinter dem standen allerlei schöne
Spielsachen: Pferde und Kühe aus Holz, Wagen und Schiffe aus Blech,
und vielerlei andere schöne Dinge.
2. Dicht bei ihm standen zwei Kleine Knaben, die schauten die bunten
Sachen an und zeigten sich die schönsten Stücke. Der Prinz hörte eine
Zeitlang zu; dann fragte er sie freundlich: „Was mögt ihr denn von
den Sachen da drinnen am liebsten leiden?“ Die beiden Brüder kannten
den Prinzen nicht, und der älteste rief rasch: „Das Schiff dort, Herr
Leutnant, das ist doch das schönste!“ „Dann wünscht es euch doch
zu Weihnachten,“ sagte der Prinz Aber der Knabe antwortete: „Das
nützt nichts; unser Vater hat nicht Geld genug, er kann's uns nicht
kaufen.“ Da sprach der Prinz: „Dann will ich euer Weihnachtsmann
sein.“ Er ging in den Laden hinein und kaufte das Schiff. Dann gab
er es den Knaben; die wurden darüber so fröhlich, dass sie beinahe
vergessen hätten. sich zu bedanken.
9
5 VII. Sonn- und Festtage.
3. Eilig liefen sie naeh Hause und zeigten das schöne Schiff
ihren Eltern. Die wollten es nicht recht glauben und gingen mit ihnen
zu dem Kaufmann. Sie fragten ihn, wer das Schiff gekauft habe, und
er sprach: „Das ist der Prinz? Wilhelm gewesen.“ — Da haben sich
Eltern und Kinder gefreut und haben das Schiff sorgfältig geschont
und immer in Ehren gehalten.
170. Zum Geburtstage unsers Kaisers.
1. Im Kieler Hafen liegen viele Schiffe. Die sind sehr lang und breit
und beinahe ganz aus Eisen gemacht. Oben haben sie große Schornsteine, aus
denen kommt schwarzer Rauch heraus, wenn sie auf dem Wasser umherfahren.
Manchmal sieht man aber auch, daß aus einem kleinen Loche an der Seite
Rauch herauskommt, und wer genau hinschaut, der kann auch einen hellen
Schein sehen, der beinahe aussieht wie ein Blitz. Und nach einem kurzen
Augenblick hört man dann einen starken Knall, der tönt wie der Donner. Das
sind die Kanonenschüsse, die von den Soldaten abgefeuert werden.
2. Diese Schiffe heißen Kriegsschiffe, und sie gehören dem Kaiser Wilhelm.
Der wohnt in Berlin oder in Potsdam, weit von hier; aber oft kommt er
auch nach Kiel. Dann wohnt er meistens auf seinem Schiff Hohenzollern, und
wenn er es besteigt, dann donnern die Kanonen von allen andern Schiffen.
So begrüßen sie den Kaiser. Oft ist auch die Kaiserin dabei, Auguste Viktoria
heißt sie, oder der Kronprinz Wilhelm oder sonst eins von des Kaisers Kindern.
3. Der Kaiser hat aber auch noch einen Bruder, der ist Seemann und
macht manchmal große Reisen auf dem Meere. Er heißt Prinz Heinrich, und
wenn er in Kiel ist, so wohnt er auf dem Kieler Schlosse.
4. Unser Kaiser ist unser Herrscher, und wir müssen ihm gehorchen. Er
herrscht aber nicht bloß über uns, sondern über unser ganzes Land. Dieses
Land heißt das Deutsche Reich, und wir nennen es unser Vaterland. Es giebt
noch viele Länder mehr auf der Erde; aber wir mögen nirgends lieber sein
als hier. Und wir wollen nicht, daß Feinde kommen sollen, uns das Land
zu nehmen. Darum hat unser Kaiser Soldaten auf dem Lande und auf den
Schiffen, die sollen das Vaterland schützen, daß wir ruhig und sicher leben können.
Und wenn sein Geburtstag kommt, so wünschen wir ihm ein langes Leben
und frohe Tage, und wir bitten Gott, daß er ihn allezeit schützen und segnen
möge.
20
VIII.
Der Vater im Himmel.
171. In Gottes Hut.
1. Aus dem Himmol ferne.
wo die Englein sind,
schaut doch Gott so gerne
her auf jedes Kind;
2. Höret seine Bitte
treu bei Tag und Nacht,
nimmt's bei jedem Schritte
vãterlich in acht;
3. Giebt mit Vaterhänden
ihim sein täglieh Brot,
hilft an allen Enden
ihim aus Angst und Not.
4. Sagt's den Kindern allen.
dass ein Vater ist.
dem sie wohlgefallen.
der sie nie vergilst. Wilhelm Rey.
1 VIII. Der Vater im Himmel.
172. Gott weiß.
L. Weißt du, wieviel Sterne stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wieviel Wolken gehen
weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet,
daß ihm auch nicht eines fehlet
an der ganzen großen Zahl.
2. Weißt du, wieviel Mücklein spielen
in der hellen Sonnenglut?
wieviel Fischlein auch sich kühlen
in der hellen Wasserflut?
Gott der Herr rief sie mit Namen,
daß sie all' ins Leben kamen,
daß sie nun so fröhlich sind.
3. Weißt du, wieviel Kinder frühe
stehn aus ihren Bettlein auf,
daß sie ohne Sorg' und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen,
kennt auch dich und hat dich lieb. Wilhelm Hey.
173. Brüderchen und Schwesterchen.
Vrchen und Schwesterchen waren einmal allein zu Hause.
Da sagte das Brüderchen: „Die Mutter ist fort, wir wollen
uns etwas zu essen suchen und es uns gut schmecken lassen.“
Schwesterchen sprach: „Menn's niemand sieht, so will ich wohl
mitessen.“ „Komm mit in die Speisekammer!“ sagte das Brüderchen,
„dort steht die Milchschüssel, von der wollen wir den sülsen
Rahm abessen.“ Schwesterchen sprach: „Mit nichten, dort sieht's
der Nachbar, der hinter dem Fenster Holz spaltet.“ — „So Komm
mit in die Küche!“ spricht das Brüderchen, „im Küchenschrank
129
VIII. Der Vater im Himmel. 123
steht der Honigtopf.“ Schwesterchen sprach: „Mit nichten, dort
gieht's die Nachbarin, die an ihrem Penster sitzt und spinnt.“ —
„So komm mit in den Reller!“ spricht das Brüderchen, „dort
essen wir Ipfel, und es ist darin stockfinster.“ Schwesterchen
sprach: „NMit nichten, dort sieht's der liebe Gott; der sitzt im
Himmel und schaut überall hin und sieht auch im Dunkeln.“
Da erschrak das Brüderchen, fürchtete sich und sprach: „MNenn
das ist, so wollen wir lieber gar nichts essen.“ Leinrich Caspari.
174. Der Himmel.
„Wie hoch mag wohl der Himmel sein?“
Das will ich gleich dir sagen:
wenn du, schnell wie die Vögelein,
die Flũgel könntest schlagen
und stiegest auf und immer auf
in jene blaue Ferne
und kämest endlich gar hinauf
zu einem schönen Sterne
und fragtest dort ein Engelein:
„Wie hoch mag wohl der Himmel sein?“
Dann sei gewiss, das Englein spricht:
„Mein Rind, das weils ich selber miehit;
doch frag' einmal da drüben an,
ob jener Stern dir's sagen kann!
Du brauchst indes nicht sehr zu eilen,
es sind nur zehn NMillionen Meilen.“
Und flögst du nun zum Sternlein dort,
man sagt' dir doch dasselbe Wort;
und flögst du weiter fort und fort.
von Stern zu Stern, von Ort zu Ort:
es weiss doch niemand dir zu sagen,
du wirst doeh stets vergeblich fragen:
Wie hoch mag wohbl der Himmel sein?
Denn. RKind, das weiss nur Gott allein!“
Rudolf LöwWenstein.
124
2.
4
VIII. Der Vater im Himmel.
175. Gebete.
Am Morgen.
iß
Wie fröhlich bin ich aufgewacht,
wie hab' ich geschlafen sanft die Nacht!
Hab' Dank, im Himmel du Vater mein,
daß du hast wollen bei mir sein!
Nun sieh auf mich auch diesen Tag,
daß mir kein Leid geschehen mag. Wilhelm Hey.
Vom Schlaf bin ich gesund erwacht;
dir, lieber Gott, sei Dank gebracht!
Nimm mich auch heut in deine Hut
und mache mich recht fromm und gut,
daß ich, o Gott, den ganzen Tag
dein liebes Kindlein bleiben mag. Christian Dieffenbach.
Viel Böses seh' ich als ein Kind,
und Böses lernet man geschwind;
behüt', o Gott, mich jeden Tag,
daß ich nichts Böses lernen mag!
Ich thu' die hellen Augen auf
und schau', o Gott, zu dir hinauf.
Du hast mich in der dunkeln Nacht
sanft schlafen lassen und bewacht.
Behüte mich auch diesen Tag,
daß mich kein Übel treffen mag ZFriedrich Güll.
Am Mittage.
Komm, Herr Jesu, sei unser Gast
und segne, was du uns bescheret hast.
VIIL. Der Vater im Himmel. 5
6.
Du, Vater, gabst mir Speis' und Trank,
ich aß und wurde satt;
für deine Gabe tausend Dank
die mich gestärket hat.
Lieber Gott, du giebst zu essen
allen Wesen in der Welt;
was da springt in Wald und Feld:
niemals hast du eins vergessen.
Sorgest auch für mich und schenkest
heut mir wieder Speis und Trank.
Lieber Vater, habe Dank,
daß du so an mich gedenkest. Wilhelm Hey.
Am Abend.
8.
Gott, der du heute mich bewacht,
beschütze mich auch diese Nacht!
Ich bin dein Kind, du liebst auch mich;
ich danke dir und hoff' auf dich.
9
Lieber Gott, wenn Unrecht heut
hat dein Kind gethan,
siehe nun, wie sehr mich's reut,
nimm mich gnädig an!
Recht von Herzen bitt' ich dich:
meine Schuld vergieb;
selbst zum Guten stärke mich
und behalt' mich lieb. Wilheln Hey.
10.
Guter Vater im Himmel du,
meine Augen fallen zu;
will mich in mein Bettchen legen:
gieb nun du mir deinen Segen!
Lieber Gott, das bitt' ich dich:
Bleib' bei mir, hab' acht auf mich. Wilhelm Heh,
12
126
12
VIII. Der Vater im Himmel.
Ju aller en
I
Lieber Gott, mach' mich fromm,
daß ich in den Himmel komm'!
Hilf, Gott, allezeit!
Mach' uns bereit
zu der ewigen Freud'
und Seligkeit.
Verzeichnis der Verfasser.
Andersen, Hans Christian. 49. Der große Hund. — 128. Des kranken Kindes Blume.
Anschütz, Johann Christian. 133. Die Mühle.
sop. 50. Vom Hunde im Wasser. — 117. Der durstige Star. — 129. Von der Stadtmaus
und der Feldmaus.
Bechstein, Ludwig. 61. Vom Hühnchen und Hähnchen,
Brehm, Alfred. 116. Der Rabe.
Busse, Karl. 20. Schlafliedchen.
Campe, Joachim Heinrich. 48. Vom brummenden Kater.
Caspari, Heinrich. 173. Brüderchen und Schwesterchen.
Castelli. 7. Die beiden Fensterlein.
v. Chamisso, Adalbert. 168. Die Christbescherung.
Curtmann, Wilhelmn. 1. Die Sonnenstrahlen. — 18. Der Abend. — 28. Der Mai. —
40. Der Grimm des Winters. — 45. Das Fünkchen. — 56. Der Hühnerhof. — 69. Das
Nest des Rotschwänzchens. — 74. Bienchen im Frühlinge. — 92. Der Teich. — 115. Der
Stieglitz. — 131. Der Schmied. — 132. Der Schäfer. — 164. Weihnachten.
Dehmel, Richard. 57. Fragefritze und Plappertasche.
Dieffenbach, Christian. 10. Rätsel. — 12. Der Geburtstag der Mutter. — 13. Das Vöglein
in der Wiege. — 120. Das Bächlein. — 1765. Gebet.
Dinter, Christian Friedrich. 118. Der Bär und die Bienen.
Ebeling, Elisabeth. 52. Mäuschen in der Speisekammer.
Enslin, Karl. 30. Es regnet! — 66. Storch und Spatz.
Falk, Johann Daniel. 160. Die drei Feste.
Falke, Gustav. 154. Ausfahrt.
Franz, Agnes. 19. Gute Nacht!
Frapan, Ilse. 4. Nebel. — 5. Platzregen. — 14. Der Laternenanzünder. — 82. Die Hecke.
— 84. Der Graben. — 86. Die Wiese. — 124. Wie die Menschen einander helfen. —
126. Die Feuerwehr. — 134. Der Radfahrer.
Goethe, Wolfgang. 97. Gefunden. — 121. Heidenröslein.
Grimm, Albert. 53. Die kluge Maus. — 89. Die beiden Ziegen.
Grimm, Brüder. 8. Der süße Brei. — 43. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein. —
109. Der Wolf und der Mensch. — 110. Rotkäppchen. — 119. Die Sternthaler.
Groth, Klaus. 103. Matten Has'.
Güll, Friedrich. 2. Der Wecker. — 39. Das Büblein auf dem Eise. — 44. Rätsel. —
46. Vom Hunde. — 54. Vom Mäuslein. — 59. Vom Hahn. — 64. Das Böcklein. —
76. Vom Spinnlein und Mücklein. — 101. Häslein. — 114. Vom listigen Gras—
mücklein. — 141. Die Uhr. — 144. Lied vom feinen Mädchen. — 149. Der Rekrut. —
151. Der kleine Kaufmann. — 175. Gebete.
Hagenbach, Karl. 157, 6. Rätsel.
Heinemann. 41. Die kleinen Tierfreunde.
Hessel, Karl. 156. Rätsel.
Hey, Wilhelm. 6. Was ich habe. — 15. Am Abend. — 35. Die Blumen im Winter. —
63. Pferd und Sperling. — 70. Der Rabe. — 72. Die Störche. — 94. Wandersmann
und Lerche. — 112. Wer hat sie so schön gemacht? — 161. Das Christkind. — 163. Weih—
nachten. — 171. In Gottes Hut. — 172. Gott weiß. — 175. Gebete.
128 Verzeichnis der Verfasser.
Hoffmann, Heinrich, von Fallersleben. 22. Das Lied vom Monde. — 24. Winters Abschied.
— 26. Das arme Vöglein. — 26. Spiellust im Frühlinge. — 98. Das Füchslein. —
123. Rätsel. — 146. Was fang' ich an? — 147. Hänselein. — 159. Sonntag.
Hummel, August. 65. Eine Schwalbengeschichte.
Jubitz, Wilhelm. 111. Das Leben der Singvögel.
Kippenberg, A. 29. Der Sommer. — 31. Der Herbst. — 34. Der Winter. — 116. Der Rabe
Kletke, Hermann. 16. Der Sandmann. — 23. Die Jahreszeiten.
Knauth, Franz. 36. Der erste Schnee.
Krug. 55. Das Kind im Hofe.
Krummacher, Friedrich. 80. Das Nelkenbeet.
L., Gräfin. 18. Schlaflied.
Lausch, Ernst. 87. Die Ernte.
Löwenstein, Rudolf. 33. Der Vöglein Abschied. — 37. Der Schneemann. — 71. Hans und die
Spatzen. — 73. Der Storch und die Kinder. — 105. Knabe und Eichhörnchen. — 137. Was
die Tiere alles lernen. — 150. Die Kriegsrüstung in der Küche. — 174. Der Himmel.
Luther, Martin (nach Äsop). 50. Vom Hunde im Wasser. — 129. Von der Stadtmaus
und der Feldmaus.
Noll, Friedrich. 77. Der Apfelbaum. — 85. Das Veilchen. — 99. Die Hasen
Nissen, L. 127. Jahrmarkt in der Stadt.
Overbeck, Christian Adolf. 27. An den Mai.
Ortlepp, Ernst. 98. Die grüne Stadt.
Pocci, Graf. 42. Das Haus.
Pilz, Karl. 67. Meister Spatz.
Reinick, Robert. 17. Wiegenlied. — 32. Im Herbst. — 38. Der schmelzende Koch.
62. Der Spitz und die Gänse. — 78. Vom schlafenden Apfel. — 139. Versuchung.
140. Der Faule. — 162. Christkind.
Rückert, Friedrich. 96. Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt.
Scherer, Georg. 153. Schlittenfahrt. — 157, 7. Rätsel.
v. Schmidt, Christoph. 83. Die Singvögel. — 88. Der Wolf. — 167. Die Kinder an der Krippe.
Schoppe, Amalie. 156. Ein Rätsel.
Seidel, Heinrich. 81. Der Hase im Kohl.
Sutermeister, Otto. 108. Junker Prahlhans.
Theel. 60. Der Hase.
Trojan, Johannes. 68. Der Sperling im Winter. — 93. Die Kröte. — 148. Der kleine Reiter.
Uhland, Ludwig. 75. Einkehr. — 107. Der weiße Hirsch.
Unbekannte Verfasser. 47. Hund und Katze. — 51. Katze und Schwalbe. — 538. Rätsel. —
106. Hirschlein. — 122. Im Lande der Riesen und Zwerge. — 169. Wie der Kaiser
einmal Weihnachtsmann war.
Volkmann, Richard. 91. Goldtöchterchen.
Volksmund. 9. Vom Essen und Trinken. — 11. Rätsel. — 21. Gute Nacht. — 79. Rätsel.
— 90. Marienwürmchen. — 102. Jäger und Hase. — 135. Höflichkeit und Bescheiden—
heit. — 136. Vom Lügen und Stehlen. — 138. Arbeit und Müßiggang. — 142. Der
kleine Stüdent. — 145. Vom Lernen. — 152. Jockel. — 155. Allerlei Kinderreime. —
157, 125. Allerlei Rätsel. — 158. Die Laterne. — 165. Lied vom Weihnachtsmann. —
166. Wihnachnabend.
Widmann. 3. Der Landmann am Morgen.
Wagner, Hermann. 100. Vom Hasen. — 104. Das Eichhörnchen und die Knaben. —
143. Bube und Bock.
Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S.
Lipsins & Tischer, Verlags- und Boartimentsbuchhandlung
Kiel und Leipzig.
Soeben erschien in unserem Verlage:
222 *
Lesebuch für Handwerkerschulen, gewerbl. Fortbildungs—
und Fachschulen.
Zugleich ein Hausbuch zur Selbstbelehrung
von
J. F. Ahrems, Direktor der Gewerbeschule in Kiel.
Sechste, verbesserte und vermehrte Auflage.
Mit einem Anhang: Geschäftsaufsütze und Geschüftsbriefe.
684 Seiten gr. 809. Mit 273 Abbildungen im Text und auf 19 Tafeln. Elegant gebd. 3 Ml
Aus den Bedürfnissen der gewerblichen Fortbildungsschulen erwachsen und nach des Verfassers Absichten bestimmt,
an diesen und derwandten Austalten Grundlage ünd Mitllelpunkt des Unterrichts im Deutschen zu werden, ist das vorliegende
Zesebuch bereits mit bestem Exfolge an vielen een und Fachschulen, welche bis dahin lediglich auf die alten
stereotypen Lesebücher e aren, eingeführn Das elbe bezweckt, dem deutschen Händwerker bei seiner Arbeit zu dienen
und ist daher in erster Linie für den strebsamen Handwertker bestimmt. Doch auch als vorzügliches Hausbuch in der Familie
mnes jeben Gewerbetreibenden, der sich über einschlägige Fragen auf dem Gebiete des Handwerks, der Kunst und des Handels
Austunft berschafsen will, hat sich das Werk längst g bewährt. Die Stoffe sind auf das sorgfältigste ausgewählt und
gemaß borwiegend bemn gewerblichen und industriellen Leben entnommen. Sie sind geeignet, den nnn des an⸗
gehenden Handwerters nach allen Richtungen zu erweitern und ihn mit dem erhebenden vntn des Wertes seiner Arbeit
u erfüllen. Denn technische Fertigkeiten llein machen noch nicht den Gewerbsmann der Gegenwart, sondern Sinn und Ver—
lnd s fuͤr die Fortschritte der Gegenwart. Darum will das Buch Lehrling, Gesell und Weister anfeuern, unterrichten und
inleiten, jene Höhe zu erklimmen, auf der der Mensch im innern Herzen spuͤrt, was er erschafft.
Der guhalt gliebert fich in drei grobe Abschnitte: Bilder aus dem Leben, Kulturbilder aus Welt und Werkstatt und
Bilder aus der valerlndischen Geschichte. Neben interessanten Schilderungen von Land und Leuten, der bedeutendsten Er—
sndungen, der Vertehrmittel aus alter und neuer Zeit, der großen Industrie⸗, Kunst⸗ und Handelsplätze der wichtigsten Er—
lignisse aus der Geschichte 2c. fesseln den Leser votnehmlich die Biographien großer Männer der Wissenschaft, Künst und
Jubustrie Zahlreiche Wbildungen exleichtern die Auffassung und fördern das Verständnis. Eine besonders angenehme
Zugabe bildet der von der vierten Auflage an hin ugekommene Anhang, der eine reichhaltige Sammlung von Geschäftsaufsähzen
Und Geschäftsbriefen enthält. a
Me ele Auflage ift vollständig durchgearbeitet und durch Einfügung von 39 neuen Stücken, vielen Textabhildungen
und 19 Tafeln verbessert worden. Der bescheidene Preis ermöglicht die allgemeine Einführung in Gewerbe- Fortbildungs—
und Fachschulen und erleichtert die Anschaffung des Wertes auch für Unbemittelte, sowie zu Prämienzwecken.
Nachstehend einige Auszüge aus schriftlichen Gutachten und Kritiken in Zeitschriften:
Bellardy, Rektor, Vorsteher der 12. städtischen Fortbildungsschule, Berlin W. Steinmetzstr. 79.
„Die Vorzüge des Buches sind so mannigfaltig, daß ich darauf verzichten muß, sie einzeln herzuzählen.
Ausstattung sind vorzüglich. Ueber den Inhalt, die Äuordnung und Vertellung des Stoffes 3 e
Das Buch ist eben mustergültig; ich tann mir etwas Besseres nicht denken. Ich werde selbstverständlich nicht verfehlen, für
ne Verbreitung nach Kraften zu sorgen, auch die Behörde dafür zu erwärmen
Se. Exc. Kultusminister von Goßler zu Berlin.
„Das Werk ist als ein brauchbares Unterrichtsmittel für gewerbliche Forthildungsschulen und Fa le
welches allh bon Schulern höherer Lehranstalten mit Nutzen wird gelesen werden können.“ h sahlchnlen ourieben
Max Wekwerth, Lübeck.
Das Werk, das ich seit meiner hiesigen Amtsthätigkeit im deutschen Unterrichte benutzen lasse, halte i i iü
das beste dieser Art. Die n der neuen Auflage durch Belehrungen aus der nn lae bun. n n
wieder neue Freunde zuführen.
Aus einer Besprechung der „Itzehoer Nachrichten“ 1889 Nr. 114.
Das Werk hat bei seinem zweiten Gange an Umfang und innerem Gehalt sehr gewonnen, und ist
eine fördlde Lektüre. Es sei daher nicht nur den Fortbildungs⸗ und en sondern! auch ene n
Denen empfohen, die sich über die mannigfaltigsten Gewerbthätigkeiten alter und neuer Zeit unterrichten wollen, besonders den
dandwerlern Die Verlagsbuchhandlung hat ihr Bestes gethan? Papier. Druck, Illusträtion. Einband — Alles N boralich.
Aus einer Besprechung der „Werkstatt“ 1889 Nr. 41.
Es ist dieses Buch vielleicht das Beste in seiner Art, so vollständig, schön und abgerundet,
den angehenden Gewerbtreibenden angeht. Wir können dasselbe allen ee rn enn ut l
fortbildenden Gewerbsmann dringend empfehlen. Er wird es mit Interesse immer von Neuem lesen.“
Aus einer Besprechung der „Bayr. Gewerbezeitung“ 1889 Heft 15.
„Dieses in zweiter Auflage erschienene Lesebuch verdient seines gediegenen Inhalts wegen die Aufmerksamkeit aller
Fachkreise Und aller Familien. Die bei der Auswahl der einzelnen Erzählungen und Abhandl ü S
das größte Lob und wünschen wir dem Buche die weiteste e g haden enbte rrcsahr verdiet
Aus einer Besprechung des „Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen“ 1889 Heft 15.
Das Lesebuch dürfte sich nicht allein vorzliglich als Lesebuch für Fortbildungsschulen ei
genehm ünterhaltendes und zugleich belehrendes Buch jedem Handwerker und enn n n n
der wissenschaftlich gebildete Leser wird es nicht bei Seite legen ohne ihm manchen wirklichen Genuß zu berdanken. Nament—
t in eee r rlrnn e en seine Anschaffung für Lehrer- und Volls—
ildun gentlich empfohlen sein. Der geringe Preis erleichtert di i i i
n in nsnente en gering ichtert die Anschaffung des stattlichen, mit zahlreichen
Von Direktor J. F. Ahrens sind in unserem Verlage ferner erschienen:
S5 2
Rechenbuch für Handwerkerschulen
und gewerbliche Fortbildungsschulen.
Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. 114 Seiten gr. s89 Mit 59 Figuren. Kartonniert. Preis M 1.—
Resultate 28 Seiten gr. s M. — 50
Die vorliegende Aufgabensammlung für das praktische Rechnen in gewerblichen Fortbildungsschulen ist aus lokalen
Verhältnissen erwachsen und diesen Charakter hat der Versasser absichtlich nicht ganz verwischen wollen Es iind in demselben
die Handels- und Verkehrsverhältnisse eines Ortes zum Ausgangspuntt und zur Grundläge der Üebungen gemacht worden,
um dem Rechenunterricht das Gepräge innerer Wahrheit zu geben. Ein frischer Hauch der Wirklichleit durchsieht diese
gabensammlung, welcher geeignet ist, das Interesse der Schüler zu wecken und lebendig zu erhallen. In urster Anie für
Handwerkerschülen, sowie gewerbliche Fach- Und Fortbildungsschulen bestimmt und bereils nit bestem Erfolge an vielen der—
axtigen Anstalten eingeführt, ist das Ahrens sche Rechenbuch, ähnlich dem Lesebuch desselben Verfassers ein schähbares Unler—
richts- und Belehrungsmittel für weitere Kreise, speziell für Handwerker. Die für den Gewerbelreibenden in Belraht ommende
Rechnungsführung ist im ganzen Lehrgange berücksichtigt und war so, daß der Lernende mit stets wachsendem Intereffe nach
und nach in das prattische Rechnen der verschiedenen Handwerks und Gewerbsbranchen eingeführt wird.
Das Rechenbuch enthält gegen 1000, mit großer Sorgfalt zusammengestellte Aufgaben zum Rechnen mit großen Zahlen,
mit gewöhnlichen und Dezimalbrüchen, zur Regeldetri, Zins-, Rabatt- und Diskontrechnung, zu Rechnungen und Lohn
berechnungen, zu Kostenanschlägen und zur Arbeiterversicherung, zur Flächen- und Körperberechnung und zu Baurechnungen.
Als Anhang sind eine Tafel der Zinsfußpotenzen, sowie Münz, Maß- und Gewichtstabellen beigegeden. In jedem Abschnitte
sind die Aufgaben so zusammengestellt, daß ein Teil derselben für das Kopfrechnen zu verwenden ist
Die innere und äußere Ausstattung des Werkes ist seinem Zweck entsprechend gediegen, der Preis ein äußerst wohl—
feiler. Die Anschaffung des Ahrens schen Rechenbuches sei daher weltesten Kreisen angelegentlichst empfohlen
Nachstehend einige Auszüge aus Kritiken in Zeitschriften:
Aus einer Besprechung der „Deutschen Schulzeitung“ 1899, Nr. 50.
„Das mit großer Sorgfalt zusammengestellte Rechenbuch bringt fast durchweg Aufgaben aus dem praktischen Leben.
Dasselbe dürste sich nicht allein in Gewerbe- ünd Fortbildungsschulen, sondern auch in weltteren Kreisen Eingang verschaffen
Die dem Text beigefügten Figuren sind klar und Übersichtlich. Ausstattung und Druck sind einfach und gut. Wir nnen
das Werk bestens empfehlen.
Aus einer Besprechung der „Kieler Zeitung“ 1888, 12. Ottober.
„Die langjährige Ersahrung des Auors zeigt sich sowohl in der ganzen Anlage des Wertes, wie auch in der
axdnung der einzelnuen Ansgaben. Allen Gewerbeschülen und ähnlichen Austalten fei das Buch auf ds Wärnste empfohlen.
Wir unterrichten bereits ein Jahr nach dem Manuskript, aus eigenster Erfahrung tommt daher diese Empfehlung.“
Aus einer Besprechung im „Pädagogischen Litteratur-Blatt“.
frischer Hauch der Wir!ichtein durchzieht diese Aufgabensammlung und ist unser Gesamturteil über dieselbe ein
vorzügliches.“ ß
Aus einer Besprechung im „Pädagogischen Jahresbericht“ Bd. 42
„Wir müssen das Buch nicht bles gür die im Titel angegebene Stufe als einen äusgezeichneten Lehrbehelf ertlären;
sondern wir sind überzeugt, daß man von demselben auch an anderen Schulen zur Belebung des Unterrichts mittelst ein⸗
gekleideter Aufgaben sehr vorteilhaft wird Gebrauch machen können.“
Buchstabenrechnung und Algebra
für gewerbliche Fortbildungs- und Fachschulen, Handwerkerschulen, sowie zum
Selbstunterricht.
1. Hest Buchstabenrechnung im Allgemeinen, 2. Auflage, kart. 50 Pfg. 2. Heft Gleichungen 1. Grades, 2. Auflage,
kart. 60 Pfg. 3. Heft Potenz und Wurzelrechnung, Gleichungen 2. Glades, Logarikhmen, kart 80 Pfg.
Die für gewerbliche Unterrichtszwecke herausgegebenen Lehrmjttel des Herrn Direktor Ahrens in Kiel erfreuen sich
bei dessen Fachgenossen großer Beliebtheit. Die jett vorliegende Mgebra ist deshalb auch schon vor vollständigem Erscheinen
sofort an größeren Gewerbeschulen eingeführt wörden.
Nachstehend einige Auszüge aus schriftlichen Gutachten:
—— Thormählen, Dirigent der gewerblichen Fortbildungsschule zu Hanau.
Mir ist kein Lehrbuch der Algebra bekannt, das in der Auswahl des Stoffes den Bedürfnissen unserer Handwerker—
shulen so augepaßt ist wie das Ahrens'sche. Ich glaube, daß das Wert rasch Äufladme finden wird, um so mehr, da der
Preis desselben ein niedriger ist.
2 2 8 1
Aldenburger, Ingenieur und Dirigent der städt. gewerbl. Fortbildungsschule zu Bochum.
Nach Prüfung des äußerst prattisch angelegten Werlkes bin ich zu dem Resultat n daß ich in eigenem Interesse
handle, wenn ich das Buch in meinem Unlerrichte, den ich seit 17 n in der Fortbildungsschule hier erteile, benuhe und
den Schülern empfehle.
———— Enke, Gewerbeschulinspektor, Dresden.
2* Iubem ich für gefl. Zusendung der Buchstabenrechnung und Algebra von Ahrens“ meinen besten Dank ausspreche.
teile ich Ihnen mit, daß ich in unseren gewerblichen Schulen n die fleißige Arbeit des von mir hochgeschäßten Autors außn
merksam machen werde.
Ferner ist in unserem Verlage erschienen:
2
VPrwyjekltionslehre
für Handwerkerschulen, gewerbliche Fortbildungsschulen, sowie zum Selbstunterricht
von
J. Vreoter, Lehrer an der Gewerbeschule in Kiel.
Mit einem Vorwort von J. Fr. Ahrens, Direktor der Gewerbeschule in Kiel.
22 S. gr. 80 und 16 Tafeln. Kartonniert. Preis M. — 50.
Das Heft reiht sich den Ahrens'schen Lehrbüchern würdig an; in der kurzen Zeit seit Erscheinen ist es bereits in ver⸗
schiedenen Schuͤlen eingeführt worden.
In unserem Verlage sind ferner erschienen:
2 2
Die einfachen Tischlerarbeiten.
Erster Teil: Ein Lehrgang für das Fachzeichnen der Bautischler in gewerblichen
Fortbildungsschulen.
Von M. Pries, Architekt und p. t. Lehrer an der Gewerbeschule in Kiel.
Mit einem Vorwort von Direktor J. Fr. Ahrens.
20 Tafeln in gr. 49. Preis M. 1.20.
Die einfachen Zimmerkonstruktionen.
Ein Lehrgang für das Fachzeichnen der Zimmerer in gewerblichen Fortbildungs—
schulen.
Von U. Pries, Architekt und p. t. Lehrer an der Gewerbeschule in Kiel.
Mit einem Vorwort von Direktor J. Fr. Ahrens.
18 Tafeln in ar. 49 —Rreis M. 120
Deutsches Uebungsbuch.
Sammlung von Beispielen zur festen Einübung der Fall- und Zeichensetzung,
für Fortbildungsschulen und verwandte Anstalten zusammengestellt
von J. Schwenmn, Lehrer in Kiel.
2. Auflage. — Preis: Gebunden A. 1.40.
Das Buch ist zunächst für Anstalten hestimmt, welche junge Leute für ein praktisches Examen (z. B. für das Postfach,
vorbereiten sollen und denen daran gelegen ist, die ihren Zöglingen beim Eintritt größkenteils noch aänhaftende Unsicherheit
in der deutschen Fall- und Zeichensehung in möglichst kurzer Zeit zu beseitigen. Zudiesem Behufe giebt es eine Reihe von
Abschnitten zur Deklinativn, Konjugation, Satzlehre und Zeichensetzung, Rektidn und zwar je Beispiele, Erklärüngen,
Regeln, Uebungsbeispiele, und am Schlusse der Gesamtanwenduüng eine größexe Zahl längerer Uebungsäufgaben. Das
sorgfällig gewählte, wohlgeordnete, reichhaltige Material läßt sich auch als Stoff für den Grammatikunterricht verwenden
die Schlußlübunnaen können zu Aufsatzzwecken dienen
Das Wichtigste aus der Linear-Perspektive
zur Erleichterung der Kontrolle beim Modell-Zeichnen.
Von U. U. Vogt.
Mit 2 lithographierten Tafeln. — Preis M. 60.
Schiffs- und Bootsbaukonstruktionen.
Ein praktischer Lehrgang für das konstruktive Fachzeichnen der Schiffs- und
Bootsbauer an technischen Fachschulen und gewerblichen Fortbildungsschulen
von O. Wann p.
Marine-⸗Werftsekretär fürs Konstruktions-Bureau und z. Z. Lehrer an der Gewerbeschule in Kiel.
Mit einem Vorwort von Direktor J. Fr. Ahrens.
44 Tafeln in Quer-Folio. Kartonniert. Vreis M. 4.
Der Herausgeber dieses Lehrgangs der seit nahezu 20 Jahren den Unterricht im Fachzeichnen für Schiffbauer an
der Gewerbeschule zu Kiel erteilt, hat auf Grund der vielsährigen Erfahrung den Stoff so ausgewählt, daß er genügt, die
Schüler, die der Mehrzahl nach füt die praktische Arbeit auf dem Werftplatze ausgebildet werden sollen, so weit zu fördern,
daß sie die auf ihrem Arbeitsgebiet vorkommenden Werkzeichnungen verstehen und in sachgemäßer Weise danach arbeiten
können. Aber auch weiter strebende Schüler werden in dem Werke noch ausreichenden Lehrstoff und schätzenswertes Uebungs
material an Konstruktionen auf dem Gebiet des Schiffs-c, Macht- und Bootsbaues finden und es zu ihrer eigenen Förderung
im konstruktiven Zeichnen verwenden können.
Die einfachen Schiffbaukonstruktionen.
Ein Lehrgang für das Fachzeichnen der Schiffbauer in gewerblichen
Fortbildungsschulen
von
O. Vaap,
Marine⸗Werftsekretär für's Konstruktions⸗Büreau und 3. Zt. Lehrer an der Gewerbeschule in Kiel.
Mit einem Vorwort von Direktor J. Fr. Ahrens.
20 phototypische Tafelu in klein 40. — Preis M. 1.20
4