115 180. Das Reh. GKaup) Das Reh ist im Sommer rotbraun, im Winter rötlichgrau mit weißem Spiegel an dem hintern Teil der Schenkel; an jeder Seite der schwarzen Oberlippe ist ein weißer Fleck; das Kinn ist weiß, an der Kehle befindet sich auch ein weißer Fleck. Die Jungen sind gefleckt. Man findet, allein selten, weiße, gescheckte, auch fast schwarze Rehe. Das Geweih ist vielfachen Ver— änderungen unterworfen; bald kommen fast alle Enden als Spieße über der Rose zugleich zum Vorschein, bald krümmen sich beide Stangen als Knorren gleich über der Rose nach unten. Das weibliche Tier, Rehgeiß, Geiß oder 10 Ricke, hat einen schmäleren Kopf, längeren, dünneren Hals und schlankeren Körper, und trägt den Hals beständig niedrig. Der Bock erreicht eine Länge von 140 und eine Höhe von 80 Centimeter. Das Reh wird zwölf bis sechzehn Jahre alt. Zu seinem Aufenthalte liebt es etwas gebirgige oder wenigstens hochge⸗ legene Gegenden. Niedrige, sumpfige Orte sind ihm zuwider. Am liebsten sind 15 ihm lichte Schläge, die einen schlechten Boden haben, wo Brombeersträuche im Überflusse wachsen, und die an Saatfelder stoßen. Das Reh ist ein munteres, um vieles aufgeweckteres Tier als der Hirsch, auch reinlicher, da es sich nie in Pfühlen wälzt, wie dieser. Seine vollen, glänzenden Augen beseelt ein Feuer, das ganz mit seinen raschen Bewegungen und seiner Leichtigkeit im Springen übereinstimmt. Es ist listiger und viel flüchtiger als der Hirsch; und dies mag wohl dazu beigetragen haben, daß seine Art an vielen Orten noch vorkommt, wo der Hirsch längst ausgerottet ist. So sehr es bergige Anhöhen liebt, so findet es sich doch nicht auf hohen Gebirgen und fehlt daher auf den Alpen gänzlich. Seine Fährte hinterläßt eine viel stärkere Witterung, welche die Hunde im Verfolgen hitziger macht, als die des Hirsches; allein durch die Flüchtigkeit seines ersten Laufs läßt es den Hund bald hinter sich und weiß durch mannig— faltige Umwege die Hunde irre zu führen; auch pflegt es gleich bei frischen Kräften zur Ast seine Zuflucht zu nehmen; ist es aber entkrästet, so verdoppelt 30 es seine Kreuzsprünge, macht mitten im Lauf einen starken Absprung zur Seite, drückt sich, wie ein Hase, nieder und läßt die ganze Meute seiner aufgehetzten bellenden Feinde an sich vorüberziehen. Wenn ihm der Wind entgegenkommt, wittert es den Menschen auf dreihundert Schritte; und wenn man. ihm unver⸗ mutet aufstößt, stutzt es im ersten Augenblick, ist dann aber wie der Blitz davon, in welchem Falle der Bock ein Bellen hören läßt, welches der Jäger schmälen nennt. Dieser Ton schallt weit und wird dreimal wiederholt. Die Jungen, Kitzen, geben klagende Töne von sich, die, nachgeahmt, die Ricke bis vor den Jäger locken können. Der Bock tritt beim Ausgang aus dem Wald zuerst mit halbem Leibe aus 40 dem Gehölze, wittert, ob keine Gefahr für seine Famlie vorhanden ist und geht zuletzt in den Wald zurück. In der Gefahr läßt die Mutter sich für ihre Jungen jagen, die sie ins Gestrüpp verborgen hat, und weiß geschickt die Feinde abzulenken, um auf weiten Umwegen zu ihren Jungen zurückzu— kehren. Allein trotz aller List wird dennoch manches Junge teils von Menschen, 45 teils von Raubtieren gefangen. In einem Schlage findet man gewöhnlich eine 2