127 geschäftiger Eile kommen sie herbei, um den hungrigen Kleinen Nahrung zu reichen, und leiden lieber selbst Mangel, wenn nur ihr Pflegling keine Not leidet. Nach zehn bis vierzehn Tagen spinnt sich das Würmlein ein weißes Sterbe⸗ hemdchen, um sein bisheriges Wesen mit einem besseren zu vertauschen. Aus der Made wird in der weißen Hülle eine Puppe. Aufmerksamer können die Kindermägde nicht sein, als es die Arbeiter gegen die Puppen sind, deren Wartung ihnen gleichfalls obliegt. Ist schöner Sonnenschein, so tragen sie dieselben mit ihren nur an schwere Arbeit gewöhnten Kiefern so behutsam vor die Thore der Stadt, als ruheten die verwaisten Püppchen in den zartesten 10 Armen. Regnet es, so kommt alles in Thätigkeit; jeder rennt mit einer Puppe in den Armen, die er ins Trockene der Wohnung flüchtet. Auch hier begeben sie sich mit ihnen, je nach der Witterung, bald nach oben, bald nach unten. Bei solcher Pflege entwickelt sich die Puppe, die weder Speise noch Trank zu sich nimmt, im Sonnenschein allmählich zur Ameise. Ist die Zeit gekommen, daß das Gespinst zerrissen werden muß, so sind auch die immer geschäftigen Arbeiter gleich mit ihrer Hilfe da. Unerklärlich bleibt's, wie sie den geeig— neten Standpunkt wissen können. Drei bis vier Arbeier setzen sich zu rechter Zeit auf das seidene Gewebe der Puppe, zerbeißen an der Stelle, wo der Kopf liegt, mit der scharfen Schneide ihrer Kiefer die Fäden, einen nach dem an— deren, und enthüllen den Kopf des Gefangenen. Haben sie den Ankömmling von der äußersten Hülle befreit, so ist ihm noch ein zweites, taffetartiges Häutchen abzunehmen. Mit der größten Sorgfalt befreien sie ihn auch von dieser Fessel. Fühlhörner, Kopf, Füße werden behutsam einzeln entblößt; dann werden die Überbleibsel der Hüllen gesammelt und in die fernsten Räume der Wohnung auf die Seite geschafft. Da gewöhnlich eine Menge junger Ameisen zu gleicher Zeit ausschlüpft, so entsteht dann eine große Thätig- keit im Haufen. Es fehlt auch nicht an Beispielen, daß die Arbeiter den Jungen in den ersten Tagen, wo sie das elterliche Haus verlassen, auf Sträuchern und Kräutern liebend nachklettern, um ihnen, wenn es notthut, zur 30 Hilfe nahe zu sein. Die Wohlfahrt und die Erhaltung des jungen Geschlechtes ist das Band und das Gesetz, welches alle Tierstaaten zusammenhält. Unbe— wußt bauet und arbeitet die Ameise an der Wohnung, hegt und pflegt sie die Jungen, und schon längst würde dieses Geschlecht aus dem Reiche der Tiere verschwunden sein, wenn sie unbekümmert für die Nachkommen leben 35 wollten. Um die Gattung zu erhalten, stattete die Natur sie mit den herr— lichsten Gaben aus, mit Lust zur Arbeit und mit zartem Gefühl für die Jungen. Wehe aber auch dem Feinde, der sie in ihrem Thun und Treiben stört) Kühn treten sie ihm entgegen, trotzig sperren sie die Mäuler auf und setzen sich mit ihren Kiefern zur Wehr. Sie sind bereit, Gut und Blut ein- 40 zusetzen und sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen. Rührend ist es, zu sehen, wie sie bei einer herannahenden Gefahr sich ganz vergessen und nur an die Jungen denken. Diese werden zuerst in Sicherheit gebracht. Hunderte eilen sogleich herbei, um sie über Berg und Thal zu schleppen. Nicht selten geschieht es, daß eine Ameise, die durch den Feind in zwei Teile zerstückelt 45 wurde, mit der Puppe zwischen den Kiefern noch weier renni, während ihr der Hinterleib fehlt. 5