129 —*— 197. Die drei Bergleute im Kuttenberg. Eage. — Brüder Grimm.) In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute lange Jahre und verdienten damit für Frau und Kinder das Brot ehrlich. Wann sie morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr Gebetbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Ol versehen, drittens ihr bißchen Brot, das reichte auch nur auf einen Tag. Ehe sie die Abeil anhuben, thaten sie ihr Gebet zu Gott, daß er sie in dem Berge bewahren möchte, und danach fingen sie getrost und fleißig an zu arbeiten. Es trug sich zu, als sie einen Tag gearbeiter hatten und es bald Äbend war, daß der Berg 10 vornen einfiel und der Eingang berschüttet wurden Da meinten sie begraben zů sein und sprachen: „Ach Gott! wir armen Bergleute, wir müssen nun Hungers sterben! Wir haben nuͤr auf einen Tag Brot zu essen und einen Tag Ol auf dem Licht!“ Nun befahlen sie sich Gott und dachten bald zu sterben; doch wollten sie nicht müßig sein, so lange sie noch Kräfie hätten, arbeiteten fort und 15 fort und beteten. Also geschah es, daß ihr Licht sieben Jahr brannte und ihr kleines bißchen Brot, von dem sie tagtäglich aßen, ward auch nicht all, sondern blieb eben so groß, und sie meinten, die sieben Jahre wären nur ein Tag. Doch da sie nicht ihr Haar schneiden und den Bart abnehmen konnten, waren diese ellenlang gewachsen. Die Weiber hielten unterdessen ihre Männer für tot, meinten, 20 sie würden sie nimmer wiedersehen, und dachten daran, andere zu heiraten. Nun geschah es, daß einer von den dreien unter der Erde so recht aus Herzensgrund wünschte: „Ach, könnte ich noch einmal das Tageslicht sehen, so wollt' ich gerne sterben! Der zweite sprach: „Ach, könnte ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tische sitzen und essen, so wollt' ich gerne ster⸗ ben!“ Da sprach auch der dre; „Ach, könnt' ich nur noch ein Jahr fried⸗ lich und vergnügt mit meiner Frau leben, so wollt ich gerne sterben!“ Wie sie das gesprochen hatten, so krachte der Berg gewaltig und übermächtig und sprang von einander. Da ging der erste hin zu dem Ritz und schaute hinauf und sah den blauen Himmel, und wie er sich am Tageslicht gefreut, sank er 30 augenblicklich tot nieder. Der Berg aber that sich immer mehr von einander, also daß der Riß größer ward; da arbeiteten die beiden andern fort, hackten sich Treppen, krochen hinauf und kamen endlich heraus. Sie gingen nun fort in ihr Dorf und ihre Häuser und suchten ihre Weiber, aber die wollten sie nicht mehr kennen. Sie sprachen: „Habt ihr denn keine Männer gehabt?“ „Ja,“ 85 antworteten jene, „aber die sind schon sieben Jahre tot, und liegen im Kutten⸗ berg begraben!“ Der zweite sprach zu seiner Frau: „Ich bin dein Mann!“ aber sie wollte es nicht glauben, weil er den ellenlangen Bart hatte und ganz unkenntlich war. Da sagte er: „Hol mir das Bartmesser, das oben in dem Wandschrank liegen wird, und ein Stückchen Seife dazu.“ Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich, und als er fertig war, sah sie, daß es ihr Mann war. Sie freute sich herzlich, holte Essen und Trinken, so gut sie es hatte, deckte den Tisch, und sie setzten sich zusammen hin und aßen vergnügt mit einander. Wie aber der Mann satt war und eben den letzten Bissen gegessen hatte, da fiel er um und war bon Der dritte Bergmann wohnte ein ganzes Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammen; als es herum war, zu derselben Stunde aber, wo er aus dem Berge gekommen war, fiel Gabriel u. Supprian, Lesebuch. J. 5