217 — erhabenen Großvater recht eindringlich als leuchtendes Vorbild vor Augen zu stellen. Auf die überaus zahlreichen Glückwünsche antwortete der glückliche Vater in herzlichster Dankbarkeit mit dem Gelöbnis: „Wenn Gott meinem Sohn das Leben erhält, so wird es meine schönste Aufgabe sein, denselben in den Gesinnungen und Gefühlen zu erziehen, welche mich an das Vater— land ketten.“ Dies Versprechen ist treu gehalten worden. Die hohen Eltern nahmen es mit der körperlichen und geistigen Erziehung ihres Sohnes ungemein ernst. Leib und Seele sollten in voller Gesundheit erblühen; kräftig sollte der Körper, klar der Geist, warm das Herz und fest der Wille werden. Die Kindheit des jungen Prinzen war eine außerordentlich glückliche. In der mustergültigen Häuslichkeit des kronprinzlichen Paares waltete das reinste Familienglück. Die Eltern waren dem Sohne das beste und edelste Vorbild; beide scheuten keine Anstrengung, um die gulen Keime, die in dem kleinen Prinzen lagen, zur schönsten Entfaltung zu bringen. Bis zu seinem sechsten Lebensjahre war Prinz Wilhelm ganz den Händen seiner vortrefflichen Mutter anvertraut, die kein größeres Glück kannte, als sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Dann erhielt er einen militärischen Erzieher, der die Aufgabe hatte, ihn exerzieren zu lassen und ihn zu einem tüchtigen Soldaten heranzubilden. Als Lehrer wurde Dr. Hinzpeter angestellt, ein Mann, der sich durch reiche Kenntnisse, großes Lehrgeschick und trefflichen Charakter auszeichnete. Unter seiner Leitung und t unterrichteten den Prinzen auch noch andere besonders tüchtige Lehrer. „Wer befehlen will, muß zuerst gehorchen lernen!“ Prinz Wilhelm und sein am 14. August 1862 geborner Bruder Heinrich haben gehorchen gelernt. Der Vater gab den Lehrern die Weisung: „üben Sie nur keine Rücksicht oder Nachsicht bei den Knaben; seien Sie streng mit ihnen! Sie wollen etwas lernen und müssen etwas lernen!“ Der Unterricht wurde nach einem genauen Stundenplan erteilt, damit der Prinz sich schon in frühester Jugend an Ordnung und Pünktlichkeit gewöhne. Die Stunden begannen im Sommer häufig schon um 6 Uhr morgens. In den Frei— stunden wurden körperliche Übungen — Turnen, Laufen, Schwimmen, Kahnfahren, Reiten und Exerzieren — vorgenommen. Prinz Wilhelm war sehr begabt, er lernte leicht und gern. Dagegen bereiteten ihm die körperlichen Übungen zuerst viele Schwierigkeiten, und nur durch eine große und staunenswerte Willenskraft gelang es ihm, seine anfängliche Schüchternheit und Unbeholfenheit gänzlich zu überwinden. Es war eine Freude zu sehen, wie Prinz Wilhelm mit seinem Bruder Heinrich und seiner Schwester Charlotte im Garten des Schlosses Friedrichskron bei Potsdam spielte und turnte, oder sich in Bornstedt, einem Gute seines