103 Und dieses Ungeheuer Hat zweimal nie gedroht; Es stirbt im eignen Feuer, Wie's tötet, ist es tot. 104. Die Geschichte des alten Wolss. 1. Der böse Wolf war zu Jahren gekommen und faßte den gleisenden Entschluß, mit den Schäfern auf einem gütlichen Fuße zu leben. Er machte sich also auf und kam zu dem Schãäfer, dessen Hüurden seiner Hoͤhle die nächsten waren. „Schäfer,“ sprach er, du nennst mich den blutgierigsten Räuber der ich doch wirklich nicht bin Freilich muß ich mich an deine Schafe halten, wenn mich hungert; benn Hunger tut weh. Schütze mich nur vor dem Hunger, mache mich nur satt, und du sollst mit mir recht zufrieden sein Denn ich bin wirklich das zahmste, sanftmütigste Tier, wenn ich satt bin „Wenn du satt bist? Das kann wohl sein,“ versetzte der Schafer. Wer wann bist du denn satt? Du und der Geiz, ihr werdet es nie. Geh' deinen Weg!“ 2 Der abgewiesene Wolf kam zu einem zweiten Schäfer. Du weißt, Schäfer,“ war seine Aurede, „daß ich dir das Jahr durch manches Schaf würgen könnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr sechs Schafe geben, so bin ich zufrieden. Du kannst alsdann sicher schlafen und die Hunde ohne Bedenken abschaffen.“ „Sechs Schafe!“ sprach der Schäfer „Das ist ja eine ganze Herdel · „Nun, weil du bist, so will ich mich mit fünfen begnügen,“ sagte der Wolf „Du scherzest; fünf Schafe!“ „Auch nicht dier?“ fragte der Wolf heuer; und der Schäfer schüttelte spöttisch den Kopf. „Drei? Zwei?“ icht ein einziges,“ fiel endlich der Bescheid „Denn es wäre ja wohl köricht, wenn ich mich einem Feinde zinsbar machte, vor velchem ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann.“ 3. Aller guten Binge sind drei, dachte der Wolf und kam zu einem dritten Schäfer. „Es geht mir recht nahe,“ sprach er, daß ich unter euch Schäfern als das grausamste, gewissenloseste Tier ver⸗ schrieen bin. Dir, Martin, will ich jetzt beweisen, wie unrecht man ir lun Gib mir jährlich ein Schaf, so soll deine Herde in jenem Walde, den niemand unsicher macht als ich, frei und unbeschädigt weiden dürfen. Ein Schaf, welche Kleinigkeit! Könnte ich groß⸗ muͤtiger, könnte ich uneigennütziger handeln? Du lachst, Schaͤfer? Woruͤber lachst du denn?“ „O, über nichts! Aber wie alt bist du guter Freund?“ sprach der Schäfer. „Was geht dich mein Alter u? Immer noch jung genug, dir deine liebsten Lämmer zu wuͤrgen.“ Erzuͤrne dich nicht, alter Jsegrim. Es tut mir leid, daß du mit Leinem Vorschlage einige Jahre zu spät kommst. Deine ausgebissenen Zãhne verralen dich. Du spielst den Uneigennützigen, bloß um dich Isso gemächlicher, mit desto weniger Gefahr nähren zu können.“