90 137. Ein armes Kind zu Weihnachten. 138. Der Weihnachtsabend. 137.* Ein armes Kind zu Weihnachten. 1. Slill, was schleicht dort so alleine, 3. „Welch ein Glanz dort in den Buden! jammert dort in Frost und Wind? Alles hunt im Lampenschein! Seh' ich recht im Mondenscheine, War's wohl Spott? die Leute luden ists ein schmächtig, blasses Kind. freundlich mich zum Kaufen ein. 2. Traurigschlüpft es durch die Gassen, 4. Aber leer sind meine Taschen, leicht und dünn ist sein Gewand, trockne Rinden hab' ich kaum; irrt so unstät und verlassen, alles darf sich freun und naschen, niemand führt es an der Hand. doch wer schmückt für mich den Baum?“ 138. Der Weihnachtsabend. Eines Tages, kurz vor dem Weihnachtsabend, plauderte die kleine Karoline mit Minchen. Karolinens Eltern waren reiche Leute, die viel Geld, ein schönes Haus und Wagen und Pferde besaßen; Minchens Eltern waren arm und wohnten in einer kleinen Hütte. „Minchen,“ sagte Karoline, „morgen ist Weihnachten, und da bringt mir das liebe Christkind viele, viele wunderschöne Sachen, Kleider und Hüte und Spielzeug eine ganze Menge. Weißt du denn, was es dir bringen wird?“ „Ach, mir wird es wohl nichts schenken,“ sagte Minchen traurig; „mein Vater ist arm und hat kein Geld, also kann er mir keine Freude machen. Wenn du und andere Kinder um den Weihnachts— baum herumtanzen, auf dem so viele Lichter brennen, dann muß ich zu Hause in der dunklen Stube sitzen und habe nichts, worüber ich mich freuen könnte.“ Minchen sah so traurig aus, daß Karoline recht Mitleiden mit ihr hatte und sich heimlich vornahm, ihr eine Freude zu machen. Denn Minchen war immer gut und freundlich und hatte Karolinen lieb. Als nun der Weihnachtsabend kam, wurde Karoline von ihren Eltern reich beschenkt. Sie jubelte und tanzte und freute sich; aber in ihrer Freude dachte sie doch an Minchen, die jetzt zu Hause gewiß recht betrübt war. Sie fiel ihrer Mutter um den Hals und sagte: „Liebes Mütterchen, du hast mir heute so viele schöne Sachen geschenkt, mehr als ich erwartete. Ich danke dir herzlich dafür. Aber nun habe ich noch eine große Bitte. Minchen sagte mir gestern, ihr Vater wäre so arm und könnte ihr nichts geben; erlaubst du mir wohl, daß ich ihr von meinen vielen Geschenken etwas hinübertrage, damit sie sich auch ein wenig freuen kann?“