99 Der Kaiser bemerkle den Verlust und rief laut, daß ihm die Uhr gestohlen sei. Da wäre der Dieb gern heimlich davon— gelaufen; aber er konnte nicht fortkommen wegen der vielen Räthe und Diener, die den Kaiser umgaben, und mußte in dem Gedränge bleiben. Damit nun niemand ihn in Verdacht haben möchte, so that er sehr zornig und schalt sehr über den schlechten Menschen, der die Uhr gestohlen habe. Und siehe, da fängt die Uhr in seiner Westentasche mit einem Male hell und lustig zu schlagen an und verräth damit den Dieb vor dem Kaiser und allem Volk. Mit Furcht und Schrecken fällt er alsbald dem Kaiser zu Füßen, gibt die Uhr zurück und bittet unter Thränen um Gnade. Der Kaiser war so gütig, es ihm zu verzeihen, und sagte zu ihm: „Es soll dir vergeben sein; allein du hast große Schande auf dich geladen. Laß dirs zur Warnung dienen, und stiehl hinfort nicht mehr, sondern arbeite, davon wirst du Ehre haben und einen gnädigen Gott und ein gutes Gewissen.“ 162. Vom Rathgeben. Gib Acht, daß es dir nicht gehe wie dem Spatzen, der andern Vögeln Rath gab, aber sich selber nicht zu rathen wußte, noch vor Gefahr sich zu hüten. Es hat sich nemlich begeben, daß die Holztauben ein Nest mit Jungen auf einem hohen Baume gehabt haben. Da ist der Fuchs gekommen und hat gedrohet, er wolle hinaufsteigen und die Jungen mit dem Neste nehmen, wenn sie ihm nicht ein Junges herabwürfen. Da sind die Tau— ben erschrocken und haben sich heftig gefürchtet. Zuletzt haben sie ihm ein Junges herabgeworfen; das hat der Fuchs genommen und ist damit seines Weges gegangen. Als er aber hinweggewesen, hat der Spatz die Holztauben unterwiesen und gelehret: wenn der Fuchs wiederkäme, sollten sie ihm nichts geben, sondern sprechen, sie wären in ihrem Neste; wenn er kühn wäre, sollte er hinaufsteigen. Da nun der Fuchs wiedergekommen ist, haben sie ihm nichts mehr geben wollen. Alsbald hat er gemerkt, daß 7*