122 12 3. Und hat es Durst, so trinkt es flugs am frischen Bache dort; das schmeckt ihm gut wie süßer Wein, dann flattert's fröhlich fort. 4. Es hat nicht Sorg', es hat nicht Not, ist immer wohl— gemut; der liebe Gott, der sorget treu; — wie ist er doch so gut! Dieffenbach. 211. die Tanne. In seiner Kindheit ist der Tannenbaum ein kleines Körn— chen, viel kleiner als selbst der kleinste Finger des kleinsten Kindes, und in seinem Alter ist er viel größer, als der größte Mann. Er hat auch viel mehr zu wachsen als ein Mensch. Von dem Samenkörnlein strecken sich die Wurzeln aus, sie kriechen emsig in der Erde weiter und suchen Nahrung. Die Wolke sendet ihnen frischen Trank, die Sonne spendet ihnen warme Strahlen, die Erde ist das weiche Bett und auch zugleich der Tisch, auf dem die Speise ihnen vorgelegt ist. Bald wächst von solcher Pflege das Stämm— chen höher und höher. Eine bescheidene Rinde umgiebt es, ein grünes Unterkleid ist unter dieser, und innen ist weißes, schönes Holz, so weiß wie frisches Linnen. Doch seine Blätter sind nicht so schön als Eichen- oder Buchenblätter; schmal und dürr wie Nadeln starren sie nach allen Seiten und stechen den, der sich un— vorsichtig ihnen naht. Auch die Früchte sind unansehnlich. Unge— nießbar sind sie für uns, hart und holzig sind die Schuppen, welche die Tannenzapfen bilden, und höchstens dienen sie zum Brennen. Auch die Samenkörnchen, die zwischen jenen Schuppen sich befinden, sind für uns ohne Vorteil, nur Eichhörnchen und Kreuzschnäbel mögen von ihnen zehren. Trotzdem ziehen fleißige Männer täglich hinaus in die großen Tannenwälder, die meilenweit sich ausbreiten, und kehren schwer bepackt mit reichen Schätzen wieder heim. Was holen sie aus dem düsteren Walde? Schon an dem Zweiglein merkst du den eigentümlichen Geruch nach Harz und Kien, und wenn du ein— mal beim lustigen Spiel durchs Fichtendickicht gesprungen bist, so war an deinen Kleidern wohl mancher Fleck vom klebrigen, stark riechenden Harze des Tannenbaumes, der nimmer durch Bürsten oder Wasserwaschen sich entfernen lassen wollte. Jene Männer suchen nun die größten Bäume des Waldes und hauen in ihren Stamm ein Loch. Wie aus der Wunde, welche dir der Dorn ge— ritzt, rotes Blut hervorquillt, so träufeln aus des Baumes Wunden goldene Tropfen und gerinnen zu dicken, weißlichen Massen, genannt Harz.