— 124 — Der Tod des VTiberius. Bei Kap Misenum winkt ein fürstlich Haus Aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küsten Mit Säulengängen, Mosaiken, Büsten Und jedem Prunkgerät zu Fest und Schmaus. Oft sah es nächtlicher Gelage Glanz, Wo lock'ge Knaben, Epheu um die Stirnen, Mit Bechern flogen, silberfüßige Dirnen Den Thyrsus schwangen in berauschtem Tanz, Und Jauchzen scholl, Gelächter, Saitenspiel, 10 Bis auf die Gärten rings der Frühtau fiel. Doch heut, wie stumm das Haus! Nur hier und dort Ein Fenster hell. Und wo die Säulen düstern, Wogt am Portal der Sklaven Schwarm mit Flüstern, Es kommen Sänsten, Boten sprengen fort; 15 Und jedesmal dann zuckt umher im Kreise Ein Fragen, das nur scheu um Antwort wirbt: „Was sagt der Arzt? Wie steht es?“ — Leise, Leise! Zu Ende geht's; der greise Tiger stirbt. Bei matter Ampeln Zwielicht droben lag 20 Der kranke Cäsar auf den Purpurkissen. Sein fahl Gesicht, von Schwären wild zerrissen, Erschien noch grauser heut, als sonst es pflag. Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte Des Fiebers Glut, daß jede Ader schlug; 25 Niemand war bei ihm, als der Arzt, der alte, Und Macrxo, der des Hauses Schlüssel trug. Und jetzt mit halbersticktem Schreckensruf Aus seinen Decken fuhr empor der Sieche, Hochauf sich bäumend: „Schaff' mir Kühlung, Grieche! 30 Eis! Eis! Im Busen trag' ich den Vesuv. O wie das brennt! Doch grimmer brennt das Denken Im Haupt mir; ich verfluch' es tausendmal Und kann's doch lassen nicht zu meiner Qual; O gieb mir Lethe, Lethe, mich zu tränken! — 35 Umsonst! Dort wälzt sich's wieder schon heran Wie Rauchgewölk und ballt sich zu Gestalten — Sieh, von den Wunden heben sie die Falten Und starren mich gebrochnen Auges an, Germanicus, und Drusus, und Sejan — 10 Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten? Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren, An meinem Blut und dörrt mir das Gebein? 's ist wahr, ich tötet' euch; doch mußt' es sein. Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren! Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein!“