Luther. 143 fliehen vor ihm, kämpfen und ringen mit Verzweiflung, wie Saul. Der dritte Haufe ist derer, die ihre Sünde und Gottes Zorn erkennen und fühlen, daß sie in Sünden empfangen und geboren, und derohalben ewig verdammt und verdorben müßten sein; hören aber die Predigt des Evangelii, daß Gott die Sünde vergibt aus Gnaden, um Christi willen, der für uns dem Vater dafür genug gekhan hat, nehmen's an und gläuben's, werden also gerecht und selig vor Gotl. Darnach beweisen sie ihren Glauben auch mit allerlei guten Werken, als Früchten, die Gott befohlen hat. Die andern zween Haufen gehen dahin. Des Menschen Herz ist, gleich wie Quecksilber, das jetzt da, bald an— derswo ist, heut also, morgen anders gesinnet. Darum ist's gar ein armselig Ding und Eitelkeit, wie der Prediger Salomonis sagt, daß ein Mensch be— gehret ungewiß Ding und sehnet sich darnach, und daß er nicht weiß, wie es gerathen wird; dagegen, das gewiß ist und das allbereit gerathen ist, ver— achtet er. Von dem Gebete. Von Herzen beten und armer Leute Klagen richten ein solch Geschrei an, daß es alle Engel im Himmel müssen hören. Unser Herr Gott muß große Ohren und ein scharfes, leises Gehör haben. Ein Christ betet allezeit ohne Unterlaß; ob er gleich mit dem Munde nicht betet, doch betet das Herz immerdar, er wache oder schlafe. Denn auch ein Seufzerlein eines Christen ist ein Gebet; so oft er seufzet, so betet er Wie der Psalm 12, 6 sagt: Weil denn die Armen seufzen, will ich auf, spricht der Herr ꝛc. Desgleichen trägt ein Christ allezeit das heilige Kreuz, ob ers wol nicht allezeit fühlet. Das Vater Unser bindet die Leute zusammen und in einander, daß einer für den andern und mit dem andern betet, und wird stark und gewaltig, daß es auch den Tod vertreibt. Doctor Martin Luther sagte einmal: Wenn der Teufel so klug wäre und schwiege stille, und ließe das Evangelium ungehindert und unverfolget predigen, so würde er wenig Schaden an seinem Reiche haben; denn wenn das Evangelium nicht angefochten und verfolgt wird, so verrostet es gar, und hat nicht Ursache, seine Gewalt und Kraft an Tag zu geben. 4. Vriefe. a. An sein liebes Söhnlein. Gnade und Friede in Christo, mein herzliebes Söhnlein. Ich sehe gerne, daß du wohl lernest, und fleißig betest. Thue also, mein Söhnichen, und fahre fort; wenn ich heim komme, so will ich dir einen schönen Jahrmarkt mitbrin⸗ gen. Ich weiß einen schönen lustigen Garten, da gehen viele Kinder innen, haben güldene Röcklein an und lesen schöne Aepfel unter den Bäumen, und Birnen, Kirschen, Spilling und Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich; haben auch schone kleine Pferdlein mit güldenen Zäumen und silbernen Sätteln Da fragte ich den Mann, dessen der Garten ist: weß die Kinder wären? Da sprach er: es sind die Kinder, die gerne beten, lernen und fromm sind. Da sprach ich: Lieber Mann, ich habe auch einen Sohn, heißt Hänsichen Luther, möchie er nicht auch in den Garten kommen, daß er auch solche schöne Aepfel und Birnen essen möchte, und solche feine Pferdlein reiten und mit diesen Kin—