Die klassische Periode. — Chr. Fr. Nicolai. 285 und die Martern der Verdammten recht gräßlich vor; wobey er denn mit einem hohlen klagenden Tone das Wort ewig! ewig! ewig! sehr oft er— schallen ließ. So streng und unerbittlich er aber auf der Kanzel gegen die Sünder war, so gefällig und nachgebend war er gegen seine Frau, die er aus so vornehmen Händen empfangen hatte. Sie regierte ihn ganz. Unglücklicher Weise aber für den Sebaldus, war sie auf denselben und auch auf seine Frau sehr übel zu sprechen. Sie konnte es ihm noch nicht vergeben, daß er ihre Hand und mit ihr ein einträgliches Amt ausgeschlagen hatte, bloß um eine jüngere und schönere Person zu heurathen. Wenn also D. Staupius gegen den Sebaldus nur ein verdrießliches Wort sagte, so setzte sie noch zwey oder drey hinzu, und brachte sowohl ihren itzigen Mann, als ihren ge— wesenen Herrn wider ihn auf. Welch Wunder also, daß Sebaldus sehr oft, auch bey den geringfügigsten Vorfällen, nachdrückliche Verweise aus dem Konsistorium bekam. 2. Deutsche und franuzösische Geschichtschreibung. Es haben sehr ernsthafte Gelehrten behauptet, daß die Wahrheit das Wesen der Geschichte sey. Wir sind weit entfernt, Männern, die die so scharf demonstrirte Theorien der Geschichte zusammensetzen können, im geringsten zu widersprechen: nur haben wir uns unterstanden zu muth— maßen, daß, ob man gleich in der Geschichte lauter wahre Begebenheiten er— zählen solle, man doch auch lieber den größten Theil der wahren Begeben— heiten könne unerzählt lassen. Es sind fünfzig tausend Bände voll Wahr— heit über die Geschichten Deutschlands zusammen getragen worden, so daß der schon ein gelehrter Geschichtskundiger heißt, der nur dem fünfzigsten Theil dieser Wahrheiten gelesen hat. Dieser Ueberfluß von Wahrheit hat manchen braven Deutschen zu dem angenehmen Lügner Voltaire geführt, der uns ein halbes Jahrhundert in wenigen Blättern übersehen läßt, aber dafür auch oft unverantwortlicher Weise eine Hildegardis hinsetzt, wo eine Mathildis stehen sollte, oder die Jahrzahl fünfzig angiebt, wo die Jahrzahl sechzig sollte angegeben werden. Der Unterschied zwischen uns deutschen wahrhaften Ge— schichtschreibern, und den oft lügenhaften Franzosen, (woraus auch zu erklären ist, warum Häberlins Auszug der deutschen Geschichte ungleich korpulenter ge— rathen ist, als Voltairens allgemeine Weltgeschichte,) besteht darin? Der gelehrte Deutsche verschweigt dem Leser nichts, was er gewiß weiß, und das ist denn sehr viel, aber er bedenkt oft nicht, was der Leser zu wissen verlange, was gemeiniglich sehr wenig ist. Hingegen der Franzose, der nur wenig weiß, thut sich auch darauf nichts zu gut, sondern erzählet nur das, was er meint, daß seine Leser zu wissen verlangen könnten, macht sich aber auch kein Bedenken, es ihnen zuweilen mit einer kleinen Brühe von Erdichtung schmackhafter zu machen. 3. Glück der Unabhängigkeit. Das unschätzbare Glück der Unabhängigkeit ist durch keine andern Vor— theile zu ersezen. Man mag von dem mächtigsten, von dem reichsten Manne, ja selbst von seinem eignen Freunde abhängen, so fühlt man doch die Fesseln, sie mögen noch so weit losgelassen, und noch so schön geschmückt seyn. Wem das Schicksal die Unabhängigkeit versagt, der mache sich gefaßt einigen Rechten