402 Neudeutsche Literatur. den Bergsee hinein, um diese biegen wir uns Eilig geschah, was Torger vorschlug, und eine dunkle Masse, mit Schnee bedeckt, kaum erkennbar, erhob sich in der Finsterniß. Hier bleiben wir! rief Torger aus, band die Schnee⸗ schuhe ab und öffnete eine Thüre, die in einen finstern Raum hinein führte. Schuͤell ward Feuer geschlagen, ein Wachslicht aus dem Mantelsacke gezogen Uund angezündet, und jetzt sahen sie sich in ein Rauchhaus versetzt. In der Mitte des engen Raumes stand ein Heerd, das Dach erhob sich kegelförmig über diesem und endigte in den Rauchfang. Die Ermüdeten fanden nichts in der Mitte, als rechts an der Wand eine lange Bank und links ein Bün— del leichtes Holz, welches, schnell entzündet, mit einer starken Flamme auf⸗ loderte, während der Rauch den obern Raum einnahm und zum Rauchfange hinausdrang. Es war Mitternacht geworden; die Ermüdung nach einem so ange— strengten Tage war durch die unerwarteten Greignisse nur gewaltsam zurück⸗ gedrängt und kehrte jetzt stärker zurück. Das Gespräch war einsilbig. Man fachte das Feuer von Neuem an, legte Bretter nebeneinander als Lager, be— deckte Gesicht und Hände mit einer wollenen Decke aus dem Mantelsack, als Schutz gegen die Mäuse, und bald verfielen beide auf dem harten Lager in einen festen Schlaf. Ab sie erwachten war, es schon heller Tag. Der Himmel war heiter; ohne Verzug brachen sie auf, eilten durch bekannte Gegenden und erreichten bald die bewohnten Thäler. Als sie in die Nähe der Höfe kamen, war Alles in Bewegung. Die Breschflegel schallten aus allen Scheunen, Wagen brach⸗ ten Holz aus den Waldungen, Mägde und Knechte waren beschäftigt, und wer dieses bewegliche Leben mit der gewöhnlichen Ruhe verglich, mußte wohl bemerken, daß Zubereitungen zu etwas Ungewöhnlichem stattfanden. In Norwegen ist auf dem Lande das Weihnachtsfest das größte und wichtigste häusliche Fest. Vierzehn Tage lang dauern oft die Lustbarkeiten unumerbrochen und während dieser Zeit werden nur die nothwendigsten Ar⸗ beilen verrichtet. Knechte und Mägde feiern, alle Häuser stehen allen Be⸗ kannten offen. Es ist der Karneval der Nordländer. Es ist die Mitternacht, wie der Geschichte, so der Natur, die den wer— denden Tag verkündigt. Die Eskimaux versammeln sich, wenn die Sonne berschwindet, heulend und an ihrer Wiederkehr verzweifelnd. Der Norweger sieht den keimenden Frühling in der Mitte der finstersten Erstarrung und seine Hoffnung wächst mit den Tagen. Dann keimt die Liebe in allen Her— zen; die Armen werden beschenkt, die Arbeiter ruhen aus, von den gesammel— n Guͤlern wird der Ueberfluß freudig einem Jeden mitgetheilt; selbst für die Vögel wird gesorgt und in diesen Tagen Gerste und Hafer bündelweise auf hohen Stangen auf den Feldern für die Sperlinge ausgesetzt. Mit freudigem Eifer bereitet man Alles zu diesem lieblichen Feste vor und der harte Frost, der die Südländer in die Häuser verschließt, eröffnet die Verbindung entfernter Thäler. Die Schlitten jagen auf allen Wegen, auf Schneeschuhen eilt die Jugend über das Gebirge, und eben um diese Zeit sehen sich entfernte Freunde, wie im Süden im Sommer. Hoftun war der Hof, den die Freunde gegen Mittag erreichen wollten. Ein Geschrei der Freude ertönte laut von allen Einwohnern, als sie den lange Vermißten wieder sahen. 2