566 Neudeutsche Literatur Wir tragen keine Schätze mit — III. Nie Golthenschlucht. (Valle dei Goti) Wir tragen einen Todten Wo die Lavaklippen ragen An dem Fuße des Vesups Mil Schild an Schild und Speer an Speer Durch die Nachtluft hört man klagen Wir ziehn nach Nordlands Winden, Töne tiefen Weherufs. Bis wir im fernsten grauen Meer Und die Felsen hallen wieder Die Insel Thule finden. Worte stolz und ahnungsvoll — Fremde wunderschöne Lieder Das soll der Treue Insel sein: Eines Volls, das lang verscholl. Dort gilt noch Eid und Ehre: Dort senken wir den König ein Hirte Räuber nicht noch Bauer Im Sarg der Eichenspeere. Dringet in die Bergschlucht ein Und es schwebt ein banger Schauer Wir kommen her — gebt Raum dem Brütend ob dem dunkeln Stein. Schritt — Denn ein Fluch von großen Todten Aus Roma's falschen Thoren;: Lastet auf dem Felsenring: Wir tragen nur den König mit — Und es ist das Volk der Gothen, Die Krone ging verloren. — Das hier glorreich unterging. Der Jugend Genius. Wer seiner Jugend treu bleibt durch das Leben, Und hoch im Herzen achtet diese Treue, Bewahret Einheit in des Geistes Streben, Und kennt den Stachel niemals bittrer Reue. Des Alters Brust noch die Gefühle heben, Die heiligten der Jugend Blüthenweihe; Der ersten Sehnsucht leiseßs Wonnebeben Dem ganzen Dasein glänzt wie Himmelsbläue. Denn von den duft'gen Lebenskränzen allen Am duftigsten der Kranz der Jugend schwillet Bis hin zum Grabe Balsam ihm entquillet. Die andern auf Momente nur gefallen; Die Hand der Zeit ein Herz läßt unberühret, Das fromm und treu der Jugend Genius führet. Wilh. v. Humboldt. Druck von C. H. Schulze in Gräfenhainichen 25 24