Altdeutsche Literatur.
2. Die Merseburger Heilsprüche.
1. Idisi.
Einst saßen Idise, saßen dort zur Erde:
Einige hefteten Haft, einige hemmten das Heer,
Einige knüpften Reiser zu Kniebinden;
Du aber entspring den Haftbanden, entfahre den Kriegerbanden.
(Idisi sind göttliche Jungfrauen, den Walküren ähnlich, welche die Geschicke der Schlacht entscheiden.
Nach einigen Auslegungen hat der obige Zauberspruch die Befreiung eines Kriegsgefangenen zum Zwecke; nach
qudern sollte dadurch der ausziehende Krieger geschützt werden.)
2. Baldurs Fohlen.
Phol (Baldur) und Wodan fuhren zu Holze:
Da ward dem Baldurs Fohlen sein Fuß verrenket;
Da besprach ihn Sindgund und Sunna ihre Schwester;
Da besprach ihn Frua (Freya) und Folla ihre Schwester,
Da besprach ihn Wodan, wie er wohl konnte (verstand),
So die Beinverrenkung, so die Blutverrenkung, wie die Gliederverrenkung,
Bein zu Beine, Blut zu Blute,
Glied zu Glied, als ob sie geleimt seien.
Ein Zauberspruch gegen die Fußverrenkung eines Rosses. Balders Zurückbleiben wegen seines gelähmten
Pferdes hinderte die Götter bei einer gemeinsamen Unternehmung, da heilten die Götter Sindgund (Wandel—
stern) und Sonne, Freya und Folla (Fülle, Reichthum) und endlich Wodan den verrenklen Fuß Balders.
Die Hersagung des Liedes gilt dann als Beschwörungsformel in heidnischer und christlicher Zeit, um auch andere
lahme Rosse zu heilen.)
3. Das Lied von Hildebrand und Hadubrand.
(Mach Simrock.)
Ich hörte sagen, sich heischten zum Kampf „Das sagten vor Alters mir unsere Leute,
Hildebrand und Hadubrand unter Heeren Alte und weise, die eher dahin sind,
zweien, Daß Hildebrand hieße mein Vater, ich heiße
Des Sohnes und des Vaters. Sie sahn Hadubrand.
nach der Rüstung, Früh zog er gen Osten, floh vor Otakers
Die Schlachtgewänder schnallten sie, gürteten Odoakers) Zorn
die Schwerter an, Hin mit Dietrichen und seiner Degen viel.
Die Recken, über die Ringe (des Panzers) Er ließ im Lande der Hülfe ledig sitzen
und ritlen zum Kampf. Das Weib in der Wohnung und unerwach⸗
Hildebrand erhob das Wort; er war der senen Sohn,
hehrere Mann, Erblos das Volk, da er ostwärts hinritt.
Erfahrener und weiser; zu fragen begann er Aber darben mußte Dietrich seitdem
Mit wenigen Worten wer sein Vater wäre Meines Vaters, der freundlose Mann.
Der Helden im Volke „oder welcher Herkunft Dem Otaker war er eifrigst erzürnt;
du seist. Aber dem Dietrich der theuerste Degen;
Sagst du mir nur einen, die andern weiß Immer an des Volkes Spitze: fechten war
ich mir: ihm stets zu lieb.
Kind, im Königreiche kund ist mir alles Kund war er allen kühnen Mannen.
Erdenvolk.“ Ich glaube nicht, daß er noch lebt ⸗ñ— —“
Hadubrand erhob das Wort, Hildebrands „Weiß es Allvater oben im Himmel,
Erzeugter: Daß du nie hinfort mehr fährst zum Kampfe,