Die klassische Periode — J. Karl Aug. Musäus. 399
Geldsack hervor, klingelte mit den harten Thalern und rief, so laut er nur
konnte: Geist des Gebirges, nimm hin, was dein ist! Doch der Geist ließ
sich weder hören noch sehen. Also mußte sich der ehrliche Schuldner ent
schließen, mit seinem Säckel wieder umzukehren. Frau und Kinder kamen ihm
freudenvoll entgegen, sobald sie ihn von ferne erblickten, er aber war mißmuthig
und sehr bekümmert, setzte sich zu den Seinen auf einen Rasenrain und über
legte, was nun zu thun sei. Da kam ihm sein altes Wagestück wieder ein.
Ich will, sprach er, den Geist bei seinem Ekelnamen rufen; wenn's ihn auch
verdreußt, mag er mich bläuen und zausen wie er Lust hat, wenigstens
hört er auf diesen Ruf gewiß; schrie darauf aus Herzenskraft: Rübezahl!
Rübezahl!
Das angstvolle Weib bat ihn zu schweigen, wollt' ihm den Mund zu—
halten; er ließ sich's nicht wehren und triebs immer ärger. Plötzlich drängte
sich der jüngste Bube an die Mutter und schrie ängstlich: Ach, der schwarze
Mann! Getrost fragte Veit: Wo? Dort lauscht er hinter jenem Baum
hervor, und alle Kinder krochen in einen Haufen zusammen. Der Vater aber
sah nichts; es war Täuschung, nur ein leerer Schatten, kurz, Rübezahl kam
nicht zum Vorschein, und alles Rufen war umsonst.
Die Familien⸗Caravane trat nun den Rückzug an, und Vater Veit
ging betrübt auf der Landstraße vor sich hin. Da erhob sich vom Walde her
ein sanftes Rauschen in den Bäumen, die schlanken Birken neigten ihre Wipfel,
das bewegliche Laub der Espen zitterte, das Brausen kam näher, und der
Wind schüttelte die weit ausgestreckten Aeste der Steineichen, trieb dürres Laub
und Grashalme vor sich her, kräuselte im Wege kleine Staubwolken empor;
womit die Kinder, die nicht mehr an Rübezahl dachten, sich belustigten und
nach den Blättern haschten, damit der Wirbelwind spielte. Unter dem dürren
Laube wurde auch ein Blatt Papier über den Weg geweht, wonach der kleine
Geisterseher haschte, und weil's ein schöner weißer Bogen war, so brachte er
ihn dem Vater, der jede Kleinigkeit in seinem Haushalt zu nutzen pflegte. Als
dieser das zusammengerollte Papier umschlug, um zu sehen, was es wäre,
fand er, daß es der Schuldbrief war, den er an den Berggeist ausgestellt hatte,
von oben herein zerrissen, und unten stand geschrieben: Zu Dank bezahlt.
Wie das Veit inne ward, rührt's ihn tief in der Seele und er rief
mit freudigem Entzücken: Freue dich, liebes Weib und ihr Kinder allesammt,
freut euch; er hat uns gesehen, hat unsern Dank gehört, unser guter Wohl—
thäter weiß, daß Veit ein ehrlicher Mann ist. So sprachen Eltern und Kin—
der, und weinten noch viele Thränen des Dankes bis sie wieder zu ihrem
Fuhrwerk kamen, und weil die Frau groß Verlangen trug, ihre Freundschaft
heimzusuchen, um durch ihren Wohlstand die filzigen Vettern zu beschämen, so
rollten sie frisch den Berg hinab, gelangten in der Abendstunde in die Dorf—
schaft und hielten bei dem nämlichen Bauerhof an, aus welchem Veit vor drei
Jahren war herausgestoßen worden. Er pochte diesmal ganz herzhaft an und
fragte nach dem Wirthe. Es kam ein unbekannter Mann zum Vorschein, der
gar nicht zur Freundschaft gehörte; von diesem erfuhr Veit, daß die reichen
Vettern ausgewirthschaftet hatten. Der eine war gestorben, der andere ver—
dorben, der dritte davongegangen, und ihre Stätte war nicht mehr gefunden
in der Gemeine. Veit übernachtete nebst seiner Rollwagengesellschaft bei dem
gastfreien Hauswirth und kehrte Tags darauf in seine Heimath und an seine
Berufsgeschäfte zurück, nahm zu an Reichthum und Gütern und blieb ein
rechtlicher, wohlbehaltener Mann sein Lebelang.