— 123 — Hermann Lingg, geb. 22. Jan. 1820 zu Lindau, lebt in Muͤnchen. 94. Die Schlacht auf den katalaunischen Feldern. Ein grauer Tag erhebt sich trüb im Osten der Flur, wo jetzt Kampaniens Traube reift, da sehn des Gothenheeres erste Posten beim Dämmerlicht, das um die Höhen streift, Wachfeuer fern durch Nebelmeere glosten, und als Aetius sein Schwert ergreift, bernimmt er schlachtenmuthig, todesbräutlich das wilde Lied der Hunnenkrieger deutlich. Noch zweifelnd, ob er heut die Schlacht schon wage, steht drüben sinnend Attila, und stellt an seine Priester die Verhängnisfrage, allein und unruhvoll in seinem Zelt — „Die Götter künden unsre Miederlage ⸗ — so sprechen die — „horch wie die Wölfin bellt! Doch mit dem Tod auch büßt dein überlegner, dein größter Feind, der kühnste deiner Gegner.“ — „Zur Schlacht denn!“ ruft der König ohne Zagen, „Aeuus falle! Meine Sorge soll der Sieg sein. Auf, laßt an den Heerschild schlagen! Weckt meine Fürsten! Eine Stimm erscholl: die Geißel Gottes wird die Völker jagen, bis seines Zorns gemeßne Schale voll. Mein Speer seis, dem zuerst ein Feind erliege, der mir nicht folgt, wer flieht, stirbt nach dem Siege!“ Wo kornreich Land in üppiger Bewellung durchströmt die Marn, erhebt gebieterisch ein grüner Hügel sich in sanfter Schwellung, hedect von Wald und niedrem Strauchgebüsch. Nach seines Gipfels auserlesner Stellung fliegt auf den Fahnen Löwe, Greif und Fisch; hald tönt der Schlachtruf aller Nationen, die zwischen Tiber, Rhein und Wolga wohnen. An Bannern, Waffen und Gestalt verschieden, doch gleich an Wuth und wilder Tapferkeit, begegnen, die noch nie gekannt den Frieden, der großen Wandrung Völker sich im Streit, des Gothen Schwert, die Lanze der Gepiden, des Romers Trotz, des Slythen Schnelligkeit. Ein Wunder ist die Schlacht, so vielgestaltig, an Thaten wie noch nie ein Tag gewaltig. Auf Rossen schnell mit kurzen schwarzen Mãhnen stürmt wüthend hier das Volk der Hunnen ein;