Da begann ihm erst zu danken die minnigliche Maid, Daß er vor allen Recken so kühn gefochten im Streit. 21. „Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,“ sprach das schöne Kind „Daß ihr das verdientet, daß euch die Recken sind So hold mit ganzer Treue, wie sie zumal gestehn“ Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn. 22. „Stets will ich ihnen dienen,“ sprach Siegfried der Degen, „Und will mein Haupt nicht eher zur Ruhe niederlegen, Bis ihr Wunsch geschehen, so lang mein Leben währl: Das thu ich, Frau Kriemhild, daß Ihr mir Minne gewährt.“ 23. Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neu getagt, Sah man bei dem Degen die wonnigliche Magd, So sie zu Hofe durfte vor ihren Freunden gehn. Der Dienst war dem Recken aus großer Liebe geschehn. Nach dem Feste ziehen die Fremden von dannen. Auch Siegfried hat sich zur Heimfahrt gerüstet, denn der gute Held ver— zweifelt zu erwerben, worauf sein Sinn gerichtet ist. Doch läßt er sich durch die Zureden des jungen Giselher bestimmen, noch länger da zu verweilen, wo er am liebsten war, und wo er täßlich die schöne Kriemhild sah. Nun aber drang zu Gunthers Ohren der Ruf einer Königin, die weit jenseits des Meeres auf Isenland wohnte. Sie hieß Brun— hild und war von wunderbarer Schönheit aber auch herrlich in wunderbarer, fast unheimlicher Kraft. Mit Männern, die ihre Minne begehrten, warf sie um diese Minne die Lanzen, schleuderte sie den Wurfstein und sprang dem geworfenen Steine nach in kühnem Sprunge. Nur dem wollte sie sich ergeben, der in jedem dieser Spiele sie be— siegte. Wer unterlag, verlor das Leben. Da beschließt König Gunther, um ihre Minne sein Leben zu verwagen. Siegfried, der Brunhilden kennt, widerräth es, aber umsonst. Gunther fordert ihn vielmehr auf, ihm bei der Werbung zu helfen. Siegfried sagt es zu, wenn Gunther ihm seine Schwester Kriemhild zum Weibe geben wolle; Gunther gelobt, dies zu thun, sobald Brunhild in sein Land werde gekommen sein. Mit einem Eide wird dieser Bund bekräftigt und das Schiff zur Abfahrt gerüstet. Goldfarbene Schilde und reiche Gewande werden an das Gestade getragen, und aus den Fenstern schauen die trüben Augen minniglicher Kinder den Helden nach, die unter dem schwellenden Segel am Ruder des Rheinschiffes sitzen. Siegfried, der auch im Seefahren kundig ist, führt selbst das Steuer— ruder, und Gunther ergreift gleichfalls die Ruderstange. Nach zwölf⸗ tägiger Fahrt kommen sie an vor dem Isenstein, wo Brunhild herrscht. In fremder, unheimlicher Pracht ragen sechs und achtzig Thürme an dem Seegestade empor, drei weite Paläste (Wohnhaͤuser) und einen großen Herrensaal umschließend, alle von grünem Marmorstein erbaut.