Hermann Stehr. Er kam bis an das Wasser und fiel hinein. Als er aber die lebendigen Wellen berührte, bekam er seinen ver— lorenen wieder, verwandelte sich und ward, was er gewesen, ein fröhliches Nauschen. Die Wellen freuten sich, auch eine Stimme zu haben, und ließen ihre Seele hineinfließen. Die Wasser haben ein tieferes, vielfältigeres Innere als die Erde, und ihr Rauschen war bald ein Schluchzen, bald ein Singen, und manchmal redete es mit den dunklen, unbegreiflichen Lauten eines ur anfänglichen Tiefsinns. So trugen die Wasser das Rauschen aus dem Gebirge, immer weiter in das Land hinein und noch viel, viel weiter. Sie glänzten und zitterten vor Glück, so oft sie die tiefen Augen des Himmels auf sich ruhen fühlten. Aus den Bächen wurden Flüsse, aus den Flüssen Ströme. Es kam zuletzt so viel Rauschen zusammen, daß es die wandernden Wasser kaum zu ertragen vermochten. Sie blieben stehen und bildeten das unabsehbare Meer. Das Rauschen der ganzen Erde lag darüber hin. Darunter atmete die Brust des endlosen Wassers in ruhigen, tiefen Stößen nach dem Takt der Gestirne, die in den Höhen vorüberzogen. So ist es geblieben, bis auf den heutigen Tag der unrastvollen Menschenzeit. VNoch immer wiegt das Rauschen sein Gefieder über den Meeren. Wer es hört, den ergreift es in tiefster Brust, denn die Seele kennt gar wohl die Fittiche ihres ewigen Herrn. 201