192 W. Brandes. 16. Der lust'ge Krüppel find't noch allweg off'ne Hände, Mit Lied und Gotteslohn bezahl' ich jede Spende, Ein Nest im Heu, das krieg' ich zu; Und will kein Bauer mal, kein Krüger nachts mich haben — Mit oder ohne Hemd find' ich in Busch und Graben Noch wie vorzeiten meine Rub'!!“ 17. Derweil die Rede quillt, sucht längst in seinen Taschen Der milde Herzog, prüft des Beutels schlaffe Maschen Und denkt verdutzt dem Tage nach: Ach ja, das Goldstück blieb im Hirtenhause hangen, Und jetzt den Taler gab er dem blitzäug'gen Rangen, Der ihm die Heckenrose brach. 18. Kein Geld im Säckel, nichts von Geldeswert daneben! Kein Groschen in der Hand, die Tausenden gegeben Und nimmer wog, wieviel und wem! Nichts für den armen Schelm, der just mit heitrer Größe Des Rockes Fetzen wirft um seiner Schultern Blöße, Auch er ein Held trotz alledem! 19. Nichts? — Wie der Alte jetzt in hoffenden Gedanken Den Blick von neuem hebt, sieht er nur Zweige schwanken, Wo eben noch sein Herzog war; Kopfschuttelnd staunt er lang', — da teilt das Grün sich wieder, Mit Kindeslächeln neigt sich Ferdinand hernieder Und reicht sein fürstlich Hemd ihm dar. 20. „Für Busch und Graben, Freund!“ — Der steht wie angewittert, Dann sinkt er in die Knie, durch seine Seele zittert Ein Schauer, sonst dem Kecken fremd; „Herr,“ stammelt er, „nicht so, nicht für die Nächt' im Walde! für die sechs Bretter, Herr — Gott weiß, wie fern, wie balde Mein Ehrenkleid, mein Sterbehemd!“ 21. Stumm barg der Fürst den Blick und winkt' und schritt von dannen Mit stillbewegtem Sinn zum schatt'gen Ziel der Cannen Den linden Wiesenpfad entlang. Doch fern vom Straßendamm, aus Staub und Lärm der Wagen Kam's grüßend noch einmal, vom Windeshauch zertragen, Herklingend in der Lerchen Sang: 22. „Herzog Ferdinand, du teurer Held, Wollte Gott, du hätt'st des Kaisers Geld! Tät'st alles verschenken, Uns alle bedenken, Grenadier und Musketier — Cust'ge Braunschweiger, das sein wir!“ dektüre: Brandes, Deutsche Balladen. Für denkende Leser.