249v J. G. Seidl. 6. Und Tag' um Tage heben ihr rosig Haupt empor: Doch abends, wenn sie's senken, trägt's einen Trauerflor. Oft langt er nach dem Seile, das Auge klar und licht; Da zuckt ihm was durchs Imm're, das Seil berührt er nicht. 7. Einst tritt er voll des Glückes erhörter Freundschaft hin; „Ausläuten,“ ruft er, „will ich's, wie hoch beglückt ich bin!“ Da keucht' ein Bot' ins Simmer, der's minder spricht als weint „Herr, den du Freund geheißen, verriet dich wie ein — Feind!“ 8. Einst fliegt er voll des Glückes erhörter Lieb' hinein; „Mein Glück, mein Glück,“ so ruft er, „muß ausgeläutet sein!“ Da kommt sein blasser Kanzler und murmelt bang' und scheu: „Herr, blüht denn auch dem Rönig hienieden keine Treu'?“ 9. Der König mag's verwinden, er hat ja noch sein Cand Und einen vollen Säckel und eine mächt'ge Hand; Er hat noch grüne Felder, noch Wiesen voll von Duft, Und drauf den Fleiß von Menschen und drüber Gottes Cuft. 10. Zu seinem Fenster tritt er, sieht nieder, sieht hinaus, Und Wiege seines Glückes bedünkt ihm jedes Haus; Zum Seil hin eilt er glühend, will ziehn, will läuten — sieh! Da stürmt's herein zum Saale, da fällt's vor ihm aufs Rnie: LI. „Herr König, siehst du drüben den Rauch, den Brand, den Strabl? So rauchen unsre Hütten, so blitzt der Nachbarn Stahl!“ Ha, freche Räuber!“ donnert der Fürst in wildem Glühn, Und statt des Glöckleins muß er sein rächend Eisen ziehn. 12. Schon bleichen seine Haare, vor Dulden wird er schwach, Und stets noch schwieg das Glöcklein auf seines Hauses Dach. Und wenn's auch oft wie Freude sich auf die Wang' ihm drängt, Er denkt kaum mehr des Glöckleins, das er hinaufgehängt. 15. Doch als er nun zu sterben in seinem Stuhle saß, Da hört' er vor dem Fenster Geschluchz' ohn' Unterlaß. Was soll das?“ fragt er leise den Kanzler, „sprich's nur aus!“ — „Ach Herr, der Vater scheidet, die Kinder stehn vorm Baus!“ — 14. „Herein mit meinen Kindern! Und war man mir denn gut?“ — „Stünd', Herr, zu Kauf ein Leben, sie kauften deins mit Blut!“ — Da wogt's auch schon zum Saale gedämpften Schritts herein Und will ihn nochmals segnen, ihm nochmal nabe sein. 15. „Ihr liebt mich also, Kinder?“ — Und tausend weinen: „Ja!“ — Der König hört's, erhebt sich, steht wie ein Heil'ger da, Sieht auf zu Gott, zur Decke, langt nach dem Seile stumm, Tut einen Riß — es läutet — und lächelnd sinkt er um. Der König weiß, wie glücklich er ist, als er inne wird, wie innig, wie treu sein Volk ihn liebt. Seidl, der Österreicher, gedenkt wohl der Liebe, die die treuen sterreicher je und je ihrem Kaiser entgegengebracht.