56 Erstes Buch. Didaltisch⸗Lyrisches. Nicht sern vom Eise streckt, voll futterreicher Weide, Ein fruchtbares Gebürg den breiten Rücken her; Sein sanfter Abhang glänzt von reifendem Getreide, Und seine Hügel sind von hundert Heerden schwer. Den nahen Gegenstand von unterschiednen Zonen Trennt nur ein enges Thal, wo kühle Schatten wohnen. Hier zeigt ein steiler Berg die mauergleichen Spitzen; Ein Waldstrom eilt hindurch und stürzet Fall auf Fall. Der dickbeschäumte Fluß dringt durch der Felsen Ritzen, Und schießt mit gäher Kraft weit über ihren Wall: Das dünne Wasser theilt des tiesen Falles Eile, In der verdickten Luft schwebt ein bewegtes Grau; Ein Regenbogen strahlt durch die zerstäubten Theile, Und das entfernte Thal trinkt ein beständig Thau. Ein Wandrer sieht erstaunt im Himmel Ströme fließen, Die aus den Wolken fliehn und sich in Wolken gießen. Haller. Theodiceer. Mit sonnenrothem Angesichte Flieg' ich zur Gottheit auf! Ein Strahl von ihrem Lichte Glänzt auf mein Saitenspiel, das nie erhab ner klang. Durch welche Töne wälzt mein heiliger Gesang, Wie eine Fluth von furchtbarn Klippen, Sich strömend fort und braust von meinen Lippen! Ich will die Spötter niederschlagen, Die vor dem Unverstand, o Schöpfer, dich verklagen: Die Welt verkündige der höhern Weisheit Ruhm! Es öffnet Leibnitz mir des Schichsals Heiligthum; Und Licht bezeichnet seine Pfade, Wie Titans Weg vom östlichen Gestade. Die dicke Finsterniß entweiche, Die aus dem Acheron, vom stygischen Gesträuche, Mit kaltem Grausen sich auf meinem Wege häuft, Wo stolzer Thoren Schwarm in wilder Irre läuft