68 0 1005 1010 1020 1025 Anthologie mittelalterlicher Gedichte. Ich schneide bis zum Herzen Und reiß' es lebend aus der Brust. Dirnlein, bist du dir bewußt, Wie es mit deinem Willen steh'? Noch keinem Kind ward solches Weh, Wie dir nun soll von mir geschehn. Daß ich's vollbringen soll und sehn, Das schafft mir Sorg' und Angst dazu. Dies alles, Kind, bedenk' auch du! Graut es dich ein Spierlein nur, J Hab' ich die Mühe meiner Kur Und du das Leben verloren.“ Doch wie er sie auch beschworen, Sie kannte ihren steten Sinn Und gab ihr Leben gern dahin. 1015 Mit Lachen nahm die Magd das Wort, Versichert, daß sie alsofort, Am selben Tage noch, der Tod Befreie von aller Erdennot. „Gott lohn' Euch, lieber Meister mein, Daß Ihr mir ohne falschen Schein Die volle Wahrheit habt gesagt. Ein wenig bin ich traun verzagt: Mir ist ein Zweifel geschehen. Ich will Euch frei gestehen, Welcher Art der Zweifel ist, Der mir gekommen zu dieser Frist: Mir bangt, daß unsre Mühe Durch Euer Zagen versprühe Und unterwegen bleibe. Es ziemte einem Weibe, Was Ihr zu mir gesprochen habt. Als eines Hasen Geselle trabt In Euren Ängsten Ihr einher. Ihr schädigt Euren Namen schwer