— 2 — Schwingen gleiten die großen Segelschiffe zwischen ihnen hin und her. In leuchtender Stahlfarbe schimmert die tiefe Flut. Einen schöneren Morgen auf dem Meere könnte kein Seemann träumen. Nur wer das Meer haßt, findet es einförmig. Dem, der es liebt, enthüllt es, wo er auch sei, von Stunde zu Stunde andere und immer neue Reize. Auch heute gewann es um Mittag ein anderes Ansehen als am Morgen. Wir fuhren über eine seichte Stelle, an welcher das Wasser die schöne, smaragdgrüne Farbe annahm, welche den nordischen Meeren bis zu einer gewissen Tiefe eigen ist. Wir kreuzten die Fläche zu derselben Zeit, als eine Flottille von hundert englischen Fischer⸗ böten darauf hin⸗ und herstrich. Die zierlichen kleinen Fahrzeuge mit ihren blendendroten Segeln standen leuchtend über der grünen Flut am hellen Himmel. Wieder ein anderes Ansehen erhielt das Meer in den Nachmittagsstunden. Wir erreichten wieder tiefes Wasser. Hier mußten starke Nordwinde geweht haben; denn eine hohe Dünung traf die Seitenwände unseres Schiffes und versetzte es in so heftiges Rollen, daß in den Kajüten alles darüber und darunter ging und die Mehrzahl der Mitreisenden krank wurde. Wir blieben auf dem Verdecke sitzen und schauten dem eigenartigen Schauspiel der langsam anrollenden Wogen zu, welche dadurch ein besonderes Leben erhielten, daß die kleinen Wellchen, welche, eine Folge des leichten Westwindes, hinter unserm Schiffe herplätscherten, jene großen Dunungswogen im rechten Winkel kreuzten und frisch und hurtig mit kleinen weißen Schaumspitzen über sie hinliefen. Still und einsam war hier das Meer; denn die Fahrstraße der vom Norden dem englischen Kanal zusteuernden Schiffe hatten wir bereits heute morgen gekreuzt, und das Fahrwasser der von den deut schen Nordseehäfen nach England und dem Ozeaue steuernden Schiffe hatten wir noch nicht erreicht. Die Bahn zwischen der schottischen Ostküste und Deutschlands Nordwestküste ist aber nur schwach befahren. Wir schienen allein in der unendlichen Flut zu schwimmen, über welcher ein wolkenloser Himmel sich wölbte, und wir genossen den Anblick der stillen, großen Unendlichkeit mit ahnungsvollem Schauer. Rot und feurig sank die Sonne in die slahlfarbene Flut. Kein Widerschein von Wolken breitete einen Rosenschimmer über die ganze See aus wie gestern. Das langgezogene Spiegelbild der Sonne lag zwischen uns an der Stelle, wo sie sank, als vielfach bewegter, schmaler Feuerstreifen von fast erkaltetem Lichte auf der metallisch glänzenden Wasserfläche. Die Dämmerung war lang und klar. Allmählich blitzte ein Stern nach dem andern auf. Bald war der dunkle Himmel mit 285