IV. Die Gründung des Königreichs Italien und des Deutschen Reiches (1859 — 1871). 161 Emser Vorgänge berichtende Depesche in zweckentsprechender Weise redigiert. In Paris war die kriegerische Aufregung unge¬ heuer; die geringe Opposition (Thiers, Gambetta) in der Kammer, vor die die Regierung mit lügenhaften Berichten trat, wurde nie¬ dergeschrieen. In Berlin wurde in der Nacht zum 16. Juli die Mobilmachung beschlossen; der am 19. berufene Reichstag begrüfste die soeben überreichte Kriegserklärung — das erste amtliche Ak¬ tenstück in der ganzen Angelegenheit — mit donnerndem Beifall. Am selben Tage (der Königin Luise Todestag) erneuerte König Wilhelm den Orden des Eisernen Kreuzes. Die süddeutschen Kammern bewilligten (in Bayern trotz des Widerspruchs der ultramontanen „Patrioten“) die geforderten Kredite. Die ganze deutsche Nation war von einer nationalen Begeisterung ergriffen, wie nie zuvor in ihrer ganzen Geschichte (die „Wacht am Rhein“). Die öffentliche Meinung in Rufsland und England sah in Frank¬ reich den Friedensbrecher. b) Verlauf des Krieges. a) Der Krieg gegen das Kaiserreich. Den Oberbefehl über die gesamte deutsche Armee übernahm der König; den Kriegs¬ plan hatte Moltke ausgearbeitet („Getrennt marschieren, vereint schlagen“). Der Aufmarsch vollzog sich in gröfster Ordnung, während die Liebesthätigkeit zu Hause (Königin Augusta, Kron¬ prinzessin Victoria) sich in reichstem Mafse regte: I. Armee unter Steinmetz (Koblenz), II. unter Prinz Friedrich Karl (Rhein¬ pfalz), III. (bei ihr die süddeutschen Truppen) unter dem Kron¬ prinzen Friedrich Wilhelm (Oberrhein); zusammen zunächst 384000 Mann.1 Die Küsten Verteidigung leitete Vogel v. Falcken- stein. Wegen der schnellen deutschen Siege kam die französische Flotte fast gar nicht zur Thätigkeit; ihre Bemannung wurde für das Landheer nötig. Die französische „Rheinarmee“ (!), über die dem Namen nach der Kaiser den Oberbefehl führte (Regentin in Paris war Eugenie), war trotz des „archipret“ des Kriegsministers und Generalstabschefs Leboeuf keineswegs kriegsbereit und zählte zunächst nur etwa 240000 Mann. So war von einem Einbruch 1) Die Verpflegungstärke des gesamten deutschen Heeres betrug wäh¬ rend des Krieges überhaupt mehr als 1100000 Mann. Brettschneider, Hilfsbuch, III. 11