Deutsche Geschichte im Mittelalter. 133 so weit vertreten sein, daß den vorhandenen Bedürfnissen genügt wurde; man wünschte aber nicht, daß auf irgendeinem Gebiete die Gesamtproduktion in der Hand eines einzelnen Unternehmers lag, sondern es sollten sich so viele Meister in diese teilen, als dadurch eine gesicherte Lebenshaltung haben konnten. Die Einwohner waren verpflichtet, bei ihnen zu kaufen; aber sie wurden auch durch feste Preistaxen und eine Gewährleistung der ganzen Zunft für die Güte der Arbeit geschützt. Die verwickelten Ver¬ hältnisse, die sich bei dem Versuche einer Regelung von Herstellung und Verbrauch ergaben, ließen sich nur durch die Zünfte ordnen, deshalb mußte jeder Meister einer Zunft angehören und sich ihren strengen Satzungen und Ordnungen unterwerfen, die in alle Verhältnisse seines Lebens eingriffen. Aber er nahm auch au ihren Ehren und Festen — auch religiösen — teil und genoß in allen vorkommenden Fällen ihren mächtigen Schutz. Es ist ein glänzendes Zeugnis für die in Zünften organisierten Ge¬ werbe, daß sich das Handwerk damals zum Kunsthandwerk veredelte, dessen Schöpfungen sich noch heute der höchsten Schätzung erfreuen. Die Politik der Städte aber, die darauf ausging, sich mit dem um¬ liegenden Lande zu einem geschlossenen Wirtschaftsgebiete abzuschließen und ihren Mitgliedern eine gewisse Lebenshaltung zu sichern, war der Bildung des Großbetriebes, des Großhandels und der Ansammlung großer Vermögen nicht günstig. Sie bewirkte aber auch, daß sich die Einwohnerschaft der Stadt innerhalb einer gewissen Kopfzahl hielt. Sie liegt in den meisten mittelalterlichen Städten noch unter zehn¬ tausend, bei wenigen zwischen zehn- und zwanzigtausend, und vielleicht stand Nürnberg, das fünfundzwanzigtaufend Einwohner erreichte, unter allen allein. Etwas anders lagen die Verhältnisse in den flandrischen Städten, in denen die Tuchweberei seit alten Zeiten in hoher Blüte stand. Sie arbeiteten für die Ausfuhr und beherrschten mit ihren Waren die Märkte von Westeuropa, knüpften früh Beziehungen im Orient an, wo ihre Fürsten zur Zeit der Kreuzzüge hervorragende Stellungen einnahmen. Auch in den Hansastädten, in denen die Kaufmannsgilden die Führung be¬ hielten, waren die Verhältnisse etwas anders. Die Verfassung der Städte. Ursprünglich ist der Herr des Grund und Bodens, auf dem die Stadt steht, auch Stadtherr und nimmt seine Rechte durch den Stadtvogt wahr. Allmählich aberbringt der Rat, sei es durch Gewalt oder durch Kaus oder Tausch, die Rechte des Stadtherrn an sich, bis bei den ehemaligen Königs- und manchen Bischofsstädten jede Verpflichtung schwindet, bei vielen landesherrlichen nur noch eine jährliche Abgabe und eine beschränkte Hilfeleistung im Kriege übrigbleibt. Seitdem liegt die Verwaltung der Stadt in den Händen des Rates, der für den Bau und die Unterhaltung der Stadt¬ mauern, für die Kriegstüchtigkeit des nach Zünften geordneten Heeres