22 Griechische Geschichte. den Großen und die Taten des siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie", so kann man mit noch größerem Rechte sagen: „Die Entsaltung der griechischen Kultur zu ihrer höchsten Blüte, das große perikleische Zeitalter mit den unvergleichlichen Werken der dramatischen Kunst, mit seinen herrlichen Baudenkmälern, mit der Entwicklung der Geschichts- schreibung, der Philosophie und Redekunst, der Glanz und die Schön- heit Athens, wo sich alles Große und Herrliche, was der Griechengeist hervorgebracht hat, wie in einem Brennpunkt vereinigte: alles dies ist undenkbar ohne die Großtaten der Perserkriege". Athen wurde die geistige Hauptstadt aller Griechen; hier konzentrierte sich im 5. und 4. Jahrhundert vor Chr. alles geistige Leben. Vor allem ist das Drama eine Schöpfung Athens, ein Kind der athenischen Demokratie. Die drei großen Tragiker Äschylos, Sophokles und Euripides sind Propheten gewesen. Äschylos (525—456) verkündet eine erhabene Zeus-Religion: Zeus ist Harmonie; in der Welt steht alles in Einklang, muß sich harmonisch ineinander fügen. Nicht über Zeus stehen „Schicksal, Notwendigkeit, Weltgesetz", fondern Zeus ist Schicksal, Notwendigkeit, Weltgefetz. Aufgabe der Götter sowohl wie der Menschen ist es, sich ihm demütig unterzuordnen, nicht auf die eigene Kraft zu vertrauen; der einzelne muß sich dem großen Ganzen bescheiden einfügen. Wer da glaubt, des Zeus nicht zu bedürfen, wird zerschmettert. — Das fruchtbarste und wichtigste Problem der tragischen Dichter war die dunkle Frage nach Freiheit und Gebundenheit des Willens, nach Schuld und Schicksal der Menschen. Merkwürdig! es hat kein freiheitliebenderes Volk gegeben, als das der Athener, und doch predigen ihre Tragiker immer wieder, wie gebunden und unfrei der Menfch fei. Dabei betont Äschylos dennoch die individuelle Verant- wortlichkeit, während Sophokles von der Nichtigkeit und Ohnmacht der Menschen redet; Euripides, der Dichter der Aufklärung, macht die Bühne zur Kanzel, um an allen hergebrachten religiösen Einrichtungen Kritik zu üben. Was sür bedeutende Persönlichkeiten sind die zwei großen Ge- schich tssch reib er Herodo t und Thukydides! Herodot war ein Freund des Sophokles, und wir finden bei ihm dieselbe religiöse Grundstimmung. Sein umfangreiches Gefchichtswerk, das den Kampf zwischen hellenischer Freiheit und barbarischem Despotismus, vor allem die Perferkriege zum Inhalt hat, ist eine große Schickfalstragödie, die von der Gebundenheit und Nichtigkeit des Menschenlebens handelt; und doch ist derselbe Mann der begeisterte Apostel der griechischen Freiheit. — Thukydides dagegen preist die Macht des Menfchengeistes: Menfch, hilf dir selber! Vertraue