— 434 — Teilung oder gemeinschaftliche Ausübung dieses Einflusses zu verständigen, ohne weiteres ab. Es hat erkannt, daß Preußen in der jetzigen Bundes- Versammlung zur Minorität prädestiniert ist, und glaubt deshalb, auch ohne Preußen und gegen Preußen, gestützt auf die Majorität der übrigen Bundesstaaten, Deutschland im Fahrwasser der Wiener Politik erhalten zu können. Mit der Reaktivieruug des Bundes ist daher das Prinzip der Schonung Preußens in den Verhandlungen des Bundes, der vorgängigen Verständigung zwischen Berlin und Wien über wichtigere Gegenstände von Österreich aufgegeben worden. ... So oft Preußen bei seiner ab- weichenden Ansicht verharrt, wird ihm in der Diplomatie und der Presse die Schuld der deutschen Uneinigkeit aufgebürdet, und diese Beschuldigungen nehmen die Färbung einer Anklage wegen Störung des Friedens im Bunde und Untergrabung seiner Institute an, sobald die allezeit bereite Majorität am Bunde Österreich zur Seite steht. . . . Wenn hiernach keine Aussicht ist, daß Österreich und seine Bundes- genossen sich freiwillig entschließen, ihrer Politik gegen Preußen eine andere Richtung zu geben, so fragt es sich, ob Preußen dem gegenüber in seiner bisherigen Haltung auf die Dauer verharren kann. . . . Die bundesfreundlichste Nachgiebigkeit hat ihre Grenzen, und in Verhandlungen mit Österreich ist jede Konzession die Mutter einer neuen Forderung. Wenn die Sachen so weiter gehen, wie in der letzten Zeit . . ., so kann der Moment nicht mehr fern sein, wo Preußen die Majorität der Überschreitung ihrer Befugnisse, und die Majorität Preußen der Auflehnung gegen gültige Bundesbeschlüsse anklagen wird, beide sich also gegenseitig des Bundesbruchs beschuldigen. Preußen in diese Lage zu versetzen, ist vielleicht das Ziel der Politik seiner Gegner; wie und wann eine solche Situation demnächst von ihnen weiter auszubeuten wäre, das wird von den Konstellationen der europäischen Politik abhängen, je nach dem dieselben es als thunlich erscheinen lassen, gegen Preußen mit mehr oder weniger Dreistigkeit aufzutreten. Eine solche Situation, zumal wenn der Moment ihres Eintretens nicht zu berechnen ist, kann jedenfalls unbequem genug werden, um zur Anwendung von Vorbeugungsmitteln aufzufordern, insbesondere wenn diese Mittel zugleich dahin führen, Preußens selbständiges Ausehen und seinen Einfluß auf Deutschland zu kräftigen. Preußen würde dadurch seinem deutschen Berufe keineswegs untreu werden, es würde sich nur von dem Druck losmachen, mit dem die Fiktion seiner Gegner auf ihm lastet, daß „Bundestag" und „Deutsch- Und" identische Begriffe seien, und daß Preußens deutsche Gesinnungen nach dem Maße seiner Fügsamkeit unter die Majorität der Bundes- Versammlung zu beurteilen seien. Seine deutschen Gesinnungen unabhängig von der Bundesversammlung zu bethätigen, hat kein Staat in dem Maße den Beruf und die Gelegenheit, wie Preußen, und es vermag dabei zu- gleich den Beweis zu liefern, daß Preußen für die mittleren und kleineren Staaten mehr Wichtigkeit hat, als eine Majorität von neun Stimmen für Preußen. Die preußischen Interessen fallen mit denen der meisten