32 gleichfalls verblieben, allmählich in die höhere römische Bildung einzuführen. Während er für seine friedliche Thätigkeit im weitesten Umfange römische Kräfte verwandte — sein befreundeter Staatsminister war Kassiodor (vgl. S. 9) —, vertraute er den kriegerischen Schutz seines Staates ausschließlich dem Heerbann seiner Goten an. Seine strenge, ohne Ansehen der Nation und des Glaubens, des Ranges und des Besitzes geübte Gerechtigkeit und seine unablässige Sorge für die allgemeine Wohlfahrt erwarben ihm mit Recht den Beinamen des Großen, und unter seiner laugen Friedensregierung blühte Italien wieder auf; trotz dieses äußeren Glanzes trug seine Herrschaft den Keim des Unterganges in sich; der gotische Staat stand schroff neben dem römischen; hinderte die große Verschiedenheit der Nationen und ihres Bildungsgrades an sich eine schnelle Verschmelzung, so machte sie der Gegensatz des Glaubens, der trotz aller Duldsamkeit Thcoderichs aufseilen der Römer sich immer mehr verschärfte, geradezu unmöglich. Zuletzt bildeten sich sogar engere Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem byzantinischen Hofe (Kaiser Justin), der seit 523 od. 524 die Arianer im ganzen Gebiete des Kaiserreiches schwer zu bedrücken anfing; eine Sehnsucht ergriff den römischen Klerus und die italische Bevölkerung nach der Wiedervereinigung mit dem rechtgläubigen Kaiser; der römische Adel begann einen hochverräterischen Briefwechsel mit Byzanz. Theoderich, der so seine Milde und Duldung gelohnt sah, schöpfte selbst gegen Männer Verdacht, die ihm nahe gestanden hatten; diesem Mißtrauen fielen der durch seinen Charakter wie seine Bildung ^) hervorragende vornehme Römer Boethius und sein Schwiegervater Symmachus zum Opfer. Nationaler und religiöser Haß schied die Unterthauen Theoderichs mehr als je; die Byzantiner lauerten im Osten, die Franken im Westen; die gotische Volkskraft war in der südlichen Sonne zusammengeschmolzen, ohne einen neuen Zusatz frischen Germanenblutes zu erhalten, da starb Theoderich2) 526; das Reich erbte ein 9 jähriges Kind, sein Enkel Athalarich, für den seine Mutter Amalaswintha (Tochter Theoderichs) die Vormundschaft führte. Amalaswintha, durch ihre griechisch-römische Bildung und die im rö- mischen Geiste geleitete Erziehung ihres Sohnes ihrem Volke entfremdet, suchte bei der inneren Schwäche ihres Reiches in thörichter Verblendung einen Rückhalt in Byzanz. wo ihre Unterwürfigkeit ihre Schwäche nur um so mehr aufdeckte. Der ausbrechende Zwiespalt unter den Goten begünstigte Justinians Eroberungspläne, die Ermordung der Amalaswintha gab ihm den Vorwand zum Kriege. Mit der Landung Belisars auf Sicilien (535) begann ein 20 jähriger, äußerst wechselvoller Krieg, in welchem zunächst der Abfall der italischen Bevölkerung und die Parteiungen unter den Goten, die bis zu offenem Verrat gingen, dem Beiisar fast ganz Italien in die Hände lieferten. Infolge des byzantinischen Steuerdrucks erfolgte ein Um- schwung in der Stimmung der italischen Bevölkerung, welchen Totila (541 1) Vgl. die im Gefängnis verfaßte Schrift: „De consolatione philosophiae"; .durch Übersetzungen griech. Werke, besonders des Aristoteles, ward er einer der einflußreichsten Lehrer des Mittelalters. t 2) S. Grabmal zu Raveuua ist noch erhalten, auf zehnselttgem Unterbau ein zurück¬ springender zehnseiliger Oberbau, der von einem einzigen, zu einer Kuppel ausgehöhlten Felsblock bedeckt ist.