Die Griechen. § 19. Die Kultur im Zeitalter des Perikles. 1. Die Baukunst. Unter Perikles erreichte die griechische Baukunst der geschichtlichen Zeit ihren Höhepunkt. Sie steht mit der früheren, mykenischen nicht in nachweisbarem Zusammenhange. Ihre Hauptaufgabe war die Aus- gestaltuug des säulengetragenen Tempels, dessen Cella das Bild der Gott- heit aufnahm. In seiner einfachen Form als Antentempel öffnet er sich vorn in eine Vorhalle mit zwei Säulen zwischen zwei Anten d. h. Kantenpfeilern; an die Rückwand der Cella schließt sich häufig eine besondere Schatzkammer für die dargebrachten Weihgeschenke. Tritt vor die Vorhalle eine Säulenreihe, so entsteht der Prostylos, entspricht ihr eine Hintere, der Amphiprostylos. Eine rings umlaufende Säulenreihe ergibt den Peripteros. Die Säule» tragen mit den Mauern das nach beiden Seiten sanft geneigte Dach. Als Baustoff verwandte man vornehmlich Kalkstein, den man mit Stuck bekleidete, und weißen Marmor, für das Dachgebälk Holz. Perikles ließ aus den reichen Geldmitteln durch Phidias, feinen künstlerischen Beirat, und andere Meister großartige Kunstwerke aufführen. Am schönsten wurde die von den Persern verwüstete Akropolis ausgestattet. Auf der Südseite erhob sich der Athene geweihte Parthenon, ein in dorischem Stile gehaltener, 77 m langer Peripteros. Auf der schmalen Westseite ließ Perikles in gleichem Stile das Eingangstor der Propyläen erbauen, die sich durch sechs Säulen fünffach öffneten, und die eine Quermauer mit Durch- gängen in eine vordere und eine Hintere Halle teilte. Der dorische Baustil, schon im 6. Jahrhundert ausgebildet, war in der älteren Zeit im Mutterlande wie in den westlichen Kolonien vorherrschend. Unter den teilweise erhaltenen Denkmälern sind außer den beiden genannten besonders bemerkens- wert der Tempel der Athene auf Ägina, der des Poseidon in Pästum und das unter Perikles erbaute Theseion in Athen. — Die dorische Säule ruht unmittelbar auf dem dreistufigen Unterbau. Die Höhe beträgt bei den schönsten Bauten etwa 5 ' untere Durchmesser. Der sich nach oben verjüngende Schaft ist mit scharfkantigen Furchen (Kannelierungen) versehen, und der oberste Teil, der „Hals", erscheint durch einen Quer¬ schnitt abgetrennt. Der Säulenkopf (das Kapitäl) besteht aus einem runden Polster (Echinus) und einer quadratischen Deckplatte (Abakus). Darauf ruht das Gebälk, an dem drei Teile zu unterscheiden sind: der Hauptbalken (Architrav); der Fries, ge- bildet aus Dreischlitzen (Triglyphen) und dazwischen liegenden rechteckigen Feldern (Metopen) zur Ausnahme figürlichen Schmuckes; das Kranzgesims, das mit dem Dach- gesims das Giebelfeld und seine Bildsäulen einschließt. Neben den Propyläen ließ Perikles den kleinen Nike-Tempel in ionischem Stile erbauen. Er konnte nicht alle seine Entwürfe ausführen. Erst nach seinem Tode entstand dem Parthenon gegenüber, in der Nähe des heiligen Ölbaumes, ein größerer ionischer Tempel, das dem Poseidon- Erechthens und der Athene geweihte Erechtheion. An das in mehrere Räume geteilte Tempelgebäude schloß sich an jeder Langseite eine Halle, deren eine statt der Säulen sechs marmorne Mädchengestalten, Karyatiden, aufweist, die das Gebälk tragen.