Der Nordamerikanische Freiheitskrieg. 193 Schienenwege. Unter den Kolonien wurde der ostindische Besitz bei weitem der wertvollste. Das Reich des Großmoguls mit der Hauptstadt Delhi, das die Mongolen im 16. Jahrhundert gegründet hatten, war in Verfall geraten, die Radschas hatten sich unabhängig gemacht. Mit Be¬ nutzung ihrer Uneinigkeit, mit Verwegenheit und List eroberten die Truppen der Ostindischen Handelsgesellschaft unter Lord Clive schon während des Siebenjährigen Krieges Bengalen und in den siebziger und achtziger Jahren unter dem Statthalter Warren Hostings den größten Teil Vorderindiens: ein Häuflein Germanen, viele tausend Kilometer von der Heimat entfernt, unterwarf eins der fruchtbarsten und reichsten Länder der Erde mit mehreren hundert Millionen Menschen. Die Ostindische Handelsgesellschaft wurde unter die Aufsicht des Staates gestellt. Zugleich zeigte sich der englische Unternehmungsgeist in der dreimaligen Erdumseglung durch James Cook, der aus der ersten Reise zum ersten- mal die gefährliche Ostküste Australiens anlief und den Umfang des neuen Erdteiles feststellte, auf der zweiten viele Inseln der Südsee ent- deckte und die dritte auf der Insel Hawaii beenden mußte, wo ihn die diebischen Eingeborenen erschlugen. Die erste Besiedlung Australiens er- folgte durch eine englische Verbrecherkolonie, die 1788 nach Neusüdwales geschickt ward und Sydney gründete. Bald folgten freiwillige Ansiedler, später zog der Goldreichtum der Gebirge große Massen von Einwanderern an. Die neuen Erwerbungen in Amerika, Ostindien und Australien boten reichen Ersatz für den Verlust derHerrschast über die alten Kolonien in Amerika. § 132. Der Nordamerikanische Freiheitskrieg, 1775—1783. 1. Ursachen. Die 13 englischen Kolonien an der atlantischen Küste Nordamerikas, deren Namen zum Teil an die Könige erinnern, unter denen die Gründung erfolgte, zählten bei Beginn des Krieges außer einer halben Million Indianer und Negersklaven etwa 2x/2 Millionen weiße Einwohner meist englischer Herkunft, die mit germanischer Ausdauer die großen Schwierig- feiten der Besiedlung überwunden und sich zu abgehärteten Menschen von starkem Selbstbewußtsein herangebildet hatten. Politisch standen die ein- zelnen Kolonien bei weitgehender Selbstverwaltung fast frei da; gemeinsame Beziehungen ergaben sich aus den Kämpfen gegen die Indianer und Franzosen. Wirtschaftlich aber waren sie abhängig; denn England schloß fremde Nationen vom Warenverkehr mit seinen Kolonien aus, gestattete die Ausfuhr wichtiger Rohstoffe nur nach dem europäischen Mutterlande und sicherte diesem für seine gewerblichen Erzeugnisse ein Absatzgebiet, indem es in den Kolonien deren Herstellung verbot. Freilich wurde die englische Maßregel durch einen schwung- haften Schmuggel an der hafenreichen Küste zum guten Teil hinfällig. Durch den Krieg gegen Frankreich (1755—1763) war die englische Staatsschuld bedeutend gestiegen. Da der Krieg für die Kolonien geführt worden war, suchte sie England zur Bestreitung der Kosten heranzuziehen, Hart mann, Geschichte II. 13