Friedenspolitik seit 1795. Friedrich Wilhelm in. 46 Die französische Revolution und ihre Folgen für Europa (1789—1815). § 10. Preußens Niedergang und Wiedergeburt (1806 bis 1809). 1. Preußens Stillstand und Niedergang. Durch den Frieden von Basel hatte Preußen die Bürgschaft für die Neutralität von fast ganz Norddeutschland übernommen; aber es geschah nach der militärischen Seite so gut wie nichts, was der Stellung einer solchen Schutz- und Vormacht entsprochen hätte. Vielmehr setzte der 1797 zur Regierung gelangte König Friedrich Wilhelm III. die würdelose Friedenspolitik seines Vaters fort. Friedrich Wilhelm III. (1797—1840), der als Kronprinz sein höchstes Glück in der Ehe mit Luise von Mecklenburg - Strelitz, einem „Engel an Lieblichkeit und Klugheit" gefunden hatte, machte, als er König geworden war, der verschwen¬ derischen Mißwirtschaft am Berliner Hofe ein Ende. Die altpreußischen Tugenden der Einfachheit, Sparsamkeit und Ordnungsliebe, die ihn erfüllten, suchte er wieder in der Regierung und Verwaltung des Staates zur Geltung zu bringen, aber es fehlte ihm die Fähigkeit, neue Gedanken und durchgreifende Änderungen durchzuführen. Dies rächte sich am meisten in der Heeresverfassung; denn hier hätten gegenüber den napoleonischen Neuerungen in Organisation und Gefechtsweise wichtige Reformen durchgeführt werden müssen, wozu auch her¬ vorragende Offiziere wie Blücher und Scharnhorst, Gneisenau und Elause- w i tz dringend rieten. Das allzu zähe Festhalten an der veralteten sriderizianischen Heeresverfassung und die Beibehaltung zu alter, den Ansprüchen einer neuen Zeit nicht gewachsener Offiziere in den höchsten Stellen hat damals das preußische Heer von seiner einstigen Höhe heruntergebracht, nicht Unfähigkeit des Offizierskorps im allgemeinen oder Mangel an kriegerischem Geiste. Napoleon war sehr zufrieden damit gewesen, daß die starke nord¬ deutsche Macht eine so friedliche Politik verfolgte und war deshalb den Wünschen Preußens nach Vergrößerung bei der Neuordnung Deutschlands im Jahre 1803 weit entgegengekommen (s. S. 43). Dadurch nämlich machte er Preußen in Deutschland unbeliebt, wie er es auch mit England verfeindete, indem er ihm die Erwerbung Hannovers in Aussicht stellte. So trat Preußen der Koalition vom Jahre 1805 nicht bei, obgleich viele treue Patrioten es gewünscht und die andern Großmächte es bestimmt erwartet, ja fast drohend verlangt hatten. Napoleon aber zeigte gerade bei diesem Kriege, wie wenig er Preußen achtete; denn er gestattete dem General Bernadotte, durch das damals preußische Fürstentum Ansbach zu marschieren, was ein offener Bruch der Neutralität war. Aber auch jetzt konnte sich der König nicht zu einer tatkräftigen und ehrenvollen Abwehr entschließen; trotz dem Drängen des ihn in Potsdam besuchenden Zaren Alexander I. von Rußland1) glaubte er durch Verhandlungen 1) Alexander I. (1801—1825), der Nachfolger des ermordeten Zaren Paul (s. S. 41 Anm. 1), war eine der glänzendsten Herrschergestalten jener Zeit; aber er erwies sich, trotzdem er im Jahre 1805 bei der Potsdamer Zusammenkunft mit Friedrich Wilhelm III. einen „ewigen Freundschaftsbund" schloß, später als ein unzuverlässiger Freund Preußens.