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Geschichtliches Lehrbuch
für
höhere Mädchenschulen
von
Dr. Friedrich Neubauer,
Direktor des Lessing - Gymnasiums in Frankfurt a. M.
Arrsgcrbe 8.
IV. Feil.
eutfche beschichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert für die 3. Klasse. Mit 26 Abbildungen.
Sechste, nach den Lehrplänen vom 12. Dezember 1908 umgestaltete Auflage.
(16. bis 20. Tausend.»
Halle a. d. S.
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1909.
Qeorg-Edke rt-lnslhul
für Internationale Schulbuchforschunfl Braunschv/eig Schulbuohbibliothek
BISUS
Alle Rechte vorbehalten.
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Inhalt.
Die Neuzeit.
I. Das Zeitalter der religiösen Kämpfe. 1519—1548.
Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Seite
§ l. Die Kennzeichen der neuen Zeit..........................................1
§2—3. Die Entdeckungen ..........................................................2
§4 — 5. Umwandlung des Heer- und Staatswesens........................................4
§ 6—8. Die Umwandlung im geistigen Leben.............................................5
§ 9 — 10. Martin Luther und die Reformation..........................................8
1. Karl Y. und die deutsche Reformation. 1519—1556.
A. Von Karls V. Thronbesteigung bis zum Nürnberger Religionsfrieden.
1519 — 1532.
§ 11 — 14. Karl V. und die Anfänge der Reformation...................................11
§ 15—16. Die Erhebung der Reichsritter und der Bauernkrieg...........................14
§ 17. Die Fortschritte der Reformation..................................................16
§ 18—19. Karls V. Kriege mit Franz I. von Frankreich; die Erwerbung Böhmens
und Ungarns.......................................................17
§ 20—21. Der Augsburger Reichstag und der Nürnberger Religionsfriede . . 18
B. Vom Nürnberger Religionsfrieden bis zum Schmalkaldifchen Kriege.
1532—1545.
§ 22 — 23. Die Entwickelung des Protestantismus.........................................19
§ 24. Karls Y. Kriege...................................................................21
C. Vom Schmalkaldifchen Kriege bis zum Augsburger Religionsfrieden.
1546 — 1555.
§ 25—27. Der Schmalkaldische Krieg. 1546—1547 21
§ 28—29. Die Erhebung des Kurfürsten Moritz und der Augsburger Religionsfriede 24
2. Die Zeit der Gegenreformation.
§ 30—33. Die Wiedererhebung des Katholizismus und die Weltpolitik Philipps II.
von Spanien..........................................................26
§ 34 — 36. Deutschland im Zeitalter der Gegenresormatinn................................29
3. Der Dreißigjährige Krieg. 1618—1648.
§ 37-38. Der böhmisch-pfälzische Krieg..................................................32
§ 39 — 40. Der niedersächsisch - dänische Krieg.........................................34
§ 41 — 42. Der Siegeszug Gustav Adolfs........................................... , 36
IV
Inhalt.
Seite
§ 43 — 45. Der schwedisch-französische Krieg..................................................39
§ 46. Der westfälische Friede....................................................................
§ 47 — 49. Deutschland am Ende des dreißigjährigen Krieges....................................42
II. Das Zeitalter des Emporkommens Preußens. 1648 — 1786.
Vorgeschichte der Mark Brandenburg (bis zum Regierungsantritt des Großen Kurfürsten).
§ 50 — 52. Die Mark unter den Askaniern, Wittelsbachern und Luxemburgern 46 § 53 — 56. Die ersten fünf Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern. 1415—1535 48 § 57 — 59. Die hohenzollerfchen Kurfürsten von 1535—1640 .............................. 50
1. Das Zeitalter der Vorherrschaft Frankreichs. 1648—1713.
§ 60 — 62. Die europäische Lage. Die englische Revolution. Frankreich unter
Ludwig XIV...............................................................52
§ 63 — 64. Die Anfänge des Großen Kurfürsten. Der schwedisch-polnische Krieg 55 § 65 — 67. Friedrich Wilhelm im Kampfe mit Ludwig XIV. und den Schweden.
Sein Verhältnis zum Kaiser..........................................57
§ 68 — 71. Friedrich Wilhelms innere Politik...........................................60
§ 72 — 73. Der dritte Raubkrieg Ludwigs XIV. und die Türkenkriege .... 64 § 74—75. Friedrich III. (I.) 1688 —1713. Preußens Erhebung zum Königreich 65
§ 76. Der spanische Erbfolgekrieg. 1701 — 1713........................................67
§ 77. Der nordische Krieg. 1700—1721 69
2. Die Zeit der Begründung der preußischen Großmacht. 1713-1786.
§ 78—80. Friedrich Wilhelm I. 1713 — 1740 71
Friedrich der Große. 1740—1786.
§ 81. Friedrichs Jugend...............................................................75
§ 82 — 84. Die ersten beiden schlesischen Kriege..........................................77
§ 85—89. Der siebenjährige Krieg. 1756 — 1763 ......................................... 80
§ 90—92. Friedrichs des Großen Regententätigkeit........................................88
§ 93 — 94. Friedrichs auswärtige Politik in seinen letzten Jahrzehnten .... 93
§ 95. Die Entstehung der Vereinigten Staaten von Nordamerika .... 95
Die Neuzeit.
I Das Zeitalter der religiösen Kämpfe.
1519 — 1648.
Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
Die Kennzeichen der neuen Zeit.
§ 1. Es kommen verschiedene Gründe zusammen, die uns berechtigen. die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts und die ersten des 16. als die Scheide zweier Zeitalter anzusehen. Damals wurden durch kühne Seefahrer neue Meereswege und neue Länder entdeckt, weite Fernen öffneten sich aus einmal dem menschlichen Blick, der Welthandel suchte neue Bahnen aus. Ferner traten wichtige Änderungen im Heerwesen und im Zusammenhang damit im Staatswesen ein. Das Mittelalter war die Zeit des Rittertums und des Lehnswesens gewesen; an ihre Stelle traten jetzt das Söldnerwesen und der Absolutismus, die unumschränkte Gewalt des Königtums, welches in andauerndem Kampfe den Lehnsstaat allmählich beseitigte. Von größter Bedeutung ist sodann die neue Strömung im geistigen Leben, die wir Humanismus nennen; sie traf zeitlich zusammen mit der Erfindung der Buchdruckerkunst, der wir eine gewaltige Ausdehnung der geistigen Bildung verdanken. Mit dem Humanismus steht in innerlichem Zusammenhang die wunderbare Blüte der Malerei, Bildhauerei und Baukunst, die in jene Zeiten fällt; wir bezeichnen sie als Renaissance, ein Wort, das ursprünglich Wiedergeburt des klassischen Altertums bedeutet. Das gesamte Volksleben endlich wurde von der religiösen Bewegung der Reformation ergriffen; neue, nationale Kirchen entstanden neben der katholischen Kirche, die bisher alle Christen umfaßt hatte, und diese selbst erfuhr eine Neugestaltung.
Neubauer, Gcschichtl. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl. 1
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
Die Entdeckungen.
§ 2. Die portugiesischen Entdeckungen. Die Seefahrten der portugiesischen und spanischen Entdecker wurden ermöglicht durch die Erfindung des Kompasses, der ihnen erlaubte, die Fahrt ins offene Weltmeer gu wagen. Sie gingen aus dem Wunsche hervor, einen neuen Seeweg nach Ostindien zu finden. Die Handelswege durch Vorderasien und über Ägypten, auf denen man seit alters die Waren des Orients, besonders die Gewürze Indiens, bezogen hatte, waren durch die Eroberungen der Türken in Verfall geraten; der Levantehandel war unsicher und gefährlich, die Waren bedeutend teurer geworden. So tauchte der Gedanke auf, das ersehnte Ziel auf anderen Wegen zu erreichen, durch Umsegelung der unbekannten Südspitze Afrikas oder gar durch eine Fahrt nach Westen über den Ozean hinüber. Ein besonderer Sporn zu solchen kühnen Unternehmungen war die Hoffnung, ungeheure Reichtümer, besonders an edlen Metallen, zu erbeuten, wie sie nach den Berichten früherer Reisender im fernen Osten zu finden waren. Es waren tapfere Abenteurer, welche diese Fahrten ausführten; die Gier nach Gold verbündete sich in ihnen mit heldenmütiger Todesverachtung, Herrschsucht mit christlichem Bekehrungseifer.
Zuerst waren es portugiesische Seefahrer, die, zum großen Teil ausgerüstet und ausgesandt durch den Prinzen Heinrich den Seefahrer, an der Westküste Afrikas hinfuhren, in der Hoffnung, die Südspitze dieses Weltteils aufzufinden. So wurde das Kap Verde, dann der Meerbusen von Guinea erreicht; endlich fand Bartholomäus Diaz Seeweg nach das Kap der guten Hoffnung. Vasco da Gama war es sodann, der Di498.n‘ im Jahre 1498 Afrika umsegelte und über den indischen Ozean die Küste Vorderindiens erreichte. Hier gründeten in den nächsten Jahrzehnten portugiesische Seefahrer und Feldherrn ein Kolonialreich, daß außer einigen Punkten an der ostindischen Westküste (Malabar) Ceylon, mehrere der Sundainseln und die gewürzreichen Molukken umfaßte. Dazu kam außer einigen afrikanischen Küstenlandschaften auch Brasilien, das ein vom Sturm westwärts verschlagener portugiesischer Seefahrer entdeckt hatte.
Columbus. § 3. Die spanischen Entdeckungen. Einige Jahre vorher schon hatte der Genuese Christoph Columbus (italienisch Colombo, spanisch Colon) in spanischen Diensten einen neuen Weltteil entdeckt. Von dem Gedanken der Kugelgestalt der Erde ausgehend, hatte er den Plan gefaßt, durch eine Fahrt nach Westen Indien zu erreichen. In Portugal mit seinen Vorschlagen abgewiesen, wandte er sich an Jsabella von
Die Entdeckungen.
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Kastilien, die eben Granada, die Residenz des letzten Maurenkönigs in Spanien, eingenommen hatte und ihm in ihrer Siegesfreude drei kleine Schiffe bewilligte. Mit diesen fuhr Columbus im August 1492 aus und Entdeckung erreichte am 12. Oktober 1492 die Insel Guanahani, eine der Bahama- °' Inseln; von da fuhr er nach Cuba und Haiti, wo er eine Niederlassung gründete. Auf drei weiteren Fahrten entdeckte er andere Inseln des Antillenmeeres und die Küste des südamerikanischen Festlandes. Ihm ist das Schicksal nicht erspart geblieben, während seiner dritten Fahrt beim spanischen Hofe angeklagt und von einem Abgesandten des Königs in Ketten nach Spanien geführt zu werden; hier wurde er allerdings sofort wieder befreit. Auf einer vierten Fahrt erreichte er Mittelamerika; vergeblich suchte er eine Durchfahrt nach Westen. Wenige Jahre nachher starb er in Spanien, ohne zu ahnen, daß er anstatt Indiens einen neuen Weltteil entdeckt habe. Dieser hat nicht von ihm den Namen erhalten, sondern von dem Florentiner Amerigo Vespucci, der seine Fahrten an der Küste Südamerikas zuerst in einem vielgelesenen Buche beschrieb. Die erste Weltumsegelung versuchte MagalhLes, ein Portu-giese in spanischen Diensten, der die nach ihm benannte Meeresstraße und den stillen Ozean durchfuhr. Er fand auf einer der Philippinen durch die Eingeborenen den Tod; aber eines seiner Schiffe führte die Fahrt zu Ende und gelangte glücklich wieder nach Spanien.
Nun entstand in der neuen Welt ein spanisches Kolonialreich. Spanisches Die beiden Männer, welche die spanische Herrschaft am weitesten ctus- Ä0l0ntalrei^-gedehnt haben, die bedeutendsten der sogenannten Conquistadoren, d. h.
Eroberer, waren Ferdinand Cortez und Franz Pizarro. Der erste, einer der kühnsten Krieger der Weltgeschichte, eroberte mit wenigen hundert Soldaten Mexiko, das blühende Reich der Azteken; der zweite, ein Mensch von furchtbarster Habsucht und Grausamkeit, machte sich das von den Inkas, den „Söhnen der Sonne", beherrschte silberreiche Peru untertänig. Bald umfaßte das spanische Kolonialreich außer Westindien und Mexiko die gesamte Nord- und Westküste Südamerikas.
Die Entdeckungen sind von den größten Folgen begleitet gewesen. Folgen der Die Wissenschaften zunächst, vor allen die Erdkunde, erfuhren durch®ntbectun9eit-sie eine starke Anregung. Der Welthandel ferner gewann allmählich ein ganz anderes Aussehen; während bisher das mittelländische Meer und die Ost- und Nordsee die wichtigsten Handelsbeziehungen vermittelt hatten, nahm nunmehr die Bedeutung des ozeanischen Handels von Jahrhundert zu Jahrhundert zu. Amerikanische Erzeugnisse, wie Mais,
Kakao, Tabak, die Kartoffel, wurden in Europa eingeführt; dagegen
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519—1648.
wurden Pflanzen, die in der alten Welt heimisch waren, wie Kaffee, Reis, Zuckerrohr, Baumwolle, in Amerika angepflanzt. Derjenige Staat, der zunächst durch die Kolonien am meisten an Macht gewann, war Spanien; dessen Schatzkammern füllten sich, seitdem der amerikanische Bergbau emporgeblüht war, mit den Mengen von Gold und Silber, welche die Silberflotten herüberbrachten.
Umwandlung des Heer- und Staatswesens.
§ 4. Umwandlung des Heerwesens. Die Umwandlung des Heerwesens, welche in jenem Zeitalter vor sich ging, beruht vornehmlich auf dem Verfall des Rittertums. Die Ritterheere waren, wie so manche Schlacht bewiesen hatte, infolge der Schwere ihrer Rüstung und ihres Mangels an Beweglichkeit dem Fußvolk nicht mehr gewachsen. Dazu waren die ritterlichen Lehnsleute nicht zuverlässig, erfüllten ihre Lehnspflicht schlecht und waren von dem unbedingten Gehorsam, wie ihn der Fürst wünschte, weit entfernt.
Indessen war der Gebrauch des Geldes jetzt so allgemein geworden, die Art der Wirtschaft, die wir Geldwirtschaft nennen, hatte sich so verbreitet, daß die Landesherren, deren wichtigste Einnahmequelle früher ihr Besitz an Grund und Boden gewesen war, nunmehr daneben das Steuerwesen ausbilden konnten. Dadurch wurde es ihnen möglich. Söldner anzuwerben; und so kamen die Soldheere immer mehr auf, Heere von Die Lands-Landsknechten, die, mit langen Spießen, teilweise auch mächtigen, We- zweihändigen Schwertern, hier und da auch mit Hakenbüchsen bewaffnet, ins Feld zogen und in der Schlacht in dichtgeschlossenen, viereckigen Haufen fochten. Es waren todesmutige Gesellen, die sich zur Fahne zusammenschworen. Vor der Schlacht pflegten sie zu beten; sonst führten sie ein wildes Leben, stolzierten in prahlerischen Trachten einher und verschwendeten bei Becher und Würfelspiel, was sie erbeutet hatten. Aus Landsknechten bestanden die Heere bis zum dreißigjährigen Kriege; seitdem beginnt die Zeit der stehenden Heere.
Dar Schieß- Noch eine zweite Veränderung im Kriegswesen trat damals ein: der >utöer- zunehmende Gebrauch des Schießpulvers. Das Schießpulver war in China schon zur Zeit des Altertums bekannt gewesen; im Abendlande wurde es zuerst zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts zum Schleudern von Geschossen verwandt. Die Überlieferung schreibt seine Erfindung einem Mönche namens Berthold Schwarz zu. Aber zunächst führte der
Die Umwandlung im geistigen Leben.
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Gebrauch des Pulvers nur im Belagerungswesen zu einer großen Wandlung. Bisher hatte man bei der Belagerung keine anderen Augriffs-mittel gehabt als das Altertum, Sturmböcke, bewegliche Türme, Schutzdächer, Schleudermaschinen; jetzt wurde es möglich, starke Steinmauern durch Beschießung in Trümmer zu legen. Anders stand es beim Fußvolk. Die Landsknechte waren, wie oben erwähnt, nur zum kleinen Teil mit Gewehren bewaffnet, und diese waren noch sehr schwerfällig und unbehilflich; auch brauchte man zum Laden viel Zeit. Noch lange war es Brauch, die Musketen zum Schießen auf eine „Gabel" zu legen; erst im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts wurden die Gewehre leichter und ihr Gebrauch bei der Infanterie allgemein.
§ 5. Umwandlung des Staatswesens. Die Veränderung, die im Heerwesen vor sich ging, wirkte auf das staatliche Leben zurück. Die Söldnerheere, welche die Landesherren in ihren Dienst nahmen, dienten ihnen nicht nur zum Kampf gegen äußere Feinde, sondern auch, um im eigenen Lande eine unbedingte und unbeschränkte Fürstenmacht zu begründen. Bisher hatten Adel und Städte sich vielfach großer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erfreut; jetzt wurden viele ritterliche Burgen gebrochen und trotzige Städte zum Gehorsam zurückgeführt. Die Staatsform, welche in den nächsten Jahrhunderten in den meisten Ländern Europas zur Herrschaft gelangte, war der Absolutismus. In Frank-Der^Abso-reich ist das erste stehende Heer entstanden; in Frankreich ist auch der Absolutismus im siebzehnten Jahrhundert so ausgebildet worden, daß kein andrer Wille neben dem königlichen Geltung hatte; dem König Ludwig XIV. wird das Wort zugeschrieben: l’fitat c’est moi! In Deutschland, wo die Fürsten der Einzelstaaten bereits die Landeshoheit erworben hatten, konnte der Kaiser die frühere Macht nicht wiedergewinnen; hier haben die Fürsten durch Bezwingung ihrer Stände ihre absolute Gewalt begründet und einheitliche Staaten geschaffen, so besonders der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg.
Die Umwandlung im geistigen Leben.
§ 6. Humanismus und Renaissance in Italien. Schon im vier- Humanis-zehnten Jahrhundert hatte man in Italien wieder begonnen, mit Eifer mu' die Schriftsteller des Altertums zu studieren, die im Mittelalter zum großen Teil vergessen worden waren. Man suchte die verstaubten Handschriften aus den Bibliotheken wieder hervor, man schrieb sie ab, las und erklärte sie, man begeisterte sich an dem Gedankengehalt und der
Baukunst der Renaissance.
Bildhauer-
kunst.
Malerei.
6 Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519 — 1648.
Formenschönheit der antiken Literatur. Von großer Bedeutung war es, daß im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts viele griechische Gelehrte aus dem von den Türken bedrohten Konstantinopel nach dem Abendlande kamen; ihnen verdankte man es, daß man auch die griechischen Schriftsteller wieder lesen und verstehen lernte. Die Männer, welche sich dem Studium des Altertums widmeten und sich bestrebten die alten Schriftsteller nachzuahmen, nennt man Humanisten und die ganze geistige Bewegung den Humanismus. Von Ort zu Ort, von einem Fürstenhof zum andern, von Hochschule zu Hochschule zogen diese Humanisten, ein geistvolles und begeisterndes, aber unstetes und heimatloses, dazu oft streitlustiges Geschlecht. Besondere Gunst erfuhren sie an dem Hofe der Mediceer in Florenz.
Gleichzeitig wandte sich das Interesse der Künstler den Formen der antiken Kunst zu. Mit Bewunderung studierten sie die Trümmer der Bauten des Altertums, wie sie sich zu Rom und anderswo fanden, maßen ihre Verhältnisse aus, verglichen sie untereinander und suchten den Geist der großen antiken Baumeister zu verstehen. Von den Bauformen des gotischen Stils wandten sie sich mit Verachtung ab. Eine neue Kunst sollte aus dem Studium der alten entstehen; mächtige, schmuckvolle Paläste, gewaltige, schön gegliederte Kirchen erhoben sich in dem neuen Stil der Renaissance. Der großartigste Bau, der jener Zeit entstammt, ist die Peterskirche in Rom, zu deren wundervollem Kuppelbau der Florentiner Michelangelo Buonarroti den Plan entworfen hat.
Dasselbe Zeitalter sah herrliche Werke der Plastik entstehen. Auch als Bildhauer hat Michelangelo, der Schöpfer des zürnenden Moses, Gewaltiges geleistet; kein andrer Bildhauer der Neuzeit kommt ihm gleich. Und gleichzeitig erblühte die Malerei in vielen Schulen zu einer Höhe, die nicht wieder erreicht worden ist. Auch hier ist einer der größten Meister Michelangelo, der die Decke der sixtinischen Kapelle in dem vatikanischen Palast des Papstes ausgemalt hat. Neben ihm steht der mit einem wundervollen Schönheitssinn begabte Raffael Santi aus Urbino, der in demselben Jahre wie Luther, 1483, geboren ist, der Schöpfer vieler Madonnenbilder, unter denen die in der Dresdener Galerie befindliche sixtinische Madonna voransteht, und der Freskogemälde in mehreren Zimmern des Vatikans, z. B. der Schule von Athen. Diesen beiden geht voraus der geniale, vielseitige Lionardo da Vinci, dessen berühmtestes Werk die Darstellung des heiligen Abendmahls an der Wand des Refektoriums in einem Mailänder Kloster ist; es folgt ihnen der große Meister der Farbe, der Venezianer Tizian.
Die Umwandlung im geistigen Leben.
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§ 7. Humanismus und Renaissance in Deutschland. Auch in ^eut^e Deutschland hielt der Humanismus seinen Einzug. Der „König der mus.
Humanisten", Desiderius Erasmus, stammte aus Rotterdam, das damals noch für eine Stadt des deutschen Reiches galt, und lebte meist in Basel; er war ein feinsinniger und geschmackvoller Gelehrter, der auch die Schäden der Kirche wohl einsah, Luthers Bahnen aber nicht folgte.
Ihm zur Seite steht Johannes Reuchlin, der aus Pforzheim stammte, und dessen besonderes Verdienst die Wiedererweckung der hebräischen Studien ist; größer noch als er wurde sein Großneffe Philipp Melanchthon, ursprünglich Schwarzerd, der bereits mit kaum 17 Jahren in Tübingen die Magisterwürde erhielt, nachher an die Universität Wittenberg berufen und Luthers vertrauter Freund und Helfer wurde. Eine besondere Stellung unter den Humanisten nimmt der kühne und feurige Ritter Ulrich von Hutten ein, der einst für den geistlichen Stand bestimmt worden, aber ans dem Kloster entsprungen war und ein unstetes Wanderleben führte; in seinen Streitschriften, die er anfangs lateinisch, später deutsch schrieb, wandte er sich mit großer Schärfe gegen das Papsttum. Sein Wahlspruch war: „Ich hab's gewagt!" Von ihm
stammt das Wort „O Jahrhundert, o Wissenschaften, es ist eine Lust
zu leben! Es blühen die Studien, die Geister erwachen!"
In denselben Jahrzehnten erreichte die deutsche Kunst ihren Höhe-Die deutsche Punkt, vor allem die Malerei. Damals lebte der aus Nürnberg gebürtige Albrecht Dürer, der größte deutsche Maler, der Schöpfer von Heiligenbildern, Porträts, Kupferstichen und Holzschnittwerken; ein Mann von tiefem deutschem Gemüt, ein treuer Anhänger Martin Luthers.
Ihm steht zur Seite Hans Holbein, ein Augsburger von Geburt, der aber lange in England weilte, wo er mehr Aufträge erhielt als im Vaterlande; von ihm stammt u. a. das Darmstädter Bild der Mutter des Heilandes. Daneben ist Lukas Kranach zu erwähnen, der in Wittenberg lebte, und von dem wir auch Bilder Luthers und seiner Freunde haben. Unter den deutschen Erzgießern ragt Peter Bischer hervor, der wie Dürer ans Nürnberg stammte, und dessen berühmtestes Werk, das figurenreiche Grabmal des heiligen Sebaldus, in der dortigen Sebaldus-kirche steht. Zugleich blühte die Bildhauerkunst und die Holzschnitzerei.
Was endlich die Baukunst anlangt, so folgt auch in Deutschland auf das Zeitalter der Gotik ein Zeitalter der Renaissance, das bis zum
Dreißigjährigen Kriege gedauert hat; das herrlichste Baudenkmal jenes Stils ist wohl das Heidelberger Schloß, das leider seit seiner Zerstörung durch die Heere Ludwigs XIV. eine Ruine ist.
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519—1648.
§ 8. Die Erfindung des Buchdrucks. Die Blüte der Wissenschaft und Kunst kam zunächst den höheren Ständen zugute. Die niederen Stände, zumal die Bauern, lebten in großer Unwissenheit dahin; Handschriften waren teuer; die Kunst des Lesens und Schreibens war auf einen kleinen Teil der Nation beschränkt. Da war es von der größten Bedeutung für die allgemeine Volksbildung, für die Verbreitung nützlicher Kenntnisse, für die geistige Anregung der weitesten Volksschichten, daß der Buchdruck erfunden wurde. Bilderholzschnitte, die wohl auch Unterschriften gehabt hatten, waren längst bekannt; da kam um die Mitte des fünfzehnten Vutenberg. Jahrhunderts Johann Gutenberg aus Mainz auf den Gedanken, bewegliche, aus Metall gegossene Lettern anzuwenden. In Mainz hat Gutenberg die erste Buchdruckpresse eingerichtet; er hatte mit igroßen Schwierigkeiten zu kämpfen, da er ohne bie nötigen Geldmittel war und sich seine Geschäftsteilnehmer als unzuverlässig erwiesen.
Von Mainz hat sich die Kunst des Buchdrucks, die „deutsche Kunst", schnell nach den verschiedensten Ländern verbreitet. Sie ermöglichte die billige Herstellung von Büchern und Flugschriften; sie kam besonders der Verbreitung der Reformation zugute, und eins der ver-breitesten Bücher wurde Luthers Bibelübersetzung.
Martin Luther und die Reformation.
§ 9. Die kirchlichen Zustände. Die Klagen über die kirchlichen Zustände hatten seit dem Konstanzer Konzil, auf dem man vergeblich versucht hatte, die ersehnte Reform der Kirche an Haupt und Gliedern durchzuführen, nicht aufgehört. Es gab damals viele, welche von einem herzlichen Verlangen nach Gott erfüllt waren; die Bibel ist schon vor Luther mehrmals übersetzt worden; noch inbrünstiger als früher verehrte man die Jungfrau Maria und die Heiligen; viele suchten durch Kirchliche reichliches Almosengeben, durch Wallfahrten, durch Verehrung der Reli-8uftSnbe' quien die Seele zu befriedigen; andere wieder wandten sich von der Kirche ab. In der Tat saßen damals auf dem päpstlichen Stuhle Männer, die mehr von weltlichen als von geistlichen Interessen erfüllt waren; auch sonst hörte man laute Klagen über das weltliche Leben vieler Geistlichen. Besonders anstößig war es von jeher gewesen, daß das Papsttum unter den verschiedensten Gründen immer von neuem große Geldsummen aus allen katholischen Ländern nach Rom zu ziehen verstand. Eine große Ausdehnung hatte vornehmlich das Ablaßwesen gewonnen. Der «blaß. Auch Papst Leo X., der zum Neubau der Peterskirche viel Geld brauchte,
Martin Luther und bte Reformation.
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schrieb einen Ablaß aus; einer der Ablaßprediger, die in Deutschland umherzogen, war der Dominikanermönch Johann Tetzel. Da trat ihm Dr. Martin Luther entgegen.
§ 10. Martin Luther. Martin Luther stammte aus einer Bauern-familie. Sein Vater, der aus Thüringen gebürtig war, arbeitete als armer Bergmann in Eisleben, wo sein Sohn Martin am 10. November 1483 io.swjemkr geboren wurde; später zog er nach Mansfeld, wo er sich ein Haus erwarb und ein angesehener Mann wurde. Der Sohn wurde streng erzogen und oft „hart gestäupt". Mit vierzehn Jahren wurde er nach Magdeburg auf die lateinische Schule gebracht, von wo er bald nach Eisenach übersiedelte; dort sang er, um sein Brot zu verdienen, als Kurrendeschüler vor den Häusern. Erst als sich Frau Ursula Cotta seiner erbarmte und ihn an ihren Tisch zog, lernte er ein behaglicheres Leben kennen. 1501 bezog er die Universität Erfurt; er sollte Jura Erfurt, studieren, um später ein Beamter werden zu können. Aber nach vierjährigem Studium trat Luther, von Gewissensängsten getrieben, durch den plötzlichen Tod eines Freundes, durch einen neben ihm niederzuckenden Blitz an die ewigen Dinge gemahnt, in das Kloster der Augustiner in Erfurt ein. Dort unterzog er sich allen mönchischen 1505. Pflichten mit dem größten Eifer und der größten Selbstverleugnung, ohne doch lange Zeit den Frieden des Herzens mit Gott zu finden. Da war es der Generalvikar des Ordens, Johann Staupitz, der ihm nahe trat und ihn durch seinen Zuspruch stärkte; immer fester wurde in ihm das Vertrauen auf die vergebende Gnade Gottes. 1508 wurde er auf Staupitz' Betreiben an die Universität Wittenberg berufen, die derBtttenBerg. sächsische Kurfürst Friedrich der Weise vor kurzem gegründet hatte; 1508> dieser entstammte der ernestinischen Linie des Hauses Wettin, während die albertinische Linie in Sachsen-Meiningen herrschte. Einige Jahre später hatte Luther in Ordensangelegenheiten eine Reise nach Rom zu machen.
Da kam 1517 Tetzel, zwar nicht nach Kursachsen, das ihm der Kurfürst zu betreten verboten hatte, aber doch an die Grenze des sächsischen Gebietes und fand auch aus Wittenberg viel Zulauf. Unter diesen Umständen fühlte sich Luther durch seine Pflicht als Seelsorger gedrängt, nicht zu schweigen, sondern sich gegen den Mißbrauch des Ablasses öffentlich zu erklären, und am Abend des 31. Oktober 1517 schlug er seine lateinisch abgefaßten 95 Thesen über den Ablaß an die Tür der Schloß- Die kirche zu Wittenberg. Er hatte dabei zunächst nur die Absicht, Tetzel sl mSeV zur öffentlichen Disputation herauszufordern, wie das damals unter 1517,
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
Gelehrten häufig vorkam. Aber die Thesen gewannen eine weit darüber hinausgehende Bedeutung; binnen vierzehn Tagen waren sie in ganz Deutschland verbreitet, fanden manchen scharfen Widerspruch, aber viel mehr begeisterte Zustimmung. Schon wurde der Streit vor den Papst gebracht, der den kühnen Mönch zur Verantwortung nach Rom vorlud. Aber Kurfürst Friedrich der Weise nahm sich Luthers an und erwirkte, Cajetan.daß er von dem Kardinal Cajetanus, der seinen Namen von seiner 1518' Vaterstadt Gaeta trug, und der 1518 bei dem in Augsburg abgehaltenen Reichstag anwesend war, vernommen würde. So reiste Luther nach Augsburg; aber mit Berufung auf die heilige Schrift, deren Wert und Geltung größer sei als die der Kirchenväter und Konzilien, verweigerte er den Widerruf, den der Kardinal von ihm verlangte. Als er fürchten mußte verhaftet zu werden, floh er heimlich aus der Stadt.
Miltitz. Bald darauf kam der päpstliche Kammerherr von Miltitz, der damit beauftragt war, Friedrich dem Weisen als Geschenk des Papstes eine goldene Rose zu überbringen, mit Luther zu Altenburg zusammen und erreichte, daß er zu schweigen versprach, wenn auch seine Gegner schwiegen. Aber der Streit konnte auf diese Weise nicht mehr beigelegt werden. Luthers Wittenberger Amts genösse Andreas Karl stadt hatte mit einem Die Leipziger Gegner Luthers, dem Jngolstädter Professor vr. Eck, eine öffentliche Disput^ion. Disputation auszufechten, die auf der Pleißenburg zu Leipzig unter Anwesenheit des albertinischen Herzogs Georg von Sachsen stattfand. Hier kam Luther dem hart angegriffenen Karlstadt zu Hilfe; und hier erklärte er es offen, daß auch unter den Lehrsätzen, um deren willen Hus verbrannt sei, manche gut evangelisch gewesen seien, und daß auch die Konzilien irren könnten.
Diese Erklärung war für Luther entscheidend; sie schied ihn von der alten Kirche. Ihm zur Seite stand jetzt Philipp Melanchthon. keine Kampfnatur wie Luther, zarter und milder angelegt, aber als Gelehrter und Schriftforscher ihm ebenbürtig. Obwohl der Kurfürst sich von der alten Kirche nicht trennte, so trat er doch in seiner gerechten und milden Art auch ferner schützend für Luther ein. In Deutschland aber stieg sein Anhang von Tag zu Tag; zumal viele der Humanisten und insbesondere Ulrich von Hutten feierten ihn als den Ihrigen, und der Führer der rheinischen Ritterschaft, Franz von Sickin gen, bot ihm auf seinen Luthers Burgen eine Freistatt an. Luther aber schrieb jetzt die berühmten Streitschriften. schriften „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche", denen er die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen"
Karl V. und die Anfänge der Reformation.
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folgen ließ. Indessen war Eck nach Rom gereist und hatte bei Leo X. eine Bulle erwirkt, die Luther, falls er nicht binnen 60 Tagen widerriefe, mit dem Banne bedrohte. Da verbrannte Luther die Bannbulle Verbannung am 10. Dezember 1520 im Beisein der gesamten Universität vor dem ^annburce^ Elstertore zu Wittenberg; so brach er endgültig mit dem Papsttum. 1520.
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1. Karl V. und die deutsche^Refvrmation.
1519 — 1556.
A. von Karls Y. Thronbesteigung bis zum Nürnberger Religionsfrieden. 1519 —1532.
Karl V. und die Anfänge der Reformation.
§ 11, Die Wahl Karls Y. 1519 war Kaiser Maximilian gestorben.
Um die Krone des deutschen Reiches bewarben sich zwei fremde Fürsten:
König Karl I. von Spanien und König Franz I. von Frankreich. Ersterer Karl v. war der Sohn Philipps Von Burgund, der Enkel Maximilians, der Erbe der burgundischen, Habsburgischen und spanischen Lande, zu denen auch Neapel und Sizilien und die amerikanischen Kolonien gehörten; er war der Herr eines Reiches, in dem „die Sonne nicht unterging". In den Niederlanden war er geboren. Streng kirchlich erzogen, hielt er durchaus am alten Glauben fest. Er sprach nur gebrochen deutsch; auch sein Denken und Fühlen war nicht deutsch. Seine Interessen waren nicht die eines deutschen Fürsten, sondern die eines Weltherrschers. Das letzte Ziel seiner Staatskunst war, dem Hanse Habsburg eine beherrschende Machtstellung in Europa zu erwerben.
Immerhin stand Karl Deutschland näher als der Franzose; und so wurde er denn, nachdem Friedrich der Weise die Krone abgelehnt hatte, von den Kurfürsten zum Kaiser gewählt und im Jahre 1520 zu Aachen gekrönt. So erhielt Deutschland in einem der entscheidungsreichsten Augenblicke seiner Geschichte einen Fremden zum Herrscher.
§ 12. Der Reichstag zu Worms. Seinen ersten Reichstag hielt der junge Kaiser in Worms ab, und hier kam neben mancherlei politischen
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Dingen auch die Sache Luthers zur Verhandlung. Ein kaiserlicher Herold lud ihn unter Zusicherung freien Geleits vor den Reichstag; und Luther versprach trotz aller Warnungen und aller Hinweise auf das Schicksal des Böhmen Hus zu kommen, „und wenn dort", wie er sagte, „so viel Teufel wären, als Ziegel auf den Dächern". Seine Reise war wie ein Triumphzug; wie der päpstliche Legat selbst nach Nom berichtete, „riefen Luther damals neun Zehntel der Deutschen Luther". Am 17. April ward er zum " ersten Male vor den Kaiser und den Reichstag vorgefordert; auf die Frage, ob er seine Schriften widerrufen wolle oder nicht, bat er sich Bedenkzeit auS,. 18. April die ihm gewährt wurde. Am 18. April, abends 6 Uhr, erschien er von 15-1' neuem vor dem Reichstag. Aufgefordert, eine klare und bündige Antwort zu geben, erklärte er: wenn er nicht durch Zeugnisse der Schrift oder durch einleuchtende Vernunftgründe überführt würde, so könne und werde er nicht widerrufen, da wider das Gewissen zu handeln unsicher und gefährlich sei. Er schloß, wie berichtet wird, mit den Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helf mir. Amen." Als er in seine Herberge kam, rief er freudig und unerschrocken: „Ich bin hindurch!" Auf viele unter den Fürsten hatte er Eindruck gemacht. Der Kaiser freilich sagte: „Der soll mich nicht zum Ketzer machen." Er erließ, als der Reichstag seinem Ende zuging, mit Zustimmung der noch Das Wormser anwesenden Fürsten das Wormser Edikt, wodurch Luther in die <£bt!t‘ Reichsacht erklärt und die Verbreitung seiner Bücher und seiner Lehren verboten wurde.
§ 13. Luther auf der Wartburg. Die Schwarmgeister. Luther, der bereits vorher abgereist war, wurde unterwegs in einem Tale de& Thüringer Waldes auf Befehl des Kurfürsten Friedrich des Weisen unter dem Schein eines räuberischen Überfalls aufgegriffen und nach der Wartburg bei Eisenach geführt. Dort lebte der Reformator in Reitertracht als Junker Jörg; und auf den freien Höhen dieses Schlosses, umgeben vom Die Bibel- grünen deutschen Walde, begann er die Bibel, zunächst das neue Testament, Übersetzung..^ deutsche Sprache zu übersetzen. So machte er dem deutschen Volke ein herrliches Geschenk; auch dem gemeinen Manne ermöglichte er es, sich in die Worte des Evangeliums zu versenken und Trost, Erbauung und Belehrung daraus zu schöpfen. Seine Sprache war nicht gelehrt, sondern so volkstümlich wie möglich; so verbreitete sich denn seine Bibelübersetzung mit ungemeiner Schnelligkeit in deutschen Landen, und kein Buch hat mehr als dieses zur Entstehung unsrer neuhochdeutschen Schriftsprache beigetragen.
Karl V. und die Anfänge der Reformation.
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Kaum ein Jahr verblieb Luther auf der Wartburg. In seiner Abwesenheit traten in Wittenberg „Schwarmgeister" ans, teilweise Tuchmacher aus Zwickau, Leute, welche von Gott begeistert zu sein glaubten, getfter. ihre Eingebungen für bedeutsamer als die Worte der Bibel erklärten und die Forderung aufstellten, der Gottesdienst müsse gänzlich umgestaltet, die Bilder in den Kirchen zerstört, die Kindertaufe abgeschafft und durch eine Taufe der Erwachsenen ersetzt werden. Ihnen schloß sich auch Karlstadt an; und schon gewannen sie viel Anhang und fingen an, ihre Neuerungen gewaltsam durchzusetzen. Da erschien Luther in Wittenberg. Er hatte auf die 1522. Mahnungen seines Kurfürsten, der ihn auf die ihm drohende Gefahr aufmerksammachte, geantwortet, daß er in Gottes Schutz stehe: „Ja, ich meine, ich wollte Ew. Kurfürstliche Gnaden mehr schützen, als Sie mich schützen könnten. Wer am meisten glaubt, der wird hier am meisten schützen." Eine Woche lang predigte er täglich gegen das Unwesen der Bilderstürmer und Wiedertäufer und erreichte, daß sie aus Wittenberg weichen mußten.
Luther aber blieb fortan unangefochten in Wittenberg. Einige Zeit Luthers später legte er die Mönchskutte ab und heiratete Katharina von Bora, die, aus einem sächsischen Adelsgeschlecht stammend, bereits als Kind in ein Kloster gebracht worden war und es nun, wie so viele andere Mönche und Nonnen, verlassen hatte. Außer Philipp Melanchthon standen ihm Justus Jonas, Bugeuhagen und andere Freunde zur Seite. Er predigte, er beriet in kirchlichen Dingen seinen Landesherrn und so manchen deutschen Fürsten, dazu viele andere Rat und Hilfe suchende Deutsche aller Stände, er schrieb Bücher und Streitschriften, er forschte in der Schrift und fuhr fort sie zu übersetzen, er dichtete endlich seine herrlichen Kirchenlieder.
§ 14. Die Reformation Ulrich Zwinglis. Indessen hatte auch in der Schweiz der Abfall von der alten Kirche begonnen. Der schweizerische Reformator wurde Ulrich Zwingli, der als Sohn wohlhabender Zwing« in Bauern aus einem Alpendorfe stammte, auf mehreren Universitäten studiert 8ürtd6' hatte, dann Geistlicher geworden und damals Priester in Zürich war.
Auch ihn brachte, wie Luther, das Ablaßwesen in Gegensatz zu der päpstlichen Kirche; in demselben Jahre, in dem für Luther die Leipziger Disputation entscheidend wurde, erwirkte er, daß der Rat von Zürich
einett Ablaßprediger auswies. In den nächsten Jahren wurde in Zürich
die Reformation durchgeführt, dem Papste der Gehorsam aufgesagt, die Messe abgeschafft, die Heiligenbilder und jeder Schmuck aus den Kirchen entfernt. Andere Schweizer Städte, besonders Bern und Basel,
schlossen sich diesem Vorgehen an.
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Die Erhebung der Reichsritter und der Bauernkrieg.
§ 15. Die Erhebung der Reichsritter. Es war nicht nur die religiöse Erregung, die damals große Teile des deutschen Volkes ergriffen hatte. Zunächst erhob sich ein Teil der deutschen Reichsritter unter der Führung Sickingens; noch gefährlicher wurde der große Bauernaufstand. Diese Erhebungen gingen vor sich, ohne daß der Kaiser schlichtend und Ordnung stiftend eingriff. Karl hatte nach dem Wormser Reichstag Deutschland verlassen und blieb ihm jahrelang fern, durch auswärtige Händel ganz in Anspruch genommen.
Die Reichs. Die Reichsritter waren längst in Erregung über die Schmälerung
rtuei‘ ihrer Selbständigkeit durch die vordringende Macht der Fürsten. Ihr Haupt
Sickingen.war Franz von Sickingen, dessen Güter in der Pfalz lagen; sein Freund und Berater war Ulrich von Hutten, der auf der Ebernburg an der Nahe, der Burg Sickingens, der „Herberge der Gerechtigkeit^, eine Zuflucht gefunden hatte. Jetzt brach Sickingen plötzlich los und fiel über den geistlichen Kurfürsten von Trier her. Aber der Angriff mißlang völlig. Andere Fürsten kamen dem Trierer zu Hilfe; Sickingen wurde auf seiner Burg Landstuhl belagert, und ein bei der Beschießung abgesplittertes Balkenstück verwundete ihn tödlich. In demselben Jahre, 1523, fand Tod Huttens, auch Hutten den Tod. Er starb als Flüchtling, von Acht und Bann verfolgt, arm und verlassen auf der Insel Ufnan im Züricher See.
Gründe des § 16. Der große Bauernkrieg. Einen weit größeren Umfang als wegesf die ritterliche Erhebung hatte der Aufstand der Bauern, die größte Revolution, welche die deutsche Geschichte kennt. Die deutsche Bauernschaft hatte sich im dreizehnten Jahrhundert in vielen Landschaften recht wohl befunden. Sie erfreute sich damals eines steigenden Wohlstandes, da die Erträge des Ackerbaus wuchsen; sie litt nicht sehr unter dem Drucke der Gutsherren, da diese selten selbst Landwirtschaft trieben und die gutsherrlichen Dienste daher gering waren; wem es im Jnlande nicht nach Wunsch ging, der ging in die Kolonisationsgebiete jenseits der Elbe und ließ sich als freier Bauer dort auf neuerworbenem Grund und Boden nieder. Aber im Laufe der Zeit war die Lage der Bauern viel schlechter geworden. Die adligen und geistlichen Gutsherren erhöhten willkürlich die Abgaben und die Fron-, d. h. Herrendienste; sie mißachteten ihre Rechte und suchten sie möglichst zu Leibeigenen zu machen; das Gemeindeland, besonders den Gemeindewald, schlugen sie zum eigenen Besitz. Von den Steuern ferner, welche der Staat jetzt auferlegte, wurde ein unverhältnismäßig großer Teil den Bauern aufgebürdet; denn sie waren der schwächste
Die Erhebung der Reichsritter und der Bauernkrieg.
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Stand und konnten sich nicht, wie Adel und Städte, gegen zu große Belastung wehren. Das fünfzehnte Jahrhundert war eine rechtlose Zeit; da war auch die Lage der Bauern, zwar nicht überall, aber doch in den meisten Landschaften immer drückender geworden.
So hatten denn schon im fünfzehnten und zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts mehrfach Aufstände der Bauern stattgefunden; den „armen Konrad" nannten sie sich, der bäuerliche „Bundschuh" war vielfach ihr Abzeichen. Im Jahre 1524 brach zuerst im südlichen Schwarz- Bauernkrieg Walde eine neue Erhebung aus, die sich schnell über den größten Teil Süddeutschlands mit Einschluß des Elsasses, dazu über Thüringen erstreckte.
Die Bauern faßten ihre Forderungen in den „zwölf Artikeln" zusammen; sie beriefen sich vielfach auf die „Freiheit des Evangeliums" und darauf, daß nach Gottes Wort alle gleich wären. Sie rotteten sich zu Heerhaufen zusammen, die teils von Bauern, Gastwirten, Dorfpfarrern, teils auch von Rittern, wie Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und Florian Geyer befehligt wurden; sie zerstörten und verbrannten Schlösser, Burgen und Klöster und begingen an manchen Orten furchtbare Grausamkeiten; in Weinsberg wurde die ganze ritterliche Besatzung durch die Spieße getrieben. In Thüringen stand einer der „Schwarmgeister" an der Spitze des Aufstandes, Thomas Münzer, der durch Prophezeiungen und schwärmerische, blutgierige Predigten die Menge an sich fesselte.
Luther hatte anfangs, beiden Parteien, den Herren und den Bauern, wieder* ihr Unrecht vorgehalten. Dann aber empörten ihn die Roheiten und Gewalt- toffiem.er taten der Bauern so, daß er in einer Flugschrift die Fürsten aufforderte, auf 1525‘ das strengste und härteste gegen sie einzuschreiten; diese Schrift hat seiner Volkstümlichkeit sehr geschadet. Indessen hatten die Fürsten, nachdem anfangs manche der kleineren Herren sich aus Angst den Aufrührern gefügt hatten, bereits gehandelt. Der schwäbische Bund, ein Bund von Fürsten und Städten Süddeutschlands, hatte ein Heer ausgestellt, das der Truchseß von Waldburg als Feldherr befehligte; und dieser siegte in mehreren Schlachten über die Haufen der süddeutschen Bauern. Gleichzeitig wurde Thomas Münzer mit seinem Haufen bei Frankenhausen unweit des Kyffhäusers besiegt. Er hatte noch kurz vor der Schlacht einen am Himmel stehenden Regenbogen für ein Zeichen der göttlichen Hilfe erklärt. Nach dem Kampfe versteckte er sich auf dem Boden eines Hauses in Frankenhausen, wurde aber gefunden und hingerichtet.
Grausam war allenthalben die Rache der Sieger. Den Bauern ging es fortan noch schlechter als vordem; ihr Recht wurde noch mehr mißachtet, der Druck wurde noch ärger.
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Die Fortschritte der Reformation.
§ 17. Kaiser Karl Y. führte, während Deutschland diese schwere Revolution durchmachte, im Interesse seines Hauses in Italien Krieg. Für die Reformation war seine Abwesenheit von Nutzen; an die Durch-Evangelische führung des Wormser Ediktes war nicht zu denken. Nicht wenige Reichsstande.^^^»^E fielen von der alten Kirche ab; unter ihnen waren der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, dem nach seinem Tode sein Bruder Johann der Beständige folgte, und Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen die mächtigsten. Auch eine Reihe von Städten führten die Reformation durch. Von besonderer Bedeutung war es, daß der Hochmeister des deutschen Ordens, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg, übertrat, sein Land säkularisierte, d. H. in ein weltliches Fürstentum umwandelte und sich von nun an Herzog von Preußen nannte. Schon ergriff die Reformation auch die nordischen Lande. Der Schwedenkönig Gustav Wasa, der Schweden von der dänischen Herrschaft befreite, reformierte sein Land und ebenso der König von Dänemark das seinige.
Reichstag Im Jahre 1526 beschloß der Reichstag von Speier, in reli-Ö°i5?6ter’ gwsen Angelegenheiten solle es jeder Reichsstand halten, wie er es „gegen Gott und Kaiserliche Majestät hoffe und vertraue zu verantworten". Nunmehr gingen Kurfürst Johann, Landgraf Philipp und andere Reichsstände daran, den kirchlichen Verhältnissen in ihren Landen eine gesetzliche Ordnung zu geben. Bisher hatte die katholische, d. h. allgemeine Kirche alle abendländischen Staaten gleichmäßig umfaßt; jetzt entstanden Landes-in den einzelnen evangelischen Landen besondere Landeskirchen. Sie sirchcu. |onnfen nur tiön hex bürgerlichen Obrigkeit begründet und eingerichtet werden; so kam es, daß dem Landesherrn, obwohl er ein Laie war, meistens eine Art bischöflicher Machtbefugnis zugesprochen wurde. Ihm und seinen kirchlichen Räten lag zunächst die Ernennung von Pfarrern ob, sodann die Einziehung des Kirchenguts, das für Staatsgut erklärt und zum größeren Teil für Kirchen- und Schulzwecke verwandt wurde, ferner die Neuordnung des Gottesdienstes, in welchem nun Predigt und Gemeindegesang in den Vordergrund traten, endlich auch die Sorge für die Schulen, für die bisher meist die Kirche gesorgt hatte, und die nun der Staat in seine Obhut nahm. Das Vorbild für andere deutsche Lande wurde Kursachsen. Während Luther für den Religionsunterricht den großen und den kleinen Katechismus verfaßte, machte sich Melanchthon um die Kirchenordnung und die Einrichtung von Schulen hochverdient.
Karls V. Kriege mit Franz I. von Frankreich; die Erwerbung Böhmens und Ungarns.
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Karls V. Kriege mit Franz I. von Frankreich; die Erwerbung Böhmens und Ungarns.
§ 18. Karls V. Kriege mit Franz I. In den Kriegen, die Karl V. f erste
mit Franz I. von Frankreich führte, handelte es sich besonders um die r es‘
Herrschaft über Italien, zumal über Mailand, das deutsches Reichslehen, aber von den Franzosen in Besitz genommen war. In Oberitalien wurde mit wechselndem Glücke gefochten; da wurde Franz 1525 in der Schlacht Schlacht bei bei Pavia nicht nur besiegt, sondern auch gefangen; er wurde nach Madrid geführt.
Hier verstand er sich zu einem Vertrage, in dem er alle Forderungen Karls zu erfüllen versprach. Aber er hielt ihn nicht, sondern schloß sofort nach seiner Befreiung gegen den Kaiser ein Bündnis mit mehreren italienischen Regierungen, u. a. dem Papste, der in Sorge über Karls wachsende Macht in Italien war und für seinen Kirchenstaat fürchtete.
So begann ein zweiter Krieg. Dessen denkwürdigstes Ereignis ist es, Der zweite daß im Jahre 1527 die deutschen Landsknechte, erbittert über die säumige Soldzahlung und in offener Empörung begriffen, ihre Befehlshaber zwangen sie nach Rom zu führen, wo sie reiche Beute zu machen hofften.
Selbst gegen ihren bewährten Führer Georg von Frundsberg richteten sie ihre Spieße; in der Erregung traf diesen ein Schlaganfall, dem er bald darauf erlag. Karl von Bourbon, ein französischer Prinz, der zu Karl übergegangen war und das Heer befehligte, tat den Empörten den Willen und führte sie vor Rom. Bei der Bestürmung wurde er Erstürmung selbst tödlich getroffen; aber die Mauern wurden erstiegen, und während der Papst in der Engelsburg eine Zuflucht gefunden hatte, herrschten die deutschen Landsknechte, plündernd und die kirchlichen Einrichtungen verhöhnend, wochenlang in der ewigen Stadt.
Im Jahre 1529 kam der Friede zustande; Franz leistete auf Italien Verzicht. Auch mit dem Papst versöhnte sich der Kaiser. Er kam im Jahre 1530 mit ihm in Bologna zusammen und ließ sich dort von ihm zum Kaiser krönen; er ist der letzte deutsche Kaiser, der seine Karls Kaiser-Krone von einem Papste erhalten hat. kronung.
§ 19. Die Türkengesahr und die Erwerbung Böhmens und Ungarns durch das Haus Habsburg. In jener Zeit erschienen die Türken an den Grenzen Deutschlands. Ihr Sultan Snleirnan der Prächtige siel im Jahre 1526 über Ungarn her und besiegte den König Ludwig von Ungarn und Böhmen in einer Schlacht; auf der Flucht ertrank dieser selbst in einem angeschwollenen Bache. Der Erbe seiner Länder war
Neubauer, Geschichtl. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl. 2
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sein Schwager Ferdinand, Karls V. Bruder, der nun die Krone von Böhmen und Ungarn erhielt. So wurde der Grund gelegt zu der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Freilich war Ungarn zunächst nur teilweise in Ferdinands Besitz. Suleiman belagerte bald darauf sogar Wien, konnte es aber nicht nehmen.
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Der Augsburger Reichstag und der Nürnberger Religionsfriede.
§ 20. Der Reichstag von Augsburg 1530 und der schmalkaldische Bund. Seit Karl V. den Krieg mit Franz I. beendet und auch mit dem Papste Frieden geschlossen hatte, erfüllte ihn mehr als je das Verlangen, der Ketzerei in Deutschland ein Ende zu machen und die Abgefallenen zur katholischen Kirche zurückzuführen. Schon auf dem Reichstag, der im Jahre 1529 zu Speier stattfand, traten seine Beauftragten sehr scharf gegen die Reformation auf, und die Mehrheit des Reichstages beschloß, daß jede weitere Neuerung in kirchlichen Dingen verboten sein solle. Gegen Die diesen Reichstagsbeschluß gaben die evangelischen Reichsstände eine Pro-K‘Än testet Hon ab, in der sie sich für ihr Vorgehen auf ihr Gewissen und auf 1529' Gott selbst, „den höchsten König und Herrn aller Herren", beriefen. Seitdem trugen sie den Namen Protestanten. Eine Einigung zwischen den Lutheranern und den Anhängern Zwinglis suchte Philipp von Hessen durch Reiigions-das Marburger Religionsgespräch herbeizuführen, bei dem Luther 6StSrgU und Zwingli anwesend waren. Aber allzusehr wurden die beiden Männer durch Verschiedenheiten in ihrer Lehre, besonders der Abendmahlslehre,
getrennt, und es ergab sich kein Einverständnis.
Im nächsten Jahre erschien nun Karl V. selbst im Reich und berief
einen Reichstag nach Augsburg. Hier fanden sich auch die evan-
gelischen Stände ein. aber nicht um sich zu fügen, sondern um ihren Glauben offen zu vertreten. Luther freilich durfte nicht wagen sie zu begleiten, sondern weilte indessen auf der Feste Koburg; dafür war Melanchthon mitgegangen. Dieser faßte auch in seinem milden und versöhnlichen Sinne die Bekenntnisschrift ab. welche die Evangelischen dem Kaiser einreichten Tie Auqr- und vor ihm verlasen, die Augsburgische Konfession. Auch als der LW°n. Kaiser dagegen durch den vr. Eck eine Widerlegung abfassen ließ und, 1530- ohne auf ihre Gewissensbedenken einzugehen, unbedingten Gehorsam forderte, blieben sie fest; ehe der Reichstag geschlossen worden war, verließen Kurfürst Johann und die anderen evangelischen Fürsten Augsburg.
Der schmal- Sie mußten nunmehr einen baldigen Angriff des Kaisers fürchten. So 'Bund? kamen denn im folgenden Winter Kurfürst Johann der Beständige, Philipp
Die Entwicklung des Protestantismus.
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der Großmütige, einige andere Fürsten und die Abgesandten mehrerer Städte in dem Orte Schmalkalden im Thüringer Walde zusammen und schlossen zur Verteidigung ihres Glaubens den schmalkaldischen Bund.
§ 21. Zwinglis Tod. Der Nürnberger Religionsfriede. An einer Stelle brach in der Tat jetzt bereits ein Religionskrieg aus, in der Schweiz.
Im Jahre 1531 fielen die Truppen der katholisch gebliebenen vier Wald-stätte in das Gebiet von Zürich ein, und in der Schlacht bei Kappel ^ kam auch Zwingli um, der als Feldprediger bei dem Aufgebot war. Zwinglis.
Der Kaiser aber konnte zunächst nicht daran denken, einen großen Glaubenskrieg zur Unterwerfung der deutschen Protestanten zu führen; daran hinderte ihn schon der Umstand, daß Sultan Suleimau von neuem ein gewaltiges Türkenheer heranführte. So zog er es denn vor, sich vorläufig mit den evangelischen Ständen zu vergleichen, und schloß mit ihnen 1532 den Nürnberger Reliaionsfrieden; es wurde bestimmt, daß Nürnberger
. * . Religions-
bis zu einem allgemeinen Konzil, auf dem die reugtö)en Streitigkeiten webe. ausgemacht werden sollten, zwischen dem Kaiser und allen Reichsständen Friede gehalten werden sollte. Nun sammelte sich ein starkes deutsches Reichsheer, dem auch die protestantischen Fürsten zugezogen waren. Aber es kam zu keiner Schlacht mit den Türken; Suleimau zog sich zurück.
In den nächsten Jahren wurde Karl V. wiederum ganz von den Sorgen der auswärtigen Politik in Anspruch genommen; der Protestantismus konnte indessen ungestört große Fortschritte machen.
B. Dom Nürnberger Religionsfrieden bis zum schmalkaldischen Kriege. 1532 —1545.
Tie Entwickelung des Protestantismus.
§ 22. Die Fortschritte des Protestantismus. Der erste Erfolg, den ^ Sn die Evangelischen in jener Zeit errangen, war der Gewinn Württem=®eut?d,lanb' bergs. Dessen Herzog Ulrich war, weil er den Landfrieden gebrochen hatte, vom schwäbischen Bunde vertrieben worden; jetzt wurde er von Philipp von Hessen zurückgeführt und nahm den neuen Glauben an.
Dasselbe geschah in dem albertinischen Sachsen-Meißen und in Brandenburg, wo sich Kurfürst Joachim II. 1539 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichen ließ.
Gleichzeitig ging England dem Papsttum verloren. Hier herrschtet England Heinrich VIII., der Sohn Heinrichs VII. Tudor, ein überaus eigen-
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519 - 1648.
williger, launenhafter und herrischer König. Dieser wünschte sich von seiner Gemahlin, einer spanischen Prinzessin, der Tante Karls Y., zn scheiden, um die Hofdame Anna Boleyn zu heiraten. Als diesem Wunsche der Papst seine Genehmigung versagte, verbot Heinrich der englischen Geistlichkeit, ferner mit ihm in Verkehr zu treten und ihm Gehorsam zu leisten, und machte sich selbst zum Oberhaupte der englischen Kirche, ohne indessen in Lehre und Kirchenversassnng weitere Änderungen zu treffen. Erst unter seinen Nachfolgern wurde auch in England die Reformation durchgeführt; die Königin Elisabeth, die Tochter Heinrichs VIII. und der Anna Boleyn, wurde ein Hort des Protestantismus.
Calvin in Von großer Bedeutung wurde es ferner, daß in der Schweiz ein <8cnf‘ neuer Mittelpunkt der Reformation entstand. Johann Calvin, der aus dem nördlichen Frankreich stammte, setzte das Werk Zwinglis fort. In Gens gelangte er seit 1541 zu maßgebendem Einfluß, ordnete die kirchlichen Verhältnisse und führte in dieser wohlhabenden und genußsüchtigen Stadt eine äußerst strenge Kirchenzucht ein. Er war ein Mann von großer Schroffheit, ja Härte, rücksichtslos gegen anders Denkende; aber in seiner Schule erwuchsen glaubensstarke Männer, denen ihre religiöse Überzeugung das Höchste war, die, streng gegen sich wie gegen andere, ihr ganzes Leben nach den Vorschriften ihres Glaubens zu formen suchten, Männer, die kampfesfreudig und zuversichtlich auch in den Tod gingen. In Deutschland Ausbreitung wurde die Knrpf alz das wichtigste Land, das sich zum Calvinismus Calvinismus, bekannte, und der Heidelberger Katechismus die Bekenntnisschrift der deutschen Calvinisten oder, wie sie sich auch nannten, „Reformierten". Aber auch nach Frankreich, nach den Niederlanden, nach Schottland und England wurde die reformierte Lehre getragen.
§ 23. Die Wiedertäufer in Münster. Während das Luthertum in Nord- und Süddeutschland Fortschritte machte, gewannen an einer Stelle auch die Schwarmgeister und Wiedertäufer eine verhängnisvolle Gewalt. Die Stadt Münster in Westfalen hatte den evangelischen Glauben angenommen; dann waren aber aus den benachbarten Niederlanden schwärmerische Anhänger jener Sekte eingewandert, hatten die Mehrheit im Rat gewonnen und ihre Macht dazu benutzt, um alle, die sich nicht zum zweiten Male taufen lassen wollten, aus den Toren zu treiben. An Der Wieder-ihrer Spitze standen Jan Matthys, ein Bäcker aus Haarlem, und täuserstaat. SQn Bockelson, ein früherer Schneider aus Leyden. Als der erstere im Kampfe gegen die Truppen des Bischofs von Münster, der, von anderen Fürsten unterstützt, die Stadt belagerte, gefallen war, machte
Karls V. Kriege. — Der schmalkaldische Krieg. 1546—1547.
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sich Jan Bockelson zum König des „neuen Jerusalem". Der Gewaltherrscher führte ein grausames Regiment und lebte in Pracht und Verschwendung, währeüd die Lebensmittel in der Stadt immer knapper wurden und unter den Belagerten Hungersnot ausbrach. Endlich gelang es im Jahre 1535 den Bischöflichen unter Beihilfe von Verrätern, in die Stadt einzudringen und sie nach hartem Kampfe einzunehmen. Bockelson und seine Genossen wurden unter großen Martern hingerichtet, und noch heute sieht man an einem der Kirchtürme Münsters die eisernen Käfige, in denen man ihre Leichen aufgehängt hatte. Die Bevölkerung aber wurde wieder zum alten Glauben zurückgeführt.
Karls Y. Kriege.
§ 24. Indessen hatte Karl Y. eine Reihe äußerer Kriege zu führen.
Zwei Feldzüge unternahm er gegen die türkischen Seeräuber, welche von den sogenannten Barbareskenstaaten Tunis und Algier aus das westliche Mittelmeer beherrschten, die Küsten unsicher machten und den Handel lahmlegten. Auf dem ersten Feldzuge wurde Tunis unter Beihilfe der sich empörenden Christensklaven genommen und große Beute gemacht. Dagegen mißglückte ein Zug gegen Algier völlig; Stürme vernichteten einen Teil der Flotte, und nur mit Mühe konnte der Kaiser die Reste des Heeres nach Spanien zurückführen.
Karl hatte ferner einen dritten und vierten Krieg gegen Kr^gegen Franz I. zu führen; erst 1544 wurde ein Friede geschlossen, in dem Franz endgültig auf Italien verzichtete.
Im nächsten Jahre kam auch ein Waffenstillstand mit Sulei-man zustande, dem freilich ein großer Teil Ungarns mitsamt der Hauptstadt Ofen überlassen werden mußte. Karl Y. konnte endlich daran denken, den lange geplanten Glaubenskrieg gegen die deutschen Protestanten zu führen.
C. vom schmalkaldischen Kriege bis zum Augsburger Religionsfrieden. 1546—1555.
Der schmalkaldische Krieg. 1546 — 1547.
§ 25. Vorgeschichte des Krieges. Luthers Tod. Mit tiefstem Wider- Gründe unb willen hatte Karl das Anwachsen des Protestantismus gesehen, nicht als aÄgese* katholischer Christ allein, sondern auch als Kaiser; denn in jeder Kräftigung des Protestantismus mußte er eine Verstärkung des Widerstandes gegen seine kaiserliche Gewalt sehen. Er hoffte jetzt, durch einen glücklichen Krieg in
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Deutschland die Glaubenseinheit und zugleich das Ansehen des Kaisertums wiederherzustellen. Einen Anlaß zum Kriege bot ihm die Weigerung der evangelischen Fürsten das Konzil zu besuchen, das eben jetzt im Jahre 1545 von dem Papst in der Stadt Trient in Südtirol eröffnet wurde; sie hatten erklärt, daß sie eine vom Papst geleitete Kirchenversammlung nicht als ein freies Konzil anerkennen könnten. So bereitete sich der Religionskrieg vor.
Der Kaiser ging mit besseren Aussichten in den Kampf als die Protestanten. Schon das kam ihm zugute, daß er, der in vielen Kriegen und Händeln zum weitblickenden, entschlossenen Staatsmann und Feldherrn herangereift war, selbst als oberster Kriegsherr den Befehl führte, während auf seiten des schmalkaldischen Bundes vielfach Uneinigkeit herrschte. Er hatte ferner ein Bündnis mit dem Papste geschlossen, der ihm gegen die Ketzer Geld und Truppen stellte. Noch wichtiger war sein Einvernehmen -mit.einem protestantischen Fürsten, dem Herzog Moritz von Sachsen-Meißen. Diesem jungen Fürsten bedeuteten die gemeinsamen Interessen des Protestantismus nicht viel, desto mehr die Erhebung seines Hauses; er hoffte dem Erneftiner Johann Friedrich, dem Sohne und Nachfolger Johanns des Beständigen, den Kurhut zu entreißen und trat daher mit
dem Kaiser in geheime Verbindung.
d Martin Luther sollte den Religionskrieg nicht mehr erleben; er
1 starb am 18. Februar 1M6. in seiner Vaterstadt Eisleben, wohin er
sich trotz seiner Jahre und schmerzender Krankheit begeben hatte. Seine Leiche wurde in feierlichem Zuge nach Wittenberg gebracht; in Städten und Dörfern läuteten die Glocken; in der Schloßkirche wurde sie beigesetzt. In ihm war ein religiöser Held und zugleich eine echt deutsche Persönlichkeit von starker Willenskraft und zugleich von kindlicher Tiefe des Gemüts, einer der Größten unseres Volkes, dahingegangen.
§ 26. Der schmalkaldische Krieg. 1546 — 1547. Der Krieg, der im Sommer 1546 ansbrach, wurde zunächst in Oberdeutschland geführt. Hier hatten die Protestanten ein starkes Heer, konnten sich aber nicht zu tatkräftigem Handeln entschließen.
Da fiel plötzlich Herzog Moritz in das Gebiet des Kurfürsten Johann Friedrich ein. Nun kehrte dieser nach Sachsen zurück. Die süddeutschen Reichsstände wagten jetzt nicht mehr dem Kaiser Widerstand zu leisten und baten um Gnade. Im Frühling 1547 erschien der Kaiser sodann mit einem starken Heere an der Elbe. Durch eine Furt überschritten die Kaiserlichen, die der Herzog von Alba befehligte, den Strom.
Der schmalkaldtsche Krieg. 1546 —1547.
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Bei Mühlberg kam es zum Kampfe; Johann Friedrich hatte nur«gjgM 4000 Mann, die bald zersprengt wurden, ward selbst verwundet, gefangen 1547. und vor den Kaiser geführt. Als er ihn mit den Worten „allergnädigster Kaiser" anredete, fuhr ihn dieser hart an: „Bin ich nun Euer allergnädigster Kaiser? So habt Ihr mich lange nicht geheißen." Er verhängte „ewiges Gefängnis" über ihn und zwang ihn auf Land und Kur zu verzichten. -x5tt religiöser Beziehung verhielt sich Karl maßvoll; er legte dem lutherischen Gottesdienst nichts in den Weg. Luthers Grabstätte anzutasten, was ihm einer aus seinem Gefolge riet, lehnte er ab; er führe, sagte er, Krieg mit den Lebenden und nicht mit den Toten. Die Kur und den größten Teil der ernestinischen Lande übertrug er auf Moritz.
- Auch Philipp von Hessen unterwarf sich dem Kaiser, nachdem Ergebung sein Schwiegersohn Moritz und Kurfürst Joachim II. von Brandenburg v°n Hessen, für ihn beim Kaiser Fürsprache eingelegt hatten; freilich erreichten sie nicht mehr als das Versprechen, ihn nicht am Leibe oder mit ewigem Gefängnis zu strafen. Zu Halle auf dem Residenzschlosse des Erzbischofs von Magdeburg tat Philipp einen Fußfall vor dem Kaiser; aber dieser ließ ihn in Haft nehmen, indem er sich darauf berief, daß er nur versprochen habe, ihn nicht mit ewigem Gefängnis zu strafen. Er wollte die Gelegenheit benutzen, um den fürstlichen Widerstand auf die Dauer zu brechen und seine kaiserliche Gewalt fest zu begründen.
§ 27. Das Augsburger Interim. Groß war jetzt in der Tat des Kaisers Macht. Nur wenige deutsche Stände hatten sich ihm nicht unterworfen, vor allen Magdeburg; Karl schien in der Lage, seinen Willen der gebeugten deutschen Nation auferlegen zu können. Da war es ihm sehr unwillkommen, daß er sich eben jetzt mit dem Papste Paul III. überwarf.
Um der weltlichen Interessen des Kirchenstaats willen wünschte dieser nicht einen zu großen Machtaufschwung des Kaisers; er verlegte jetzt gegen den Willen des Kaisers das Konzil von Trient nach Bologna. Unter diesen Umständen machte Karl den Versuch, selbständig eine vorläufige Ordnung der religiösen Verhältnisse herzustellen, die bis zu der Entscheidung eines zukünftigen allgemeinen Konzils in Geltung sein sollte. Dieses „Interim",Dar Augs-das auf dem Augsburger Reichstag 1548 verkündet wurde, machte den 3Sm. Protestanten einige Zugeständnisse, wie z. B. den Kelch beim Abendmahle 1548> und die Priesterehe; im übrigen aber verpflichtete es sie, sich der katholischen Kirche wieder zuzuwenden und sich den Bischöfen wieder unterzuordnen. Solche Anordnungen befriedigten die katholische Partei nicht und verletzten in hohem Grade die Evangelischen. „Das Interim hat
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den Schalk hinter ihm", hieß es; selbst Moritz von Sachsen veröffentlichte es nur in einer abgeänderten Form.
Magdeburg. Am entschlossensten weigerte sich Magdeburg das Interim anzunehmen. Diese Stadt erlebte damals große Tage. Sie wurde ein Zufluchtsort vieler, die ihres Glaubens wegen die Heimat verlassen hatten; dort wurden die Flug- und Streitschriften gedruckt, in denen gegen die „hispanische Tyrannei" protestiert wurde; Magdeburg erwarb sich damals den Namen „unsers Hergotts Kanzlei".
Die Erhebung des Kurfürsten Moritz und der Augsburger Religiousfriede.
§ 28» Dir Erhebung des Kurfürsten Moritz. Magdeburg war vom Kaiser mit der Acht belegt und Kurfürst Moritz beauftragt worden sie zu vollstrecken. Nach längerer Belagerung ergab sich ihm die Stadt; vorher aber hatte er ihr in geheimen Unterhandlungen ihre Freiheit zu-Morih. gesichert. Denn Kurfürst Moritz, der eben als der „Judas von Meißen", wie die Protestanten sagten, dem Kaiser zum Siege über seine Glaubensgenossen verholfen hatte, ging längst mit dem Gedanken um, wieder von ihm abzufallen. Karl hatte ihn durch die Gefangenhaltung und harte Kerkerhaft des Landgrafen Philipp empfindlich gekränkt; Moritz fürchtete, wenn des Kaisers Macht noch ferner wüchse, weitere Demütigungen des deutschen Fürstenstandes. Jetzt stellte er sich an die Spitze einer Ver-Bündnis mit schwörung deutscher Fürsten gegen den Kaiser. Zugleich verband er sich von"F?ank- mit König Heinrich II. von Frankreich, dem Nachfolger Franz' I., xt[ä>' wobei er leider kein Bedenken trug, ihm Stücke des deutschen Landes, die französisch sprechenden, aber zum Reich gehörigen Bischofsstädte Metz, Toul und Verdun zu überlassen.
Im Frühjahr 1552 zog Moritz plötzlich durch Süddeutschland hindurch auf Innsbruck los, wo Karl weilte; kaum konnte sich der gicht-brüchige Kaiser über den Brenner nach Kärnten retten. Das Konzil, das seit einiger Zeit wieder in Trient tagte, löste sich auf. Jetzt über-Paflauernahm König Ferdinand, Karls Bruder, die Vermittelung; und in Passau ^1552. kam ein Vertrag zustande, den der Kaiser genehmigte und welcher bestimmte, daß außer dem von Karl bereits freigelassenen Johann Friedrich auch Landgraf Philipp seine Freiheit wiedererhalten und das Interim wieder aufgehoben werden sollte.
Die Erhebung des Kurfürsten Moritz hatte einen gewaltigen Erfolg gehabt; des Kaisers Herrschaftspläne waren vereitelt, der Protestantismus gerettet. Johann Friedrich kehrte in die Heimat zurück; etwas später
Dte Erhebung des Kurfürsten Moritz und der Augsburger Religio ns friede.
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kam zwischen der ernestinischen und albertinischen Linie ein Vertrag zustande, wonach der . ersteren die Lande verblieben, die heute zu den thüringischen Herzogtümern gehören. Kurfürst Moritz fand schon vorher seinen Tod. Sein früherer Bundesgenosse, der wilde Markgraf Albrecht Aleibiades von Brandenburg-Kulmbach, hatte den Passauer Frieden nicht anerkennen wollen, sondern auch fernerhin die Bistümer geplündert und gebrandschatzt. Da trat ihm Moritz selbst entgegen: bei Sievershausen unweit Braunschweig kam es im Jahre 1553 zur Schlacht, in der Moritz zwar siegte, aber tödlich verwundet wurde. Er zählte bei Moritzens seinem Tode erst 32 Jahre.
§ 29. Der Augsburger Religionsfriede und der Ausgang Karls V. Augs-
Jnt Jahre 1555 führten die Verhandlungen, die zwischen König Ferdinand Rettgu,ns-und den protestantischen Fürsten stattfanden, zum Abschluß des Augs- 1555.
burger Religionsfriedens. Den lutherischen Fürsten, den „Augs-
burger Konfessionsverwandten", wurde freie Religionsübung und jedem weltlichen Reichsfürsten das Recht zugesprochen, sich zwischen dem katholischen und dem lutherischen Glauben zu entscheiden. Damit erhielten freilich nur die Fürsten, nicht ihre Untertanen das Recht der Gewissensfreiheit. Es galt der Satz: „wessen das Land, dessen der Glaube"; andersgläubigen Untertanen ward nur das Recht der Auswanderung zuerkannt. Ferner wurde das reformierte Bekenntnis auch jetzt noch nicht reichsgesetzlich anerkannt. Über die Frage, ob auch ein geistlicher Fürst in seinem Lande die Reformation durchführen dürfe, einigte man sich nicht.
Die Katholiken setzten es durch, daß der „geistliche Vorbehalt", trotzdem ihn die Protestanten nicht anerkannten, in den Frieden aufgenommen wurde; danach sollte ein Bischof oder Abt, der zur Reformation übertreten wollte, verpflichtet sein Amt niederzulegen. Immerhin war ein vorläufiger Friede zwischen den Religionsparteien zustande gekommen.
Indessen hatte Karl V., ein vor der Zeit gealterter, müder Mann, Abdankung bereits seine italienischen Lande, dabei auch Mailand, das bisher deutsches Reichslehen gewesen war, seinem Sohne Philipp überlassen; ihm übertrug er in feierlicher Versammlung auch die Niederlande, die auf diese Weise ebenfalls vom deutschen Reiche losgelöst wurden, und im Jahre 1556 auch Spanien. Er selbst begab sich in das Kloster San 1556. Duste in der spanischen Provinz Estremadura. Dort verbrachte er die letzten Jahre seines Lebens und starb im Jahre 1558. 1558.
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Das Zeitalter der religiösen Kümpfe 1619 — 1648.
2. Die Zeit der Gegenreformation.-
Tie Wicdererhebung -es Katholizismus utii> die Wcltpolitik Philipps II. von Spanien.
§ 30. Die Gegenreformation. Das Zeitalter, welches auf den Augsburger Religionsfrieden folgt, heißt das Zeitalter der Gegenreformation. Damals machte die wiedererstatte, mit neuem Leben erfüllte katholische Kirche den vielfach erfolgreichen Versuch, den Protestantismus zurückzudrängen und die Abgefallenen dem alten Glauben wieder Konzu von zuzuführen. Das Konzil von Trient war, nachdem es zuerst durch $rtent' den Papst verlegt, sodann durch Moritz von Sachsen auseinander getrieben worden, von neuem zusammengetreten und wurde im Jahre 1563 geschlossen. Dieses Konzil hatte die große Bedeutung, die katholische Lehre zu einem innerlich geschlossenen System zusammenzufassen; mancherlei Mißbrauche wurden abgestellt. Den Kampf gegen den Protestantismus führte man teils auf gewaltsamem Wege, indem man in den katholischen Inquisition.Ländern, in Spanien, Portugal, Italien, die Ketzer durch die Inquisition verfolgte und dem Feuertode überlieferte, teils durch die Mittel der Predigt, des Unterrichts, der Überredung, durch die man die Gemüter zu gewinnen suchte.
Von größter Bedeutung für die Bestrebungen der Gegenreformation Jesuiten.wurde die Gründung des Jesuitenordens. Diesen stiftete der Spanier Dtben' Ignaz von Loyola, der früher spanischer Offizier gewesen, als solcher verwundet worden war und auf dem Krankenlager den Entschluß gefaßt hatte, sich ganz dem Dienste der Religion zu weihen. Der Orden Jesu verpflichtete seine Mitglieder außer den üblichen Mönchsgelübden zum unbedingten Gehorsam gegen den Papst; sein Zweck war die Mission unter den Heiden sowie die Bekehrung der Protestanten. Das letztere suchten die Jesuiten zu erreichen, indem sie Schulen und Universitäten gründeten, indem sie als Beichtväter auf die Fürsten und ihre Höfe, als Prediger auf die höheren Stände Einfluß gewannen. Sie breiteten sich schnell auch in Deutschland aus; ihnen besonders hat es der Katholizismus zu danken, daß er der Ausbreitung des Protestantismus einen Riegel vorschieben und wieder Boden gewinnen konnte.
Philipp ii. 8 31. Philipp II. von Spanien und der Abfall der Niederlande.
Für den Kampf der beiden Bekenntnisse wurde es besonders bedeutsam, daß
Die Wiedererhebung des Katholizismus und die Wellpolitik Philipps II.
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auf dem Throne Spaniens ein Fürst saß, der mit den großen Machtmitteln seines gewaltigen Reiches für die alte Kirche eintrat. Philipp II., ein Fürst von rastloser Arbeitsamkeit und zäher Beharrlichkeit, zugleich aber von düsterem, mißtrauischem, despotischem Wesen, strebte denselben Zielen wie sein Vater nach, der Weltherrschaft Spaniens, der Herstellung einer unbeschränkten königlichen Gewalt in allen seinen Landen, zugleich der Ausbreitung des Katholizismus und der Bekämpfung der Ketzer. Von der Verfolgung dieser Ziele hat er während seiner mehr als vierzig Jahre langen Regierung nicht abgelassen; zeitweise schien ihm ein glänzender Erfolg zu winken, schließlich aber erlitt er Mißgeschick ans Mißgeschick, während Spanien unter dem Drucke der Steuerlast und einer despotischen Regierung verarmte und innerlich verfiel.
Ganz besonders waren es die Niederlande, in denen Philipp die Die Nieder-ererbten Freiheiten der Stände zu vernichten und den um sich greifenden Calvinismus auszurotten gedachte. Er sandte dorthin den Herzog Alba, der mit blutiger, erbarmungsloser Strenge auftrat. Zwei Führer der ständischen Partei, den als Feldherrn bewährten, ritterlichen und beliebten Grafen Egmont und den Admiral Grafen Hoorn, ließ er verhaften und auf dem Marktplatz zu Brüssel hinrichten. Er setzte einen Gerichtshof ein, den das Volk den Blutrat nannte, weil er zahllose Hinrich-
tungen verfügte, und drückte das Volk durch schwere Steuern. Da brach in den nördlichen Provinzen ein Aufstand aus, an dessen Spitze Graf Wilhelm von Nassau-Oranien trat. Geusen nannten sich die Aufständischen; sie hatten den Spottnamen gueux, d. H. Bettler, mit dem sie einst bei einem feierlichen Aufzuge in Brüssel ein spanischer Edelmann bezeichnet hatte, als Parteinamen angenommen.
Alba wurde von Philipp abgerufen; aber auch feine Nachfolger konnten der Erhebung nicht Herr werden, und die sieben nördlichen Abfall der
Staaten der Niederlande schlossen unter sich eine Union und sagten sich 1581? e
im Jahre 1581 von Spanien los. In langen, schweren Kämpfen haben sie dann, anfangs von Wilhelm von Oranien, nach dessen Ermordung von seinem Sohne Moritz geführt, ihre Unabhängigkeit behauptet. Zugleich erwuchsen sie zu einem Handels- und Kolonialvolk, das einessrnte des mächtige Flotte schuf, den hanseatischen Kaufleuten den Dstseehandel enU6anbclS-riß und auf den Sundainseln, auf Ceylon, im Kaplande gewinnbringende Kolonien erwarb. Damals war Amsterdam der Mittelpunkt des europäischen Handels und der geldreichste Platz des Erdteils. Auch die niederländische Malerei erlebte im 17. Jahrhundert eine herrliche Blütezeit. Der größte Maler der nördlichen Niederlande war Rembrandt,
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619 —1648.
der Maler der „Nachtwache" und der „Staalmeesters". Einige Jahrzehnte älter als er war Rubens, der in Antwerpen begraben liegt; er hat die „Kreuzabnahme" und zahllose andere biblische und mythologische Bilder geschaffen.
Elisabeth. § 32. Elisabeth von England. Die Armada. Auf dem englischen Throne saß damals Elisabeth, Heinrichs VIII. Tochter, die dem Protestantismus anhing. Zu ihr floh, durch einen Aufstund aus ihrem protestantisch gewordenem Lande vertrieben, die schöne, katholische Königin von Schottland, Maria Stuart, ihre Verwandte. Sie kam als Schutzflehende; da sie aber als Großnichte Heinrichs VIII. einst auch ihrerseits auf den englischen Thron Anspruch erhoben hatte und den englischen Katholiken noch immer als die rechtmäßige Königin galt, sah Elisabeth in ihr eine Gegnerin und hielt sie in Haft. Neunzehn Jahre lang blieb Maria Stuart in Gefangenschaft; als man ihr dann nachwies, daß sie um einen Mordversuch gegen die Königin gewußt habe, ward sie vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Schon vorher hatte der Papst Elisabeth mit dem Banne belegt, und Sendlinge der päpstlichen Partei hatten in dem katholischen, unterdrückten Irland einen blutigen Aufstand hervorgerufen. Jetzt unternahm es Philipp von Spanien, Elisabeth vom Throne zu stoßen und England zugleich dem Katholizismus und seiner eigenen Herrschaft zu unter« Die Armada werfen. Eine gewaltige Flotte, die unüberwindliche Armada, rüstete
1588' er im Jahre 1588 aus; aber schlecht geführt und durch die Angriffe der
englischen Schiffe hart mitgenommen, wurde sie zum großen Teil vernichtet. Es war der furchtbarste Schlag, der Philipp H. getroffen hat; seitdem beginnt der Niedergang Spaniens.
Aufblühen Dagegen schwang sich Englands Seemacht und Handel empor;
Englands, ttß^end es anfangs hinter Holland zurückstand, überflügelte es dieses Land seit der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Auch das geistige Leben Englands erblühte; ein Zeitgenosse Elisabeths ist der große Dramatiker William Shakespeare.
Die Huge- § 33. Die französischen Religionskriege. Auch in Frankreich hatte nolttn. ker Calvinismus Fuß gefaßt. Hier war es besonders ein Teil des Adels und des gebildeten Bürgerstandes, der sich zu ihm bekannte; man nannte die Calvinisten in Frankreich Hugenotten, d. H. Eidgenossen. An der Spitze der katholischen Partei stand die mächtige Familie Gnise, die unter den drei schwachen Söhnen König Heinrichs II., die einander auf dem Throne folgten, einen großen Einfluß ausübte. Mit der Niedermetze-lnng einer Hugenottengemeinde in einem Dorfe der Champagne begann der
Deutschland im Zeitalter der Gegenreformation.
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erste Religionskrieg. Diesem folgten immer neue Religionskriege; im Jahre 1572 führte die Erbitterung der katholischen Partei und der ruchlose Ehrgeiz der Königin-Mutter Katharina Medici zu dem furchtbaren Massenmorde der Hugenotten in der Bartholomäusnacht (24. August), dem auch der ehrenhafte und tiefreligiöse Admiral Coligny, einer ber m^snacht. hugenottischen Führer, zum Opfer fiel. Frankreich litt schwer unter den ° Kämpfen und Verwüstungen. Auch als im Jahre 1589 König Heinrich IH., 1589. der letzte männliche Sproß des Hauses Valois, ermordet wurde, war zunächst kein Ende des Bürgerkrieges abzusehen; denn Heinrich Bourbon, der gesetzliche Erbe der Krone, war Protestant, und die katholische Partei wollte, unterstützt von Philipp H., der auch Frankreich seinem Einfluß zu unterwerfen gedachte, keinen Ketzer auf dem Throne dulden. Da entschloß ««gj™ sich Heinrich zum katholischen Glauben überzutreten. „Paris ist eine Messe wert", soll er gesagt haben; die Hauptstadt öffnete ihm jetzt ihre Tore, die Gegner legten die Waffen nieder, und dem zerrütteten Lande wurde endlich der Friede wiedergegeben. Den Hugenotten aber gestand Heinrich IV. im Jahre 1598 durch das Edikt von Nantes freie Religionsübung zu.
In demselben Jahre starb Philipp II. Er hatte weder den Pro- ^T°d n testantismus besiegen noch Spaniens Weltherrschaft begründen können. 1598. Unter seinen Nachfolgern nahm der VerfaÜ Spaniens zu. Schlecht verwaltet, nach außen ohnmächtig, büßte es die Großmachtstellung ein, zu der es durch Karl V. erhoben worden war.
Deutschland im Zeitalter der Gegenreformation.
§ 34. Die Zeit Ferdinands L, Maximilians II. und Rudolfs IL
Während im übrigen Europa die streitenden Mächte und Religionsparteien sich bekämpften, herrschte in dieser Zeit in Deutschland ein nur selten gestörter Friede. Ferdinand I. war ernstlich bemüht, den Augs-Ferdinand l burger Religionsfrieden aufrecht zu erhalten. Sein Sohn und Nach- 1008 ~~ 1664‘ folget Maximilian II. legte sogar eine ziemliche Hinneigung zum Pro-testantismus an den Tag, so daß man eine Zeitlang seinen Übertritt i564 -1576., erwartete. Der in Spanien erzogene, streng katholische Rudolf II. war^Rudolf^ ein taten- und menschenscheuer, zum Trübsinn geneigter Fürst, der schwer Entschlüsse faßte und sich ungern mit politischen Dingen befaßte; am liebsten gab er sich in der Einsamkeit seinen Lieblingsstudien hin, der Astrologie, d. h. der Sterndeuterei, und der Alchymie (Chemie), durch die man u.a. die Kunst zu entdecken hoffte, Gold zu machen.
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619 —1648.
Die Lage des Protestantismus.
Ferdinand v. Steiermark und Maximilian I. von Bayern.
So konnte sich zunächst der Protestantismus immer weiter ausbreiten. Um 1570 berechnete man, daß etwa neun Zehntel der deutschen Nation vom alten Glauben abgefallen waren. Zwei Kurfürsten, die von Brandenburg und Sachsen, waren lutherisch, einer, der Kurfürst von der Pfalz, calvinisch. In Deutschland hatten die meisten weltlichen Fürsten die Reformation durchgeführt; aber auch eine ganze Reihe geistlicher Stifter, waren dem geistlichen Vorbehalt zum Trotz, säkularisiert worden und wurden nicht mehr von Bischöfen, sondern von weltlichen Administratoren, meist Prinzen benachbarter Fürstenhäuser, verwaltet. Die meisten Reichsstädte ferner bekannten sich zum neuen Glauben. Ja, selbst in den Ländern katholischer Fürsten, in den Habsburgischen Erblanden und vielen geistlichen Gebieten griff der Protestantismus um sich; in Böhmen und Österreich waren der größte Teil des Adels und viele Städte ihm zugetan. Verhängnisvoll aber war es, daß die beiden protestantischen Richtungen sich auf das stärkste befehdeten; dem Lutheraner galt oft der Calvinist für einen schlimmeren Feind als der Katholik. So war denn unter den evangelischen Fürsten keine Einigkeit zu erreichen; der lutherische Kurfürst von Sachsen hielt gern gute Freundschaft mit dem Kaiser, der Pfälzer Kurfürst galt als das Haupt der dem Kaiser feindseligen Partei.
Unter diesen Umständen begann der Jesuitenorden seine stille, aber unermüdliche Tätigkeit. Unter seinem Einfluß wuchsen insbesondere zwei Fürstensöhne heran, die berufen waren, in den religiösen Kämpfen der nächsten Zeit eine hervorragende Rolle zu spielen, Erzherzog Ferdinand von Steiermark und Maximilian I. von Bayern. Der letztere war der bedeutendere und kraftvollere, ganz erfüllt von dem Gedanken, den Protestantismus zurückzudrängen und zugleich Bayern groß zu machen; er war der erste deutsche Fürst, der ein stehendes Heer schuf. Während sich in Bayern nur wenige Protestanten fanden, war Steiermark zum größten Teil evangelisch. Hier aber führte Ferdinand, sobald er den Thron bestiegen hatte, mit Gewalt die Gegenreformation durch; die protestantischen Prediger wurden vertrieben, die Kirchen geschlossen, die Bibeln öffentlich verbrannt, die Untertanen gezwungen, sich zu bekehren oder auszuwandern. Lieber, sagte Ferdinand, wollte er über eine Wüste als über ein Land voller Ketzer herrschen.
§ 35. Union und Liga. Der klevische Erbfolgestreit. Die Spannung, die zwischen den religiösen Parteien bestand, führte zur Entstehung von Bündnissen. Zuerst schlossen sich eine Reihe evangelischer, vorwiegend
Deutschland im Zeitalter der Gegenreformation.
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süddeutscher Reichsstände, zum Schutze ihres Glaubens und ihrer Selbständigkeit zu der Union zusammen, an deren Spitze Kurfürst Fried-unrund rich IV. von der Pfalz stand. Diesem evangelischen Bunde trat die katholische Liga gegenüber, deren Führer Maximilian von Bayern war.
Und bald schien es, als stehe der Ausbruch eines großen Krieges Der «^We unmittelbar bevor. Um das Erbe des 1609 ausgestorbenen Geschlechts streit, der Herzöge von Jülich, Kleve und Berg, die auch Grafen von Mark und Ravensberg waren, stritten sich Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg und der Erbprinz Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Da machte Kaiser Rudolf den Versuch, die Lande als erledigtes Reichslehen einzuziehen; ihm standen die Liga und Spanien zur Seite. Jetzt einigten sich die beiden streitenden Fürsten.
Sie wurden von der Union unterstützt; und diese schloß Bündnisse mit
Heinrich IV. von Frankreich, der nur auf die Gelegenheit wartete, einen großen Krieg gegen das Haus Habsburg zu beginnen, und mit den Niederlanden.
Da wurde Heinrich IV. mitten in seinen Rüstungen von einem Tod
. ' . . . w Heinrichs IV,
fanatischen Menschen namens Ravaillac, der in ihm trotz seines Uber- 1610.
tritts einen Feind des katholischen Glaubens sah, im Jahre 1610 ermordet. Liga und Union schlossen einen Waffenstillstand; so wurde der Ausbruch des Entscheidungskrieges zwischen den religiösen Parteien aufgeschoben. Zwischen Johann Sigismund und Wolfgang Wilhelm blieb indessen die Einigkeit nicht lange bestehen; sie entzweiten sich, und Wolfgang Wilhelm trat zum katholischen Glauben und zur Liga über, während Johann Sigismund in derselben Zeit, nicht aus politischen Gründen, sondern ans religiöser Überzeugung das reformierte Bekenntnis annahm. Zum Kriege jedoch kam es auch jetzt nicht. Vielmehr ver- Teilung der ständigten sich die beiden Nebenbuhler in einem Vertrage dahin, daß £2Sen vorläufig Kleve, Mark und Ravensberg an Brandenburg, Berg und Jülich an Pfalz-Neuburg fallen sollten.
§ 36. Der Zwist im Kaiserhause. Matthias. Indessen war Entthronung Rudolf II. von seinen eigenen Verwandten, die mit seinem schlaffen und 9hlb0tfoIL tatenlosen Wesen, den „an römisch-kaiserlicher Majestät zu unterschiedlichen Zeiten sich zeigenden Gemütsblödigkeiten", unzufrieden waren, aus der Regierung verdrängt worden. Zuerst wurde er gezwungen, auf Ungarn und Österreich zu verzichten und sie seinem Bruder Matthias zu überlassen. So behielt Rudolf nur Böhmen; und die in der Mehrheit evangelischen Stände Böhmens benutzten damals die Gelegenheit,
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Dar Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519—1648.
um ihm den „Majestätsbrief" abzutrotzen, eine Urkunde, in der er ihnen volle Religionsfreiheit zusicherte. Bald darauf aber mußte Rudolf Matthias auch Böhmen überlassen; er starb, machtlos und verbittert, im Jahre 1612.
Matthias. Ihm folgte auf dem kaiserlichen Throne Matthias. Auch er war, 1612 - mg. ^ kinderlos. So wurde denn bestimmt, daß ihm sein Vetter
Ferdinand von Steiermark, der Verfolger der Protestanten, auf dem Throne folgen sollte. In der Tat erreichte man, daß in Böhmen und Ungarn seine Nachfolge anerkannt wurde; da traten Ereignisse ein, welche den Anlaß zu dem verheerendsten und unheilvollsten Kriege gaben, der Deutschland heimgesucht hat.
3. Der Dreißigjährige Krieg 1618— 1648.
Der böhmisch-pfälzische Krieg.
§ 37. Der böhmische Krieg. Im Jahre 1618 brach in Böhmen ein Aufstand aus. Den ersten Anlaß dazu gab, daß von zwei evangelischen, auf geistlichem Gebiet errichteten Kirchen die eine geschlossen, die andere niedergerissen worden war, was die Protestanten als eine Verletzung der ihnen zugestandenen Rechte auffaßten. Beschwerden, die Der sie beim Kaiser einreichten, hatten keinen Erfolg. Da entstanden in Prag ^zu Prag^ Unruhen, in deren Verlauf bewaffnete Protestanten auf das Schloß 1618, zogen und zwei von den kaiserlichen Statthaltern, denen man die Schuld an der ungnädigen Antwort des Kaisers beimaß, nebst ihrem Geheimschreiber zum Fenster hinausstürzten; übrigens kamen diese mit dem Leben davon. Darauf wurde eine neue Regierung eingesetzt und ein Heer zur Verteidigung ausgestellt. Die Seele der aufständischen Bewegung war der ehrgeizige Graf Thurn, der sich persönlich vom Kaiser beleidigt glaubte; eine wesentliche Hilfe fanden die Böhmen an dem Grafen Ernst von Mansfeld, einem tapferen und verwegenen Söldnerführer, der aber zügellos lebte und auch seinen Soldaten viele Ausschweifungen nachsah. Es gelang, die in das Land eingedrungenen kaiserlichen Truppen wieder herauszuschlagen.
Da starb im Jahre 1619 Matthias. Sein Nachfolger, Ferdinand von Steiermark, befand sich zunächst in einer sehr gefährlichen Lage. Der
Der böhmisch-pfälzische Krieg.
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Aufstand verbreitete sich nicht nur über Mähren und Schlesien, sondern in Österreich selbst traf Ferdinand auf Ungehorsam; während Thnrn vor Wien stand, legte ihm eine Abordnung der österreichischen Stände auf der Hofburg in drohendem Tone ihre Forderungen vor, und ihn rettete nur das plötzliche Erscheinen einer Kürassierabteilung im Burghofe.
Da war es ein großer Erfolg, daß Ferdinand infolge der Uneinigkeit der evangelischen Kurfürsten zu Frankfurt zum Kaiser gewählt wurde. *««5*
Dagegen wählten gleichzeitig die Böhmen den jugendlichen, ehr- Friedrichs v. geizigen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem König, und dieser nahm die Krone an. Aber es war ein unheilvoller Entschluß. on9‘ Obwohl Friedrich Y. der Schwiegersohn des Königs Jakob I. von England war. fand er wenig Beistand. Der Union, an deren Spitze er gestanden hatte, fehlte der Mut, ihm zu helfen; einige Zeit später löste sie sich auf. Ferdinand dagegen fand tatkräftige Bundesgenossen, vor allem in Maximilian von Bayern, dem Haupte der Liga. Ein Jahr lang herrschte Friedrich unter mancherlei Lustbarkeiten in Prag; dann brach im Sommer 1620 das kaiserlich-ligistische Heer unter dem Grafen Tilly, einem Wallonen von Geburt, einem erprobten Feldherrn und glaubenstreuen Katholiken, in Böhmen ein, und im November wurde Friedrichs Heer in der einftündigen Schlacht am weißen Berge beiA-Eam Prag völlig zersprengt. Der „Winterkönig" verließ als Flüchtling das iß-’O. Land; vom Kaiser geächtet, fand er eine Zuflucht in den Niederlanden.
In Böhmen aber nahm Ferdinand furchtbare Rache. Den Majestätsbrief zerschnitt er mit eigener Hand; die Protestanten wurden durch vielfache Drangsale verfolgt, viele Adlige hingerichtet oder verbannt und ihre Güter eingezogen. Zugleich mit dem Protestantismus wurden die ständischen Freiheiten vernichtet und jeder Widerstand gebrochen, freilich auch durch den furchtbaren Druck der Wohlstand des Landes zerstört; viele böhmische Protestanten wanderten damals aus und suchten anderswo eine neue Heimat.
§ 38. Der pfälzische Krieg. Der Krieg wurde nun nach der Pfalz 5“em$aJTO getragen, wohin einerseits Tilly, andrerseits von den Niederlanden her die Spanier eindrangen. Unter den Fürsten, die dagegen für die Sache Friedrichs Y. unter die Waffen traten, ist der Administrator des Bistums Halberstadt, Christian von Braunschweig, zu erwähnen.
Er war ein Vetter der Böhmenkönigin, deren Handschuh er an seinem Helm befestigt trug, ein wilder, abenteuerlicher Kriegsmann, der zunächst die westfälischen Bistümer brandschatzte und damals Münzen prägen ließ
Neubauer, Geschichtl. Lehrbuch. B. IV. 6. Ausl. 3
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519 —1648.
mit der Aufschrift: Gottes Freund, der Pfaffen Feind. Aber mehrere Schlachten entschieden für die Liga; auch Heidelberg siel in ihre Hand. Übertragung Der Kaiser nahm nunmehr Friedrich V. die Pfalz und die Kur und Maximilian"übertrug die letztere nebst dem Besitz der Oberpfalz an Maximilian von Bayern. Die katholische Partei hatte einen glänzenden Sieg erfochten und eine Machtstellung gewonnen, die für den Protestantismus höchst bedrohlich war.
Der nicdersächsisch-dänische Krieg.
Christian IV. § 39. Der niedersächsisch-dänische Krieg. Diesen gewaltigen Er-
D°mari!'e= folgen der katholischen Waffen gegenüber traten auswärtige Mächte in den Krieg ein. König Christian IV. von Dänemark, der als Herzog von Holstein auch dem deutschen Reiche angehörte und von dem niedersächsischen Reichskreise zum Obersten gewählt worden war. rüstete ein Heer; die Niederlande und England, dessen König jetzt endlich sich zur Hilfeleistung verstand, stellten Geldmittel zur Verfügung. Auch Ernst von Mansfeld erschien von neuem im Felde.
Unter diesen Umständen war es dem Kaiser, der schon längst gewünscht hatte eigene Truppen zu besitzen, besonders willkommen, daß ihm ein bereits bewährter und bekannter Truppenführer, Albrecht von
Wallenstein. Wald stein oder Wallenstein, anbot, aus eigenen Mitteln ein kaiserliches Heer aufzustellen. Wallensiein war von Geburt ein tschechischer
Edelmann und ursprünglich protestantisch erzogen worden, hatte aber dann
auf einem Jesuitenkolleg eine katholische Erziehung erhalten. Er hatte studiert, sich darauf im Kriegsdienst ausgezeichnet und im böhmischen Kriege auf eigene Kostey ein Kürassierregiment aufgestellt und befehligt. Die Gelegenheit der böhmischen Gütereinziehungen hatte er zu umfangreichen Güterankäufen benutzt. Jetzt erhielt er als Besitzer der Herrschaft Friedland vom Kaiser den Herzogstitel und wurde als General mit außerordentlicher Vollmacht bekleidet. In kurzer Zeit hatte er ein Heer von 50000 Mann aufgestellt, das zeitweise auf 100000 anwuchs, und das er nach dem Grundsätze „der Krieg ernährt den Krieg" durch Brandschatzung der besetzten Gebiete unterhielt. Eine wunderbare Macht übte der „Friedländer" über seine aus den verschiedensten Ländern Europas stammenden Soldaten aus. Etwas Geheimnisvolles schien ihn zu umschweben. wenn er im Scharlachmantel, eine wallende rote Feder am Hut. durch die Lagergassen schritt, oder wenn er mit seinem Astrologen ans den Sternen das Schicksal zu erforschen suchte. Er war nicht allein
Der niedersächsisch - dänische Krieg.
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Feldherr, wie Tilly, sondern auch Staatsmann; durch seine ganze Persönlichkeit und das Eigentümliche seiner politischen Pläne ist er eine der merkwürdigsten Gestalten der deutschen Geschichte geworden.
Im Jahre 1626 traf Wallenstein mit Ernst von Mansfeld^foc&t^n an der Dessauer Elbbrücke zusammen, schlug ihn und folgte ihm nach eibbrücte. Schlesien. Bald darauf wurde Ernst von Mansfeld, auf der Reise nach Venedig begriffen, das er für den Kampf gegen Habsburg gewinnen wollte, in einem bosnischen Dorfe vom Tode überrascht; er starb stehend, mit dem Harnisch bekleidet, auf die Gefährten gestützt.
In demselben Jahre trug auch Tilly über Christian IV. bei Lutter am Barenberge einen glänzenden Sieg davon. Als nun Tilly Barenberge, und Wallenstein zugleich mit ihren Heeren die Elb- und Weserlande überschwemmten, da wichen die Truppen des Dänenkönigs allenthalben zurück. Auch Holstein, Schleswig und Jütland wurden erobert und ebenso gebrandschatzt wie die übrigen von den katholischen Heeren besetzten Gebiete. Die Herzöge von Mecklenburg, die sich auf dänischer Seite am Kriege beteiligt hatten, wurden geächtet und vertrieben und mit ihrem Lande Wallenstein vom Kaiser belehnt. Ja, Ferdinand plante die Errichtung einer kaiserlichen Flotte aus der Nord- und Ostsee mit
spanischer Hilfe und ernannte Wallenstein zum „General der kaiserlichen Schiffsarmada wie auch des ozeanischen und baltischen Meeres General".
Als dieser aber Stralsund zu nehmen versuchte, um an dieser Stadt Belagerung
einen Stützpunkt für die neue kaiserliche Seemacht zu gewinnen, erlitt sund.
er einen Mißerfolg; die Stadt, die er im Zorn sich vermessen hatte
herabzureißen, selbst wenn sie mit Ketten an den Himmel geschlossen wäre, erwehrte sich seiner mit dänischer und schwedischer Hilfe, und er mußte abziehen.
Dagegen schloß Christian IV. zu Lübeck mit dem Kaiser Frieden;Friede von er erhielt seine Lande zurück, verpflichtete sich aber, sich in die deutschen 1629. Angelegenheiten nicht einzumischen.
§ 40. Das Restitutionsedikt und die Absetzung Wallensteins, memtu*
Ferdinand, der ganz unter dem Einfluß der Jesuiten stand, gedachte seine 1629.' gewaltige Machtstellung zu benutzen, um dem Protestantismus einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Durch das Restitutionsedikt befahl er im Jahre 1629, daß alle Bistümer, Klöster und anderen geistlichen Güter, die seit dem Paffauer Vertrage säkularisiert worden waren, der katholischen Kirche zurückgegeben werden sollten. Wurde das Edikt durchgeführt, so wurde das evangelische Bekenntnis in der Tot auf das schwerste
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
geschädigt; zugleich erlitten diejenigen protestantischen Fürstenhäuser, welche geistliche Güter eingezogen hatten, eine starke Schmälerung ihres Besitzstandes.
Indessen war die Mißstimmung über Wallensteins eigenmächtiges und rücksichtsloses Verhalten und die Besorgnis vor dem ungeheuren Aufschwung der kaiserlichen Macht immer mehr gewachsen und insbesondere auch bei den katholischen Fürsten weit verbreitet. Mau warf dem Feldherrn vor, daß er in katholischen Gebieten ebenso gewalttätig verfahre wie in evangelischen, daß er viele protestantische Obersten habe, daß er überhaupt nicht für die Religion, sondern für das Kaisertum Krieg führe. Von seinen persönlichen ehrgeizigen Wünschen abgesehen, war Wallenstein in der Tat bestrebt, die „kaiserliche Majestät" zu erhöhen, die „fürstliche Libertät" nach Kräften einzuschränken. An die Spitze der Unzufriedenen trat Maximilian von Bayern; und auf einem Kurfürstentage zu
Wallensteins Regensburg mußte Ferdinand die Absetzung seines Feldherrn zugestehen. aif6e3o!0' Tilly erhielt den Oberbefehl über die kaiserliche und ligistische Armee. Wollenstem hörte die Abgesandten, die ihm seine Absetzung mitteilten, ruhig an; er habe es, sagte er, längst in den Sternen gelesen, daß der Geist des bayrischen Kurfürsten den des Kaisers regiere. Er verließ das Heer und begab sich auf ferne Güter in Böhmen, wo er in königlicher Pracht Hos hielt.
Der Siegcszug Gustav Adolfs.
Gustav Adolf. § 41. Gustav Adolf bis zur Schlacht bei Breitenfeld. In denselben Tagen, in denen zu Regensburg Wallensteins Absetzung beschlossen wurde, landete' an der Nordwestspitze der Insel Usedom Gustav Adolf. König von Schweden. Er war der Enkel Gustav Wasas, unter dessen Führung sich das schwedische Volk von der Verbindung mit Dänemark losgemacht und in Schweden die Reformation eingeführt hatte. Er hatte sich zu bem deutschen Kriege vornehmlich aus zwei Gründen entschlossen, erstens, weil er die Machterweiterung des Hauses Habsburg fürchtete, das jetzt schon nach der Ostsee die Hände ausstreckte, welche Schwedens Könige zu einem schwedischen Meere zu machen wünschten; andrerseits, weil er dem evangelischen Glauben zu Hilfe kommen wollte, der durch die Siege der katholischen Waffen auf das äußerste bedroht war. Denn Gustav Adolf war nicht nur ein weitfehender, klarblickender Staatsmann und furchtloser, kriegsgeübter Feldherr, er war auch ein von seinem Glauben innerlich tief ergriffener evangelischer Christ; in ihm vereinigten sich
Der Siegeszug Gustav Adolfs.
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große Klarheit des Verstandes, Festigkeit des Willens und Tiefe des Gemüts. Frankreich, obwohl eine katholische Macht, unterstützte ihn mit Geld; der große französische Staatsmann und Kardinal der Kirche,
Herzog von Richelieu, derselbe, der, um die Staatseinheit zu begründen. Richelieu, die Hugenotten bekämpfte, stellte sich auf die Seite des evangelischen Schwedenkönigs, um der Machtentfaltung des Hauses Habsburg, des alten Nebenbuhlers des französischen Königtums, entgegenzutreten.
Gustav Adolf besetzte zunächst einen Teil Pommerns, dessen Herzog, der letzte seines Stammes, ihm die Tore von Stettin öffnete. Am Wiener Hofe glaubte man den „Schneekönig" verachten zu dürfen; „wir haben halt a Kriegei mehr", sagte Kaiser Ferdinand. In der Tat waren es zunächst nur wenige deutsche Stände, die sich dem „Löwen aus Mitternacht" anschlossen. Insbesondere die beiden Kurfürsten von Branden- *mm bürg und von Sachsen dachten zwischen ihm und dem Kaiser eme burgs. neutrale Stellung einzunehmen. Der erstere, Georg Wilhelm, Gustav Adolfs Schwager, ließ sich dabei u. a. von der begründeten Besorgnis leiten, daß Gustav Adolf Absichten auf Pommern habe, welches auf Grund eines Erbvertrages Brandenburg für sich in Anspruch nahm.
Erst als Gustav Adolf seine Kanonen auf Berlin richtete, verstand sich Georg Wilhelm dazu, sich an ihn anzuschließen und ihm Spandau einzuräumen.
Indessen verwandte Tilly seine ganze Kraft darauf, Magdeburg einzunehmen. Jetzt wie zur Zeit des Interims ein Hort des Protestantismus, hatte sich die Stadt dem Restitutionsedikt widersetzt, war daher geächtet und zunächst von dem General Pappenheim belagert worden, bis Tilly sich selbst vor ihre Mauern legte. Gustav Adolf, durch die Verhandlungen mit Brandenburg und Sachsen hingehalten, konnte die Stadt nicht retten.
Am 20. Mai 1631 (nach dem verbesserten, gregorianischen Kalender) Zerstörung wurde sie erstürmt und durch eine Feuersbrunst, die während des (Straßen- mag^urg. kampses ausbrach, fast völlig in Asche gelegt; außer dem Dom und einer anderen Kirche blieben nur einige Fischerhütten erhalten. Die Vernichtung Magdeburgs war ein schwerer Schlag für die Sache des Protestantismus.
Tilly brach nun in Sachsen ein. um den Kurfürsten Johann Georg zum unbedingten Anschluß an die Sache des Kaisers zu nötigen. Überdies hatte den entgegengesetzten Erfolg, nämlich, daß Johann Georg Gustav Adolf zu Hilfe rief. Die Schweden und Sachsen vereinigten sich, und bei Breitenfeld nördlich von Leipzig wurde 1631 Tilly vollstänötg geschlagen. Die Schlacht war von entscheidender Bedeutung. Die Über- 1631.
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
macht der katholischen. Partei war gebrochen; es begann die Siegeslaufbahn Gustav Adolfs.
®Ätttni°lf § 42. Gustav Adolf in Süddeutschland. Die Schlacht bei Lützen. Der siegreiche Schwedenkönig zog nunmehr durch Thüringen und die Mainlande nach dem Rhein, ohne Widerstand zu finden. In Mainz hielt er im nächsten Winter Hof, an der Seite seiner Gemahlin, umgeben von protestantischen Abgesandten und Fürsten, unter denen sich auch 1632. der vertriebene Böhmenkönig Friedrich Y. von der Pfalz befand. Im nächsten Frühjahr zog der König zunächst den Main aufwärts nach dem gut evangelischen Nürnberg, wo er mit stürmischer Begeisterung empfangen wurde; dann erzwang er durch eine Schlacht, in der Tilly tödlich verwundet wurde, den Übergang über den Lech, brach in Bayern ein vonMünchen un^ "Ohm München, die Hauptstadt Maximilians, der nach Norden abgezogen war.
Gustav Adolf stand auf der Höhe seines Glücks. Er hatte den evangelischen Glauben gerettet und hatte Schweden zur Großmacht des Nordens gemacht. Welche Pläne er für die Zukunft hegte, ist uns nicht genau bekannt; doch dachte er jedenfalls daran, deutsche Lande, vor allem Pommern zu erwerben und Schweden einen starken Einfluß auf die deutschen Verhältnisse zu sichern, Pläne, deren Verwirklichung für Deutschlands nationale Entwickelung nicht förderlich gewesen wäre. Auch dachte er wohl an die Verheiratung seiner einzigen, damals noch unmündigen Tochter Christine mit dem Kurprinzen von Brandenburg, dem späteren Großen Kurfürsten, d. h. an die Personalunion Schwedens und Brandenburgs. Indessen war ihm ein gewaltiger Gegner gegenübergetreten, Wal len stein, der auf die Bitten des Kaisers wieder ein Heer aufgestellt hatte; allerdings hatte ihm Ferdinand den alleinigen und unbeschrankten Oberbefehl zugestehen und zugleich zum Ersatz für das verlorene Mecklenburg ein anderes Fürstentum versprechen müssen. Nachdem er die in Böhmen eingefallenen Sachsen vertrieben hatte, traten sich Gustav Adoifdie beiden Feldherren bei Nürnberg gegenüber. Wallensteins Lager be-un?teii?6etene fand sich auf einem Höhenzuge und war stark verschanzt. Trotzdem ver-Nürnberg. $u^at) Adolf, nachdem sich die Heere einige Wochen lang gegen-
über gelegen hatten und Krankheiten in seinem Lager ausgebrochen waren, die feindliche Stellung zu erstürmen, wurde aber unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Da zog er in der Richtung auf Bayern ab; als er aber vernahm, daß sich Wallenstein nach Sachsen gewandt habe und das Land seines Bundesgenossen furchtbar verheerte, kehrte er um und folgte
Der schwedisch-französische Krieg.
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ihm, unterwegs vielfach oon den Evangelischen mit so jubelnder Verehrung begrüßt, daß er wohl aussprach, er fürchte, daß ihn Gott wegen der Torheit der Leute strafen werde; „sieht es nicht aus", sagte er, „als
ob sie mich zu ihrem Gotte machten?"
Am 16. November 1632 kam es bei Lützen zur Schlacht. Am Morgen herrschte dichter Nebel; erst gegen Mittag griffen die Schweden an.i6.wet Gleich beim Beginn der Schlacht fiel Pappenheim, der mit seiner Reiterei kurz vorher eingetroffen war. Während der König immer neue Regimenter vorführte, um die Stellung des Feindes zu erschüttern, wurde
er mehrmals verwundet und stürzte vom Roß, das, reiterlos zurück-
sprengend, den Schweden die Kunde vom Tode ihres Königs brachte.
Desto erbitterter griffen diese jetzt unter der Führung des Prinzen Bernhard von Weimar an; der Kampf entbrannte mit verdoppelter Wut, bis der Feind endlich zum Rückzug gezwungen wurde. Wallenstein war geschlagen und ging nach Böhmen zurück; aber der Führer der protestantischen Sache war gefallen.
Der schwedisch-französische Krieg.
§ 43. Charakter des Krieges. Der Teil des Krieges, der mit benmggaM Tode Gustav Adolfs beginnt, wird zunächst dadurch gekennzeichnet, daß sich jetzt die Franzosen mehr und mehr an der Kriegführung beteiligten und endlich ein selbständiges Heer aufstellten. Die religiösen Interessen traten nunmehr in den Hintergrund; es handelte sich jetzt fast nur noch um politische Machtfragen; ausländische Mächte benutzten die Zerrissenheit Deutschlands, um das Haus Habsburg auf deutschem Boden, durch deutsche Fürsten und deutsche Landsknechte zn bekämpfen. Daneben gewannen die selbstsüchtigen Bestrebungen einzelner Heerführer, die sich bei dem allgemeinen Zusammensturz einen Fürstenthron erwerben wollten, einen bestimmenden Einfluß. Die Zuchtlosigkeit der Heere endlich überstieg alles Maß; und die Schweden, deren gefallener König immer auf gute Mannszucht gehalten und tägliche Betstunden im Lager angeordnet hatte, machten sich jetzt durch bie greulichen Martern, die sie erfanden, um die Einwohner zur Auslieferung ihrer versteckten Habe zu nötigen, einen besonders furchtbaren Namen.
§ 44. Wallensteins Untergang. Wallenstein hatte sich nach Schlesien gewandt. Daß er dort zögernd Krieg führte, daß er mit den Feinden in Verbindung trat, endlich daß er gegen den Wunsch des Kaisers in Böhmen Winterquartiere nahm und diesem Lande die Lasten
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Das Zeitalter der religiösen Kümpfe 1519 —1648.
der Heeresunterhaltung auferlegte, erregte am Wiener Hofe wachsendes Befremden und Mißtrauen. Es war besonders die jesuitische Partei am Hofe, die ihm übelwollte; denn auch jetzt widersetzte er sich standhaft seinen Wünschen.
Wallensteins In der Tat hing der Friedländer Plänen nach, die der Politik ane" des Kaisers zuwider liefen. Er wünschte den Frieden in Deutschland herzustellen, und zwar gemeinsam mit den protestantischen Ständen, mit denen er eine Verbindung plante, um die Schweden aus dem Lande zu treiben; für sich selbst hoffte er ein deutsches Land zu gewinnen; falls der Kaiser diesen Gedanken seine Zustimmung versagte, gedachte er ihn mit Gewalt dazu zu zwingen. Indessen trat er nicht nur mit den Sachsen, sondern auch mit den Schweden und Franzosen in Verhandlung. Als er dann merkte, daß die Umgebung des Kaisers damit umging, ihn abzusetzen, tat er einen bedeutsamen Schritt; er versammelte seine Obersten zu Pilsen um sich und ließ sich von ihnen das schriftliche Versprechen geben, sich in keinem Falle von ihm zu trennen. Jetzt handelten seine Gegner. Sie gewannen die meisten der Obersten durch Versprechungen und Vergünstigungen im geheimen für die kaiserliche Partei; dann erließ Ferdinand eine Verordnung, durch die er Wallenstein seines Oberbefehls enthob. Es folgte ein allgemeiner Abfall; nur wenige Regimenter blieben dem General treu, der mit ihnen nach Eger marschierte, um von dort aus Ermordung den Schweden die Hand zu reichen. Da wurden auf Veranstaltung des 1634. Obersten Butler, eines Iren, und des Kommandanten von Eger, des schottischen Obersten Gordon, zuerst feine zu einem Mahl vereinigten Anhänger Terzka, Jlow und Kinsky ermordet; dann fiel der Herzog selbst in seinem Schlafgemach durch die Hellebarde eines seiner Hauptleute.
§ 45. Von der Schlacht bei Nördlingen bis zum westfälischen Frieden.
Die schwedischen Truppen wurden damals von Herzog Bernhard von Weimar und dem General Horn geführt, während die politische Leitung in den Händen des klugen Staatskanzlers Oxenstjerna lag. In der nächsten Zeit aber fielen dem Kaiser ebenso auf dem Gebiete der Heerführung tote auf dem der diplomatischen Verhandlungen bedeutende Erfolge Schlacht bei zu. Zunächst trug das kaiserliche Heer 1634 in der Schlacht bei N ö rd-Nordlingen^.^^b^ e^nen glänzenden Sieg über die Schweden davon. Diese mußten nunmehr fast das ganze rechtsrheinische Süddeutschland räumen. Ferner schlossen die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg im nächsten Jahre Friede von mit dem Kaiser den Frieden von Prag; sie entsagten dem Bündnis 1635. mit Schweden und unterstellten ihre Truppen der kaiserlichen Hoheit.
Der westfälische Friede.
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Bald allerdings gelang es den Schweden unter dem wilden, ausschweifenden General Banir wieder Fortschritte zu machen. Bernhard von Weimar eroberte inzwischen das obere Elsaß und die angrenzenden Gebiete, wo er sich ein Herzogtum zu gründen gedachte. Da raffte chit T°d Bern. 1639 ein plötzlicher Tod dahin; und nachdem schon er selbst, obschon Weimar, ein Mann von gut deutscher Gesinnung, sich von Frankreich Subsidien hatte zahlen lassen, trat nun sein Heer in französischen Sold und wurde von französischen Heerführern geführt.
Als Befehlshaber des schwedischen Heeres folgte auf Banör der tatkräftige Torstenson, der, obwohl gichtkrank, mit unerhörter Schnell^ keit Deutschland durchzog und zweimal tief in die österreichischen Erblande duu-kn eindrang; auf diesen Wrangel und Königsmark. Zu einer endgültigen Entscheidung aber kam es nicht; indessen litt Deutschland unter den Ver heerungen der Armeen auf das furchtbarste. Die letzte Waffentat in diesem Kriege war der Überfall der Kleinseite von Prag, d. H. des 1648. auf dem linken Moldauufer liegenden Stadtteils, durch Königsmark; da erscholl die Kunde vom Friedensschluß.
Der westfälische Friede.
§ 46. Seit dem Jahre 1645 fanden in Münster und Osnabrück Verhandlungen über den Frieden statt, die sich aber außerordentlich langsam hinschleppten; im Oktober 1648 kam es endlich, nachdem auch der Kaiser, Okt. 1648. seit 1637 Ferdinand III., seine Zustimmung gegeben hatte, zur Unter-zeichnung des Friedens. 1637 -1657.
Was zunächst die Gebietsverhaltnisse anlangt, so wurde fol' mu®e^6ct
gendes bestimmt: , 's,iE«-.
Frankreich wurde für seine Teilnahme am Kriege dadurch entschädigt, daß ihm außer den Bistümern Metz, Toul und Verdun, die es bereits 1552 gewonnen hatte, die Landgrasschaft Elsaß abgetreten wurde; französische Fahnen wehten also nunmehr am Rhein, und Süddeutschland stand französischen Einfällen offen.
An Schweden fiel Vorpommern, dazu die früheren Bistümer Bremen und Verden; so beherrschte es die Mündungen der Oder, Elbe und Weser.
Brandenburg erhielt von dem pommerschen Erbe nur Hinterpommern, dazu als Entschädigung die Bistümer Cammin, Minden, Halberstadt und die Anwartschaft auf das Erzbistum Magdeburg, dessen Administrator, ein sächsischer Prinz, im Jahre 1680 starb.
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519 — 1648.
Die Rheinpfalz wurde dem Sohne Friedrichs V. zurückgegeben und für ihn euie achte Kurwürde geschaffen.
Die Schweiz und die Niederlande wurden endgültig vom deutschen Reiche losgetrennt.
Kirchliche Ferner wurden die religiösen Verhältnisse geordnet. Der ge-
««5 wältige, anfangs von großen Erfolgen begleitete Versuch der katholischen Partei, den Protestantismus auf der ganzen Linie zurückzudrängen, war schließlich mißlungen. Beide Bekenntnisse wurden von neuem als gleichberechtigt anerkannt und nunmehr endlich auch die Reformierten in den Religionsfrieden aufgenommen. Hinsichtlich der geistlichen Güter bestimmte man, daß diejenigen, die 1624 katholisch gewesen seien, katholisch, die welche sich damals in protestantischem Besitz befunden hätten, protestantisch bleiben sollten.
Verfaflungs- Endlich wurden wichtige Bestimmungen über die Reichsverfassung
E'mung^ getroffen. In dem Kampf zwischen Kaisertum und Fürstentum hatte das letztere den Sieg errungen. Den Fürsten wurde durch den westfälischen Frieden die volle Landeshoheit- zugesprochen, insbesondere das Recht, Bündnisse untereinander und sogar mit fremden Mächten, außer gegen Kaiser und Reich, abzuschließen.
Deutschland mit Ende des dreißigjährigen Krieges.
Wachsende § 47. Die politischen Verhältnisse. Die Folgen des großen Krieges
8erungtte' waren für Deutschland iu jeder Beziehung verhängnisvoll; zunächst auf dem Deutschlands.politischen Gebiete. Es war nunmehr klar, daß die Zersplitterung Deutschlands fortschreiten und der Reichsverband sich noch mehr lösen würde. Das Reich wandelte sich allmählich in einen Staatenbund um, dessen Mitglieder, Kurfürsten, weltliche und geistliche Fürsten. Reichsstädte, nur lose miteinander verbunden waren, und dem ein politischer Mittelpunkt fehlte. Denn der kaiserliche Hof konnte nicht mehr als solcher gelten; aber der Reichstag, der nunmehr die Form eines Gesandtenkongresses annahm und ständig in Regensburg versammelt war, war viel zu schwerfällig in seinen Formen und viel zu ohnmächtig, als daß er ein Mittelpunkt des politischen Lebens hätte sein können. Damit hing die Ohnmacht des Reiches nach außen zusammen. Innerlich zwieträchtig, ohne einheitliche politische Leitung, ohne regelmäßige Geldeinkünfte, ohne ein geordnetes Heerwesen, befand sich das deutsche Reich in einer unglücklichen Lage, desto mehr, weil sich in derselben Zeit das benachbarte Frankreich zu einem einheitlich zusammengeschlossenen, von seinem König mit absoluter Machtvollkommenheit beherrschten Militärstaat entwickelte.
Deutschland am Ende des dreißigjährigen Krieges.
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Auf Kosten des Ganzen halten sich die deutschen Einzelstaaten Die^neren ausgebildet. Die meisten von ihnen freilich waren so klein und unbedeutend, staaren. daß man auf sie keinerlei Hoffnungen für ein künftiges Erstarken der deutschen Nation setzen konnte. In den engen und kleinlichen Verhältnissen dieser Staaten blieb der Gesichtskreis beschränkt und konnte der nationale Stolz nicht gedeihen. Manche der Regenten jener Zeit zeichneten sich durch landesväterliche Fürsorge für die wirtschaftliche und geistige Hebung ihrer Untertanen aus. Andere dagegen waren vor allen Dingen bestrebt, fürstlichen Glanz zu entfalten, Schlöffet zu bauen und eine prunkvolle Hofhaltung einzurichten, um im kleinen das Beispiel des französischen Königs Ludwig XIV. nachzuahmen; so wurden sie zu Bedrückern ihrer Untertanen. Die größeren Staaten aber, welche zu einer vergrößeren selbständigen Politik imstande waren, nahmen vor allem ihre Sonder- staaren. interessen wahr. Österreich besonders wuchs, während es durch seine vom Glück begünstigte europäische Politik sich zur Großmacht entwickelte, aus Deutschland mehr und mehr heraus. Aber auch die übrigen Staaten waren in erster Linie auf das eigene Wohl bedacht, fetzten die nationalen Angelegenheiten hintan und hielten es öfter für zweckmäßig, sich mit Frankreich zu verbinden. Auch Friedrich Wilhelm von Brandenburg trieb in erster Linie eine brandenbnrgisch-preußische Politik; er kräftigte seinen Staat nach innen und verfocht seine Interessen nach außen.
Aber indem er den brandenbnrgisch ^ preußischen Staat, dessen Adler schon damals an der Memel wie am Niederrhein geboten, zu einem einheitlichen und machtvollen Staatswesen ausbildete, bereitete er die Entstehung der norddeutschen Großmacht vor, die einst den Kern bilden sollte für ein neuerstehendes deutsches Reich.
§ 48. Das wirtschaftliche und soziale Leben. Der deutschen V°>ks-Volkswirtschast hatte der Krieg die schwersten Wunden geschlagen.tolrWl-Die deutschen Länder waren verwüstet; viele Dörfer und Flecken waren niedergebrannt und zu Wüstungen geworden; durch den Krieg, durch Seuchen und Hungersnot war die Bevölkerung im Durchschnitt auf die Hälfte, in manchen Gegenden noch mehr zurückgegangen; der Viehstand war in weiten Landschaften fast ganz vernichtet. Auch in den Städten sah es vielfach schlimm aus; viele Häuser waren zerfallen, die Mauern halb zerstört, die Bewohner verarmt. Wie reich war Deutschland im sechzehnten Jahrhundert gewesen! Wie blühte die Landwirtschaft, das Handwerk, der Handel! Damals hatte die Wohlhabenheit vielfach ein üppiges Leben hervorgerufen, wogegen die Behörden vergeblich durch Kleiderordnungen und andere Luxus-
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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
gesetze eingeschritten waren. Jetzt hatten sich die Erwerbsverhältnisse völlig verändert. Die Bauern konnten sich nur mühsam aus dem Elend und aus der sittlichen Verwilderung, in die sie der Krieg gestürzt hatte, emporarbeiten. Die deutschen Handwerker, die einst so behäbig gehaust hatten, waren arme, gedrückte, mutlose Leute geworden; einst waren die Erzeugnisse des deutschen Gewerbes ins Ausland gegangen, jetzt wurden englische, holländische und französische Waren in Menge eingeführt. Der deutsche Handel lag danieder, denn die Mündungen der großen Ströme waren in den Händen der Fremden, die dort hohe Zölle erhoben. Am Welthandel nahm Deutschland keinen Anteil; während sich Holland, Frankreich und England zu Handels-und Kolonialvölkern ersten Ranges entwickelten, mußte Deutschland, dessen Handelsschiffe zur Zeit der Hanse die nördlichen Meere beherrscht hatten, mühsam um die ersten Anfänge des Wohlstandes ringen.
Die sozialen Auch die sozialen Verhältnisse machten in jenen Zeiten eine
Verhältnisse. durch. Am schlechtesten ging es- dem Stande der Bauern, die
fast allenthalben unter dem Drucke der Gutsherren standen, ihnen untertänig und zu Frondiensten verpflichtet und nicht einmal selbständige Besitzer ihrer Höfe waren. Aber auch das Bürgertum befaß nicht mehr die Bedeutung und das stolze Selbstgefühl früherer Zeiten; ein demütiges und unterwürfiges, zugleich aber geziertes und förmliches Wesen nahm überhand, und von nationalem Sinn und Selbstbewußtsein war an vielen Orten keine Spur mehr vorhanden. Auch der Adel stand nicht mehr so selbständig und trotzig da, wie vorzeiten; er hatte sich der Macht der Fürsten beugen müssen und bildete sich eben damals vielfach zu einem Hofadel oder, wie in Brandenburg, zu einem Offiziers- und Beamtenadel um. Dafür wurde er aber auch von den Fürsten in hohem Maße gefördert und mit Vorrechten ausgestattet; er genoß das höchste gesellschaftliche Ansehen und war in jeder Beziehung der erste Stand. Das adlige und höfische Leben aber nahm damals Formen an, die aus dem Auslande erborgt waren; mit der Etikette des französischen Hofes übernahm man französische Sitten und Moden, französische Kleider und Perücken; die französische Sprache wurde die Sprache der feinen Welt, und wer deutsch sprach, glaubte sich dann am geschmackvollsten auszudrücken, wenn er möglichst viele Fremdwörter anwandte.
Das geistige § 49. Das geistige Leben. Auch das geistige Leben hatte durch 2e6en' den Krieg gelitten. Am schlimmsten war die geistige Roheit bei dem Bauernstande. Aber auch das höhere Schulwesen und die Wissenschaft nahmen erst allmählich wieder einen Aufschwung. Aberglaube war weit
Deutschland am Ende des dreißigjährigen Krieges.
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verbreitet; der Hexenaberglaube insbesondere war allgemein, und zahllose Frauen und Mädchen wurden als Hexen verbrannt. Gegen den Gebrauch der Folter vor Gericht, durch die man auch Unschuldigen oft ein Geständnis abpreßte, hatte sich noch keine Stimme erhoben.
Dichter von Bedeutung gab es damals nur auf dem Gebiete des Kirchengesangs; damals dichtete Paulus Gerhardt seine schönen Lieder.
Noch fand sich überhaupt in weiten Kreisen, vornehmlich des Bürger-standes. eine echte und herzliche Frömmigkeit; die Tiefe des Gemüts und der Empfindung war dem deutschen Volke nicht abhanden gekommen.
Einen wesentlich kirchlichen Charakter hat auch diejenige Kunst, die in den nächsten Jahrzehnten am meisten deutsche Art und deutsches Wesen bewährte, die Musik; im Zeitalter Bachs und Handels hat sie Herr-Musik, liche Schöpfungen hervorgebracht.
Die bildenden Künste traten ganz unter den Einfluß des Auslandes, besonders Frankreichs. In der Baukunst gelangte der Barockstil zur Baukunst. Herrschast, der sich aus dem Renaissancestil entwickelt hatte. Glanz und Pracht bilden den Charakter dieses Stiles; die Baumeister der Zeit suchen durch gewaltige Ausdehnung und reiche Dekoration ihrer Bauwerke den Eindruck des Würdevollen und Großartigen zu erreichen, wie er besonders für fürstliche Schlösser angemessen schien. Der größte Meister dieses Stils in Deutschland ist der kraftvolle Andreas Schlüter, der Schöpfer des königlichen Zeughauses (der Ruhmeshalle) und des Reiterstandbildes des Großen Kurfürsten in Berlin. In Dresden ist das Hauptwerk dieser Richtung der malerisch prunkvolle Zwinger. Dem Barock folgte im Laufe des 18. Jahrhunderts das Rokoko, das weniger auf das Imposante als auf das Graziöse ausgeht und in der Ausschmückung der Jnnen-räume fürstlicher Schlösser seine Triumphe feiert. In diesem Stil sind Schloß Sanssouci zu Potsdam und die glänzenden Residenzen süddeutscher Bischofssitze und Münchens gebaut. Wo deutsche Künstler zu schwerfällig waren, um die leichte Grazie der Franzosen zu erreichen, entstand der Zopfstil.
II. Das Zeitalter des Emporkommens Preußens.
1648 — 1786.
Vorgeschichte der Mark Brandenburg (bis zum Regierungsantritt des Großen Kurfürsten).
Die Mark unter den Askaniern, Wittelsbachern und Luxemburgern.
ii34 -1320 § 50. Die Askanier. 1134—1320. In den Zeiten der Völker-
wanderung waren die Lande östlich der Elbe und Saale von den Germanen verlassen worden, und wendische Völker waren dort eingezogen. Sie lebten in steten Grenzfehden mit dem Stamme der Sachsen. Karl der Große hatte sie in glücklichen Kämpfen zurückgedrängt und Burgen
Die^Sachsen-gegen sie angelegt. Dann stellten sich die sächsischen Könige Heinrich I., der Eroberer von Brennabor, und Otto der Große die Aufgabe, die wendischen Grenzlande zu erobern und für das Deutschtum und Christentum zu gewinnen. Da brach auf die Nachricht von der schweren Niederlage, die Otto II. durch die Sarazenen erlitten hatte, im Jahre 983 ein furchtbarer Wendenaufstand aus, und die dort gegründeten Bistümer Havelberg und Brandenburg, die neu angelegten Kirchen, Burgen und Ansiedelungen rechts der Elbe wurden zerstört.
Erst im zwölften Jahrhundert wurden die Eroberungskriege gegen die Wenden wieder aufgenommen. Während Heinrich der Löwe das östliche Holstein und Mecklenburg sich unterwarf und germanisierte, eroberte der von Lothar 1134 mit der Nordmark, der heutigen Altmark, belehnte dMbEAlbrecht der Bär aus dem Hause der Askanier, die diesen Namen 1134. nach der Burg Aschersleben führten, das Havelland. Er zuerst nannte sich Markgraf von Brandenburg.
Kolonisation. Seitdem begann die Besiedelung dieser Gebiete mit deutschen Bauern, welche Landanweisungen erhielten und in Dörfern als zumeist freie Leute zusammenwohnten, mit deutschen Rittern, die mit Burgen und Grund-
Die Mark unter den Askaniern. Wittelsbachern und Luxemburger.
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stücken belehnt wurden, und mit deutschen Mönchen, zumal Zisterzienser-mönchen, die Klöster anlegten und sich um die Urbarmachung des Landes und die Erziehung der Bewohner zu Christentum und Kultur große Verdienste erwarben. Die Bistümer erstanden wieder. Auch Städte wurden gegründet, in denen das Handwerk und der Handel eine Stätte fanden. Die wendischen Bewohner nahmen allmählich deutsches Wesen und deutsche Sprache an; doch hat sich im Spreewald noch heute die wendische Sprache erhalten.
Albrechts Nachfolger waren mit Glück bemüht, die Mark weiter auszudehnen. Jenseit der Oder wurde die Neu mark erworben. Die Brandenburger Markgrafen wurden mächtige Reichsfürsten. Der bedeutendste unter ihnen war Markgraf Waldemar, der der Große genannt wird. JnWan>emar. derselben Zeit, wo in Süddeutschland der Kampf zwischen Ludwig dem 1 Bayern und Friedrich dem Schönen tobte, geriet er in einen Krieg mit fast allen seinen Nachbarn, mit Dänen, Polen, Schweden und mehreren deutschen Fürsten. Obwohl er durch die dreifache Übermacht eine Niederlage erlitt, behauptete er im Frieden seinen Besitz. Er starb 1319 mit Hinterlassung eines unmündigen Vetters, der im nächsten Jahre ebenfalls starb.
§51. Die Wittelsbacher. 1324-1373. Im Jahre 1324 belehnte 1^-1373. Ludwig der Bayer seinen minderjährigen Sohn Ludwig mit der Mark; so kam sie an die Wittelsbacher. Ihre Regierung war nicht glücklich für das Ludwig. Land, das durch Einfälle der Nachbarn verwüstet wurde, zugleich durch Landabtretungen an andere Fürsten zusammenschmolz. Markgraf Ludwig war ein leichtlebiger, sorgloser Fürst, der lieber in Tirol zur Jagd ging als in der Mark den Sorgen der Regierung oblag; er war selten im Lande anwesend und wenig beliebt. Als daher in den Anfängen der Regierungszeit Karls IY. der falsche Waldemar auftrat, ein alter Mann. der sich für den verstorbenen Waldemar ausgab und eine Pilgerfahrt nach Jerusalem gemacht zu haben behauptete, fand er viel Anhang; nur wenige Städte, dabei Brietzen, das fortan Treuenbrietzen hieß, blieben dem rechtmäßigen Herrn treu. Karl IV. erkannte aus Feindschaft gegen die Wittelsbacher den falschen Waldemar anfangs an und ließ ihn erst, nachdem er sich mit Ludwig versöhnt hatte, fallen. Bei den askanischen Anhaltinern aber hat er bis zu seinem Tode als der echte Waldemar gegolten und ist an ihrem Hofe zu Dessau gestorben.
Auf Ludwig folgten seine beiden jüngeren Brüder. Damals wurden durch die goldene Bulle die Markgrafen von Brandenburg als Kur-Di^ goldene fürsten anerkannt, ein Amt, das sie tatsächlich schon seit einem Jahr- 1356.
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Das Zeitalter des EmporkommenS Preußens 1648 —1786.
hundert ausübten. Kurfürst Otto, der auch der Faule genannt wird, wurde 1373 vom Kaiser Karl IV. genötigt, ihm das Land gegen Zahlung einer Geldsumme abzutreten.
73 —1115. §52. Die Luxemburger. 1373—1415. So kam die Mark an die
Luxemburger. Sie befand sich in keiner günstigen Lage; die kurfürstlichen Einkünfte waren zum großen Teil verschleudert, Ordnung und Recht lag Karl iv. danieder. Karl IV. bestrebte sich, für Brandenburg ebenso landesväterlich zu sorgen wie für Böhmen. Er trat den räuberischen Adligen entgegen, förderte den Handel, zumal die Stromschiffahrt auf den großen Wasserstraßen des Landes und suchte besonders die Stadt Tangermünde an der Elbe zu einem großen Handelsplatz auszugestalten.
Sigmund. Aber Karl starb schon 1378. Sein Sohn Sigmund, der die Mark
erbte, vernachlässigte sie sehr. Er kümmerte sich hauptsächlich um Ungarn, dessen König er durch Heirat geworden war, und verpfändete das Land an Jobs., seinen Vetter Jobst von Mähren. Unter Jobsts Regierung verfiel die Mark ganz. Die Nachbarn rissen große Stücke des Landes an sich. Räuberbanden, die „Stellmeiser", herrschten in den weiten märkischen Wäldern. Der wilde und trotzige Adel kehrte sich nicht an Gesetz und Recht, brandschatzte die kleineren Städte und plünderte die Kaufleute aus. Die größeren Städte regierten sich völlig selbständig. Da starb Jobst 1411; und nun fiel die Mark an Sigmund zurück.
Die ersten fünf Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern. 1415—1535.
§ 53. Friedrich I. Sigmund schickte 1411 den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, der ihm durch Freundschaft verbunden war und sich um seine Wahl zum König besonders verdient gemacht hatte, als „vollmächtigen gemeinen Verweser und obristen Hauptmann", d. h. als seinen Statthalter in die Mark. Friedrich entstammte dem fränkischen
Die Hohe»-Zweige der Hohenzollern, bereit Stammburg sich in Schwaben erhob, ioaein- bte aber, seit'bas Geschlecht die Burggrafschaft Nürnberg erworben hatte, in eine fränkische und eine schwäbische Linie zerfielen. Die Hohenzollern waren einst treue Anhänger der Hohenstaufen gewesen; nachher hatte Burggraf Friedrich III. bei der Wahl Rudolfs von Habsburg eine wichtige Rolle gespielt, Friedrich IV. die Schlacht bei Mühldorf entschieden. Durch die Entsendung Friedrichs VI. nach der Mark wurde der Grund gelegt zu der späteren Größe des Geschlechts.
Als Friedrich kam, traf er bei dem märkischen Adel auf trotzigen Wider-
Die ersten fünf Kurfürsten ans dem Hause Hohenzollern. 1415 —1535.
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stand, besonders bei den Herren von Quitzow. Aber mit Hilfe der „faulen Grete" und andrer schwerer Geschütze, welche riesige Steinkugeln gegen die Mauern schleuderten, wurden ihre Burgen eingenommen und sodann ein Landfriede aufgerichtet. 1415 übertrug Sigmund darauf die Mark und Dehnung, die Kur zu Lehen an Friedrich, und am 18. April 1417 vollzog er auf dem Markte zu Konstanz in feierlichen Formen die Belehnung.
Friedrich war vermählt mit Elisabeth, einer wittelsbachischen Prinzessin, der „schönen Else", der er mehrmals für die Zeit seiner Abwesenheit die Statthalterschaft übertrug. Wie er selbst von seinen Pflichten dachte, geht daraus hervor, daß er sich „Gottes Amtmann am Fürstentum" genannt hat, der dafür sorgen müsse, daß „das Recht gestärkt, das Unrecht aber gekränkt werde". Aber er hat seine Kraft vorzugsweise den Angelegenheiten des Reiches widmen müssen; er hat auch, freilich unglücklich, als Reichsfeldherr ein Heer gegen die Hussiten geführt. Nach Brandenburg ist er nicht häufig gekommen. Er starb 1440.
§ 54. Friedrich Ii der Eiserne (der Eisenzahn). Sein Sohn Friedrich, der die Mark erbte, während die fränkischen Besitzungen des Hauses an andere Söhne fielen, war von ernster Gemütsart und tief religiösem Sinn, wie er denn später eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht hat. Er war auch bestrebt, den märkischen Adel geistig und sittlich zu heben und gründete zu diesem Zwecke den Schwanenorden, eine ritterliche religiöse Genossenschaft. Wie sein Vater den Adel gebändigt hat, so wurde er seinerseits der märkischen Städte Herr. Diese nahmen fast Die Städte, völlige Selbständigkeit für sich in Anspruch, gehörten teilweise der Hanse an, und die größeren stellten sogar die Forderung auf, daß der Landesherr nur mit Zustimmung des Rates in ihre Mauern einreiten dürfe. Da benutzte Friedrich einen Streit, der sich in der trotzigen Doppelstadt Berlin-Kölln zwischen dem Rat und der Bürgerschaft erhob, um die Stadt zu demütigen, zum Austritt aus der Hanse zu zwingen und sich innerhalb der Mauern ein Stück Land an der Spree zum Bau einer Burg abtreten zu lassen. So entstanden die ersten Anfänge des jetzigen königlichen Schlosses.
1470 überließ Friedrich die Regierung an seinen Bruder Albrecht Achilles, der bisher in den fränkischen Landen geherrscht hatte, und starb ein Jahr später.
§ 55. Albrecht Achilles. Albrecht, der sich durch seine abenteuerliche Tapferkeit bereits großen Ruf und den Beinamen Achilles erworben hatte, ist nicht oft in der Mark gewesen und hat ihre Verwaltung
Neubauer, Geschichtl. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl. 4
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Das Zeitalter deS Emporkommens Preußens 1648 — 1786.
bald seinem Sohne Johann überlassen; er war vorwiegend von den Sorgen der Reichspolitik in Anspruch genommen und weilte auch lieber auf seinen fränkischen Schlössern als unter den märkischen Junkern, deren Derbheit ihm nicht gefiel. Dennoch ist seine Regierung von Bedeutung für die Das Mark gewesen, weil er durch das achilleische Hausgesetz eine Erb-
H^sgesch! ordnung schuf. Er bestimmte, daß immer der älteste Sohn die Kurlande ungeteilt erhalten sollte; einem zweiten und dritten Sohne sollten die fränkischen Besitzungen, die Gebiete von Ansbach und Bayreuth, zufallen.
§ 56. Johann Cicero und Joachim I. Johann widmete sich ganz der Landesverwaltung. Er war ein Gönner der humanistischen Bestrebungen, weshalb er den Beinamen Cicero erhalten hat. Nach außen ist seine Regierung dadurch von Bedeutung, daß ihm die Herzöge Pommerscher von Pommern das Recht der Erbfolge in ihrem Lande zugestanden. Erbvertrag. Johanns Sohn Joachim war erst fünfzehn Jahre alt, als er Kurfürst wurde. Aber mit großer Tatkraft trat er dem Adel, welcher dem Wegelagern und dem Faustrecht immer noch nicht entsagen mochte, ent-Rechtspflege. gegen, ahndete die Beraubung und Verstümmelung von Kaufleuten mit der größten Strenge und ließ eine ganze Reihe von Raubrittern hängen oder enthaupten. Damit steht im Zusammenhange, daß er zur Sicherung des Rechts ein höchstes Gericht für die Mark schuf, das Kammergericht. Auch er war ein guter Verwalter, der die Einkünfte des Staates weiter steigerte.
Wie sein Vater war er ein Freund höherer Bildung und schuf in Frankfurt an der Oder die schon von jenem geplante Universität. Während aber sein Verwandter, der Hochmeister des deutschen Ordens, Albrecht von Hohenzollern, 1525 in Preußen die Reformation durchführte und ein weltliches Herzogtum begründete, blieb Joachim I. ein Religiöse heftiger Gegner der Reformation. Seine Gemahlin Elisabeth, eine Haltung, dänische Prinzessin, die sich der lutherischen Lehre zugewandt hatte, mußte nach Sachsen fliehen, da sie von seiten des jähzornigen Gemahls Gewalttätigkeiten fürchtete. In seinem Testamente verpflichtete er seine beiden Söhne Joachim und Johann, der katholischen Kirche treu zu bleiben.
Die hohenzollcrschen Kurfürsten von 1535—1640.
§ 57. Joachim II. und Hans von Küftrin. Joachim II. erbte nicht sämtliche Kurlande, sondern die Neumark fiel, dem achilleischen Hausgesetz zuwider, an seinen Bruder Johann, der meist Hans von
Die hohenzollerschen Kurfürsten von 1535—1640.
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Küstrin genannt wird. Letzterer war der tatkräftigere und zugleich der sparsamere Regent; Joachim war weniger entschlossen und kraftvoll, zudem prachtliebend und verschwenderisch. Trotz des väterlichen Verbots trat zuerst Johann, dann Joachim zum lutherischen Glauben über; üb-E^ur Joachim nahm 1539 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und führte dann in seinen Landen allmählich die Reformation durch.
Ohne Landerwerbungen zu machen, hat Joachim II. doch solche für die Schlesische^ Zukunft vorbereitet. Mit den schlesischen Herzögen von Liegnitz, Brieg^rm.g.^ und Wohlau schloß er eine Erbverbrüderung, wonach, falls dies Fürstengeschlecht ausstürbe, seine Lande an Brandenburg fallen sollten.
Er starb 1571. Kurz vorher war sein Bruder kinderlos gestorben.
So wurden die Kurlande wiedervereinigt.
v § 58. Johann Georg, Joachim Friedrich und Johann Sigismund.
Johann Georg und Joachim Friedrich hielten sich von den Händeln der äußern Politik fast völlig fern. Desto bedeutsamer ist die Regierung Johann Sigismunds, weil er bedeutsame Erwerbungen machte und in kühner und umsichtiger Weise seinem Hause sicherte. Es ist bereits früher (§ 35) erzählt worden, daß er in dem klevischen Erbstreit das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg erwarb. Als nun 1618 sein Schwiegervater, der schwachsinnige Herzog von PreußenRav-nsb-rg. starb, trat Johann Sigismund auch dort die Regierung an. Zwar wurde er dadurch ein Vasall des Königs von Polen. Aber es war von großer Wichtigkeit, daß in derselben Zeit, wo Brandenburg am Rheine Fuß Preßen, faßte, auch dieses an der deutschen Ostgrenze belegene Land, das einst der deutsche Orden dem Deutschtum gewonnen hatte, dem werdenden norddeutschen Staatswesen einverleibt wurde. Brandenburg war nunmehr in der Tat. von Habsburg abgesehen, der mächtigste deutsche Staat.
Bereits während der klevischen Händel hatte Johann Sigismund im Jahre 1614 den wichtigen Schritt getan, vom Luthertum zur reformierten * “
Lehre überzutreten. Er hatte sich dazu aus innerer Überzeugung entschlossen, nicht aus Rücksicht auf politische Verhältnisse. Bei seinen lutherischen Untertanen erregte der Übertritt viel Anstoß. Aber der Kurfürst ließ sich dadurch nicht beirren, sondern gestand den Reformierten die volle Gleichberechtigung mit den Lutheranern zu; er war der erste Fürst, der für die gegenseitige Duldung der religiösen Bekenntnisse eintrat.
8 59. Georg Wilhelm. Der neue Träger des Kurhuts, Georg Wilhelm, war ein schwacher und kraftloser Regent, dessen Regierung
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Das Zeitalter des Emporkommenö Preußens 1648—1786.
leider in die schweren Zeiten des dreißigjährigen Krieges fiel. Großes Ansehen genoß bei ihm sein Minister Graf Schwarzenberg, welcher katholisch war und ihn im Sinne der kaiserlichen Partei beeinflußte. Als Gustav Adolf in Deutschland erschien, schloß sich der Kurfürst nur gezwungen an ihn an; im Frieden von Prag verließ er 1635 das schwedische Bündnis wieder und vertrug sich mit dem Kaiser, was zur Folge hatte, daß die Schweden Brandenburg durch Plünderungszüge heimsuchten. Das Land, die Staatseinkünfte, das Heerwesen, alles lag aufs traurigste danieder, als Georg Wilhelm starb.
1. Das Zeitalter der Vorherrschaft Frankreichs. 1648 — 1713.
Die europäische Lage. Die englische Revolution. Frankreich unter Ludwig XIV.
Deunchland. § 60. Die damalige Lage Europas. Das deutsche Reich war längst nicht mehr das mächtigste Reich Europas; innerlich zerrissen und uneinig, hatte es Mühe, sich stärkerer Nachbarn zu erwehren. Der Kaiser, Österreich.von 1637 —1657 Ferdinand III-, von 1658—1705 der langsame und bedächtige Leopold I., übte im deutschen Reich keinen beherrschenden Einfluß aus, litt fortwährend Mangel an Geld und hatte sich gegen zwei auswärtige Gegner zu wehren, die Türken, die damals ihre Eroberungskriege erneuerten, und die Franzosen, die alten Nebenbuhler Spanien, seines Hauses. Ohnmächtiger noch war die spanische Linie des Hauses Habs bürg. Spanien, dessen europäische Nebenlünder, Unteritalien, Mailand, die burgundische Freigrafschaft und die Niederlande, weit zerstreut lagen, dessen Finanzen zerrüttet waren, dessen Volkswohlstand mit schweren Steuern belastet wurde, dessen geistiges Leben unter hartem Drucke litt, war unter seinem körperlich und geistig schwachen Könige Karl II. in unaufhaltsamem Verfall begriffen, eine lockende Beute für den französischen Nachbar.
Schweden. Durch den dreißigjährigen Krieg war Schweden emporgekommen und zur ersten Macht der Ostsee geworden. Aber Schweden war weder reich noch stark bevölkert; seine einzige Stütze war sein Heer. Auch die Riede lande. Niederlande, wenn auch ein reiches Land und damals der erste Handels-
Die europäische Lage. Frankreich unter Ludwig XIV.
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und Kolomalstaat Europas, waren doch zu klein, um sich auf die Dauer größeren Völkern gegenüber behaupten zu können.
Der erste Staat Europas war damals zweifellos Frankreich; zumal da England im 17. Jahrhundert langwierige innere Wirren durchzumachen hatte.
§ 6t England im 17. Jahrhundert. 1603 war Königin Elisabeth nach ruhmreicher Regierung gestorben; ihr war König Jakob von Schottland, der Sohn Maria Stuarts, als Jakob I. gefolgt. In seinem Bestreben, möglichst unumschränkt zu regieren, stieß er auf den lebhaften Widerstand des Parlaments, mit dem er harte Kämpfe zu bestehen hatte.
Sein Sohn Karl I. verfuhr noch willkürlicher als der Vater und berief gegen die Gesetze das Parlament jahrelang nicht zusammen; er verletzte zugleich durch seine kirchlichen Neuerungen und seine scheinbare Hinneigung zum Katholizismus die Puritaner, d. h. die strengen Ealvinisten.
Der Unwille über sein Regiment führte endlich zum Bürgerkriege. „Kavaliere" nannte man die Anhänger der königlichen Partei, „Rundköpfe" — nach ihrem kurzgeschnittenen Haar — die Gegner. Als Führer der Aufständischen ragte Oliver Cromwell hervor. Karl wurde besiegt, gefangen genommen, vor einem Gerichtshof angeklagt und als „Tyrann,
Verräter, Mörder und Feind des Gemeinwesens" 1649 zu London im Angesichte seines Residenzschlosses enthauptet.
England wurde nunmehr Republik; als Lord-Protektor führte seit 1653 Cromwell die Regierung, ein Mann von starker religiöser Cw,»wen. Überzeugung, von durchdringendem Verstände, von mächtiger, rücksichtsloser Willenskraft. Im Inneren herrschte er mit Strenge und Härte; zugleich aber erhob er durch glückliche Kriege gegen die Holländer und Spanier sein Vaterland, zu dessen größten Staatsmännern er gehört, zu einer gebietenden Stellung in Europa. Aber er starb bereits 1658. Es folgten zwei Jahre voll innerer Wirren, bis auf den Wunsch der Mehrheit des englischen Volkes 1-660 Karls I. Sohn Karl II. zurückberufen und das Haus Stuart wieder auf den Thron erhoben wurde.
Karl II. erfüllte die Hoffnungen nicht, die auf ihn gesetzt wurden. Karln. Seine Regierung war wiederum erfüllt von Kämpfen mit dem Parla-@tuaTt' ment; nach außen entehrte er England, indem er sich von Ludwig XIV. ein Jahrgeld bezahlen ließ. Im folgte sein Bruder Jakob II.; er war s®gajr katholisch. Die allgemeine Erbitterung kam 1688 zum Ausbruch; sein ^ Schwiegersohn Wilhelm III. von Oranien, Erbstatthalter der Nieder- von Oranten
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Das Zeitalter des Emporkommen? Preußens 1648 — 1786.
lande, kam herüber, stürzte Jakob und wurde zum König von England erhoben. Jakob ging als Flüchtling nach Frankreich.
Die Engländer nennen diese Umwälzung die glorreiche Revolution. In dem langen Kampfe zwischen Königtum und Parlament hatte das letztere gesiegt. England blieb ein Verfassungsstaat.
Indessen ward in Frankreich der Absolutismus ausgebildet.
Ludwig xiv. § 62. Frankreich unter Ludwig XIV. In Frankreich hatte bereits 1643- 1715.^ Kardinal Herzog von Richelieu, der gewaltige Minister Ludwigs XIII., Außerordentliches für die Staatseinheit und die absolute Gewalt des Königs geleistet. Er hatte insbesondere die Hugenotten bezwungen und ihnen die Festungen entrissen, die ihnen durch das Edikt von Nantes zugesichert worden waren. Ihm folgte in diesem Bestreben Mazarin, der während der Kindheit und Jugend Ludwigs XIV. die Stellung eines ersten Ministers einnahm.
Seit dessen Tode leitete Ludwig XIV. selbst die innere und äußere Politik Frankreichs. Er war ein Mann, zum Herrschen geboren, von großen Geistesgaben, von starker Willenskraft, von außerordentlichem Ehrgeiz und Selbstgefühl, in seinem ganzen Wesen majestätisch. Er umgab sich mit dem größten Prunk und erbaute prächtige Schlösser, vor Innere allem das ausgedehnte Schloß Versailles, das mit seinen großartigen, Politik. ^ ungesunder Gegend angelegten Gärten und Wasserkünsten ungeheure Summen kostete. Nach dem Grundsatz l’fitat c’est moi hat er in Frankreich die Staatseinheit und den Absolutismus durchgeführt. Keinen andern Willen duldete er neben dem seinigen; die Hilfskräfte des Landes machte er seiner persönlichen Politik dienstbar. Die Industrie und den Handel hat er durch kluge Maßregeln beschützt und gefördert, zugleich aber auch durch seine Herrschsucht sein Land und Europa in verheerende Kriege, durch seine Verschwendung und die großen Kosten seiner Feldzüge einen großen Teil seines Volkes in bittere Armut gestürzt. Nicht einmal die Gewissensfreiheit wollte er seinen Untertanen gönnen. 1685 hob er das Edikt von Nantes auf und untersagte die Ausübung des protestantischen Gottesdienstes. Auch die Dichtkunst dieses „goldenen Zeitalters" der französischen Literatur stand unter dem Einfluß des Königs; ihre bedeutendsten Vertreter sind die Tragödiendichter Corneille und Racine und der große Lustspieldichter Moliöre.
Außere Nach außen suchte Ludwig, der Schöpfer eines starken Heeres, wtlit' Frankreich zur beherrschenden Macht Europas zu erheben. Die Gegner,
Die Anfänge des Großen Kurfürsten. Der schwedisch-polnische Krieg.
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auf deren Kosten er sich zu vergrößern suchte, waren vor allem Spanien und das deutsche Reich.
Die Anfänge des Groften Kurfürsten. Der schwedisch-polnische Krieg.
§ 63. Friedrich Wilhelm von Brandenburg war am WZ, 16. Februar 1620 im Schlosse zu Kölln an der Spree geboren und er- 3u9enbl hielt trotz der Kriegswirren zu Küstrin, wo er mit seinem Erzieher Wohnung nahm, eine treffliche Ausbildung. Auf Betreiben seiner Mutter, einer Enkelin Wilhelms I. von Oranten, wurde er dann im Alter von vierzehn Jahren nach den Niederlanden gesandt. Dort verblieb er vier Jahre lang, studierte eifrig auf der Universität zu Leyden, lernte zugleich aber auch in den Kämpfen der Niederländer gegen die Spanier den Krieg kennen. Es war für sein späteres Leben bedeutsam, daß ihm hier ein Volk entgegentrat, das sich, wie in Handel und Gewerbe, so in Wissenschaft und Kunst, endlich in Vaterlandsliebe und Kriegstüchtigkeit auszeichnete und damals seine Blütezeit erlebte. Mit achtzehn Jahren kehrte er zurück, wurde aber auch ferner von den Geschäften ferngehalten; da starb sein Vater.
Der junge Herrscher trat die Regierung unter den ungünstigsten Ver-AnMg^der hältnissen an. Bei den Truppen herrschte die größte Zuchtlosigkeit; auch hatten sie nicht nur dem Kurfürsten, sondern zugleich dem Kaiser den Eid geleistet. So entließ er sie denn zum größten Teile; erst allmählich suchte er sich ein stattlicheres stehendes Heer zu schaffen. Die Finanzen des Landes waren in solchem Verfall, daß für den Bedarf der Hofküche zuweilen 15 Taler vom Berliner Magistrat entliehen werden mußten.
Als Minister hatte bisher der Graf Schwarzenberg den Staat geleitet, mit dessen kaiserfreundlicher Politik Friedrich Wilhelm nicht übereinstimmte; da starb dieser, ehe es zu ernsten Zwistigkeiten zwischen ihm und seinem jugendlichen Herrn kam. Da das Land durch den Krieg und die Truppen-durchzüge die schwersten Leiden zu erdulden hatte, so schloß der Kurfürst zunächst mit den Schweden einen Waffenstillstand, wodurch ihre Truppen von Brandenburg ferngehalten wurden.
Vor allem trat er nunmehr für den allgemeinen Frieden ein, der freilich u. a. dadurch erschwert wurde, daß er sowohl wie Schweden nach dem Besitze Pommerns strebten; Friedrich Wilhelm wünschte den Besitz dieses Landes, um nach holländischem Beispiel dort eine Seemacht zu schaffen und Brandenburg am Welthandel zu beteiligen, Schweden, um seine Herrschaft über die Ostsee zu sichern und zu erweitern. Durch den Der west-westfälischen Frieden fiel dem Kurfürsten nur das hafenarme Hinter -
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DaS Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648 — 1786.
pommern zu, während Vorpommern nebst der Odermündung im Besitze der Schweden verblieb. Dafür erhielt er außer dem Bistum Cammin binneuländische Gebiete, Halberstadt, Minden und die Anwartschaft auf Magdeburg.
Inzwischen hatte sich der Kurfürst vermählt, nicht mit Christine von Schweden, wie es zeitweise geplant worden war, sondern mit der Prinzessin Henriette Henriette von Oranien. Sie war eine ernste, fromme Frau,
der man früher auch die Abfassung mehrerer Kirchenlieder zuschrieb; ihrem Gemahl war sie eine treue Beraterin, ihren Söhnen eine sorgsame Mutter. Den Werken christlicher Liebestätigkeit war sie von Herzen zugetan. Aus ihrer Heimat brachte sie das Verständnis für Landwirtschaft und Gartenbau mit; sie soll die ersten Kartoffeln in der Mark gezogen haben.
Nachdem der Friede geschlossen war, konnte sich der Kurfürst nunmehr der hohen Aufgabe widmen, die ihm vorschwebte, Brandenburg groß und Regierunas-stark zu machen. Seine natürlichen Feinde waren Schweden, das ihm Vorpommern geraubt hatte, und Polen, dessen Lehnshoheit in Preußen ihm drückend war; dazu hatte er zeitweise auf der einen Seite Frankreichs König Ludwig XIV., der Deutschlands Freiheit bedrohte, andrerseits den Kaiser, der Brandenburgs Emporkommen nicht wünschen konnte, zu Gegnern. Um Brandenburg zum Kampf mit solchen Widersachern zu befähigen, brauchte der Kurfürst vor allen Dingen ein Heer, zu dessen Erhaltung er die Staatseinkünfte erhöhen und den Widerstand der allzu mächtig gewordenen Stände brechen mußte. Zugleich aber dachte er, der erste Volkswirt auf Brandenburgs Thron, die Bevölkerung seiner Länder wirtschaftlich zu stärken, die Landwirtschaft, das Gewerbe, den Handel zu fördern und so den allgemeinen Wohlstand zu hebeu.
§ 64 Der schwedisch-polnische Krieg. Auf Christine von Schweden, die Tochter Gustav Adolfs, welche dem Throne entsagte, zum Katholizismus übertrat und ihre Tage in Rom beschloß, war ihr Karl x. Vetter KarlX. Gustav aus dem Hause Pfalz-Zweibrücken gefolgt. Dieser, Schwöen" ein kampflustiger Fürst, begann 1655 einen Krieg mit Polen, der auch Friedrich Wilhelm als Herzog von Preußen in Mitleidenschaft zog. Der Kurfürst schloß mit Karl Gustav ein Bündnis, stieß mit 8500 Brandenburgern zu der nur wenig stärkeren schwedischen Armee, und beide Schlacht bei Fürsten errangen im Jahre 1656 gemeinsam in der dreitägigen Schlacht ^1656.U' bei Warschau über das viermal stärkere, aber größtenteils aus unaus-gebildeten Truppen bestehende polnische Heer einen glänzenden Sieg. Es war die erste Waffentat der jungen brandenburgischen Armee.
Friedrich Wilhelm int Kampfe mit Ludwig XIV. und den Schweden.
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Bald darauf verzichtete Karl X. im Vertrage von Labiau auf Verträge von die Lehnshoheit über Preußen und gestand dem Kurfürsten den souveränen ^ Wehlau. Besitz des Landes zu. Dasselbe tat wenig später der König von Polen im Vertrage von Wehlau.
Im Frieden von Oliva (bei Danzig), der den Krieg*) beendigte, wurde 1660 dem Kurfürsten der souveräne Besitz von Preußen bestätigt. Dies war nach den Erwerbungen des Jahres 1648 die zweite große Errungenschaft des Kurfürsten.
Friedrich Wilhelm im Kampfe mit Ludwig XIV. und den Schweden.
Sein Verhältnis zum Kaiser.
§ 65, Der erste und zweite Raubkriea LndwiasXIV. Ludwig XIY. Der erste
w r • cm J n c • r • r -r m • w *■ v • ^ • Raubkrieg
wandte seine Waffen zuerst gegen Die spanischen Niederlande, tn me Luder plötzlich unter nichtigen Vorwänden einbrach. Karl II. wurde zur ^ ^ Abtretung einer Reihe wichtiger Grenzplätze genötigt.
Im Jahre 1672 stürzte sich Ludwig ebenso plötzlich auf Holland, Der zweite zog den Rhein abwärts und überflutete das im ersten Augenblicke wehr-16721—ri679. lose Land mit seinen Truppen. Nun war „Holland in Not". In dieser Lage stürzten die Niederländer durch eine Revolution die bestehende Regierung und erhoben den jungen Wilhelm III. von Oranien, den Neffen Friedrich Wilhelms, zum Erbftatthalter; zugleich durchstachen sie die Deiche und setzten ihre Fluren unter Wasser, um das Vordringen der Feinde aufzuhalten. Der erste aber, der ihnen zu Hilfe kam, war der Kurfürst von Brandenburg, der, falls die Niederlande dem ehrgeizigen König unterlägen, die größten Gefahren für Deutschland und den evangelischen Glauben befürchtete. Darauf schlossen auch der Kaiser und Spanien ein Bündnis mit Holland. Der Krieg wurde unter mancherlei Wechselfällen am Rheine geführt.
1) Während des Krieges wechselte der Kurfürst, als ihn der Schwedenkönig im Stich ließ, die Partei und schloß sich einem großen, gegen ihn gerichteten Bunde an.
Er hatte die Hoffnung, Vorpommern zu erwerben; aber er war sich auch bewußt, daß er das Interesse des ganzen deutschen Volkes in diesem Kriege verteidigte. Damals ließ er die Flugschrift verbreiten, in der es heißt: „Ehrlicher Teutscher, dein edles Vaterland war leider bei den letzten Kriegen unter dem Vorwande der Religion und der Freiheit gar zu jämmerlich zugerichtet und an Mark und Bein dermaßen ausgesogen, daß von einem so herrlichen corpore schier schon nichts übriggeblieben ist als das bloße Skeleton. Was sind Rhein, Elbe, Oder, Weserstrom heute anders als fremder Nationen Gefangene? Was ist unsere Freiheit und Religion mehr, als daß Fremde damit spielen? Bedenke, daß du ein Teutscher bist!"
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DaS Zeitalter des Emporkommend Preußens 1648 — 1786.
Ter § 66, Der Einsall der Schweden und die Schlacht bei Fehrbellin.
^E?nfa!?bIndessen fielen die mit Frankreich verbündeten Schweden von Pommern aus unter Wrangel in die von Truppen entblößte Mark Brandenburg
ein, in der sie übel hausten; sie drangen allmählich bis an die Havel vor
und drohten die Elbe zu überschreiten. Zwar bewaffneten sich die Bauern der Altmark und schrieben auf ihre Fahnen: „Wir sind Bauern von geringem Gnth und dienen unserm Gnädigsten Churfürsten und Herrn mit unserm Bluth". Aber die Gefahr war groß. Da kehrte der Kurfürst zurück. Über Magdeburg marschierte er der Havel zu; Rathenow, der Mittelpunkt der feindlichen Stellung, wurde von seinem Reitergeneral Derfflinger, einem österreichischen Bauernsohn, der einst unter schwedischen Fahnen gefochten hatte und dann in brandenburgische Dienste getreten war, überfallen; nun mußten die übrigen feindlichen Abteilungen Schlacht vonsich zurückziehen, um sich zu vereinigen. Bei Fehrbellin erreichten am 528.rgunt 28. Juni 1675 die Brandenburger, nur 6400 Mann Kavallerie stark,
1675' da die Infanterie nicht so schnell folgen konnte, den 11000 Mann
starken und besser mit Geschützen versehenen Feind. Der tapfere Reiterführer Landgraf Friedrich von Hessen-Homburg, der die Vorhut führte, begann mit Ungestüm den Angriff. Es war ein hartes Ringen, und lange schwankte der Kampf hin und her; der Kurfürst war selbst oft mitten im Getümmel, und neben ihm fiel sein Stallmeister Froben. Endlich ward der Feind nach mehrstündigem Kampfe gezwungen, unter großen Verlusten den Rückzug anzutreten. Es war der erste Sieg, den die Brandenburger allein errangen, desto bedeutungsvoller, weil er über die waffenberühmten Schweden davongetragen wurde.
Eroberung Nunmehr warf sich Friedrich Wilhelm, jetzt „der Große Kurfürst" pommem.genannt, auf das schwedische Pommern. Er nahm nach längerer Belagerung Stettin und eroberte das ganze Festland und die Insel Rügen. Schwedischer Ein Einfall, den die Schweden im Winter 1678/79 unter dem Feld-®ÄU” marschall Horn von Livland her in Preußen machten, mißlang völlig. Der Kurfürst eilte mit seinen Truppen herbei, führte sie auf Schlitten über das festgefrorene frische Haff und jagte die Feinde vor sich her, die keinen Widerstand versuchten und bis Riga flohen. Aber die Frucht solcher Erfolge sollte ihm nicht zufallen. Seine Verbündeten nämlich, die Holländer, die Spanier und der Kaiser, hatten indessen Friedensverhand-Friede vonlungen mit Frankreich angeknüpft und den Frieden von Nimwegen Nimwegen, abgeschlossen. durch welchen Frankreich sich wiederum stark vergrößerte. Von einem französischen Heere bedroht, von Kaiser und Reich im Stich gelassen, mußte sich der Kurfürst zum Frieden entschließen. Auf dem
Friedrich Wilhelm im Kampfe mit Ludwig XIV. und den Schweden.
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Schlosse Sl.-Germain bei Paris wurde er unterzeichnet; die schwedischen^de^on Eroberungen mußten wieder herausgegeben werden. 1679.
§ 67, Zerwürfnis und Versöhnung mit dem Kaiser. Die Türken Wien. Der Kurfürst hatte noch einen zweiten Grund, dem Kaiser zu zürnen.
Damals war der letzte Herzog von Liegnitz. Brieg und Wohlau gestorben, und diese Lande mußten gemäß dem von Joachim II. geschlossenen Erbvertrage an Brandenburg fallen; aber Kaiser Leopold I. zog sie als Lehen der Krone Böhmen ein. Unter diesen Umständen stellte sich Friedrich Wilhelm auf die Seite der Gegner des Kaisers und schloß ein Bündnis mit Ludwig XIV.
Da auch andere bedeutende Reichsfürsten mit Frankreich solche Verträge abgeschlossen hatten, so konnte Ludwig XIV. seine Raubpolitik fortsetzen. Er richtete damals die Reunionskammern ein, d.h. fratv ^untLn zösische Gerichtshöfe, welche prüfen sollten, welche deutschen Gebiete einst zu den in den letzten Friedensschlüssen abgetretenen Ländern gehört hätten; auf diese erhob er dann als auf französischen Besitz Anspruch und ließ sie durch Truppen besetzen. Ferner überfiel er im Jahre 1681 mitten im Frieden die alte deutsche Stadt Straßburg, die Perle desüberfallen Elsaß, und machte sie, ohne daß ihm jemand entgegentrat, zu einer 168L9" französischen Stadt.
In derselben Zeit wurde der Kaiser von Osten her bedrängt. 1683 *2”
erschien ein 200000 Mann starkes Türkenheer, von dem Großvezier Kara Mustafa befehligt, vor Wien. Die schwache Besatzung der Stadt, durch Bürger und Studenten verstärkt, leistete unter dem Befehl des Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg den Angriffen und Minen des Feindes tapferen Widerstand; doch machte dieser bereits gefährliche Fortschritte, dazu drohten Seuchen und Hungersnot. Da nahte ein Entsatzheer heran; es war über 80000 Mann stark und bestand aus Kaiserlichen, Reichstruppen und aus Polen, die ihr König Johann Sobieski führte.
Am Kahlenberge trug es einen glänzenden Sieg davon. Der Feind floh, und sein Lager wurde erbeutet; Kara Mustafa wurde nachher auf Befehl des Sultans hingerichtet. Darauf begann der Kaiser den Angriffskrieg auf Ungarn, das sich zum größeren Teile in der Hand der Türken befand.
Bei der Befreiung von Wien hatten brandenburgische Truppen nicht mitgewirkt. Indessen war das französische Bündnis des Kurfürsten nicht von Dauer. Schon der Raub Straßburgs hatte ihn tief entrüstet; den Anlaß zum Bruch gab, daß Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes aufhob. Da erließ der Kurfürst trotz der französischen Drohungen das
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Das Edikt Potsdamer Edikt, wodurch er den gemißhandelten Hugenotten eine 1685. Zuflucht in seinen Landen eröffnete. So wanderten denn unter ihm und seinem Nachfolger etwa 20000 „Rifugiis" in Brandenburg ein und siedelten sich in Berlin und anderen Städten an; es waren zumeist gebildete und kenntnisreiche Leute, die Kunstfertigkeit und Industrie mitbrachten, und deren Ansiedelung Brandenburg zum großen Segen gereichte.
Mit dem Kaiser vertrug sich der Kurfürst nunmehr; er leistete ihm Hilfe bei der Eroberung Ungarns.
Friedrich Wilhelms innere Politik.
Das Heer. § 68. Die Begründung des Absolutismus. Um in der europäischen Politik eine Rolle spielen zu können, war es von Anfang an des Großen Kurfürsten Bestreben, ein starkes, schlagfertiges Heer zu besitzen. Es bestand nicht, wie noch die Heere des dreißigjährigen Krieges, aus Landsknechten, die man im Falle des Bedarfs anwarb und nach Beendigung des Krieges wieder entließ, sondern es war ein stehendes Heer. Freilich war es kein Volksheer, sondern ein Heer von Berufssoldaten; die Soldaten wurden nicht ausgehoben, sondern geworben. Es zählte beim Tode des Kurfürsten fast 30 000 Mann und war, was beiden Truppen des dreißigjährigen Krieges noch nicht der Fall war, einheitlich gekleidet; die Infanterie trug blaue Uniform.
Zur Erhaltung seines Heeres bedurfte der Kurfürst ausreichender, regelmäßiger Staatseinnahmen. Bei dem Bestreben aber, seine Einkünfte Widerstand zu erhöhen, neue Steuern zu schaffen, traf er auf den Widerstand der bftänbe.b' Landstände. Am hartnäckigsten verhielten sich die Stände des Herzogtums Preußen, die sich sogar nach der Wiederaufrichtung der polnischen Lehnshoheit sehnten und teilweise in hochverräterische Verbindungen mit den Polen traten. In diesen Kämpfen handelte es sich darum, ob sich eine starke Staatsgewalt ausbilden sollte oder nicht; es handelte sich zugleich darum, ob die einzelnen, vom Kurfürsten beherrschten Landesteile, welche die verschiedensten Einrichtungen, ihre besonderen Regierungsbehörden und Stände hatten, zu einem einheitlichen Staatswesen zusammenschmelzen, oder ob die staatliche Zersplitterung fortdauern sollte. Begründung In denselben Zeiten, in denen Ludwig XIV. den Absolutismus in be5ürften.ten Frankreich vollendete und hier einen einheitlichen, nationalen Staat schuf, 9ewaIt' hat der Große Kurfürst die Stände seiner Lande in milderer oder in gewaltsamerer Weise zur Unterwerfung gezwungen und so ebenfalls eine unbeschränkte Fürstengewalt begründet. Die schärfsten Mittel
Friedrich Wilhelms innere Politik.
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brauchte er in Preußen; der Schöppenmeister von Königsberg, Hieronymus Rhode, wurde-verhaftet und starb im Kerker; den Obersten von Kalckstein, der in Warschau gegen ihn Ränke schmiedete, ließ er in dieser Stadt durch brandenburgische Soldaten festnehmen, nach Preußen bringen und enthaupten.
§ 69. Die Ordnung der Staatseinkünfte. Die Neuordnung und Erhöhung der Staatseinkünfte, die der Kurfürst bei seiner Thronbesteigung in einem völlig verwahrlosten Zustande vorgefunden hatte, gehört zu seinen größten Verdiensten. Die Staatseinnahmen rührten im wesentlichen aus drei Quellen her: aus den Domänen, dem Staatsbesitz an Landgütern und Forsten, aus den direkten Steuern und aus den indirekten Steuern. Direkte Steuern sind solche, die der Di-
Steuerzahler selbst trägt und nicht auf andere abwälzen kann, z. B. Ein- quellen des kommensteuern, Grundsteuern. Gewerbesteuern. Indirekte Steuern sind solche, die der Steuerzahler nicht selbst trägt, sondern auf andere abwälzt; so z. B. erhöht der Spiritusfabrikant, der eine Branntweinsteuer zahlen muß, oder der Kaffeehändler, der für den eingeführten Kaffee einen Zoll zu erlegen Hot, die Preise seiner Waren ungefähr um den Betrag der Steuer oder des Zolls, um nicht zu Schaden zu kommen.
Zu den indirekten Steuern gehören besonders die Verbrauchssteuern, die von gewissen, im Jnlande erzeugten Waren erhoben werden, und die Zölle, die an der Landesgrenze bei der Einfuhr mancher Erzeugnisse des Auslandes gezahlt werden.
Die älteste der drei Einnahmequellen sind die Domänen. Aus den Domänen. Krongütern stammte der größte Teil der Einnahmen der Merowinger,
Karls des Großen und der deutschen Kaiser; die Domänen lieferten auch den Fürsten der deutschen Einzelstaaten zunächst den wesentlichsten Teil ihrer Einnahmen. Steuern konnten erst dann einen reicheren Ertrag liefern, als der Gebrauch des Geldes sich verbreitet hatte und dieses allgemeines Tauschmittel geworden war. Unter den direkten Steuern Diiekte spielte anfangs die Grundsteuer die erste Rolle; denn den Grund und Boden, den jemand besaß, konnte man berechnen, seinen Wert einigermaßen abschätzen und danach die Steuer ansetzen, während der Besitz an beweglichem Vermögen sich schwer feststellen ließ; erst im 19. Jahrhundert sind Einkommensteuern allgemein geworden. Unter den indirekten Steuern waren Zölle schon bei den Athenern und Römern gebräuchlich Indirekte und blieben während des ganzen Mittelalters in Übung. In der Neuzeit' sind neben ihnen die Verbrauchssteuern ausgebildet worden.
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Das Zeitalter des EmporkommenS Preußens 1648 — 1786.
In der Finanzwirtschaft des Großen Kurfürsten ist besonders hervor-TteAccise.zuheben, daß er eine Verbrauchssteuer, eine Accise, einführte, die von Getreide, Fleisch und anderen Verbrauchsgegenständen in den Städten, besonders an den Toren, erhoben wurde. Ihre Einführung wurde von vielen als eine große Erleichterung begrüßt; denn es war gerade dem ärmeren Teil der Bevölkerung vielfach bequemer, die Waren um ein weniges teurer zu bezahlen als zu bestimmten Fristen die höheren Beträge der direkten Steuern zu erlegen. Seitdem waren für längere Zeit die wichtigsten Einnahmequellen des brandenburgisch-preußischen Staates erstens Die Staats-die Domänen, sodann die Grundsteuer, die auf dem Lande erhoben wurde, drittens die Accise, die in der Stadt gezahlt wurde. Dazu kamen Kurfürsten.Einnahmen, z.B. aus dem Betriebe der Post.
§ 70. Die Fürsorge des Kurfürsten für die Volkswirtschaft. Von
großer Bedeutung sind die Maßnahmen, die der Große Kurfürst zur Hebung Landwirt-des Wohlstandes seiner Untertanen traf. Die Landwirtschaft zunächst id)aft' hatte er bei seinem Regierungsantritt in einer traurigen Lage, das Land entvölkert, die Bauern verarmt gefunden. So berief er denn fremde Kolonisten ins Land, besonders Holländer; diese konnten ihre Kenntnisse in der Viehzucht, der Milchwirtschaft und der Kunst des Gartenbaus, die sich in Holland seit alters einer hohen Blüte erfreuten, in der neuen Heimat verwerten. D>er Kurfürst selbst hatte Vorliebe für die Obstzucht und suchte sie zu befördern; seine Gemahlin Luise Henriette unterstützte ihn in diesen Bestrebungen.
Gewerbe. Auch das Gewerbe suchte der Kurfürst dadurch zu heben, daß er fremde Arbeiter und Gewerbetreibende ins Land rief; besonders die Einwanderung der Msugiös brachte großen Nutzen. Ferner legte er selbst Fabriken an, z. B. Glashütten und Eisenwerke, oder unterstützte solche, welche Fabriken anlegten, durch Geldzuschüsse oder Gewährung von Vorteilen. Zugleich aber verbot er, wie das damals in den meisten Staaten Einfuhr-Europas Brauch war, die Einfuhr einer ganzen Reihe von fremden mmt' Erzeugnissen, um seine Untertanen zu nötigen, einheimische Waren zu kaufen und so die Industrie der Heimat zu unterstützen; oder wenn er die fremden Waren nicht verbot, so legte er doch hohe Zölle auf sie, was zur Folge hatte, daß sie verteuert wurden und nicht so leicht den Weg ins Land fanden. Solche Zölle nennt man, weil sie zum Schutze Schutzzölle.der einheimischen Industrie eingeführt werden, Schutzzölle. So erwuchsen in den kurfürstlichen Landen neben dem Handwerk die Anfänge einer Großindustrie.
Friedrich Wilhelms innere Politik.
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Der Handel wurde ferner von dem Kurfürsten sorgfältig gepflegt.Handel. Er erleichterte den Verkehr zwischen den Oderlanden und den Elbgebieten, indem er den Friedrich-Wilhelms-Kanal zwischen Oder und Spree baute. Er richtete eine Post ein, welche von Memel bis Kleve ganz Norddeutschland durchquerte und zur Förderung des Verkehrs viel beitrug. Zugleich aber war er bestrebt, Brandenburg am überseeischen Handel, d. h. am Welthandel, zu beteiligen, der damals, wie oben erzählt, vornehmlich in der Hand der Holländer, Engländer und Franzosen lag und zwar größeren Gefahren als heute ausgesetzt war, aber auch großen Gewinn abwarf. Er gründete eine kleine Kriegsflotte,Flotte, mit der er sich nicht scheute gegen Spanien, das seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, einen Kaperkrieg zu beginnen; sogar ein spanisches Kriegsschiff wurde von seinen Schiffen fortgenommen. Ferner schuf er nach dem Muster der großen holländischen und englischen Handelsgesellschaften eine afrikanische Handelsgesellschaft. Ihren Sitz ver-Koloniai-legte er nach Emden in Ostfriesland, wo ihm das Besatzungsrecht zugefallen war, und gründete an der Küste von Guinea einige Handelsniederlassungen, die ersten deutschen überseeischen Kolonien, unter denen die wichtigste das Fort Groß-Friedrichsburg war. Diese Kolonien brachten, obwohl die eifersüchtigen Holländer dem brandenburgischeu Handel vielerlei Schwierigkeiten machten, mehrere Jahre lang reichen Gewinn. Nachher konnte die Handelsgesellschaft sich nur mit Mühe behaupten, und Friedrich Wilhelm I. hat die afrikanischen Ansiedelungen an die Holländer verkauft.
In religiöser Beziehung trat der Kurfürst für die gegenseitige Religiöse Duldung zwischen Lutheranern und Reformierten ein. Er verbot durch3)uIbuna-ein Edikt, daß sich die Prediger beider Bekenntnisse gegenseitig von der Kanzel aus bekämpften; der Liederdichter Paulus Gerhardt, damals Diakonus in Berlin, der aus Gewissensbedenken diesem Erlaß nicht gehorchen zu können erklärte, mußte sein Amt niederlegen.
§ 71. Der Ausgang des Großen Kurfürsten. Der Kurfürst hatte nach Luise Henriettens Tode die Prinzessin Dorothea von Holstein geheiratet. Leider entstanden in seinen letzten Lebensjahren Streitigkeiten mit seinem Sohne, dem Kurprinzen Friedrich; sie wurden dadurch veranlaßt, daß der Kurfürst beabsichtigte, in seinem Testament gewisse Landesteile den Kindern aus zweiter Ehe zu überweisen. In seinen letzten Monaten war der Kurfürst ganz erfüllt von den großen Plänen seines Neffen Wilhelm von Oranien, Jakob von England zu
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Das Zeitalter des Emporkommen? Preußens 1648 —1786.
stürzen und der Herrschaft des Hauses Stuart ein Ende zu machen. Da starb er 1688 im Schloß zu Potsdam.
Der Große Er war ein Mann aus einem Guß, eine kraftvolle, männliche Per-Kmfürst. ^Echkeit, hoheitsvoll und gewaltig schon in seinem Äußeren, so wie ihn sein mächtiges, von Andreas Schlüter gegossenes Reiterstandbild auf der langen Brücke zu Berlin der Nachwelt zeigt. Er war zugleich ein großer Feldherr, Diplomat und Regent. Stolz, von starkem Selbstvertrauen uud dem Bewußtsein seiner Macht erfüllt, unterscheidet er sich doch dadurch von seinem Zeitgenossen Ludwig XIV., daß er nicht das Wohl des Staates dem eigenen Ehrgeiz opferte, sondern immerdar dem Staate diente und in der Sorge für sein Wohl aufging. Unter ihm hatten die Landesverwaltung, das Heerwesen, die Finanzen, die Volkswirtschaft bedeutende Fortschritte gemacht; unter ihm hatte sich Brandenburg-Preußen zuerst tatkräftig an den Händeln der europäischen Politik beteiligt.
Ter dritte Raubkrieg Ludwigs XIV. und die Türkenkriege.
§ 72. Der dritte Raubkrieg Ludwigs XIV. Auf den Großen Kurfürsten folgte sein Sohn, der als Kurfürst Friedrich III., nach der Königskrönung Friedrich I. heißt. In seine Regierungszeit fallen eine Reihe großer europäischer Kriege, durch welche gewaltige politische Veränderungen herbeigeführt worden sind.
Thron- Zunächst führte im Jahre 1688 Wilhelm von Oranien seinen ÄÄ. Anschlag auf England aus; von dem englischen Volke gerufen, setzte er ln SST' über das Meer und vertrieb Jakob II., der eine Zuflucht bei Ludwig XIV. in Frankreich fand. Jene Thronnmwälznng bezeichnen die Engländer noch heute als die „glorreiche Revolution". Der neue König von England aber, Wilhelm III., wurde die Seele des großen Bündnisses, das sich gegen Ludwig XIV. bildete, als er zum dritten Mal einen Krieg vom Zaune brach.
Ludwigs XIV. Bruder nämlich, der Herzog von Orleans, war vermählt mit einer pfälzischen Prinzessin, Elisabeth Charlotte, die meist „Liselotte" heißt; diese Frau ist dadurch bemerkenswert, daß sie an dem Der dritte verderbten französischen Hofe ihre echt deutsche, tüchtige und ehrliche mSlc3 Gesinnung bewahrte, wie sie sie in vielen uns erhaltenen Briefen aus-w<0§ xn • gesprochen hat. In ihrem Namen nun, wenn auch wider ihren Willen, erhob Ludwig Erbausprüche auf die Pfalz und besetzte plötzlich einen großen Teil der deutschen Rheinlande mit seinen Truppen. Da schlossen
Friedrich III. (I.) 1688 — 1713. Preußens Erhebung zum Königreiche.
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sich der Kaiser und das Reich, England, Holland und Spanien zusammen; unter den deutschen Fürsten war die Beteiligung Friedrichs III., der ein tüchtiges Heer entsenden konnte, besonders wichtig.
Die Franzosen haben sich in diesem Kriege durch die furchtbare
Verwüstung der Pfalz einen traurigen Ruhm erworben. Als sie sich
nämlich genötigt sahen dieses Land zu räumen, gab der Kriegsminister Louvois, um feindlichen Truppen den Aufenthalt unmöglich zu machen, den scheußlichen Befehl, „die Pfalz zu verbrennen"; Heidelberg mit seinem prachtvollen Schloß, das heute Deutschlands schönste Ruine ist, Mannheim,
Worms, Speier mit dem Dom und den Kaisergräbern wurden Opfer
der Verwüstung und Zerstörung.
Doch konnte Ludwig in diesem Kriege keine wesentlichen Fortschritte machen. Nachdem er seine Finanzen und die Steuerkraft seines Landes erschöpft hatte, verstand er sich zum Frieden, der in der Dorfe Rys- Friede von wijk beim Haag im Jahre 1697 abgeschlossen wurde. Die Reunionen 9tl)Stotit' gab er heraus, behielt aber Straßburg.
§73. Die Türkenkriege. In derselben Zeit setzte Kaiser Leopold I. den Krieg mit den Türken fort, der langwierig war, aber zu großen Erfolgen führte. Der bedeutendste Feldherr Österreichs in diesem Kriege, zugleich einer der hervorragendsten Staatsmänner, die dem Hause Habsburg gedient haben, war Prinz Eugen von Savoyen. Sein Vater war Prinz Eugen, ein französischer General, seine Mutter eine Nichte Mazarins gewesen; er selbst hatte sich nicht entschließen können, Geistlicher zu werden, wie seine Eltern es wünschten, und war, da ihm Ludwig XIY. den Eintritt in das französische Heer versagte, in österreichische Dienste gegangen.
Er war klein von Wuchs, aber ebenso tapfer wie umsichtig, kühn und entschlossen, von reinem und hochsinnigem Charakter; bei den Soldaten war er, der „edle Ritter" des Volksliedes, in hohem Grade beliebt.
Im Alter von vierunddreißig Jahren trug er bei Zenta an der Theiß einen glänzenden Sieg über die Türken davon. 1699 wurde Frieden geschlossen; fast ganz Ungarn fiel damals an das Haus Österreich. So Die entstand die österreichisch-ungarische Großmacht, zu der einst die2AM' Heirat Ferdinands I. den Grund gelegt hatte (§ 19). ®ro6ma4t'
Friedrich III. (I.) 1688 — 1713. Preufzens Erhebung zum Königreich.
§ 74. Die Erhebung Preußens zum Königreiche. Kurfürst Friedrich III. wünschte nichts mehr als sich die Königskrone auf das Haupt setzen zu können. Jene Zeit legte mehr Wert als irgend ein anderes
Neu bau er, Geschichtl. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl. 5
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Das Zeitalter des EmporkommenS Preußens 1648 —1786.
Zeitalter auf Formen, Rang und Titel. Nun war Brandenburg-Preußens Bedeutung in der Tat größer als die irgend eines anderen deutschen Staates, von Österreich abgesehen. Zudem waren erst vor kurzem mehreren Nachbarfürsten wesentliche Rangerhöhungen zugefallen. Der prunksüchtige und ausschweifende, durch seine Körperkraft berühmte Kurfürst August II. der Starke von Sachsen war, nachdem er den evangelischen Glauben seiner Väter abgeschworen hatte und katholisch geworden war, von dem polnischen Reichstag zum König von Polen gewählt worden; für den welfischen Herzog von Hannover war eine neunte Kur geschaffen worden, auch winkte ihm die Aussicht auf die englische Königskrone.
Kaiser Leopold war zunächst nicht geneigt, dem aufstrebenden Hause Hohenzollern eine solche Erhöhung seines Ansehens zuzugestehen. Aber der Tod des kinderlosen Karl II. von Spanien stand bevor; und für den drohenden Krieg um das spanische Erbe erschien es dem kaiserlichen Hofe vorteilhaft, sich die Hilfe der tapferen und bewährten branden-burgischen Regimenter zu sichern. So kam denn im Jahre 1700 ein Der Kr°n-Vertrag, der Krontraktat, zustande: der Kurfürst versprach für den trottot' spanischen Krieg einen beträchtlichen Teil seiner Armee zur Verfügung zu stellen; dafür gab der Kaiser seine Zustimmung dazu, daß er für sein souveränes Herzogtum Preußen den Königstitel annähme. Friedrich nahm den Titel eines Königs in Preußen an; erst Friedrich der Große hat. nachdem er durch die erste polnische Teilung auch Westpreußen Königs- erworben hatte, sich König von Preußen genannt. Nachdem Friedrich ^Januar am 17. Januar 1701 den Orden vom Schwarzen Adler gestiftet hatte, 1701, der die Devise Suum cuique (Jedem das Seine) trägt, setzte er am 18. Januar zu Königsberg unter Entfaltung großer Pracht sich und seiner Gemahlin Sophie Charlotte die Königskrone auf das Haupt. Darauf wurde er allmählich von den Mächten Europas anerkannt.
Die preußischen Regimenter aber zogen in den spanischen Erbfolgekrieg (§ 76), wo sie zwar viel Ruhm erwarben, aber für eine Sache kämpften, die ihnen fremd war ; und zwar zu einer Zeit, wo an den Grenzen Brandenburg-Preußens ein Krieg tobte, der dessen Interessen viel näher berührte. Es war der nordische Krieg, den Rußland, Polen und Dänemark gegen Schweden führten (§ 77).
Landes. § 75. Friedrichs III. (I.) Regierung. Wie die Kriege jener Zeit, in Verwaltung.preußische Truppen fochten, ber jungen Armee zwar Waffenruhm und den Ruf der Tapferkeit, dem Staate aber nur sehr geringen Gewinn gebracht haben, so ist auch int Inneren für Preußen die Regierung
Der spanische Erbfolgekrieg 1701 — 1713.
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seines ersten Königs wenig förderlich gewesen. Die glänzende Hofhaltung kostete große Summen; die Finanzen gerieten unter ihm in Verfall, und der Staat belastete sich mit Schulden.
Nur auf dem Gebiete des geistigen Lebens hat dieser König wichtige Wissenschaft. Schöpfungen hinterlassen; hier zeigte sich besonders der Einfluß seiner Gemahlin, der aus dem Hause der Welfen stammenden geistvollen und hochgebildeten Sophie Charlotte, der „philosophischen Königin".
Friedrich hat die Universität Halle gegründet, die sich schnell großen Ruf erwarb; an ihr wirkte damals der fromme und vom Geiste werktätiger Liebe erfüllte August Hermann Francke, der Stifter des Waisenhauses und der Schulanstalten, die noch heute seinen Namen tragen. Ferner gründete der König die Akademie der Wissenschaften zu Berlin, eine Vereinigung von Gelehrten, welcher Geldmittel zugewiesen wurden, um wissenschaftliche Unternehmungen zu fördern. Der erste Präsident der Akademie war Leibniz, einer der größten Philosophen Deutschlands, ein geistvoller, auf allen Gebieten des Wissens bewanderter Mann. Auch die Kunst fand durch Friedrich große Förderung. Andreas Schlüter,Kunst, der das Reiterstandbild seines Vaters schuf, war zugleich als großer Baumeister tätig. Damals wurde das königliche Schloß zu Berlin unter Benutzung der früheren Schloßbauten und das Zeughaus, die jetzige Ruhmeshalle, errichtet.
Im Jahre 1713 starb Friedrich I. Ihm folgte sein durchaus anders 1713. gearteter Sohn Friedrich Wilhelm I.
Ter spanische Erbfolgekrieg 1701—1713.
§ 76, Auf die Erbschaft Karls II. von Spanien, der, immer 1701 -1714 schwach und kränklich, im Jahre 1700 starb, ohne Kinder zu hinterlassen, machten einerseits Kaiser Leopold, andrerseits Ludwig XIV. Anspruch.
Beide waren mit einer Schwester Karls II. verheiratet gewesen; Ludwig XIV. Erforderte Spanien und seine Nebenlande für seinen jüngeren Enkel, Philipp von Anjou, der Kaiser für seinen zweiten Sohn Karl. Mancherlei Verhandlungen erfüllten bereits die letzten Lebensjahre des spanischen Königs. Diese gingen besonders von Wilhelm III. von Oranten aus, der die Würde eines englischen Königs mit der des Erbstatthalters in den Niederlanden vereinigte; er wünschte vor allem zu verhindern, daß Spanien einem französischen Prinzen zufiele, da er darin eine Verschiebung des Gleichgewichts der europäischen Mächte und einen bedrohlichen Machtaufschwung Frankreichs sah.
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Das Zeitalter des Emporkommen« Preußens 1648—1786.
Nach Karls II. Tode ergab sich, daß er in seinem Testament Philipp von Anjou zum Erben eingesetzt hatte. Dieser nahm die Erbschaft an, eilte nach Madrid und fand als Philipp Y. in Spanien allenthalben Anerkennung. Jetzt aber vereinigten sich der Kaiser — bis 1705 Leo-Joseph i. polb I., von 1705 —1711 sein älterer Sohn Joseph I. —, das deutsche 17i°75nbl§gleich, unter dessen Fürsten der neue König von Preußen durch sein Heer eine hervorragende Stellung einnahm, England, Holland, Savoyen und Portugal, um den französischen Prinzen wieder vom Thron zu stoßen und den Habsburger Karl, der sich als König von Spanien Karl III. nannte, zu erheben. Die bedeutendsten Feldherrn der vereinigten Mächte waren Prinz Eugen von Savoyen und der Engländer Herzog von Marlborough; der letztere war ebenfalls ein bedeutender Heerführer, dazu ein schöner, stattlicher und gewandter Mann, aber bet weitem weniger selbstlos als Prinz Eugen; vielmehr wurde ihm mit Grund großer Ehrgeiz und Habsucht vorgeworfen.
Ludwig XIY. stand einem gewaltigen Bündnis gegenüber; immerhin gebot er über ein starkes, von bedeutenden Feldherrn geführtes Heer und verfügte in unbeschränkter Machtvollkommenheit über die Hilfsquellen seines Landes, während die Verbündeten nicht immer einig waren. Auf seiner Seite standen zwei deutsche Fürsten: Kurfürst Max Emanuel von Bayern und sein Bruder, der Erzbischof von Köln.
Der Krieg, einer der größten in der Geschichte Europas, wurde in Deutschland, den spanischen Niederlanden, Italien und Spanien geführt. Im Jahre 1704 siegten Prinz Eugen und Marlborough über die ver-Höchstädt. einigten Franzosen und Bayern bei Höchstädt an der Douau; in der Schlacht zeichneten sich die Brandenburger unter Leopold von Dessau besonders aus. Die Franzosen und mit ihnen der Kurfürst von Bayern wurden nunmehr über den Rhein hinübergetrieben. Zwei Jahre später Turin, gewann Prinz Eugen durch den Sieg bei Turin, wo sich wiederum die Brandenburger ehrenvoll hervortaten, Oberitalien; in demselben Jahre RamMer. siegte Marlborough bei Ramillies in den Niederlanden und eroberte Oudenarde. dieses Land. In den beiden blutigen Schlachten von Oudenarde im Malplaquet.Jahre 1708 und Malplaquet im Jahre 1709 siegten die beiden Feldherrn der Verbündeten gemeinsam und behaupteten nicht nur die Niederlande, sondern drangen bereits in Nordfrankreich ein. Auch in Spanien hatte damals Karl III. einige Erfolge, die freilich nicht dauernd waren.
Ludwig XIY., dessen Heere geschlagen, dessen Geldmittel erschöpft, dessen Untertanen durch furchtbaren Steuerdruck erschöpft waren, war bereits geneigt, Frieden zu schließen und seinen Enkel Philipp im Stich
Der nordische Krieg 1700—1721.
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zu lassen. Als aber die Verbündeten von ihm verlangten, er solle sich selbst am Kampfe gegen Philipp Y. beteiligen, weigerte er sich dessen.
Da traten nacheinander zwei für ihn sehr günstige Ereignisse ein. Die Engländer wurden kriegsmüde, und Marlborough und das kriegliebende Ministerium wurden gestürzt. Dazu kam, daß 1711 Kaiser Joseph I. starb, ohne Söhne zu hinterlassen, und sein Bruder Karl als Karl VI-deutscher Kaiser wurde; England und Holland aber konnten nicht wünschen, daß dieser die deutsche Krone mit der spanischen vereinigte. Das große Bündnis löste sich allmählich auf, und Friedensverhandlungen wurden angeknüpft. 1713 kam es zum Frieden von Utrecht, nach welchem Philipp V. als König im Besitz Spaniens und der spanischen Kolonien 1713.' verblieb, die spanischen Niederlande aber, Mailand und Neapel an Österreich fielen.
Karl VI., der anfangs seine Ansprüche auf Spanien nicht aufgeben wollte, sah sich genötigt, im nächsten Jahre dem Frieden beizutreten.
Zwei Jahre nach dem Utrechter Frieden, im Jahre 1715, starb Tod Lu^ Ludwig XIV. Frankreich war bei seinem Tode nicht mehr, wie zur 1715. ' Zeit des Friedens von Nimwegen und der Reunionen, die erste Macht Europas. Bier Großmächte. Österreich, das sich nicht nur durch Ungarn, sondern nun auch durch Teile Italiens und die südlichen Niederlande vergrößert hatte, Frankreich, England, Spanien, standen nebeneinander und hielten sich die Wage. Holland konnte nicht mehr als Großmacht gelten. Gleichzeitig büßte durch den nordischen Krieg Schweden seine Großmachtstellung ein, während als künftige Großmacht des Ostens Rußland emporstieg.
Der nordische Krieg. 1700—1721.
§ 77. Während im Westen Europas um die Länder der spanischen Krone gestritten wurde, war der Osten Schauplatz eines Krieges zwischen Schweden einerseits, Rußland, Polen und Dänemark andrerseits. Karl XII. sarixn. von hatte den schwedischen Thron in jugendlichem Alter bestiegen; er zählte bei Beginn des Krieges erst achtzehn Jahre. Diese Gelegenheit erschien den Nachbarfürsten, Peter von Rußland, August dem Starken, der zugleich König von Polen und Kurfürst von Sachsen war, und Friedrich IV. von Dänemark, günstig, um Schwedens Machtstellung zu vernichten und schwedische Lande an sich zu reißen. Der bedeutendste unter ihnen war der Zar Peter von Rußland. Dieser arbeitete mitPetermm leidenschaftlichem Eifer daran, Rußland groß und stark zu machen, ein
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Dar Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648—1786.
Heer und eine Flotte zu schaffen, Reformen nach europäischem Muster durchzuführen und sein Land auf eine höhere Kulturstufe zu erheben. Er hat zwei mehrjährige Reisen unternommen, um die europäische Kultur kennen zu lernen; auf der ersten arbeitete er einige Tage in Zaandam bei Amsterdam als Schiffsbauer. Zugleich zog er Europäer in sein Land, damit sie als Lehrmeister und Erzieher seines Volkes ihm zur Seite stünden. Jetzt hoffte er, einen Teil der schwedischen Ostseeprovinzen zu gewinnen und so Rußland bis zum Meere auszudehnen und dem Welthandel zu öffnen.
Zunächst freilich zeigte es sich, daß der junge Karl XII. ein Mann von der größten Tatkraft und Entschlossenheit und ein höchst gefährlicher Gegner war. Er zwang zuerst durch einen schnellen Angriff die Dänen Narwa. zum Friedensschlüsse; dann landete er in Esthland und schlug bei Narwa ein russisches Heer, obwohl es fünfmal so stark als das seinige war. Darauf wandte er sich, ohne den Sieg über Peter auszunutzen, gegen August den Starken, schlug diesen mehrmals, ließ durch einen Teil des polnischen Adels einen neuen König, Stanislaus Leszczynski, wählen und vertrieb August aus Polen. Ja. er folgte ihm bis nach Sachsen und nötigte ihn, auf die polnische Krone Verzicht zu leisten.
Während aber Karl XII. August bekämpfte, hatte Peter seine Abwesenheit benutzt, um einen Teil der Ostseeprovinzen zu besetzen; dort hatte er in sumpfiger Gegend an der Newa eine Stadt gegründet, die er St. Petersburg nannte und zu seiner Hauptstadt bestimmte. Jetzt endlich ging Karl daran, ihn anzugreifen; aber durch die Vorspiegelungen des Kosakenhetmans Mazeppa, der ihm versprach, die Kosaken würden sich in Menge seinen Fahnen anschließen, ließ er sich bereden, einen unüberlegten Zug in das südliche Rußland, die Lande des Dnjepr und Poltawa. Don, zu unternehmen. Dieser mißlang völlig; und bei Poltawa erlitt 1709' Karl im Jahre 1709 durch Peter eine völlige Niederlage. Sein Heer ward zersprengt, er selbst entkam nur mit einer kleinen Anzahl von Reitern nach der Türkei. Jene Schlacht bedeutete das Ende der schwedischen Großmacht.
Zwar gelang es Karl den Sultan zu einem Kriege gegen Rußland zu bewegen; aber dieser schloß bald einen für ihn günstigen Frieden. Trotzdem blieb der König in unbegreiflichem, verblendetem Eigensinn fünf Jahre lang, zuletzt als Gefangener, in der Türkei. Indessen bemächtigte sich August Polens wieder und- vertrieb Stanislaus Leszczynski. Die schwedischen Besitzungen an der Ostsee wurden von feindlichen Truppen überschwemmt; auch nach Norddeutschland wurde der Krieg getragen, so
Friedrich Wilhelm I. 1713—1740.
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daß sich nunmehr auch Friedrich Wilhelm I. genötigt sah, die WaffengSAdrich zu ergreifen und Teile von Schwedisch-Pommern zu besetzen. Jetzt endlich kehrte Karl XII. zurück; nach einem sechzehntägigen Ritt kam er in Stralsund an. Da er die Forderungen des preußischen Königs halsstarrig zurückwies, so schloß sich dieser seinen Gegnern an und eroberte im Verein mit ihnen Vorpommern.
Im Jahre 1718 fand Karl bei der Belagerung der norwegischen Festung Frederikshald seinen Tod. Einige Jahre später kam es zum Abschluß des Friedens. Rußland gewann die Ostseeprovinzen Liv- Friede, land, Esthland und Jngermanland; Preußen erwarb Vorpommern bis zur Peene. Schweden behielt von seinen deutschen Besitzungen nur Rügen und Pommern bis zur Peene, d. H. die Gegend um Stralsund und Greifswald, die es bis zu den Befreiungskriegen besessen hat. Preußen aber hatte nun endlich Stettin und die Odermündung in der Hand,- die einst der Große Kurfürst vergeblich zu erwerben gesucht hatte.
2. Die Zeit der Begründung der preußischen Großmacht/ 1713 — 1786.
Friedrich Wilhelm I. 1713 — 1740.
§ 78. Friedlich Wilhelms Persönlichkeit. Friedrich Wilhelm I. ist einer der bedeutendsten preußischen Könige und seine Regierung eine der Persönlich-folgenreichsten gewesen. Seine Großtaten liegen auf dem Gebiete der inneren Politik, ber Landesverwaltung, der Finanzen, des Heerwesens, endlich auch bes Schulwesens. Sein Sinn war durchaus auf das Praktische gerichtet; hier bewies er einen außerordentlich sicheren Blick für das, was nützlich und durchführbar war; alles Scheinwesen, aller Glanz und Prunk war ihm durchaus zuwider. Bei dieser nüchternen Art hatte er freilich wenig Verständnis für höhere Bildung, für Wissenschaft und Kunst; seine Erholung suchte er im Tabakskollegium, wo politische Dinge in zwangloser Weise besprochen und auch wohl derbe Späße gemacht wurden.
Aber er war ein König, dem die Pflicht über alles ging. In rastloser Tätigkeit verflossen ihm die Tage; er war, wie er selbst sagte,
„sein eigener Finanzminister und Felbmarschall"; für bte großen unb ebenso für bie kleinen Angelegenheiten bes Staatslebens hatte er ein
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Das Zeitalter der Emporkommen? Preußens 1618 — 1786.
Heerer-
vermehrung.
Auge. Auf alljährlichen Reisen überzeugte er sich von dem Stande der Dinge in den verschiedenen Provinzen und prügelte wohl einen faulen Torwächter selbst aus dem Bette. Die Bemerkungen, die er an den Rand der ihm vorgelegten Schriftstücke schrieb, legen noch heute Zeugnis ab von seiner unermüdlichen Arbeitskraft und seiner Kenntnis aller Einzelheiten der Verwaltnng. Freilich vertrug er keinen Widerspruch; „Räsonnieren" duldete er nicht; er war eigenwillig, oft jähzornig und zuweilen von furchtbarer Härte. Aber er war schlicht und tüchtig, kein Nachahmer französischer Unsittlichkeit, wie es damals so viele deutsche Fürsten waren; er war sparsam und streng gegen sich selbst; er war fromm; er war endlich auch gut deutsch gesinnt. „Meinen Kindern", sagte er einmal, „will ich Pistolen und Degen in die Wiege geben, daß sie die fremden Nationen aus Deutschland helfen abhalten"; und: „wenn die Franzosen ein Dorf in Deutschland attaquierten, so müßte das ein Coujon von einem deutschen Fürsten sein, welcher nicht den letzten Blutstropfen daran wagte, sich dagegen zu setzen".
Im übrigen waren die Händel der äußeren Politik nicht das Feld, auf dem er sich zu Hause fühlte; ihre verschlungenen Pfade lagen seinem offenen und ehrlichen, zugleich aber auch leidenschaftlichen Wesen fern. So hat unter ihm Preußen — von der Erwerbung Vorpommerns bis zur Peene abgesehen (§77) — in den großen europäischen Streitigkeiten keine bedeutende und glückliche Rolle gespielt. Er war am liebsten, seiner patriotischen Gesinnung gemäß, „gut kaiserisch"; aber er erntete für seine kaiserfreundliche Haltung wenig Dank. Karl VI. hatte ihm Aussichten darauf gemacht, daß ihm nach dem Aussterben des Hauses Pfalz-Neu-bürg, mit dem sich einst Johann Sigismund in die Länder Kleve, Jülich und Berg geteilt hatte, Berg zufallen sollte. Aber dies Versprechen nahm er später wieder zurück. Auf seinen Sohn, den Kronprinzen Friedrich hinzeigend, rief damals der erzürnte König aus: „Da steht einer, der mich rächen wird!"
§ 79. Friedrich Wilhelms Heeresorganisation. Um das Heerwesen hat sich Friedrich Wilhelm I. solche Verdienste erworben, daß er als Schöpfer der preußischen Armee bezeichnet werden darf. Denn er vermehrte sie nicht nur bis auf mehr als 80000 Mann, obwohl Preußen damals nur eine Bevölkerung von 2x/2 Millionen hatte; er gab ihr auch die Durchbildung, die Mannszucht, die Einrichtungen, auf denen zu einem Teile die Siege Friedrichs des Großen beruhen. Er liebte seine Soldaten, seine „blauen Kinder", so streng er sie auch behandelte; mit
Friedrich Wilhelm I. 1713 — 1740.
besonderer Zärtlichkeit war er seinem Leibgrenadierregiment zugetan, dem Regiment der „langen Kerls", die aus aller Herren Länder für schweres Geld angeworben worden waren, und die der König auf dem Schloßplätze in der Soldatenstadt Potsdam selbst zu kommandieren pflegte.
Friedrich Wilhelm war der erste preußische König, der immer Uniform trug; er fühlte sich am liebsten als Kamerad seiner Offiziere. Um die Ausbildung des preußischen Offizierstandes hat er die größten Ver- DerOMer-dienste. Fast das ganze Offizierkorps entstammte dem Adel; von nun an wurde der brandenburgisch- preußische Adel, der noch zur Zeit des Großen Kurfürsten sich so oft aufsässig gezeigt hatte, ein Offiziersadel und erfüllte sich mit treu monarchischer Gesinnung.
Die gemeinen Soldaten waren auch jetzt noch zum großen Teil ge- Werbung wordene Leute und viele von ihnen Ausländer; die preußischen Werber,Aushebung, die ihre Werbeplätze an vielen Orten im Reich hatten, waren berüchtigt durch ihre Verschlagenheit und Dreistigkeit. Indessen hat dieser König zum ersten Male den Grundsatz aufgestellt, daß die jungen Leute unter seinen Untertanen „schuldig und verpflichtet seien ihm mit Gut und Blut zu dienen", und den Regimentern erlaubt Rekruten auszuheben. Jedoch lastete die Wehrpflicht fast allein auf den Bauern: die Städter waren zumeist davon befreit, damit sie ihrem Gewerbe nachgehen könnten.
Das Heer stand unter einer scharfen, ja grausamen Mannszucht. M-mnszucht Zumal die Desertion wurde auf das härteste, durch Spießrutenlaufen Ausbildung, oder den Tod, bestraft; und doch kam sie häufig vor, da die Soldaten ja zum großen Teil nicht aus dem Lande stammten und kein Vaterlandsgefühl empfinden konnten. Die Ausbildung der Leute war vorzüglich.
Hier stand Fürst Leopold von Dessau dem König als treuer und gleichgesinnter Helfer zur Seite. In unbedingtem Gehorsam, mit der größten Genauigkeit machten die preußischen Regimenter ihre Übungen; bald sollten sie, was sie auf dem Paradefelde gelernt hatten, auf dem Schlachtfelde bewähren.
§ 80. Friedrich Wilhelms Landesverwaltung und volkswirtschaftliche stbMutts« Fürsorge. Nicht geringer sind die Verdienste Friedrich Wilhelms I. um mu8' die Landesverwaltung. Davon zunächst war keine Rede, daß sich die Stände (vgl. § 68) seinen Anordnungen nicht gefügt hätten. Er war ein absoluter Herrscher, dem sie „Ordre parieren" mußten; auf eine Eingabe der ostpreußischen Stände schrieb er: „Ich stabilire die Souverainetö wie einen Bocher von Bronce". In seiner selbstherrlichen Art ging er sehr weit; er hielt es z. B. für sein königliches Recht, gerichtliche Urteile
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Das Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648—1786.
umzustoßen, nicht nur um sie zu mildern, sondern auch um sie zu verschärfen.
vttwaitung. Derselbe König, der das preußische Heer schuf und durch das eigene
Vorbild erzog, hat auch einen anderen Grundpfeiler des preußischen Staatswesens errichtet; er hat bie preußische Verwaltung geschaffen und das preußische Beamtentum durch das eigene Vorbild zur Tüchtigkeit, Pünktlichkeit und Pflichttreue erzogen. Von den Beamten forderte er, daß sie ihre ganze Kraft seinem Dienste widmeten; „die Seligkeit ist für Gott", schrieb er, „aber alles andere muß mein sein". Bis ins einzelne wurde ihre Amtsführung geprüft; insbesondere mußte auf das genaueste Rechnung gelegt werden.
Finanzen. Der Finanzverwaltung widmete er die größte Fürsorge. Die
Domänen, die direkte Steuer, die auf dem Lande, die Accise, die in den Städten erhoben wurde, waren auch unter ihm die wichtigsten Einnahmequellen. Durch große Sparsamkeit wurden die Einnahmen wesentlich erhöht. Bei weitem der größte Teil der Geldmittel des Staats wurde für bas Heer ausgegeben. Für solche Hofhaltung brauchte ber König wenig; benn sobalb er ben Thron bestiegen hatte, war ber glänzenbe Hofstaat seines Vaters ausgelöst, bie meisten Hofbeamten entlassen unb bie Gehälter stark herabgesetzt worben. Was erübrigt würbe, üerwanbte ber König zur Bilbung eine Staatsschatzes.
Wie sein Großvater, ber Große Kurfürst, so trat Friedrich Wilhelm für bie Hebung ber Volkswirtschaft ein. Besonbere Teilnahme brachte Ackerbau, er ber Sanbwirtfchaft entgegen, sorgte für den Anbau von Kulturpflanzen unb ließ Brüche austrocknen. Am meisten hat er getan für bas durch die Pest hart mitgenommene Ostpreußen und Litauen; hier siedelte er auch über 20000 lutherische Salzburger an, die um ihres Glaubens willen von ihrem Erzbischof vertrieben worden waren, und denen er in Gewerbe.seinen Landen eine Freistatt eröffnete. Auch in der Förderung des Gewerbes schritt er auf den Bahnen seines Großvaters fort, inbetn er bie Einfuhr mancher frember Waren verbot, anbere mit hohen Zöllen belegte, um so seine Untertanen zu nötigen, einheimische Erzeugnisse zu kaufen. Besonbers bie branben&urgifche Tuchfabrikation nahm burch feine förbernben Maßregeln eine hohen Aufschwung.
Schulwesen. Enblich hat bieser König, ber von höherer Bilbung nichts wissen wollte, boch baburch bie größte Bebeutung für bie Volksbilbung gewonnen, baß er ben Schulzwang einführte, bamit jeber Untertan lesen, schreiben unb rechnen lernte unb so für bas praktische Leben befähigt würbe. Er hat benn auch eine Menge von Volksschulen gestiftet. An ausgeübeten
Friedrichs Jugend.
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Lehrern fehlte es freilich, weshalb vielfach ausgediente Unteroffiziere als
Lehrer angestellt wurden.
Im Jahre 1740 starb der König, innerlich längst auf den Tod 1740.
vorbereitet. Zu seinen Lebzeiten war er wenig beliebt, nach seinem Tode ist er lange verkannt worden; aber ohne seine vorbereitende Tätigkeit hätte sein genialer Sohn Preußen nicht zur Großmacht erheben können.
Friedrich der Große. 1740—1786.
Friedrichs Jugend.
§ 8L Friedrich wurde am 24. Januar 1712 auf dem Schlosse zu Berlin geboren. Seine Mutter, die Königin Sophie Dorothea, war, wie Friedrichs I. Gemahlin, eine welfische Prinzessin. Zwei Offizieren und einem Franzosen, Duhau de Jandun, der wegen seines hugenotti- Erziehung, schen Glaubens aus seinem Vaterlande ausgewandert war und sich im Felde unter den Augen des Königs ausgezeichnet hatte, wurde die Erziehung des Prinzen anvertraut. Der König gab diesen Männern eine Instruktion, welche darauf hinauslief, daß sein Sohn zu einem guten Christen, zu einem guten Wirt und zu einem guten Soldaten erzogen werden solle.
Bald aber lehnte sich der Sinn des Prinzen auf gegen die strenge, soldatische Zucht, gegen das Einerlei der militärischen Übungen, gegen die Fernhaltung alles dessen, was das Leben zu zieren vermag. Besonders zog ihn die französische Literatur an, die der Vater verachtete; zudem entwickelte sich in ihm eine starke Neigung zur Musik, und im Flötenspiel brachte er es unter der Anleitung des Dresdener Musikers Quantz bald zu hervorragenden Leistungen.
So kam Friedrich in einen unheilvollen Gegensatz zu seinem Vater, der über das weichliche und verstockte Wesen des „Querpfeifers und Poeten" empört war; durch strenge Behandlung, ja durch Schläge suchte er den Eigenwillen des Sohnes zu brechen, entfremdete ihn sich aber dadurch nur noch mehr. Leider tat die königliche Mutter, die selbst unter dem harten Sinn ihres Gemahls litt, nichts, um den Sohn zum Vater zurückzuführen; vielmehr bestärkte sie ihn eher, im Verein mit der älteren und Lieblingsschwester des Prinzen, Wilhelmine, der späteren Markgräfin von Bayreuth, in seinem Widerstände. Zumal seit einem Besuche, den Friedrich mit seinem Vater an dem üppigen, unsittlichen Hofe von Dresden machte, kam er auf Abwege. Der Zwang am väterlichen Hofe
Der Fluchtversuch.
Jtüftrtn.
Rheinsberg.
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wurde ihm allmählich unerträglich, und so faßte er den unseligen Entschluß, ins Ausland zu entweichen. Im Jahre 1730 begleitete er den Vater auf einer Reise ins Reich; bei dieser Gelegenheit sollte in der Gegend von Heidelberg die Flucht ausgeführt werden. Aber der Plan wurde durch einen Pagen, der mit im Geheimnis war, dem König ver-raten. Dieser führte im höchsten Zorn sofort den Sohn zu Schiff nach Wesel, wo er ihn zum ersten Mal verhörte; dann ließ er ihn nach Küstrin bringen und berief ein Kriegsgericht, um über ihn und seine Vertrauten das Urteil wegen Desertion zu fällen. Dieses lehnte ab über den Kronprinzen zu Gericht zu sitzen; den Leutnant von Katte, der um den Fluchtplan gewußt hatte, verurteilte es zu lebenslänglicher Festungshaft. Der König verschärfte dieses Urteil und wandelte es in Todesstrafe um; zu Küstrin wurde der Unglückliche vor den Fenstern Friedrichs enthauptet.
Dem Sohn nahm Friedrich Wilhelm den Offiziersdegen und hielt ihn von sich fern; er hätte ihn am liebsten von der Thronfolge ausgeschlossen. Der Prinz arbeitete von nun an zu Küstrin auf der Kriegs-und Domänenkammer; so nannte man damals die Behörden, die an der Spitze der einzelnen Landesteile standen. Diese Tätigkeit wurde für ihn segensreich; denn er lernte damals das Getriebe der Verwaltung im einzelnen kennen und zugleich die landesväterliche Fürsorge seines Vaters verstehen und ehren. Nach einem Jahre kam eine Versöhnung mit dem König zustande, dessen Willen er sich unterwarf. Auch als ihm dieser die Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern zur Braut bestimmte, fügte er sich. Im Jahre 1732 durfte er Küstrin wieder verlassen und erhielt als Oberst ein Regiment, das zu Ru pp in seine Garnison hatte. Darauf fand die Vermählung statt; jedoch sind sich die Ehegatten innerlich nicht nahe getreten, und die künftige Königin von Preußen erwartete ein schmerzliches Los, das der Vereinsamung. Bald darauf schenkte ihm der König das Schloß Rheinsberg bei Ruppin; und nun begannen für den Prinzen schöne Tage, in denen die Sorge für sein Regiment abwechselte mit heiterer, geistvoller Geselligkeit, anregenden Studien, der Pflege der Musik und der französischen Dichtkunst. Des Prinzen Lieblingssprache blieb auch ferner die französische; auch seine eigenen Gedichte sind in dieser Sprache verfaßt, gegen die noch unentwickelte deutsche Literatur verhielt er sich völlig ablehnend. Damals trat er in lebhaften Briefwechsel mit Voltaire, dem geistvollen, witzigen und auf den verschiedensten Wissensgebieten bewanderten Haupte derjenigen Schriftsteller, die wir unter denl Namen der Aufklärungsliteratur zu-
Die ersten beiden schlesischen Kriege. 7 7
sammenfassen. Mit seinem königlichen Vater stand er in gutem Einvernehmen. Da wurde er durch dessen Tod im Frühjahr 1740 auf den Thron berufen.
Die ersten beiden schlesischen Kriege.
§ 82. Die politische Lage zur Zeit des Regierungsantritts Friedrichs II. Wenige Monate nach Friedrich Wilhelm I. starb Karl VI. ^Verlus^ Unter diesem Kaiser ist Lothringen dem deutschen Reiche verloren gegangen. Stanislaus Leszczynski (vgl. § 77) wurde mit diesem Herzogtum entschädigt, als es ihm auch nach Augusts des Starken Tode nicht gelang die polnische Krone zu erlangen, sondern Kurfürst August III. von Sachsen auch in Polen seinem Vater folgte. Nach Stanislaus' Tode ist Lothringen an Frankreich gefallen; so ging ein altes deutsches Land in fremde Hände über. Der letzte Herzog des Landes, Franz, wurde zum Großherzog von Toskana gemacht; er war der Gemahl Maria Theresias, der ältesten Tochter Karls VI.
Karl VI. hatte keinen Sohn hinterlassen; und es war die wichtigste Österreich. Frage der europäischen Politik, ob es Maria Theresia gelingen würde, die Herrschaft über die österreichischen Erblande zu behaupten. Durch ein Staatsgrundgesetz, die sogenannte „pragmatische Sanktion", hatte Karl VI. bestimmt, daß die gesamten österreichischen Staaten für immer ungetrennt beieinander bleiben, und daß, wenn männliche Nachkommen fehlten, die weiblichen Nachkommen erbberechtigt sein sollten; auch war diese Bestimmung von den meisten Mächten Europas anerkannt worden.
Aber Kurfürst Karl Albert von Bayern erhob auf Grund seiner Verwandtschaft mit dem Kaiserhause Anspruch aus Teile des Erbes; und es war zu erwarten, daß Frankreich, obwohl es die pragmatische Sanktion anerkannt hatte, sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, Habsburg zu schädigen, zu dem es seit den Tagen Karls V. in Gegnerschaft stand. Die Verhältnisse waren für Österreich um so ungünstiger, weil seine Finanzen in Unordnung waren, und weil die verschiedenen Länder, aus denen es zusammengesetzt war, nicht, wie die preußischen Gebiete, zu einem Einheitsstaate verbunden waren, sondern jedes seine besondere Verwaltung hatte.
In Frankreich war auf Ludwig XIV., dem sein Sohn und der Frankreich, ältere seiner Enkel im Tode vorangegangen waren, im Jahre 1715 sein Urenkel Ludwig XV. gefolgt, für den anfangs eine vormundschaftliche Regierung eintrat. Er war ein unselbständiger, dazu sittenloser und aus-
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Das Zeitalter deS Emporkommens Preußens 1648 —1786.
England.
Rußland.
1740 — 1742.
schweifender Monarch, der eine verschwenderische Hofhaltung führte; unter seinem Regiment lastete der Steuerdruck schwer auf dem Volke, insbesondere auf den armen Bauern, während zugleich Frankreichs Machtstellung nach außen mehr und mehr verloren ging. Frankreich besaß in Nordamerika ausgedehnte Kolonien, Canada am Lorenzstrom und das nach Ludwig XIV. benannte Louisiana am Mississippi. Dadurch wurde es in Zwistigkeiten mit England verwickelt, welches seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts ebenfalls an der nordamerikanischen Küste Kolonien gegründet hatte.
Die Krone von England war nach dem Tode der Königin Anna im Jahre 1714 an das Haus Hannover gefallen. Damals hatte Georg I. den Thron bestiegen, auf welchen Georg II. gefolgt war. Die Verfassung Englands nahm in dieser Zeit immer mehr die Form an, welche wir Parlamentarismus nennen. Das Parlament gab in allen wichtigen Fragen den Ausschlag; es kam allmählich dahin, daß die Könige von England ihre Minister jedesmal der im Parlament herrschenden Partei entnahmen. Indessen breitete sich der englische Handel, die englische Schiffahrt und der englische Kolonialbesitz immer weiter aus, und England überflügelte in dieser Beziehung sowohl Holland wie Frankreich. Infolge seines Gegensatzes zu Frankreich stellte es sich in dem großen Streite, der sich jetzt um die pragmatische Sanktion erhob, auf die Seite Österreichs.
Als eine Macht, die zwar noch immer halb asiatisch, aber durch den weiten Umfang der beherrschten Landstrecken bedrohlich war und von vornherein einen erobernden Charakter hatte, griff jetzt auch Rußland in die Händel der europäischen Politik ein. In Polen, wo die staatliche Ordnung durch fortwährende Wirren erschüttert wurde, wo der König ohnmächtig und der herrschende Adel in Parteien gespalten war, war bereits der russische Einfluß herrschend. Den Zarenthron bestieg im Jahre 1741 infolge einer Palastrevolution Elisabeth, die jüngste Tochter Peters des Großen.
§ 83. Der erste schlesische Krieg 1740—1742 und die Anfänge des österreichischen Erbfolgekrieges. Als Friedrich die Nachricht von dem Tode Karls VI. erhielt, entschloß er sich sofort die mißliche Lage Österreichs auszunutzen; er hoffte, durch einen glücklichen Angriffskrieg Schlesien zu erobern, Preußen groß zu machen und für sich selbst unsterblichen Ruhm zu erwerben. Sein Haus hatte ein altes Anrecht auf die Herzogtümer Liegnitz, Brieg und Wohlau, die zur Zeit des großen Kur-
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fürsten trotz des von Joachim II. geschlossenen Erbvertrags von dem Kaiser eingezogen worden waren (vgl. § 67). So fiel denn Friedrich in Schlesien ein und besetzte schnell fast das ganze Land, wo er besonders von den protestantischen Einwohnern mit Freuden ausgenommen wurde.
Durch den Sieg bei Mollwitz (unweit Brieg) behauptete er seine Er- »i*. oberung.
Indessen brach der österreichische Erbfolge krieg aus. Unterstützt von Frankreich, eroberte Karl Albert von Bayern Böhmen. In dieser Not wandte sich Maria Theresia, der von den auswärtigen Mächten nur England beistand, an die Ungarn; ihren kleinen Sohn Joseph auf dem Arme, erschien sie im Reichstag zu Preßburg. Bald trat ein Umschwung ein. Zwar wurde der Kurfürst von Bayern zu Beginn des Jahres 1742 in Frankfurt als Karl VII. zum deutschen Kaiser gewählt, und so 17^r^6-fiel zum ersten Male wieder seit dreihundert Jahren die deutsche Krone an einen Fürsten, der nicht dem Hause Habsburg entstammte; aber inzwischen besetzten die Truppen Maria Theresias seine Hauptstadt München.
Weniger glücklich fochten die Österreicher gegen die Preußen. Da M^von entschloß sich Maria Theresia, um sich dieses Gegners zu entledigen. 1742. zum Frieden. In Breslau wurde er abgeschlossen; sie trat Schlesien (außer Troppau und Jägerndorf) und die Grafschaft Glatz an Preußen ab. Der preußische Staat wuchs dadurch um fast ein Drittel des bisherigen Bestandes; ein reiches, im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert durch die deutsche Einwanderung den Slaven abgewonnenes Land, wo der Boden fruchtbar war, wo seit alters die Leineweberei blühte, mit der wichtigen Wasserstraße der Oder und der großen Handelsstadt Breslau war gewonnen worden. Zwei Jahre später fiel infolge eines älteren Vertrages Ostfries land an Preußen, das so auch an der Nordsee festen Ostfriesland. Fuß faßte.
§ 84. Der zweite schlesische Krieg 1744—1745. Seit dem Friedens- ^ schlnß mit Preußen machten die österreichischen Waffen immer weitere Fortschritte; der deutsche Kaiser, aus seinen Erblanden vertrieben, befand sich in einer traurigen Lage; er war völlig abhängig von den Franzosen. Friedrich war überzeugt, daß Maria Theresia daran denke, nach Besiegung der Franzosen auch Schlesien wiederzuerobern. Da hielt er es Einfall für besser, ihr zuvorzukommen. Er schloß ein Bündnis mit Lud- tn Böhmen, wig XV. von Frankreich und überschritt im Sommer 1744 mit 80 000 1744
Mann „kaiserlicher Hilfsvölker", wie er sie nannte, die böhmische Grenze.
Aber dieses Unternehmen ging nicht glücklich vonstatten; durch Desertion
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Das Zeitaller des Emporkommens Preußens 1648—1786.
stark gelichtet, kam das Heer wieder in Schlesien an. Im darauf folgenden Winter starb Karl YIL; sein Sohn vertrug sich mit Maria Theresia und entsagte den Erbansprüchen auf österreichische Lande.
Im Jahre 1745 brach Prinz Karl von Lothringen, Maria Theresias Schwager, mit einem österreichischen, durch sächsische Hilfstruppen verstärkten Heere über die Pässe der Sudeten nach Schlesien ein. Da Hohenfried-griff ihn der König bei dem Dorfe Hohenfriedberg am Fuße des 1745. Gebirges an. In der Morgendämmerung kam es auf dem vielfach durch Gräben, Bäche und Teiche durchschnittenen Gelände zu einem harten und blutigen Kampfe; da wurde die Entscheidung durch den berühmten Reiterangriff des Generals von Geßler herbeigeführt, der mit dem Dragonerregiment Bayreuth, dem heutigen Kürassierregiment Königin, sechs Regimenter über den Haufen ritt, 2500 Gefangene machte und 66 Fahnen erbeutete. Der Feind ging nach Böhmen zurück. „Niemals haben die alten Römer etwas Glänzenderes getan", schrieb der König, „mit solchen Truppen würde man die ganze Welt bändigen."
Keffelsdorf. Die letzte Schlacht des Krieges wurde im Dezember 1745 bei Kessels-
dorf, westlich von Dresden, geschlagen, wo der alte Dessauer ein Friede w«bedeutend stärkeres sächsisch-österreichisches Heer besiegte. Wenige Tage 1745. später zog Friedrich als Sieger in Dresden ein und unterzeichnete hier den Frieden, in welchem Maria Theresia von neuem auf Schlesien ver-1745—*1765 Dagegen erkannte der König ihren Gemahl Franz von Loth-
ringen, Großherzog von Toskana, der inzwischen zum deutschen Kaiser gewählt worden war, als solchen an. Franz I. ist der erste Kaiser aus dem Hause Habsburg-Lothringen.
Der österreichische Erbfolgekrieg dauerte noch bis zum Jahre ^de^von 1748. In diesem Jahre wurde er durch den Frieden von Aachen beendigt.
Der siebenjährige Krieg. 1756—1763.
Die Friedens- § 85. Vorgeschichte und Ausbruch des Krieges. Als „der Große"
begrüßt, war Friedrich nach Berlin zurückgekehrt; Preußen war zur Großmacht geworden. In rastloser Tätigkeit für die Landesverwaltung, für das Rechtswesen, für die Hebung der Volkswirtschaft und nicht zuletzt für die Landesverteidigung verflossen ihm die zehn Friedensjahre, die ihm geschenkt waren. Das königliche Kabinet war der Mittelpunkt des preußischen Staatswesens; dort liefen von allen Seiten die Berichte ein, von dort ergingen die Entscheidungen. Mitten in der geistvollen Geselligkeit, die der Monarch in seinem neuerbauten Lustschloß Sanssouci bei
Der siebenjährige Krieg. 1766 —1763.
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Potsdam um sich versammelte, umfaßte sein Auge das Fernste und das Nächste, die großen und die kleinen Interessen des preußischen Volkes.
Er begann die Urbarmachung des Oderbruchs und gründete Handelsgesellschaften für den Verkehr mit Asien; er schuf neue Ministerien und traf die Vorkehrungen für eine umfassende Reform der Rechtspflege; er prüfte mit Sachkenntnis und schärfstem Urteil die Einzelheiten der Verwaltung und fuhr zugleich fort, in Gedichten seine Gedanken über die höchsten Fragen des Daseins niederzulegen. Nach dem Dresdener Frieden hatte er der Hoffnung gelebt, das Schwert nicht wieder ziehen zu müssen.
Zwar war ihm wohl bekannt, daß Maria Theresia den Gedanken,
Schlesien wiederzugewinnen, nie aufgegeben hatte. Mit Rußland ferner, das in dem emporstrebenden Preußen einen unbequemen Nebenbuhler sah, und dessen Kaiserin Elisabeth unter dem Einfluß ihrer von Friedrichs Feinden bestochenen Umgebung stand, war das Verhältnis so gespannt, daß beide Höfe ihre Gesandten abriefen und der diplomatische Verkehr unterbrochen wurde. Dennoch schien die Gefahr eines Krieges fern, solange mit Frankreich, das mit Preußen bisher durch die gemeinsame Gegnerschaft gegen Österreich verbunden gewesen war, gute Beziehungen bestanden.
Da führte der Umstand, daß sich Friedrich England näherte, einen Umschwung am Hofe von Versailles herbei. Zwischen England und Frankreich waren damals der nordamerikanischen Kolonien wegen Streitigkeiten ausgebrochen. Die Engländer fürchteten eine französische Besetzung Hannovers und waren sehr erfreut, als sich Friedrich bereit erklärte, die Neutralität Norddeutschlands zu schützen. Der Pariser Hof aber wurde dadurch sehr verstimmt. Ludwig XV. war ein launischer, unzuverlässiger Monarch, dazu eifersüchtig auf den großen Preußenkönig, die sittenlose Frau, die ihn beherrschte, die Marquise von Pompadour, war eine Gegnerin Friedrichs. Dazu machte Österreich große Versprechungen. So wurde im Frühjahr 1756 ein Bündnis zwischen Frankreich, Österreich und Rußland abgeschlossen. sis» - russische
^ Z . .v . , r Bündnis.
Jndeffen hatte Friedrich nicht nur über me rus)t|cheit und österreichischen Truppenrüstungen, sondern auch über die Abmachungen der drei Mächte Nachrichten erhalten; die letzteren stammten teilweise von einem bestochenen sächsischen Kanzleibeamten. Er war sofort entschlossen,
„lieber zuvorzukommen als sich zuvorkommen zu lassen". Als nun mehrere Anfragen, die er an Maria Theresia richtete, von dieser ablehnend beantwortet wurden, siel er im Spätsommer 1756 ohne Kriegserklärung in Besetzung Sachsen ein. Der Kurfürst dieses Landes. August III., der zugleichTtöö!*'
Neubauer, Beschicht!. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl. (j
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Das Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648 — 1786.
König von Polen war, und sein verschwenderischer und gewissenloser Minister Graf Brühl, unter dessen Verwaltung das Volk mit Steuern überlastet und doch der Staat in Schulden gestürzt wurde, waren ihm feindlich gesinnt; es stand bei Friedrich fest, daß er bei dem geplanten Einfall nach Österreich nicht in seinem Rücken eine Regierung bestehen lassen durfte, die sich bei der ersten Gelegenheit seinen Gegnern anschließen würde.
Während sich die sächsischen Truppen in einem befestigten Lager bei Pirna sammelten, besetzte Friedrich Dresden und entnahm dem dortigen Archiv eine Reihe von Aktenstücken, welche er veröffentlichen ließ, um die große Verschwörung gegen ihn aller Welt zu beweisen. Das Lager bei Pirna wurde eingeschlossen. Als ein österreichisches Heer unter dem Feld-marschall Browne sich näherte, ging ihm der König nach Böhmen ent-Siea bei gegen und schlug es bei Lobositz zurück. Bald darauf mußten sich die Ergebung" der , die unter der schlechten Witterung und dem Mangel an Vorräten
O?°?756 auf das schwerste litten, ergeben; August III. begab sich nach Warschau. Die Mannschaften wurden genötigt dem König von Preußen den Fahneneid zu leisten und der preußischen Armee einverleibt; doch desertierten von ihnen so viele zu den Österreichern, daß diese besondere sächsische Regimenter bilden konnten. Das Land trat unter preußische Verwaltung und hat einen großen Teil der Kriegslasten tragen müssen.
Vollendung In den folgenden Monaten kam das endgültige Kriegsbündnis gegen Friedrich zustande; es hatte den Zweck, ihn eines großen Teils seiner Lande zu berauben und so den preußischen Staat zu zerstören. Auch Schweden trat dem Bunde bei, in der Hoffnung, die im Stockholmer Frieden verlorenen Teile Pommerns wiederzugewinnen. Ferner beschloß das deutsche Reich gegen ihn wegen seines Friedensbruches den Reichs-Friedrich.krieg. Friedrich hatte nur einen starken Bundesgenossen, England, das, solange William Pitt Minister war, ihm treu blieb und ihn mit Subsidiengeldern unterstützte; dazu kamen Hannover und einige kleinere deutsche Staaten. Friedrich besaß, von den Besatzungstruppen abgesehen, für den Kampf im Felde ein Heer von 150000 Mann. Es waren trefflich ausgebildete Leute, Krieger von Beruf, deren Tapferkeit der König oft in den ehrendsten Worten anerkannt hat, freilich zum guten Teil Ausländer und zur Desertion geneigt. Unter seinen Feldherren ragte hervor der bewährte und allgemein beliebte Feldmarschall Schwerin; dem Prinzen Heinrich hat sein königlicher Bruder nach dem Kriege das Zellgins gegeben, er sei ber einzige General, der keinen Fehler gemacht habe; noch größeren Ruhm sollten sich der Husarengeneral Hans Joachim
Der siebenjährige Krieg. 1756 —1763.
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von Zielen, dessen unbedingte Furchtlosigkeit und Pflichttreue aus einem tiefen und herzlichen Gottvertrauen entsprangen, und der kühne und frische Reitersührer Seydlitz erwerben.
Einer Welt in Waffen stand König Friedrich wie ein Held gegenüber.
„Ich aber, dem der Schiffbruch droht,
Muß, mutig trotzend dem Verderben,
Als König denken, leben, sterben."
Er traf in einer Instruktion, die er einem seiner Minister übergab,Anordnungen die notwendigen Vorkehrungen für etwa eintretende Unglücksfälle. Falls er entscheidend geschlagen würde, so sollte die königliche Familie und der Staatsschatz je nach den Umständen nach Magdeburg, Küstrin oder Stettin gebracht werden; wenn er selbst fiele, so sollten „die Dinge ohne die geringste Veränderung ihren Fortgang nehmen" und seinem Bruder August Wilhelm, der als Thronfolger den Titel eines Prinzen von Preußen erhalten hatte, die Huldigung geleistet werden. „Wenn ich“, fährt er fort, „das Unglück haben sollte, in die Hände des Feindes zu fallen, so verbiete ich. daß man auf meine Person die geringste Rücksicht nehme; sollte mich ein solches Unglück treffen, so will ich mich für den Staat opfern, und man soll meinem Bruder gehorchen, welcher so wie alle meine Minister und Generäle mir mit seinem Kopfe dafür haften wird, daß man weder eine Provinz noch einen Heller für mich opfern und den Krieg mit Verfolgung der eigenen Vorteile fortsetzen wird, gleich als wenn ich nie auf der Welt gewesen wäre."
§ 86. Von Prag bis Leuthen. 1757. Im Frühjahr 1757 brach 1757. Friedrich plötzlich über die Pässe des Gebirges in Böhmen ein und besiegte den Prinzen Karl von Lothringen, der wieder den Oberbefehl führte, bei Prag. Die Preußen erlitten schwere Verluste; der Feld-Prag.-^?,, marschall Schwerin, der selbst eine Fahne ergriff und mit ihr den Truppen voranstürmte, starb den Heldentod. Aber Karl von Lothringen wurde genötigt sich nach Prag zurückzuziehen, das nun von den Preußen belagert wurde.
Da nahte von Osten ein Entsatzheer heran, das von dem Feldmarschall Dann befehligt wurde; der König mußte sich entschließen ihm
mit einem Teil seiner Truppen entgegenzugehen. Bei Kolin kam es $$0ttn
zur Schlacht. Der Feind hatte die Übermacht, und es gelang nicht ihn ~8' '5Unl' zurückzudrängen. Als die Seinen zurückwichen, versuchte Friedrich selbst sie zu sammeln und gegen eine Batterie zu führen; auch als sie zurückblieben, ritt er weiter; erst als ein Offizier ihm zurief: „Sire, wollen
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Das Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648—1786.
Roßbach 5. November.
Leuthen 5. Dezember
Sie die Batterie allein erobern", machte er langsam Kehrt. Er hatte keine Reserven mehr. „Noch vier Bataillone", sagte er nachher, „und die Schlacht war gewonnen". Zieten deckte den Rückzug, den der Feind nicht störte. Aber Friedrich mußte nunmehr die Belagerung von Prag aufgeben und Böhmen räumen.
Seine Lage war gefährlich. Während er in der Lausitz den Österreichern gegenüberstand, waren die Russen in Ostpreußen, zwei französische Heere in die Weserlande und Thüringen eingedrungen. Gegen das südliche der französischen Heere, das von dem Prinzen von Soubise befehligt wurde und sich mit der deutschen Reichsarmee vereinigt hatte, wandte sich nunmehr der König. Bei Roßbach, nordwestlich von Weißenfels, standen 33000 Franzosen und 10000 Mann Reichstruppen dem König gegenüber, der nur 22000 Mann bei sich hatte. Die Feinde glaubten die Preußen umgehen und in der Flanke angreifen zu können. Da ließ Friedrich — es war am 5. November kurz nach Mittag — plötzlich die Zelte abbrechen. Die von Seydlitz befehligte Kavallerie erschien auf einem langgestreckten Hügel, der sie bisher verdeckt hatte, und warf in zweimaligem, glänzendem Angriff die feindliche Reiterei; es folgte ein kurzes Feuergefecht des Fußvolks; dann riß allgemeine Flucht unter den Feinden ein. Die Preußen hatten wenig über 500 Mann verloren, die feindliche Armee war zersprengt. Darüber aber, daß es gelungen war, die übermütigen Franzosen zu schlagen, entstand nicht in Preußen allein, sondern weithin in deutschen Landen freudige Begeisterung; seitdem wurde der große Preußenkönig der Held der deutschen Nation.
Nunmehr mußte Friedrich aber nach Schlesien zurückeilen; dort waren die Österreicher eingebrochen und hatten Breslau genommen. Friedrich mußte dem übermächtigen Feinde eine Schlacht liefern, wenn er nicht für den Winter den größeren Teil der Provinz in der Hand des Feindes lassen wollte. Bei dem Dorfe Leuthen, westlich von Breslau, stieß er am 5. Dezember mit 35000 Mann auf das 70 000 Mann starke Heer Karls von Lothringen. Er wandte die schiefe Schlachtordnung an; dem rechten Flügel der Feinde stellte er nur wenige Bataillone gegenüber und warf sich mit dem größten Teil der Armee auf ihren linken Flügel. Nach heftigem Kampf um Leuthen, den Mittelpunkt der feindlichen Schlachtlinie, wurde die Schlacht durch den Sieg der Reiterei entschieden. Am Abend des blutigen Tages erscholl allenthalben auf dem Schlachtfelde der Choral: Nun danket alle Gott! Das feindliche Heer, das schwere Verluste erlitten hatte, verließ Schlesien, und Breslau ergab sich dem Sieger.
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§ 87. Zorndorf, Hochkirch und Kunersdorf. 1758 und 1759. Die i?58. Führung der englisch-hannöverschen Armee, die gegen die Franzosen aufgestellt wurde, übernahm jetzt der preußische General Prinz Ferdinand von Braunschweig. Dieser drängte die französische Armee bis über den Rhein zurück und schlug sie, als sie ihm endlich stand hielt, bei Krefeld. Krefeld.
Friedrich selbst hatte es jetzt nicht nur mit den Österreichern, sondern zugleich mit den Russen zu tun; diese waren, durch polnisches Gebiet marschierend, an der Oder erschienen, wo sie das Land furchtbar verwüsteten. Bei Zorndorf, nordöstlich von Küstrin, griff sie Friedrich Zorndorf, an, und nach schwerem Kampfe, in dem sich Seydlitz glänzenden Ruhm erwarb, wurde der Feind zum Rückzug gezwungen.
Jetzt zog Friedrich wieder nach der Lausitz, wo Prinz Heinrich den
Österreichern unter Daun gegenüberstand. Daun war ein äußerst bedachtsamer Feldherr, dessen Grundsatz es war, mit seinem Heere feste Stellungen zu beziehen, aus denen er sich, trotzdem er dem König an
Zahl um das Doppelte überlegen war, nicht zur Schlacht herauslocken
ließ. Als aber Friedrich im Vertrauen auf die ängstliche Vorsicht seines Gegners bei dem Dorfe Hochkirch in sehr gefährdeter Stellung ein Lager Hochltrch. bezog, wagte dieser in der Frühe eines Herbsttages einen Überfall, der ihm glückte. Nur der Heldenmut und die Mannszucht der Truppen rettete das preußische Heer vor der Vernichtung. Nach mehrstündigem Kampfe konnte Friedrich den Rückzug antreten, ohne vom Feinde verfolgt zu werden; aber fast alle Geschütze waren verloren und fast ein Drittel des Heeres tot oder verwundet.
Den nächsten Winter verlebte Friedrich in Breslau; mit trüben Ahnungen sah er der Zukunft entgegen. Zwar die Kosten des Krieges vermochte er zu bestreiten; England schickte ihm Subsidieu, ein Teil der Kriegskosten wurde auf Sachsen und das ebenfalls besetzte Mecklenburg abgewälzt, endlich mußte die Ausgabe von minderwertigen Münzen und von Kassenscheinen aushelfen. Aber sein Heer war stark zusammengeschmolzen, und die neu eingestellten Rekruten konnten die gefallenen Veteranen nicht ersetzen. Es wurde einsam um ihn; seine Mutter, seine Schwester, die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, und mehrere seiner vertrautesten Freunde hatte der Tod hinweggerafft; ihn selbst überschlich oft ein Gefühl der Lebensmüdigkeit, und er beschäftigte sich viel mit dem Gedanken an das Ende.
Wie er es befürchtet hatte, vereinigte sich 1759 ein Teil des öfter- 1759. reichischen Heeres unter dem Feldmarschallleutnant Laudon mit den
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Das Zeitalter des Emporkommen? Preußens 1648 — 1786.
russischen Truppen, an deren Spitze jetzt General Ssaltykow stand. Friedrich konnte den 68000 Russen und Österreichern nur 48000 Preußen gegenüberstellen. Dennoch griff er sie am 12. August bei betn Dorfe
. Kunersdorf an, bas bei Frankfurt auf bem rechten Oberufer liegt. Die Seinen brangen anfangs , obwohl von einem langen Marsch ermüdet, mit der größten Tapferkeit vor und erstürmten einen Teil der Höhen, welche die feindliche Armee besetzt hatte. Als es dann aber galt, durch eine tiefe Schlucht hindurch die dahinter gelegenen Hügel zu erklettern, erlahmten unter dem furchtbaren Kugelregen allmählich die Kräfte der preußischen Bataillone; und ein plötzlicher, zur rechten Zeit ausgeführter Reiterangriff Laudons entschieb bie Schlacht. Die preußische Armee würbe fast aus-einanber gesprengt; bamals würbe auch ber preußische Major Ewalb von Kleist, ber Dichter bes „ Frühlings", töblich oeraunbet. Dem König selbst würben zwei Pferbe unter bem Leibe erschossen; eine Kugel, bie ihn traf, prallte glücklicherweise von einem golbenen Etui ab, bas er in ber Tasche trug. Eine Husarenabteilung unter bem Rittmeister v. Pritt-witz rettete ihn vor ber Gefangennahme durch bie Kosaken. Er war tief erschüttert: „ich werbe ben Untergang meines Vaterlandes nicht überleben", schrieb er bamals, „lebt wohl für immer!"
Aber bie Feinbe konnten sich nicht zu gemeinsamem Hanbeln zusammen-finben, Daun, ber in Sachsen staub, sich nicht zum Vormarsch auf Berlin entschließen. Beim Herannahen bes Winters zogen bie Russen ab; Preußen war gerettet.
i. § 88. Die drei letzten Kriegsjahre. Auch in ben nächsten Jahren vermochte sich ber König trotz ber feinblichen Übermacht zu behaupten. 1760 rettete er zunächst Schlesien burch ben Sieg, den er bei Liegnitz über ben bebeutenbsten seiner Gegner, Laubon, erfocht. Balb barauf gelang es zwar einer russisch - österreichischen Heeresabteilung, burch einen plötzlichen Vorstoß bis nach Berlin unb Potsbam vorzubringen unb beibe Stabte zu besetzen unb zu brandschatzen. Sowie aber bie Nachricht kam, ber König nahe in Eilmärschen heran, zogen bie Feinbe eilig ab. Friebrich
i.wanbte sich barauf nach Torgau, um Daun anzugreifen, ber auf Anhöhen in ber Nähe ber Stabt eine feste Stellung eingenommen hatte; er war fest entschlossen, wie er bamals schrieb, „alles, auch bas Verzweifeltste zu wagen, um entweber ben Sieg ober ein ruhmvolles Enbe zu finben". Die stürmenben Preußen erlitten schwere Verluste. Friebrich selbst würbe von einer Kartätschenkugel getroffen; zwar rettete ihm ber Pelz bas Leben, aber er sank bewußtlos vom Pferbe unb mußte
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das Schlachtfeld verlassen. Der Sieg wurde durch Zielen entschieden;
Daun, der bereits Siegesboten an die Kaiserin gesandt hatte, mußte seine Stellung räumen und sich nach Dresden zurückziehen.
Das Jahr 1761 war Friedrichs schwerstes Kriegsjahr. Seine Streit-1761. fräste waren sehr zusammengeschmolzen; er konnte seinen Gegnern nicht
im Felde entgegentreten, sondern bezog ein festes Lager bei Bunzel-Bunzeiwitz.
witz in der Gegend von Schweidnitz, wo er mehrere Wochen blieb.
Die Lage wurde für ihn dadurch noch schlimmer, daß sich England von ihm zurückzog. Nach Georgs II. Tode hatte im Jahre 1760 Georg III. den Thron bestiegen; im nächsten Jahre war Pitt, der die Sturz Pitts. Gunst des neuen Königs nicht genoß, gestürzt worden, und der neue Minister erneuerte den Subsidienv ertrag mit Preußen nicht. So versiegte eine wichtige Geldquelle Friedrichs.
Mitten in dieser Not trat ein Ereignis ein, das die allgemeine 1762. Lage völlig umwandelte. In den ersten Tagen des Jahres 1762 starb die Kaiserin Elisabeth, und den russischen Thron bestieg ihr Neffe,
Herzog Peter von Holstein, als Peter III. Dieser war ein Bewunderer des großen Preußenkönigs. Er schloß sofort mit Preußen Frieden und rin« n. darauf sogar ein Bündnis; eine russische Heeresabteilung stieß zu dem preußischen Heere. Auch Schweden trat von dem Bündnis gegen
Friedrich zurück und schloß Frieden. Zwar wurde nach halbjähriger Regierung Peter III. von seiner Gemahlin Katharina gestürzt und auf dem Landgute, wohin man ihn gebracht batte, von einigen Teilnehmern an der Verschwörung ermordet. Aber wenn auch Katharina von dem Bündnis mit Friedrich zurücktrat, so erneuerte sie doch die Feindseligkeiten nicht.
Im Februar 1763 kam auch mit Österreich und Frankreich der Friede'von Friede zustande. Er wurde auf dem sächsischen Jagdschloß Hubertus- j>ur^ bürg abgeschlossen und bestimmte, daß der Besitzstand vor dem Kriege wiederhergestellt werden solle.
§ 89. Ergebnisse des siebenjährigen Krieges. Der denkwürdige Krieg Preußen, war von bedeutsamen Folgen begleitet. Preußen zunächst verdankte es dem Feldherrngeist, dem Heldenmut, der Beharrlichkeit seines genialen Königs, daß es aus dem Kriege, den es um seine Existenz hatte führen müssen, nicht nur mit ungemindertem Besitzstände, sondern mit verstärktem Ansehen hervorging. Es gehörte jetzt trotz seines immer noch geringen Umfangs zu den Großmächten Europas, und sein Wort siel bei den politischen Händeln in die Wagschale. Das preußische Volk aber wuchs
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durch die Erinnerung an die Großtaten und auch an die Leiden dieses Krieges noch fester zusammen; immer kräftiger, immer stolzer wurde das preußische Volksbewußtsein. Auch in der Bauernstube fand man oft das Bild des „alten Fritz"; aus dem Stolz auf den großen König entstand der Stolz auf das preußische Vaterland.
Deutschland. Für Deutschland war das wichtigste Ergebnis dieses Krieges, daß es nunmehr zweifellos zwei deutsche Großmächte gab. Der deutsche Dualismus war eine Tatsache; die deutsche Einheit war noch stärker erschüttert als bisher. Aber gerade in Preußen kam ein Staat empor, der einst den Kern bilden konnte für ein neues, stärkeres deutsches Reich. Im siebenjährigen Kriege war es Preußen gewesen, daß mit seinem eigenen Interessen zugleich die Interessen Deutschlands verteidigt hatte; wäre es unterlegen, so wäre Ostpreußen russisch oder polnisch, das Land an den Odermündungen wieder schwedisch geworden. In der Tat wirkte der siebenjährige Krieg stärkend und kräftigend auf das gesunkene Nationalgefühl ein. Während der preußische Staat wenig beliebt war, erschien Friedrich der Große als Held des deutschen Volkes; er sei „fritzifch gesinnt" gewesen, berichtet Goethe aus seinen Frankfurter Jugendjahren. Auch,die Poesie wurde durch diesen Krieg angeregt; insbesondere knüpft Lessings „Minna von Barnhelm" an ihn an.
Volkswirt- Die Volkswirtschaft hatte freilich unter dem Kriege schwer ge-
Waft litten; die Bevölkerung Preußens war zurückgegangen, manche Gegenden, wie die Neumark, waren auf das furchtbarste verwüstet, viele Kaufleute, Gewerbetreibende und Grundbesitzer waren schwer geschädigt und tief verschuldet, andere hatten ihr Hab und Gut verloren. Neben Preußen war Sachsen von dem Kriege am schwersten betroffen worden.
Friedrichs des Groften Regententätigkeit.
Friedrich der § 90. Friedrichs Persönlichkeit. Auch auf den großen König, der
®Io6e’ seinen Feinden siegreich widerstanden, hatten die Jahre des Krieges eine tiefe Einwirkung ausgeübt. Er hatte zu Ungeheures erfahren und gelitten, zu oft am Rande des Abgrundes gestanden; die ihm die liebsten gewesen waren und am nächsten gestanden hatten, waren gestorben; einsam ist der König geblieben bis an sein Lebensende. In rastloser Arbeit, in unbedingter Erfüllung dessen, was er für seine Pflicht hielt, suchte er Befriedigung. Er nannte sich den ersten Diener des Staates; dem Wohle seines Volkes opferte er sich, ein gewaltiges Vorbild der Entsagung und Selbstverleugnung. „Ihr habt nicht nötig euch dafür zu
Friedrichs des Großen Regentenlätigkeit.
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bedanken", erwiderte er einst einer reich von ihm beschenkten, dankbaren
Bürgerschaft; „dafür bin ich da."
Die Regierungsform war der Absolutismus. Der König allein
entschied, kein anderer Wille galt; auch die Minister waren nur Werk-
zeuge seines Willens. Es war eine Regierungsform, die eine ungeheure Arbeitskraft, eine geniale Einsicht, eine umfassende Sach- und Personenkenntnis verlangte. Der König brauchte nur wenige Stunden des Schlafes; um 4 Uhr früh pflegte er aufzustehen, und dann begann sofort die Arbeit.
Er las die Berichte, Eingaben und Bittschriften, die aus allen Provinzen, von Personen aller Stände an ihn einliefen, und versah sie mit kurzen Randbemerkungen, auf Grund deren seine Sekretäre die Antwort abfaßten; er hörte den Vortrag der Minister; er besichtigte die Truppen; häufig bereiste er die Provinzen und prüfte die Verwaltung und die Lage der Bevölkerung bis ins einzelne. Seine Erholung bildeten Lektüre,
Poesie und Schriftstellerei, dazu das Flötenspiel. Flötespielend durchwandelte er oft die Galerie von Sanssouci; die Musik befreite ihn von den Sorgen des Tages. Seine Gedichte und Schriften waren auch ferner französisch; deutsch konnte er kaum richtig schreiben. Einst hatte er in einer geistvollen Geselligkeit Zerstreuung und Genuß gefunden; auch Voltaire, mit dem er seit der Rheinsberger Zeit im Briefwechsel stand, war einige Jahre sein Gast gewesen, bis er sich durch sein Betragen des Königs berechtigtes Mißfallen zuzog. In den letzten Jahrzehnten war es dagegen sehr still um Friedrich. Kaum jemand stand ihm innerlich nahe; fast die einzigen Geschöpfe, die der König liebte, waren seine Windhunde.
§ 91. Friedrich als Volkswirt. Ein Gegenstand, der dem König von^ndwin-seiner Thronbesteigung an bis zu seinem Tode am Herzen lag, war die Vermehrung der Bevölkerung. Aus West- und Süddeutschland, mton. aber auch aus der Schweiz und Holland war er fortwährend bemüht Kolonisten ins Land zu ziehen, besonders nach Beendigung des siebenjährigen Krieges und nachdem er bei der ersten Teilung Polens Westpreußen erworben hatte; man hat berechnet, daß er im ganzen mindestens 300000 Kolonisten herangezogen und etwa 900 neue Dörfer gegründet hat. Das Land dazu gewann er durch eine großartige, unausgesetzte Tätigkeit zur Urbarmachung des Bodens; besonders denkwürdige Taten waren die Austrocknung und Eindeichung des großen Oderbruchs, des Wartebruchs und des Netzebruchs, deren Ergebnis der Gewinn weiter, fruchtbarer Landstrecken war. Auf Hebung der Ackerwirtschaft, der Viehzucht, des
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Das Zeitalter des Emporkomme»? Preußens 1648 — 1786.
Garten- und Obstbaus war er fortwährend bedacht; er legte Wert darauf, daß sich unter den Kolonisten solche befanden, die Kenntnisse und Erfahrung mitbrachten. Unaufhörlich unterstützte dieser sonst so sparsame Herrscher altangesessene wie neuangesiedelte Landwirte durch Geldgeschenke bei der Urbarmachung wüster Landstriche. Zumal, als der siebenjährige Krieg beendet war, gab er mit vollen Händen Geld aus den königlichen Kassen, um die zerstörten Häuser wieder aufzubauen, Getreide aus den Magazinen, um die Saaten bestellen zu können, Pferde aus den Beständen des Heeres, um den Boden zu beackern; dazu traten gewaltige Schenkungen an die Provinzen, um ihnen die Bezahlung ihrer Kriegsschulden zu ermöglichen, und Steuererlässe für die am schwersten betroffenen Gebiete. Die rechtliche Lage der Bauern hätte der König gern gebessert und wollte in Pommern „absolut und ohne das geringste Raisonnieren alle Leibeigenschaften von Stund an gänzlich abgeschafft wissen", eine Maßregel, die sich freilich für jetzt als unausführbar erwies.
Gewerbe. Wie die Landwirtschaft, so suchte er das Gewerbe nach Kräften zu fördern. Wie sein Vater, wünschte er möglichst zu verhindern, daß seine Untertanen im Auslande kauften; das Geld sollte im Lande bleiben. Daher unterstützte er die Anlage von Fabriken, unter denen die königliche Porzellanfabrik, eine Tabakfabrik, eine Sammetfabrik hervorragten; er verbot die Einfuhr solcher gewerblichen Erzeugnisse, die auch im Lande hergestellt werden konnten, oder erschwerte sie durch hohe Schutzzölle er bemühte sich, wie tüchtige Landwirte, so auch geschickte Handwerker und Fabrikleiter ins Land zu ziehen. Besonderer Fürsorge erfreute sich unter ihm das Berg- und Hüttenwesen, das rasch aufblühte; ebenso eifrig nahm er sich der Seidenfabrikation an, zu deren Gunsten er den Anbau von Maulbeerbäumen und die Pflege des Seidenwurms an vielen Orten anordnete.
Handel. Zur Belebung des Geldverkehrs schuf er die preußische Bank, deren Zweck war, Zahlungen zu vermitteln, Geld in Verwahrung zu nehmen, Darlehen gegen Zinsen zu gewähren und auf andere Weise dem Kredit zu dienen. Von der Bedeutung des Handels war er tief durchdrungen. Den Binnenverkehr förderte er durch den Bau dreier Kanäle, des Plaueschen zwischen Havel und Elbe, des Finowkanals zwischen Havel und Oder, des Netzekanals zwischen Netze und Weichsel. Zugleich aber suchte er, wie sein Ahnherr, der Große Kurfürst, den Außenhandel zu entwickeln. Stettin förderte er, indem er die Swine schiffbar machte; an deren Mündung entstand Swinemünde. Die Handelsgesellschaften,
Friedrich des Großen Regententätigkeit.
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die er in Emden für den Handel nach Asien gegründet hatte, mußten freilich im siebenjährigen Kriege ihre Tätigkeit einstellen.
§ 92. Friedrichs Fürsorge für das Heerwesen, die Verwaltung, dieDas H«r. Rechtsprechung, das geistige Leben. Friedrichs vornehmste Fürsorge galt naturgemäß dem Heere, auf dem Preußens Größe und Sicherheit beruhte.
In der Überzeugung, daß Preußen, von übelwollenden Nachbarn umgeben, toujours en vedette sein müsse, suchte er durch strenge Aufsicht, durch Manöver und Revüen die Kriegstüchtigkeit und Mannszucht im Heere zu erhalten. (Sr, der selbst mit Leib und Seele Soldat war, leuchtete als Vorbild militärischer Tugenden seinen Offizieren voran. Diese entnahm er. wenn möglich, nur dem Adel; mit Ausnahme bestimmter Waffengattungen, ernannte er nur notgedrungen, in Kriegszeiten, Bürgerliche zu Offizieren. Von den Mannschaften bestand der größere Teil aus geworbenen Leuten; denn aus wirtschaftlichen Gründen, um nicht zu viele Arbeitskräfte dem Ackerbau und dem Gewerbe zu entziehen, befreite Friedrich noch größere Teile der Bevölkerung von der Wehrpflicht, als sein Vater schon getan hatte. So war das Heer freilich weit davon entfernt, ein Volksheer zu sein; „der friedliche Bürger", sagte der König,
..soll es gar nicht merken, wenn die Nation sich schlägt". Der Dienst war streng; doch wurde ein großer Teil der ausgebildeten Leute, wenn sie sich als zuverlässig erwiesen hatten, jährlich aus längere Zeit beurlaubt und konnte in dieser Zeit einem Handwerk nachgehen. Wenn Friedrich Wilhelm I. die preußische Infanterie geschaffen hat, so muß Friedrich der Große als der Schöpfer der preußischen Kavallerie gelten. Für sie erließ er die Weisung: „Es verbietet der König hierdurch allen Osficiers von der Kavallerie bei infamer Kassation, sich ihr Tag in keiner Aktion vom Feinde attaquieren zu lassen, sondern die Preußen sollen allemal den Feind attaquieren." Er verstärkte allmählich die Armee bis auf annähernd 200000 Mann. Für die Invaliden trug er Sorge, indem er das Juvalidenhaus zu Berlin erbaute.
Wie Friedrich alle Zweige der Staatsverwaltung leitete, überall persönlich eingriff und entschied, ist oben berichtet worden. Von besonderer Bedeutung ist seine Fürsorge für die Finanzen. Durch sorgfältige undUnanzm. sparsame Verwaltung hob er stetig die Staatseinkünfte. Um die Einnahmen aus der Accise zu steigern, berief er einige Jahre nach dem Hubertusburger Frieden französische Steuerbeamte und richtete mit ihrer Hilfe die „Regie" ein, d. h. eine Neuordnung der Zölle und Verbrauchssteuern. Für manche Verbrauchsgegenstände wurden die Abgaben erhöht,
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Das Zeitalter bei Emporkommens Preußens 1648 — 1786.
und außer dem Salz wurden nun auch Kaffee und Tabak für Regierungsmonopole erklärt, d. H. ihr Verkauf dem Staate vorbehalten, der bestimmte Personen damit betraute. Diese Bestimmungen, das Treiben der „Kaffeeriecher", die Verwendung französischer Beamten erregten viel Mißfallen und Unmut; zugleich wuchs der Schmuggel, der in den Zeiten der Einund Ausfuhrverbote überhaupt sehr verbreitet war.
Rechtswesen. Große Verdienste hat Friedrich auch um die Ausbildung des Rechts -
Wesens. Eine seiner ersten Taten nach seiner Thronbesteigung war die Abschaffung der Folter. Nachher war er stetig darauf bedacht, die Rechtspflege zu bessern; er darf als der Schöpfer des preußischen Richterstandes bezeichnet werden. „Vor der Justiz sind alle Leute gleich", sagte er; „ein Justizkollegium, das Ungerechtigkeit ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande." Die Abfassung des „allgemeinen
Landrechts" hat er von seinen ersten Regierungsjahren an betrieben; es wurde noch unter dem großen König vollendet, trat unter seinem Nachfolger in Wirksamkeit und ist erst 1900 durch das neue allgemeindeutsche „Bürgerliche Gesetzbuch" abgelöst worden.
Geistiges In religiöser Beziehung vertrat er den Grundsatz der Duldung.
c' ' „Die Religionen müssen alle toleriert werden", lautet einer seiner Randbescheide aus seinem ersten Negierungsjahre; „hier muß ein jeder nach seiner Fayon selig werden." Für die Pflege des geistigen Lebens
blieben dem König, der den größeren Teil der Staatseinnahmen für die Landesverteidigung aufwenden mußte, nur geringe Mittel übrig. Doch hat er die Zahl der Volksschulen vermehrt und auch dem höheren Schulwesen seine Sorge zugewandt. Unter seinen Bauten ist außer dem
Berliner Opernhause und Sanssouci vornehmlich das großartige Neue Palais bei Potsdam zu nennen, das er in den Jahren nach dem Siebenjährigen Kriege aufführen ließ.
Die deutsche über die neueren Erzeugnisse der deutschen Literatur urteilte er bis
Dichtkunst. ^ Einern Ende hart und absprechend. Und doch erblühte damals die deutsche Dichtkunst nach Jahrhunderte dauerndem Verfall zu neuem, herrlichem Leben. Zuerst war Klopstock ausgetreten, der Odendichter und Schöpfer des religiösen Epos „der Messias"; dann Lessing, der erste der großen deutschen Dramatiker und der erste große deutsche Prosaschriftsteller. Ihnen war ein noch Größerer, Goethe gefolgt, dessen „Götz von Berlichingen" sich freilich besonders scharfen Tadel von seiten Friedrichs zuzog; seit 1775 weilte er am Hofe des Herzogs Karl August von Weimar, der ihn einige Jahre später zu seinem Minister machte. Schon vor Goethe hatte Wieland, der Dichter des „Oberon",
Friedrichs auswärtige Politik in seinen letzten Jahrzehnten.
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seinen Wohnsitz nach Weimar verlegt, kurz nach ihm wurde Herder dorthin berufen. Zuletzt trat in diesen Kreis Schiller ein, Deutschlands größter Dramatiker. So wurde Weimar eine geweihte Stätte des deutschen Landes.
V
Friedrichs auswärtige Politik in seinen letzten Jahrzehnten.
§ 93. Die erste Teilung Polens. 1772. In der auswärtigen Politik bemühte sich Friedrich seit dem Hubertusburger Frieden im allgemeinen ein gutes Einvernehmen mit Katharina II. von Rnßland zu erhalten. Katharina war eine deutsche Fürstentochter, eine geborene Prinzessin von Anhalt-Zerbst. Über Sitte und Schicklichkeit meinte sie sich hinwegsetzen zu dürfen. Aber, geistvoll und willensstark wie sie war, hat sie für Rußland Hervorragendes geleistet; sie gehört zu den großen Frauen der Weltgeschichte. Sie war erfüllt von dem Gedanken an Eroberung. Für die Zukunft dachte sie sich gegen die Türkei zu wenden; zunächst tat sie Schritte, um Polen an sich zu reißen.
Polen war ein in politischem und wirtschaftlichem Verfall begriffener Polen. Staat. Seit es ein Wahlreich war, hatte das Königtum immer mehr an Macht verloren und die Gewalt war dem Adel zugefallen, der sie in selbstsüchtigster Weise ausnutzte nnd die rechtlosen, leibeigenen und verkommenen Bauern in empörender Weise bedrückte. Jeder einzelne adlige Landbote, d. h. Mitglied des Reichstages, hatte das Recht, durch seinen Einspruch einen Reichstagsbeschluß zu verhindern; so kam es, daß selten Beschlüsse zustande kamen, und daß Aufstände und Bürgerkriege sehr häufig waren. Diese Zustände benutzte Katharina. Sie bildete unter dem polnischen Adel eine russische Partei und besetzte einen großen Teil des Landes. Es war zu fürchten, daß ganz Polen an Rußland fiel; dann wären Danzig, Thorn und Posen russische Städte geworden.
Um dies zu verhüten, schlug Friedrich vor, daß sich sämtliche an Polen angrenzende Großmächte polnischer Provinzen bemächtigen sollten. Katharina und Joseph II., der 1765 seinem Vater Franz I. als deutscher Kaiser gefolgt war, gingen darauf ein. 1772 kam ein Teilungs-Erste Teilung vertrag zustande. Rußland erwarb große Strecken des östlichen Polens, Österreich Galizien, Preußen das einst dem deutschen Orden entrissene Westpreußen, doch ohne die Städte Danzig und Thorn, und dazu den Netzedistrikt. Seitdem nannte sich Friedrich König von Preußen.
Er verwandte auf die verwahrlosten Gebiete sogleich eine eifrige und erfolgreiche Arbeit. Deutsche Kolonisten wurden ins Land gerufen, der
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Das Zeitalter des Emporkommens Preußens 1648 —1786
Netzebruch ausgetrocknet, der Netzekanal gebaut, eine geordnete Verwaltung hergestellt. So wurden diese Gebiete für das Deutschtum und zugleich für die Kultur gewonnen.
^orto 4 § 94. Friedrich der Große und Joseph II. 1780 starb Maria
Theresia; sie hatte bis an ihr Lebensende in den österreichischen Erb-landen die Regierung geführt. In ihr schied eine edle Frau, eine vortreffliche Landesmutter aus dem Leben, unter deren sorgfältigem Walten Österreich trotz der Einbuße Schlesiens große Fortschritte gemacht hatte. Voll warmen Gefühls für ihre Untertanen, offen und treuherzig im Verkehr. hat sie viel Liebe genossen. Sie war eine rastlos tätige Herrscherin; nicht so geistreich wie Katharina, übertraf sie sie bei weitem durch ihre Sittenstrenge; sie war aufrichtig fromm und ihrer Kirche so ergeben, daß sie gegen die Protestanten hart war.
Joseph ii. Jetzt erst trat Joseph, dessen Wirkungskreis bisher sehr beschränkt ' gewesen war, die Herrschaft an. Ganz von dem Wunsch durchdrungen, seine Völker zu beglücken und an alle Verhältnisse des Staates die bessernde Hand anzulegen, begann er eine Reihe von Reformen, die teilweise sehr segensreich waren, aber mit der größten Überstürzung vorgenommen wurden; Friedrich der Große sagte von ihm, er tue immer den zweiten Schritt vor dem ersten. Er hob die Leibeigenschaft der Bauern auf, zog eine große Anzahl von Klöstern ein, gewährte den Protestanten Duldung. Da er bei seinem Vorgehen nirgend Rücksicht kannte und manche Rechte verletzte, so entstand bald vielfach große Erbitterung gegen ihn.
Auch nach außen wollte er Österreich groß machen; er dachte insbesondere Bayern zu erwerben. Diesen Plänen ist Friedrich der Große, der keine Vergrößerung seines Gegners auf deutschem Boden zugeben wollte, zweimal entgegengetreten. Zuerst kam es — noch vor Bayrischer Maria Theresias Tode — zu dem bayrischen Erbfolgekrieg; doch Erbfoigekrieg. h^sem Kriege keine Schlackten geschlagen worden, und er hat beim
Volke den Namen ..Kartoffelkrieg" erhalten. Nachher gründete Friedrich Fürstenbund.zur Abwehr der Absichten Josephs den deutschen Fürstenbund, dem sich aus Furcht vor der Willkürpolitik des Kaisers viele Fürsten anschlössen. Joseph mußte auch dieses Mal auf seine Pläne verzichten.
Tod Fried- Am 17. August 1786 starb Friedrich der Große zu Sanssouci.
Großen Auch in den Tagen der Krankheit hatte er die Arbeit für den Staat, 17i78b\Uft dessen Größe er begründet hatte, nicht ausgesetzt. Ihm folgte der Sohn seines verstorbenen Bruders August Wilhelm, Friedrich Wilhelm II.
Die Entiiehung der Bereinigten Sraalen oon Nordamerika.
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Unter Friedrich Wilhelm IV. ist dem großen König in Berlin ein von Christian Ranch geschaffenes Reiterdenkmal gesetzt worden.
Mit Friedrichs Tode endete ein Zeitalter der deutschen Geschichte: das Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus und des Emporkommens Preußens. Drei Jahre später brach die französische Revolution aus, deren Losung der Kampf gegen den Absolutismus war: und im Anschluß an sie begann eine Zeit der Weltkriege, durch welche Deutschland gänzlich umgestaltet, das alte Reich zerstört und Raum gemacht wurde für ein neues deutsches Reich.
Tic Entstchnng Dev Vereinigten Staate« von Nordamerika.
§ 95. Wenige Jahre vor Friedrichs Tode war jenseit des Ozeans ein Staat entstanden, dem eine große Zukunft beschieden sein sollte.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts waren an der Ostküste Nordamerikas zahlreiche Kolonien entstanden. Die nordöstlichen von ihnen faßte man unter dem Namen Neu-England zusammen; weiter nach Suden folgten New-Uork, Pennsylvanien, die Gründung des Quäkers William Penn, Virginien und andere. Der Kolonialbesitz der Engländer in jenem Erdteil war noch größer geworden, seit die Franzosen ihnen einerseits Canada, andrerseits die Länder am Mississippi hatten abtreten müssen.
Da entstand in den erstgenannten Kolonien eine Erhebung gegen Abfaü von die englische Herrschaft, und 1776 erklärten 13 Kolonien — von Neu- ^7766 England bis Georgia — ihre Unabhängigkeit. Ihr Feldherr war George Washington, ihr bedeutendster Diplomat Benjamin Franklin, der Erfinder des Blitzableiters. Sie fanden den Beistand Frankreichs, von wo zahlreiche Freiwillige, unter ihnen der Marquis von Lafayette, zu ihnen eilten. Im Jahre 1783, zwanzig Jahre nach dem Pariser Frieden, mußte England die Unabhängigkeit der Republik der Bereinigten Staaten anerkennen.
Der neue Staat nahm die Form der Bundesrepublik an. An Verfassung, der Spitze steht ein auf vier Jahre gewählter Präsident, ihm zur Seite der Kongreß, der sich aus zwei Häusern, einer Vertretung der Bundesstaaten und einer gewählten Volksvertretung, zusammensetzt. Der Sitz der Regierung ist Washington.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich die „Union" bis zum stillen Ozean ausgedehnt; sie wurde das Hauptziel der europäischen, insbesondere auch der deutschen Auswanberung und hat sich zugleich politisch wie wirtschaftlich gewaltig entwickelt.
Geschichtliche Tabellen
1519—1648 ! Das Zeitalter der religiösen Kämpfe.
Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
a) Das Zeitalter der Entdeckungen.
1498 j Entdeckung des Seewegs nach Ostindien durch Vasco
da Gama.
1492 ! Entdeckung von Amerika (Guanahani) durch Columbus.
Die erste Weltumsegelung; Magelhäes.
Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortez. von Peru durch Franz Pizarro.
b) Umwandlung des Heerwesens (Landsknechte, Schießpulver) und des Staatswesens (Sieg des Absolutismus über das Lehnswesen).
c) Das Zeitalter des Humanismus und der Renaissance.
d) Die Erfindung der Buchdruckerkunst.
e) Die Reformation.
Martin Luther zu Eisleben geboren.
Er bezieht die Universität Erfurt.
Er tritt in das Augustinerkloster ein.
Er wird an die Universität Wittenberg berufen.
Die 95 Thesen.
Verhör durch Cajetan zu Augsburg.
Disputation mit Eck zu Leipzig.
Verbrennung der Bannbulle.
1. Karl Y. und die Reformation.
A. von Maxis V. Thronbesteigung bis zum I Nürnberger Religionsfrieden.
/l521 ,8.April I Luther vor dem Reichstag zu Worms.
Das Wormser Edikt. Luther auf der Wartburg. Die Schwarmgeister in Wittenberg.
1483 io. Nov. 1501 1505
1517 31. Okt.
1518
1519 1520 10. Dez.
1519 — 1556 X 1519-1532
1. Karl V, unb die Reformation.
97
1524—1525
1526
1526
1529
1530
1532
1532-1545
Ulrich Zwingli und die Reformation in Zürich.
Erhebung und Tod Sickingens.
Der große Bauernkrieg.
Siege des Truchseß von Waldburg über die süddeutschen Bauern; Niederlage Thomas Münzers bei Frankenhausen.
Erster Krieg mit Franz I. von Frankreich.
Schlacht bei Pavia. Franz gefangen.
Erster Reichstag von Speier. Gründung evangelischer Landeskirchen.
Die Reformation in Preußen (Albrecht von Brandenburg), Schweden (Gustav Wasa) und Dänemark.
Ferdinand, Karls V. Bruder, erbt Ungarn und Böhmen. Türkenkriege (Suleiman).
Zweiter Krieg mit Franz I.
Plünderung Roms durch die deutschen Landsknechte.
Der zweite Reichstag von Speier; die Protestation.
Reichstag von Augsburg; die augsburgische Kon fession.
Der schmalkaldische Bund.
Tod Zwinglis bei Kappel.
Der Nürnberger Religionsfriede.
B. vom Nürnberger Religionsfriedcn bis zum Schmalkrcrldlfchen Kriege.
Die Wiedertäufer (Jan Matthys und Jan Bockelfon) in Münster.
Reformation in Württemberg (Ulrich), Brandenburg (Joachim II.) und Sachsen-Meißen (Moritz).
Heinrich VIII. von England füllt vom Papsttum ab.
Johann Calvin in Genf; die reformierte Lehre.
Karls V". Unternehmungen gegen Tunis und Algier.
Karls V. dritter und vierter Krieg mit Franz I.
Waffenstillstand mit Suleiman, der den größten Teil Ungarns behält.
Neubauer, Gejchichll. Lehrbuch. B. IV. 6. Aufl.
98
Geschichtliche Tabellen.
1545—1556
1546 1546 — 1547
1548
1552
1555
1556
1558
1556-1618
1588
1572
1589
1558 — 1564 1564 — 1576 1576 — 1612 '
C. vom Schmalkaldischen Jftrtege bis zum Augsburger Religionsfrieden.
Tod Martin Luthers zu Eisleben.
Der schmalkaldische Krieg.
Niederlage und Gefangennahme des Kurfürsten Johann Friedrich bei Mühlberg. Übertragung der Kur auf Moritz. /
Philipp von Hessen ergibt sich in Halle.
Das Augsburger Interim.
Belagerung von Magdeburg durch Moritz.
Moritz erzwingt von Karl V. den Passauer Vertrag. — Metz, Toul und Verdun fallen an Frankreich.
Moritz fällt bei Sievershausen im Kampf mit Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach.
Der Augsburger Religionsfriede.
Abdankung Karls V. Mailand und die Niederlande gehen an Spanien über.
Tod Karls in San Auste.
2. Das Zeitalter der Gegenreformation.
Das Konzil von Trient.
Der Jesuitenorden (Ignatius von Loyola).
Erneuerung der Inquisition.
Philipp II. von Spanien.
Abfall der Niederlande (Herzog Alba; Wilhelm von Oranten).
Unabhängigkeitserklärung der 7 nördlichen Provinzen.
Untergang der Armada. Elisabeth von England.
Religionskriege in Frankreich.
Ermordung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht.
Ermordung Heinrichs III., des letzten Königs aus dem Hause Valois; Thronbesteigung Heinrichs IV. (Bourbon).
Das Edikt von Nantes. '
Ferdinand I.
Maximilian II.
Rudolf II.
3. Ter dreißigjährige Krieg.
99
1612 — 1619 1618-1648
11618 1619 — 1687 1620
1629
1630
1631
1632
Die protestantische Union und die katholische Liga.
Der klevische Erb st reit zwischen Johann Sigismund von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg.
Rudolf wird durch feinen Bruder Matthias auf den Besitz Böhmens beschränkt. Der Majestätsbrief.
Matthias.
3. Der dreißigjährige Krieg.
a) Der böhmisch-pfälzische Krieg.
| Der Fenstersturz von Prag und der böhmische Aufstand.
Ferdinand II.
Wahl Friedrichs Y. von der Pfalz zum König v. Böhmen.
Schlacht am weißen Berge. Gewaltsame Bekehrung Böhmens zum Katholizismus.
Eroberung der Pfalz durch Tilly und die Spanier.
Übertragung der Kur auf Maximilian.
I b) Der niederfächsisch-dänische Krieg.
Sieg Wallensteins über Ernst von Mansfeld bei der Dessauer Elbbrücke, Tillys über Christian IV. von Dänemark bei Lutter am Barenberge.
Flottenpläne Wallensteins; vergebliche Belagerung von Stralsund.
Friede von Lübeck mit Christian IV.
Das Restitutionsedikt.
Wallensteins Absetzung.
c) Der Siegeszug Gustav Adolfs von Schweden.
Landung auf Usedom.
Eroberung von Magdeburg durch Tilly und Zerstörung der Stadt.
Gustav Adolfs Sieg bei Breitenfeld über Tilly; sein Siegeszug bis Mainz.
Sieg am Lech; Tod Tillys; Eroberung von München.
Gustav Adolf und Wallenstein bei Nürnberg.
Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen; Rückzug Wallensteins.
d) Der schwedisch-französische Krieg.
; Ermordung Wallensteins zu Eger.
100
Geschichtliche Tabellen.
1637 — 1657
1648
1648
1648—1786
1134 — 1320
1324 — 1373 — 1411
1411
1415—1701
1417 18. April
Sieg der Kaiserlichen bei Nördlingen.
Friede zu Prag zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten von Sachsen und" Brandenburg. Ferdinand III. X
Bernhard von Weimar im Oberelsaß. Sein Tod. Banör (Sieg bei Wittstock); Torstenson; Wrangel; Königsmark.
Eroberung der Kleinseite von Prag durch Königsmark. Der westfälische Krieg.
Das Zeitalter -es Gmporkommcns Preußens. Borgeschichte der Mark Brandenburg.
Die Askauier in der Mark.
Albrecht der Bär.
Waldemar; sein Krieg mit den Nachbarfürsten.
Die Wittelsbacher.
Ludwig. Der falsche Waldemar.
Die Luxemburger.
Karl IV. Fürsorge für die Mark.
Sigmund. Verpfändung der Mark an Jobst v. Mähren. Sendung des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg nach der Mark.
Die Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern.
Friedrich I.
Friedrichs feierliche Belehnung zu Konstanz.
Demütiguug des märkischen Adels. Hussitenkriege.
Friedrich II. der Eiserne. Demütigung der märkischen Städte.
Albrecht Achilles. Das achilleische Hausgesetz.
Johann Cicero. Pommerscher Erbvertrag.
Joachim I. Universität Frankfurt. Das Kammergericht.
Joachim II. uud Hans von Küstrin.
Joachims Übertritt zum lutherischen Glauben.
Erbvertrag mit den Herzögen von Liegnitz, Brieg nnd Wohlau.
Johann Georg.
Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst.
101
1230
um 1380 1410 14(36
1525
1648-1713
1040-1688
1648 1658 — 1705
1656
1660
1672 — 1679
1675 28. Juni
Joachim Friedrich.
Johann Sigismund.
Übertritt zur reformierten Lehre.
Erwerbung von Kleve, Mark und Ravensberg.
Erwerbung von Preußen nach Albrecht Friedrichs Tode.
Georg Wilhelm.
Vorgeschichte Preußens.
Der Hochmeister' Hermann von Salza sendet die ersten Deutschritter nach Preußen.
Blüte des Ordensstaates. Heinrich von Kniprode.
Sieg der Polen bei Tannenberg.
Friede von Thorn. Westpreußen fällt an Polen, Ostpreußen wird polnisches Lehen.
Säkularisation von Preußen durch den Hochmeister Albrecht von Brandenburg.
Das Zeitalter der Vorherrschaft Frankreichs.
Friedrich Wilhelm der große Kurfürst.
Gebietserwerbungen im westfälischen Frieden.
Kaiser Leopold l.\
Der schwedisch-polnische Krieg.
Bündnis mit Karl X. von Schweden gegen Kasimir von Polen; Sieg bei Warschau.
Verträge von Labiau und Weh lau; Zugeständnis der Souveränität in Preußen durch Schweden und Polen.
Friede von Oliva.
Der erste Raubkrieg Ludwigs XIV. gegen die
spanischen Niederlande.
Der zweite Raubkrieg; Angriff ans Holland (Wilhelm III. von Omnien). Der Kurfürst zieht den Holländern zu Hilfe.
Besiegung der in die Mark eingefallenen Schweden bei Fehrbellin; Eroberung von Schwedisch-Vorpommern.
Vertreibung der Schweden aus Preußen.
102
Geschichtliche Tabellen.
1679
1683
1685
1688—1713
1688
1701 18. Jan. 1701 —1714
1705 — 1711 1711—1740
Friedensschlüsse von Nimwegen und St. Germain; Rückgabe der schwedischen Eroberungen.
Die Reunionen Ludwigs XIV.
Überfall von Straßburg.
Die Türken vor Wien (Kara Mustafa, Starhemberg) und ihre Besiegung durch Karl von Lothringen.
Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV.; das Edikt von Potsdam; die Röfugiös.
Demütigung der preußischen Landstände durch den Kurfürsten. — Schaffung eines stehenden Heeres. — Neuordnung der Finanzen. — Fürsorge für Ackerbau, Gewerbe, Handel; Gründung einer Flotte, Anlegung von Kolonien.
Friedrich III. (I.)
Sturz Jakobs II. Stuart, Königs von England, durch Wilhelm III. von Oranten.
Der dritte Raubkrieg Ludwigs XIV. Verwüstung der Pfalz.
Türkenkrieg; Prinz Eugen von Savoyen.
Sieg von Zenta. Eroberung Ungarns.
Königskrönung Friedrichs I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte zu Königsberg.
Friedrichs Fürsorge für Wissenschaft und Kunst.
Der spanische Erbfolgekrieg. Philipp von Anjou, der jüngere Enkel Ludwigs XIV., und Karl, Leopolds I. zweiter Sohn.
Sieg des Prinzen Eugen und Marlboroughs bei Hochstedt; Leopold von Dessau.
Kaiser Joseph I.
Sieg Eugens bei Turin. Marlboroughs bei Ramillies.
Siege beider Feldherren bei Oudeuarde und Mal-plaquet.
Kaiser Karl VI.
Friede von Utrecht. Anerkennung Philipps V. Mailand, Neapel und die Niederlande fallen an Österreich.
Friedrich II. der Grvße.
103
1700—1721
1709
1713 — 1786
1713-1740
1720
1740 — 1786
1740 — 1780 1740 — 1742
1742 — 1745 1744—1745
1745 — 1765 1756 — 1763
1757
Der nordische Krieg. Rußland (Peter der Große), Polen (August der Starke) und Dänemark gegen Karl XII. von Schweden.
Sieg Karls XII. bei Narwa über Peter.
August der Starke wird zum Verzicht auf Polen gezwungen (Stanislaus Leßczynski).
Niederlage Karls XII. bei Poltawa; sein fünfjähriger Aufenthalt in der Türkei.
Tod Karls XII. vor Frederikshald.
Friede von Stockholm.
Die Entstehung der preußischen Großmacht. Friedrich Wilhelm I.
Erwerbung von Vorpommern bis zur Peene im Frieden von Stockholm.
Ausbildung des preußischen Heeres. — Ausbildung der Landesverwaltung. — Sorge für die Landwirtschaft und Gewerbe (Ein- uud Ausfuhrverbote). — Einführung der Schulpflicht.
Friedrich II. der Große.
Maria Theresia.
Der erste schlesische Krieg. Sieg bei Mollwitz (Schwerin). — Friede von Breslau: Erwerbung Schlesiens.
Der österreichische Erbfolgekrieg.
Kaiser Karl VII., Kurfürst von Bayern.
Der zweite schlesische Krieg. Unglücklicher Einfall in Böhmen. Sieg des Königs bei Hohenfriedberg, des alten Dessauers bei Kesselsdorf. Friede bei Dresden.
Kaiser Franzi., Gemahl der Maria Theresia.
Der siebenjährige Krieg.
Einfall Friedrichs in Sachsen. Sieg bei Lobositz über die Österreicher, Ergebung der Sachsen bei Pirna.
Einfall in Böhmen.
Sieg bei Prag.
104
Geschichtliche Tabellen.
5. November
6. Dezember
1758
1759
1760
1761
1762
1763
1765 — 1790 1772
1786 17. Aug.
Niederlage bei Kolin (Daun); Rückzug Friedrichs.
Sieg Friedrichs über Soubise und die Reichsarmee bei Roßbach.
Sieg über Karl von Lothringen bei Leuthen.
Sieg Ferdinands von Braunschweig bei Creseld.
Sieg Friedrichs über bie Russen bei Zorndorf.
Niederlage bei Hochkirch (Daun).
Besiegung Friedrichs durch Laudou und Ssaltikow bei Kunersdorf.
Siege Friedrichs bei Liegnitz über Laudon, bei Torgau über Daun.
Das feste Lager bet Bunzelwitz.
Sturz Pitts; Entziehung der englischen Subsidien.
Thronbesteigung Peters III. in Rußland; sein Sturz durch Katharina II.
Friede von Hubertusburg.
Kaiser Joseph II.
Die erste Teilung Polens; Friedrich erwirbt Westpreußen.
Joseph versucht Bayern zu erwerben. Der bayrische Erbfolgekrieg. Der Fürstenbund.
Friedrichs Kabinettsregierung. Seine Fürsorge für innere Kolonisation, den Ackerbau. Gewerbe und Handel (Kanäle).
Einführung der Regie.
Das allgemeine Landrecht.
Tod Friedrichs des Großen.
Buchdruckerei des Waisenhauses tu Halle a. d. S.
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it. Peterskirche in Nom mit den Kolonnaden des Bernini.
Grundriß der Peters kirche.
Inneres der Peterskirche.
Michelangelo, Moses. Am Grabmal des Papstes Julius II. in Rom.
Pieta von Michelangelo.
Die heilige Nacht von Antonio Allegri da Correggio.
Das Abendmahl des Lionardo da Vinci.
Tie Sixtinische Madonna von Raffael Santi.
Albrecht Dürer: Ritter, Tod und Teufel.
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Das Grab des heiligen Sebaldus von Peter Bischer.
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Peter Bischer: König Arthur von England.
(Am Grabmal Maximilians zu Innsbruck.)
Peter Bischer: Theodorich, der Ostgotenkönig.
(2lm Grabdenkmal Maximilians zu Innsbruck.)
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Frankfurt a. M. im 17. Jahrhundert.
Das von den Franzosen 1681 geraubte Straßburg.
Ruine des Heidelberger Schlosses: Otto-Heinrichsbau, begonnen 1556, deutsche Renaissance.
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Das Berliner Zeughaus.
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Dan. Pöppelmann (1662 —1736): Großer Pavillon des Zwingers in Dresden, atotofoftti.
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15
Das Bibliothekszimmer im Schloß Sanssouci.
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Erzstandbild des Großen Kurfürsten in Berlin von Andreas Schlüter.
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B. IV.
Das Denkmal Friedrichs des Großen in Berlin.
Von Rauch.
Boltaire. Friedrich d. Gr.
Adolf von Menzel: Friedrichs ^ (ttro&en Tafelrunde in Sansfouci.
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