5ittenverfall bei den Römern. 95 als sie in den Staatsschatz ablieferten. Dazu kamen häufig noch Er¬ pressungen durch habsüchtige und gewissenlose Beamte, durch die Prätoren und die sie begleitenden (Quästoren. Diese Mißwirtschaft zehrte ver¬ derblich am Marke der Provinzen. 3e mehr die Provinzen ausgewogen wurden, um so größere Reich¬ tümer flössen in Rom zusammen. Durch die regelmäßigen Abgaben der Provinzen sowie durch die ungeheure Kriegsbeute und die Kriegsent¬ schädigungen wurde der römische Staatsschatz so gefüllt, daß seit 168 keine Vermögenssteuer mehr von den römischen Bürgern erhoben wurde. Doch kamen mit dem vielen, oft sündhaft erworbenen Gelde auch allerlei Laster nach Rom. Die Gerichtshöfe, die seit dieser Zeit in Rom gegen Amtserschleichung, Unterschlagung, Erpressung, Testamentsfäl¬ schung, Meuchelmord und Giftmischerei eingerichtet wurden, legen beredtes Zeugnis von der um sich greifenden Sittenverderbnis ab. Wie die übrigen Provinzen durch ihren Reichtum, so wurde Griechen¬ land durch seine Kultur den Römern nützlich und schädlich zugleich. Die Bekanntschaft mit den wunderbaren Schöpfungen des griechischen Geistes wirkte wohltuend und veredelnd auf die rauhe Sinnesart der Römer. Die Meisterwerke der griechischen Literatur, die jetzt in den vornehmen Kreisen Roms, besonders in der $amilie der Scipionen, fleißig gelesen wurden, die herrlichen Erzeugnisse der griechischen Kunst, die als Beutestücke die öffentlichen Plätze Roms und die Privatwohnungen schmückten, erschlossen den Römern Rüge und herz für das Schöne und Edle in Kunst und Wissenschaft und reizten allmählich zur Nachahmung. Anderseits hatte diese Berührung mit griechischem Wesen auch nachteilige Wirkungen. Die Griechen waren längst entartet und unter ihrem Ein¬ fluß wurde die altrömische Zucht gelockert, der fromme Glaube an die Götter erschüttert, die (Einfachheit und Reinheit der Sitten untergraben. Gegen die überhandnehmende Sinnlosigkeit trat niemand kraftvoller auf als ItT. porciu 5 Cato (234—149). Da er in der Vorliebe für griechische Sitten die Wurzel alles Übels sah, war er den Griechen und allen Griechenfreunden, besonders den Scipionen, gram. (Er war der Erste, der ein Geschichtswerk in lateinischer Sprache verfaßte. Gleichwohl hat er sich noch im vorgerückten Alter eifrig mit der griechischen Sprache und Literatur beschäftigt, der deutlichste Beweis dafür, welche Macht die grie¬ chische Bildung damals schon in Rom besaß. Das bezwungene Griechenland bezwang seinen Sieger, wie horaz sagt. Ruf einem Bauerngut bei Tus- culum geboren und beim Pfluge aufgewachsen, bewies Lato im Kanni¬ balischen Krieg Itlut und kriegerische Begabung; später bewährte er sich auch als schlagfertiger Redner vor Gericht und im Senat. Trotz seiner vielen Gegner unter den vornehmen wurde er 195 zum Konsul erwählt. Rls