262 aufrecht zu erhalten, die er selbst gegründet hatte, und erschien zum zweiten Male mit Heeresmacht vor Athen. Thrasybul und die Seinigen geriethen hierüber in die äußerste Bedräng- niß, und ihre Sache schien verloren; da Plötzlich langte, gegen Lysander's Erwartung, auch der spartanische König Pausanias mit Heeresmacht an und focht gegen die Vertriebenen auf eine Weise, daß man wohl sah, er wolle ihren Untergang nicht. Ly- fander's Stolz hatte den König beleidiget, sein Ruhm ihn ei¬ fersüchtig gemacht; darum suchte Pausanias alle Maßregeln des übermüthigen Führers zu vereiteln. Er trat mit den Häup- tern beider Parteien, im Piräus und zu Athen, in geheime Ver¬ bindung, welche nicht nur den Frieden mit Sparta, sondern auch eine Aussöhnung jener Parteien zur Folge hatte. Die Negierung der Dreißig und der Zehn wurde abgeschafft, die spartanischen Truppen zurückgezogen, die Volksherrschaft wieder eingeführt und den Urhebern und Werkzeugen der früheren Ty- rannet verstattet, nach Eleusis auszuwandern. Alle Verbann¬ ten konnten in ihr Vaterland zurückkehren und erhielten ihre Guter wieder. Zugleich wurde eine allgemeine Verzeihung und Vergessenheit alles Geschehenen, die sogenannte Amnestie Qu/uvr]- cTtia) verkündet; und dieser Begriff ist von jenem Ereignisse bis auf unsere Zeiten in die Diplomatik übergegangen. Die Verfassung Solon's ward mit einigen zeitgemäßen Abänderung gen unter dem Namen „Euklidische Gesetzgebung", weil der Archon Euklid es dabei besonders thätig gewesen war, wieder- hergestellt. Allein der frische, rege Geist, der sie früher belebt hatte, kehrte mit den alten Formen nicht zurück. Athens uralte Größe und Herrlichkeit war auf immer dahin. Anklage und Hinrichtung des Sokrates 399 v. Chr. — Nichts hatte den Sturz Athens mehr beschleuniget, als das Verderbniß der Sitten, welches sich über alle Volksklassen ver- breitet hatte. Einen höchst traurigen Beleg zu dieser allgemei- nen Entartung gibt auch die Hinrichtung eines edelen Mannes, der fortwährend durch Lehre und Beispiel seine Mitbürger zu bessern gesucht hatte, des Sokrates. Sein Vater, Sophro- niskus, war Bildhauer, und er selbst trieb einige Zeit diese Kunst. Später aber ward er von einem unwiderstehlichen Hange zu philosophischen Betrachtungen hingezogen und lehrte