I. § 13. Die Kunst. 17 Größe auszudrücken. Und wie das ganze Volks- und Staatsleben nach unverrück- baren Regeln geordnet war (gerade wie die Natur des Landes), so behielt man auch in der Kunst Jahrtausende hindurch die einmal ausgebildete Form bei. Die ägyp¬ tischen Kunstwerke sind daher einander so.ähnlich, daß sie alle von einem und dem- selben Menschen gemacht sein könnten. Die Ägypter besaßen zwar ein großes Geschick in der Bearbeitung selbst der härtesten Steine, aber da es ihnen an den nöthigen mecha¬ nischen Erfindungen fehlte, konnten sie ihre ungeheuren Steinwerke nur durch eine ebenfalls ungeheure Menschenmenge zu Stande bringen und weiter transportiren. Eine beliebte Bauform in der älteren Zeit der Ägypter war die Pyramide. Diese ist ein vierseitiges Gebäude, dessen Grundfläche aus einem gleichseitigen Viereck besteht. Die 4 Seitenflächen sind Dreiecke, welche oben in eine Spitze zusammenlaufen, und immer nach den 4 Himmelsgegenden gerichtet sind. — Die Pyramiden sind Gräber der Könige der alten Zeit. Sobald ein König die Negierung an¬ trat, erbaute er sein Grab und errichtete einen Hügel darüber. Diese Hügel wurden, so lange der Erbauer lebte, fort und fort durch neue, ihnen umgelegte Steinmäntel erweitert. Dazu nahm man Bruchsteine oder Ziegeln aus gedörrtem Nilschlamm. In die von einem Herrscher vollendete Pyramide hatte sein Nachfolger nur den Sarkophag (Sarg) des Erbauers in die kleine Grabkammer einzulassen, zu welcher ein schmaler Gang führte. — Die ältesten Pyramiden sind die bei Memphis, über 40 an der Zahl, welche in einem Umkreise von 8 Meilen in Gruppen zerstreut Im Pyramidenfelde von Memphis. liegen. Die größten find die bei dem jetzigen Dorfe Ghizeh befindlichen, nach den Königen Chufu (griechisch Cheops) und Schasra (griechisch Chefren) benannt. Diese find über 700 Fuß auf jeder Seite lang und über 450 Fuß hoch. Dabei sieht man eine kleinere, die des Menkera (griechisch Mykerinos). Zur Pyramide des Schafra gehört ein ungeheures Bildwerk, nämlich ein Sphinxkoloß,*) ein mit aus¬ gestreckten Tatzen ruhender Löwe mit einem Mannskopse. Er ist aus dem Felsen gehauen, 117 Fuß lang und 65 Fuß hoch. Die Höhe des Kopfes allein beträgt 26 Fuß. Gegenwärtig ragt nur diefer aus dem Sande hervor, welcher das Übrige bedeckt. Ebenso alt wie die Pyramiden sind die Felsengräber in Mittelägypten am Abhänge der felsigen Hochebene, welche 2 Meilen westlich von Memphis mehrere Meilen lang sich hinzieht. Besonders berühmt sind diejenigen von Beni-Hassan, deren Wände mit Malereien bedeckt sind. Sie öffnen sich nach außen in einer Höhle, welche von Säulen getragen wird. Die F o r m der ägyptischen Säule ist meistens häufig vorkommenden Pflanzen, wie der Lotosblume, der Palme u. a., nachgebildet. Die Höhe der Säule beträgt 4 bis 5 Durchmesser. Die daranvorkommendenOrnamente(Verzierungen) haben gefällige Formen. § 13. Die Denkmäler des neuen Reiches. Die ägyptische Kunst blieb auch in dem neuen Reiche, welches von 1580 v. Chr. an gerechnet wird, dieselbe. Im Ganzen ist Alles einfach, ernst und eintönig. *) Koloß bezeichnet eine Riesenbildsäule. Döring, Gesch. d. alten Welt. 2