58 Der Latinerkrieg. Decius Mus. ni. § 30.
Der Latinerkrieg, 340—337 v. Chr. Die Latiner, welche
als römische Bundesgenossen am samnitischen Kriege teilgenommen hatten,
unterstützten jetzt für sich allein die von den Römern verlassenen Campaner.
Zu gleicher Zeit aber verlangten sie in Rom vollständige Gleichberechtigung
mit den römischen Bürgern, so daß ein Consul und die Hälfte des Senats
aus den Latinerstädten genommen werde. Darüber kam es zu einem Kriege
zwischen Rom und Latium, der'einem Bürgerkriege glich.
Die Römer, an welche sich die Samniter anschlossen, schickten 2 Heere
unter _ den Consuln Titus Manlius Torquatus und Publius
Decius Mus dem Älteren nach Campanien gegen die Latiner. Vor der
Schlacht übte hier Titus Manlius die ganze Strenge der römischen
Kriegszucht gegen seinen eigenen Sohn, welcher wider den Lagerbefehl auf
einem Streifzuge sich zu einem Kampfe mit dem Feinde hatte hinreißen
lassen. Obgleich er siegreich in das Zelt des Vaters kam, ließ dieser
von den Sichren das Todesurteil an ihm vollstrecken. Keiner der Soldaten
verging sich hinfort mehr gegen die Kriegsgebote. Den jugendlichen Helden
aber ehrte das Heer durch eine prächtige Leichenfeier, und die römische Jugend
versöhnte sich nie mit dem strengen Manne, der den eigenen Sohn ge¬
opfert hatte.
340 Am Fuße des Vesuv, welcher damals kein feuerspeiender Berg
v.Chr. war, kam es zu einer^enkscheidenden Schlacht. Der Consul Decius Mus
befehligte den linken Flügel. Schon begann dieser zu weichen. Da ließ
Decius Mus in Folge eines Traumgesichtes, das beide Consuln gehabt
hatten, von dem Oberpriester sich und zugleich die Legionen der Feinde als
Sühnopfer, s. § 10, den Totengöttern weihen. Im purpurbesetzten
Senatorengewande, mit verhülltem Haupte und auf einem Pfeile stehend,
sprach er dem Oberpriester die Worte der Totenweihe nach. Dann schürzte
er sein Gewand, waffnete sich und stürzte hoch zu Roß in die dichtesten
Reihen der Feinde. Bald sank er, von Geschossen durchbohrt, zu Boden.
Ihm nach drängten die Seinigen, von Siegeshoffnung erfüllt. Entsetzen ver¬
breitete sich unter den Latinern, und sie erlitten eine vollständige Niederlage.
Manlius Torquatus erfocht einen zweiten Sieg beiTrifanum,
und der latinische Bund löste sich in Folge davon auf. Bald- bezwangen
die Römer eine Stadt der Latiner nach der andern. Sie verhängten
über jede einzelne derselben ein sehr verschiedenes Schicksal: einige, wie Aricia,
Tusculum u. a., erhielten das vollständige römische Bürgerrecht, aber nur
mit StimmbML^Mng der Bürger, wenn sie nach Rom zogen rc.; andere
erhielten das Bürgerrecht ganz ohne Stimmrecht. Die Einwohner der unter¬
worfenen Städte durften nicht aus einer'Stadt in die andere heiraten u. dgl.
So wurden die Latiner klugerweise von einander getrennt gehalten.
337 Von dieser Zeit an standen die Kräfte deL Landes
v.Chr. Latium ganz und gar in den Diensten der Römer.
Ebenso machten die Römer auch die Herniker, Äquer und
Volsker zu Bundesgenossen. Die Küstenstädte Antium und Ter-
racin a wurden gezwungen, dem römischen Bürgerverbande beizutreten.
Mit den ehernen Schnäbeln (rostra) der in der alten Seeräuberstadt Antium
erbeuteten Schiffe wurde die Rednerbühne des römischen Marktes geschmückt;
daher der Ausdruck ante rostra (vor den Schnäbeln) sprechen.