146 Allgemeines über die Kultur der Römer. Pompeji. III. § 71
hohen Sinn welcher der eigenen Kraft vertraute und jeder Aufopferung für das
Vaterland fähig war. Daher müssen wir uns mit Bewunderung in das Bild ver¬
tiefen, welches nns der römische Staat in seiner Blütezeit, der Heit der pnnischen
Kriege, bietet.*) — In Rom galten jedoch nur Vaterlandsliebe Mut und
Kriegs thaten für Verdienste; auch der Ackerbau war ehrenvoll. Durch Handel
und Industrie dagegen konnte man nur geringe Auszeichnung erwerben durch geistige
und wissenschaftliche Bemühungen aber gar keine. Kunst und Poesie fanden des¬
halb lange keine Stätte bei dem verständigen, nüchternen Römervolke, und als es sich
ihrer Pflege zuwandte, entwickelte sich keine selbständige Kunstthätigkeit und Litteratur
bei chm. In der Kunst waren die Römer im Ansang Schüler der Etrusker und
später Nachahmer der Griechen. Ihre Litteratur fußt ganz und gar auf der Nach¬
ahmung der griechischen. Das Sinnen des ganzen römischen Volkes war eben vor¬
wiegend auf das Nützliche gerichtet.
Das Familienleben der Römer war edler als das der Griechen, namentlich
das der späteren Zeit. Die römische Hausfrau hatte eine ehrenvolle nnd geachtete
Stellung, sie war gebildet und nahm an dem geselligen Leben der Männer teil
Die römischen Frauen übten daher auch einen bedeutenden Einfluß auf die
Bildung der Nation aus.
Es ist uns vieles von der Kunst der Römer erhalten, was uns eine klare
Anschauung gewährt von dem Leben dieses Volkes. Den besten Einblick in dasselbe
erhalten wir aber durch die Ausgrabungen von Pompeji. Hier erfahren wir
genau, wie die Römer ihre Wohnungen gestalteten und ausschmückten. — Pompeji
lag wundervoll. Des Meeres Wellen rollten bis nahe an die Stadtmauern. Vom
Jupitertempel und von den oberen Reihen des Theaters aus war die Aussicht eine
überaus entzückende, wie sie es noch heute ist. — Als die Römer die Samniter be¬
siegt (f. § 30 u. f.) und Eampanien erobert hatten, war auch Pompeji in ihre
Gewalt gekommen. Es blühte durch Handel (Spedition) und Industrie und trat im
1. Jhrh. v. Chr. in die Zahl der Landstädte, in welche, wie nach Bajä, Neapel,
Puteöli, vornehme Römer sich zurückzogen, wenn sie sich dem Geräusche der Haupt¬
stadt entziehen wollten. — Pompeji besaß als Municipalstadt eine der römischen
nachgebildete Verfassung und selbständige Verwaltung. Es war ein Kleinrom. —
Im Februar 63 n.Chr. ward Pompeji durch ein Erdbeben betroffen. Durch
dieses bethätigten sich wieder die seit Jahrhunderten schlummernden Kräfte des Vesuv,
welche für erloschen galten. Eine große Anzahl Gebäude stürzte ein; viele Familien
nahmen das Wertvollste ihrer Habe mit sich und verließen die Stadt. Dieselbe wurde
danach aber rasch wieder ausgebaut und zwar ganz in dem Stile der damaligen
Zeit. Schon waren die Tempel und Theater wieder erbaut, und schon bewegte sich
79 wieder ein reges Leben in der verjüngten Stadt, da, — es war am 24. Aug.79 n.Chr.,
n.Chr. das Amphitheater Pompeji's war eben von einer schaulustigen Menge gefüllt, —
erfolgte der furchtbare Ausbruch des Vesuv. Dunkle Nacht, nur von zuckenden
Blitzen grauenvoll erhellt, hüllte die Gegend ein, über welche sich das Verderben
hinwälzte. Als nach 3 fürchterlichen Tagen bte Aschen- und Rauchwolken die Sonne
durchbrechen ließen, waren Pompeji, Stabiä und Herculanur^ vom Erdboden
verschwunden. — Von Plinius dem Jüngeren sind uns 2 Briese erhalten, in
welchen er das furchtbare Ereignis schildert.
Herculünum wurde von einem Lavastrom ganz bedeckt. Die Verschüttung
Pompeji's geschah durch einen Aschen- und Steinregen. Die Decke, welche
sich über Pompeji legte, ist jetzt mit ihren verschiedenen Schichten 7 bis 8 Meter
hoch, sie hat sich oben schon in fruchtbare Erde umgewandelt. Seit 1721 wird an der
Stadt ausgegraben, und sie ist jetzt ungefähr zum dritten Teile freigelegt. Von allen
Privathäufern stehen jedoch, mit wenigen Ausnahmen, nur die Erdgeschosse.
§ 72.
Die Kunst bei den Etruskern.
Die frühesten baulichen Denkmäler der Etrusker zeigen eine große Ähn¬
lichkeit mit den kyklopischen Denkmälern aus der pelasgischen Zeit der Griechen
f. II. §§ 61 und 63. Sie galten ebenfalls zumeist der Urbarmachung des Bodens,
*) Durch die hundertjährigen Bürgerkriege, ^welche mit Liberias Gracchus begannen,
wurden später die Achtung vor dem Gesetze und vor der Obrigkeit, Vaterlandsliebe
und Rechtssinn allmählich in dem ganzen römischen Volke zerstört.