Karl V. 155 die Verhandlungen leitete, die Weisung gegeben, in Sachen des Glaubens keine Änderung zuzulassen. Da jedoch der Kaiser mit dem Papste Kle- mens VIL in ein ernstes Zerwürfnis geraten war und im Osten die Türken drohten (S. 150), so gab Ferdinand seine Zustimmung zu dem Beschlüsse der Reichsstände, daß „bis zu einem Konzil jeder von ihnen in Sachen des Wormser Edikts sich so verhalten solle, wie er es vor Gott und kaiserlicher Majestät zu verant- Worten sich getraue". Daraufhin begannen mehrere Fürsten, wie Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Johann von Sachsen, als oberste Landes- bischöfe die kirchliche Umgestaltung, womit zugleich die Neuregelung des Schulwesens sowie der Armen- und Krankenpflege verbunden war. In den Städten, wo die Reformation durchdrang (Straßburg, Nürnberg, Ulm u. a.), nahm der Rat diese Aufgabe in die Hand. Diejenigen Untertanen, welche sich den Neuerungen nicht fügen wollten, wurden zur Auswanderung genötigt oder an der öffentlichen Ausübung ihres Bekennt- nisses gehindert, wie anderseits in den Territorien katholischer Stände die Evangelischen auf Grund des Wormser Edikts gewaltsam niedergehalten wurden. f) Der zweite Reichstag zu Speier und die Entstehung des Namens „Protestanten". Nachdem Karl V. sich mit dem Papste ausgesöhnt hatte (S. 150), schrieb er einen zweiten Reichstag nach Speier aus. 1529 Wiederum führte sein Bruder Ferdinand den Vorsitz. Der Kaiser ver- langte kurzweg die Aufhebung des Reichsabschieds1 vom Jahre 1526. Doch die Mehrheit beschloß, daß diejenigen Stände, welche das Wormser Edikt bisher beobachtet hätten, dabei bis zum Konzil verharren, die übrigen aber von weiteren Neuerungen Abstand nehmen und den katho- lischen Gottesdienst in ihren Gebieten gestatten sollten. Da hierdurch der Reformation Einhalt geboten wurde, so erhoben die lutherischen Fürsten und Städte Protest (Einspruch) und wurden daher in der Folge Protestanten genannt. g) Luther und Zwingli. Die Spaltung der Protestanten in Lutheraner und Reformierte. Fast gleichzeitig mit Luther trat in der Schweiz Ulrich Zwingli, Prediger am Großen Münster in Zürich, als Reformator auf. Er gewann den Rat dieser Stadt für sich. Außerdem schlössen sich ihm Bern und Basel an, während die Urkantone dem alten Glauben treu blieben. Auch in die süddeutschen Städte (Ulm, Augsburg, 1 Unter Reichsabschied versteht man die Zusammenfassung sämtlicher Beschlüsse eines Reichstages.