Astyages. Cyrus' Geburt. Harpagos. 103 „Und was gedenkst du zu thun?" fragte diese. Er antwortete: „Ich werde dem Astyages nicht gehorchen, und wenn er noch zehnmal ärger wüthete; denn wenn er stirbt, würde mich da nicht Mandane zur Rechenschaft ziehen, daß ich ihr Kind getödtet hätte? Sterben soll es zwar, aber nicht durch mich." Er schickte zu einem der königlichen Rinderhirten und ließ ihn zu sich kommen. „Sieh, hier ist das Kind!" sprach Harpagos; „Astyages befiehlt dir, es im ödesten Gebirge auszusetzen, damit es sobald wie möglich sterbe. Zugleich läßt er dir sagen, daß du des schrecklichsten Todes sterben solltest, wenn du es auf irgend eine Weise am Leben erhieltest. Hörst du?" — Der Hirt verneigte sich, versprach Alles und ging mit dem Kinde weg. Als er nach Hause kam, hatte seine Frau indessen auch ein Kind bekommen, aber ein todtes. Sie fragte ihn gleich, was er in der Stadt gesollt habe. Da erzählte er ihr Alles und fügte hinzu, er habe aus dem Wege erfahren, daß das arme zum Tode bestimmte Kind ein Sohn der Mandane sei. Die Frau schlug in ihre Hände, und als sie erst das kleine Kind sah, wie es wohl¬ gebildet und freundlich dalag, umfaßte sie die Kniee ihres Mannes und bat unter vielen Thränen, daß er es doch nicht aussetzen möchte. „Das muß ich durchaus," antwortete er; „wie würde es mir sonst ergehen! Mir ist der fürchterlichste'Tod gedroht, wenn ich es nicht thäte, und Harpagos will selbst kommen und nachsehen." Da entdeckte ihm die Frau, daß sie indessen ein todtes Kind be¬ kommen habe, und bat ihn inständigst, dieses statt des kleinen Prinzen auszusetzen; das könne nie entdeckt werden. Der Hirte besann sich, er willigte endlich ein. Dem kleinen Prinzen wurden die schlechten Kleider des Hirtenkindes angezogen, und dagegen das todte Kind in die goldenen Kleider des Prinzen gesteckt, dann hinausgetragen und hingelegt. Nach einigen-Tagen lief der Hirte in die Stadt zum Harpagos. „Das Kind ist todt," sprach er; „komm selbst und siehe!" — Harpagos war aber dazu zu bequem; er schickte einige treue Leute hin, welche die Nachricht bestätigten und das Kind begraben ließen. So wuchs das wunderbar erhaltene Kind auf, wurde groß und stark, schön und klug, und erreichte bereits das zwölfte Jahr, als — seine Herkunft dennoch entdeckt wurde. Er spielte nämlich eines Tages mit andern Kindern. Einer sollte König sein und die andern seine Minister, Soldaten u. s. w. vorstellen. Da nun der Hirtenknabe der Klügste unter ihnen war, so wurde er zum König