73 die Eidesleistung an den Papst vor der an den Kaiser (vor dem Staatseide), den Nichtkatholiken gewährte er die Ausübung ihrer Religion. Alle Klöster (gegen 800) hob er auf, die sich weder mit der Jugenderziehung noch mit der Krankenpflege beschäftigten, sondern ein beschauliches Leben führten. Regte der Kaiser durch diese Maßregeln die Geistlichkeit auf, so beunruhigte er durch Eingriffe in den Kultus das gesamte Volk, das sich durch die Beschränkung der äußeren Ausstattung des Gottesdienstes, der Prozessionen u. a. in der Übung seines Glaubens gehemmt sah. Im Staat wollte der Kaiser die niederen Klassen durch gemeln- nütz ige Anstalten, wie Kranken- und Irrenhäuser, Findel- und Waisen- anstalten unterstützen und durch Beseitigung der Vorrechte der ersten Stände heben. Daher schaffte er die Leibeigenschaft ab und unterwarf den Adel einer gleichen Besteuerung mit dem Bauer. Da in wenigen Jahren alle Verhältnisse von Grund aus umgestaltet wurden, so geriet die Bevölkerung in gewaltige Erregung. In Ungarn und in den Niederlanden, wo Joseph insbesondere auch die ständischen Rechte verletzte, brach ein Aufstand aus, den er nicht zu überwinden vermochte. Der Gram über das Mißlingen seiner wohl- gemeinten Pläne und redlichsten Absichten beförderten feinen Tod (1790). Sein ihm im Kaisertum wie im österreichischen Staate folgender besonnener Bruder Leopold II. (1790—1792) wußte durch Zurücknahme der meisten Neuerungen die Ruhe wiederherzustellen. Die kirchlichen und staatlichen Reformen Josephs IL waren gescheitert; doch wirkte die geistige Befreiung nach dem langen Drucke der Jesuiten- Herrschaft wohltätig fort. Sie war im höchsten Maße notwendig, wollte Öfter- reich (Deutfch-Öfterreich) nicht die Fühlung mit dem protestantischen Norden verlieren. Österreichs Anteil an dem Aufschwung der deutschen klassischen Literatur des 18. Jahrhunderts war äußerst gering, dagegen hat es, nach- dem im Norden Johann Sebastian Bach (^ 1750 als Kantor der Thomas- schule in Leipzig) und Georg Friedrich Händel (aus Halle, f 1759 zu London) aus protestantischem Geiste heraus in der kirchlichen Musik das Höchste geleistet hatten, eine freie weltliche Musik (die klassische Musik) ausbilden helfen. Gluck und Joseph Haydn lebten zuletzt in Wien, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven schufen hier ihre unsterblichen Werke. 2. Ueriode. Die Begründung der preußischen Großmacht. Der österreichischen Großmacht gegenüber entstand im deutschen Reich der preußische Großstaat, der durch die Gunst der Umstände und die Kraft seiner Fürsten ebensosehr zum Hort des Protestantismus wie des deut- schen Wesens gemacht ward.