— 126 — das brauchte, was sie selbst der Natur abgewann! Über die S t a d t - Wirtschaft des Mittelalters, da Wirtschaft und Gütertausch sich auf das Stadtgebiet beschränkten, und die Volkswirtschaft der Neuzeit, die ihren Kreis bloß über den Staat zog, haben wir die Stufe der Weltwirtschaft erreicht. Sie steht im Zeichen des Welthandels und des Weltverkehrs: wir kleiden uns etwa in Stoffe aus indischer Baumwolle, essen Brot aus russischem Roggen oder argentinischem Weizen, genießen Kaffee aus Java, Wein aus Ungarn oder Apfelsinen aus Spanien, wir arbeiten mit einer Schreibmaschine aus Frankreich oder einer Nähmaschine aus Amerika und lesen eine englische Zeitung! Fassen wir die wirtschaftlichen Haupterschei- n u n g e n unserer Zeit zusammen, so ergeben sich als ihre Merkmale: 1. Die Steigerung der Gütererzeugung und die Ver- mehrung des Volksvermögens. 2. Das Auftreten wirtschaftlicher Vereinigungen (Genossenschaften), sowie eine ausgedehnte Kreditwirtschaft. 3. Das Sinken der Preise als Folge der Massenfabrikation und das Steigen der Löhne durch den wachsenden Bedarf an Arbeitskräften; in gleichem Maße sinkt auch der Wert des Geldes. 4. Das Sinken des Handwerks- betriebes und das Anwachsen einer wirtschaftlich schwachen Fabrikbevölkerung (soziale Frage). 5. Die Steigerung der Lebensansprüche in allen Schichten der Nation. § 167» Das geistige Leben. DieWissenschaften blühen in unserer Zeit, wie nie zuvor. Glänzend bewährt vor allem Deutsch- land seinen Ruf als „Land der Denker". Einen gewaltigen Auf- schwung haben die Naturwissenschaften genommen; kein Gebiet, keine Erscheinung entzieht sich der Forschung der Gelehrten. Mit großem Erfolge ringt die Medizin gegen die unsichtbaren Feinde des menschlichen Lebens: Wundbrand, Tollwut und besonders Diphtherie, einst der Würgengel der Kinderwelt, sind von ihr besiegt worden, und mit heißem Bemühen sucht sie nach Mitteln gegen Schwindsucht und Krebs. Auch die Chemie kommt der Volks- gesundheit mächtig zu Hilfe. Von den darstellenden Künsten strebt am mächtigsten die B a n k u n st auf, die stark gefördert wird durch den wachsenden Reichtum der Bevölkerung. Bemerkenswert ist die Vorliebe unserer Zeit für Denkmäler und Steinschmuck jeder Art; sie bietet der Bild- h a u e r e i ein reiches Feld der Betätigung. Namhaft sind die Lei- stungen in der M a l e r e i, der schönsten der Künste; Künstler, wie Menzel, der feine Schilderer der Wirklichkeit, B ö ck l i n, der Meister stimmungsvoller Phantasiestücke, L e n b a ch , der große