Deutschland am Ende des Dreißigjährigen Krieges. 49 durch Krieg und Pest etwa auf die Hälfte gesunken, der Viehstand war vernichtet, Ackerbau, Handel, Gewerbe lagen darnieder, und die Schächte verfielen. Wenn trotzdem das erschöpfte Land sich immerhin bald er- holte, so waren daran auch die aus Österreich und Böhmen zuströmenden Protestanten (etwa 150000) schuld, die teils ganz neue Orte grün¬ deten, wie Johanngeorgenstadt und Neusalza in der Oberlausitz, teils in vielen Städten „böhmische Gemeinden" und „böhmische Gassen" schufen. Aanim Bald auch erstarkten Handel und Gewerbe wieder; in den zahlreichen Orten des Erzgebirges, wo die Silberausbeute eine geringere wurde, griffen die Bewohner zur Serpentindrechselei, Posamentenfabrikation, Herstellung von Musikinstrumenten und anderen Industriezweigen. Durch die Erwerbung der Nieder- und Oberlausitz wurde Sachsen um etwa 10000 qkm vergrößert. Diese Gebiete, in denen sich stellen- weise das Wendentum behauptet hatte (Wendei), waren in alten Zeiten schon wettinisch gewesen, hatten dann teils zu Brandenburg, teils zu Böhmen gehört und waren dann kaiserlich geworden. Die Niederlausitz war freilich in der Entwicklung hinter der Oberlausitz zurückgeblieben; hier gelangten die sogenannten „Sechsstädte" Bautzen, Zittau, Löbau, Kamenz, Görlitz und Lauban zu großer Selbständigkeit Lausig und Macht, die selbst der Adel spüren mußte. Die Tuchmachern be¬ schäftigte Taufende der Bewohner, dazu gesellte sich die Leineweberei, die nach dem Dreißigjährigen Kriege ihre Erzeugnisse sogar nach Eng- land ausführte. Da der Kurfürst von Sachsen bei der Übernahme der Lausitzen sich hatte verpflichten müssen, ihre Landes- und Kirchen- Verfassung nicht anzutasten, so konnte die Reformation, die namentlich in den Städten der Lausitz viele Anhänger gesunden hatte, nicht gesetzlich eingeführt werden. Daher kommt es, daß noch heute dort viele Katholiken wohnen, daß Bautzen noch einen Bischof und ein Domkapitel besitzt und daß sich in der Lausitz noch die beiden Klöster Marienstern und Mariental befinden. Beide Konfessionen lebten aber durchaus friedlich nebeneinander, ja, sie benutzten sogar — wie noch heute — die Petri- tirche in Bautzen gemeinsam zu ihren Gottesdiensten (Simultankirche). Neubauer-Seyfert, Lehrb. d. Geich. II. 4