Der Deutsch-Französische Krieg. 1870 — 1871. 177 Fürsten bie Mobilmachung ihrer Truppen und unterstellten sie, den Ver- trägen getreu, dem Oberbefehl des Königs von Preußen. Nun hieß es: Allbeutschlcmb in Frankreich hinein! §157. Der Aufmarsch der Armeen. Die französische Feld- armee betrug etwa 350000 Mann. Sie war dadurch innerlich von ben deutschen Truppen verschieden, daß in Frankreich der Grundsatz der Stell- Vertretung, also nicht bie allgemeine Wehrpflicht galt; bie Besitzenben pflegten sich loszukaufen unb hielten sich von ber Armee fern. Mit großer Schnellig- keit würben bie Truppen nach ber Grenze gesanbt unb waren dort ver- sammelt, ehe die deutschen Heere herangekommen waren; aber obwohl der Kriegsminister Leboeuf in der Kammer auf die Frage nach der Kriegsbereit- schüft geantwortet hatte: „Nous sommes archipröts", herrschte die größte Unordnung, die Verpflegung war ungenügend, so daß die Mannschaften teil¬ weise Hunger litten, und die Ausrüstung war keineswegs vollendet. Die französische Armee wurde von bem Kaiser Napoleon selbst besehligt, ob- wohl er krank war; in Paris führte inbessen bie Kaiserin Eugenie bie Regentschast. Die französische Kriegsleitung hatte ben Plan gehabt, schnell mSISl über ben Rhein in bie Mainlanbe einzudringen; wenn man hier einige Er¬ folge erzielt hätte, hoffte man, daß Österreich und Italien ebenfalls den Krieg erklären, daß die süddeutschen Staaten sich Frankreich anschließen, ja, daß in den 1866 annektierten norddeutschen Gebieten Volkserhebungen ein- treten würden. Die Ausführung scheiterte, abgesehen von der Vertragstreue ber Süddeutschen, schon daran, daß die sranzösische Armee nicht fertig aus¬ gerüstet war. Daß sich aber auch später Österreich und Italien am Kriege nicht beteiligt haben, verdanken wir in erster Linie der Schnelligkeit unsrer Siege, in zweiter dem Umstand, daß Rußland eine Deutschland wohlwollende Haltung einnahm. Die deutschen Feldtruppen betrugen rund 500000 Mann; ®l|trb^tJ1?e" im ganzen haben im Lause des Krieges 1 100 000 Mann die französische Grenze überschritten. Das preußische Zündnadelgemehr trug nicht so weit wie der sranzösische Chassepot. Dagegen hat sich unsere Artillerie als be- deutend besser denn die feindliche erwiesen; auch die französischen Mitrail- leusen haben die großen Hoffnungen, die man auf sie setzte, nicht erfüllt. Die Hauptsache war, daß unser Heer das Volk in Massen darstellte, das sür sein Vaterland focht, und daß es von einem besseren und ernsteren Geiste erfüllt war als die Mehrheit der französischen Truppen; sodann daß unser Offizierkorps an allgemein wissenschaftlicher wie militärischer Durchbildung das französische weit überragte; endlich daß die meisten unserer Neubauer-Seyfert, Lehrb. d. Gesch. II. 12