106 Die Deutschen. 3. Deutsche Fürsten- und Länöergeschichte. § 128. Dritte Periode. Vom großen Interregnum bis zur Reformation. Von 1254—1517. Zerfall des Reiches, Bildung der österreichischen Großmacht. Deutsche WrsteN' und Wndergeschlchte. § 128. Innerer Zustand des Reiches. Nachdem der letzte der „Pfaffenkönige", Wilhelm von Holland, den der Papst selbst „unser Pflänzlein" nannte, im Kampfe gegen die Friesen umgekommen war, hatten die mächtigen Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, welche den Haupteinfluß bei den Wahlen hatten, aber oft unter sich selbst uneinig waren, die Krone gar um Geld und Verheißungen an Fremde verkauft. So wurden ein Bruder des englischen Königs, Richard von Cornwallis, und der König Alfons von Castilien gleichzeitig gewählt. Von ihnen kam Alfons nie nach Deutschland; Richard kam einigemal. Ansehen hatte er aber nur so lange, als er Geld und Güter zu verschenken hatte. Inzwischen aber vollzog sich die Zersetzung des alten Reiches, die sich freilich schon lange vor- bereitet hatte, in eine Menge kleiner Reichsgewalten. Da waren Herzöge, d. h. Herren über größere Gebiete, die aber an die früheren Stammesherzöge nur durch ihren Namen erinnern. Da waren zahl- reiche Grafen, Landgrafen, Markgrafen, Pfalzgrafen, Fürsten, von denen die mächtigsten nach dem Titel eines Herzogs strebten und ihn allmählich auch errangen, ferner freie Reichsritter, die auf ihren oft sehr kleinen Gebieten nur den Kaiser als Herrn über sich anerkannten. Zu diesen kamen die freien Reichsstädte, damals schon über 60, die ebenfalls ihre eigene Regierung hatten; und endlich die geistlichen Herren, die Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Ordensmeister. Sie alle nahmen für ihre kleinen Gebiete (Terri- tonen) das Fehderecht in Anspruch, und so war Deutschland ein Sitz der Verwirrung, denn meift war das Fehderecht nur der Vorwand zu räuberischen Einfällen ins Nachbargebiet. Wohl straften tüchtige Kaiser und Landesfürsten oder mächtige Städte solche Raubritter mit dem Strang auf den Trümmern ihrer gebrochenen Festen; aber so lange kein mächtiger Arm durch das ganze Reich Ordnung schaffte, wandte sich der heruntergekommene Adel immer wieder dieser letzten Erwerbsquelle zu. Das war „die kaiserlose, die schreckliche Zeit" des 1254-1273. Zwischenreichs, des Interregnums, in welcher Deutschland hätte untergehen müssen, wenn die Zustände in den Nachbarstaaten viel bessere gewesen wären. So fühlten sich viele in der allgemeinen Ver-